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Wilsdruffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das «WUidrufter Lagrdlatl- erlcheinl an allen Werklagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— BM. jrei Han«, de, Poftdestellung 1,80 «M. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten, Posü n°hmen^i-Ä-°"ei^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend 8"^»^^**** Krieg oder ionstiger Be-- rlebsNorungen besteht Kerr Aniprucy aus Lieferung der Leitung oder Kürzung des LezugspreiskL. — Rücksendung eingesandier Schriftstücke erfolc' nur. wenn Porto deiliegt. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Am1s- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt 4 für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8geixclitn« Rovwzeile 20 Rpfp., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Rachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Dor- geschriedcneLr«cheiuungs. t- -age und Platzvorlchristen werden nach Möglichkeit AMI O berücksichtigt. , Anzeigen annahme bisvorm.10Uhr. ' Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen üdcrn. nni keine tbarannr. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag dirch Klage eingezogen werden must oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Nr. 245 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 18. Oktober 1932 Hinter dem Ladentisch. Immer wieder, seit im August vorigen Jahres die Großsubventionen des Reiches für die Banken und be stimmte, vor allem auf Großbetriebe eingestellte Teile der deutschen Wirtschaft in rascher Folge zur Verfügung ge stellt wurden, seit außerdem die Garautiezusagen des Reiches sür weitere Großunternehmungen sich geradezu drängten, ist mit Recht aus den Kreisen dermittleren und kleinen Industrie, des gewerblichen und kauf männischen Mittel st andes, des Handwerks, kurz »der Kleinen" in der Wirtschaft gerufen worden: Ja, und wo bleiben denn wir? Stellen wir in unserer Ge samtheit einen minder lebenswichtigen Teil der deut schen Wirtschaft dar als die Großbetriebe? Sind wir von der kleineren und mittleren Industrie nicht überhaupt ein volkswirtschaftlich bedeutsamerer Teil, weil vor allem in unseren Händen die Qualitätserzeugnng liegt und wir überdies, nämlich gerade deswegen, auch verhältnis mäßig mehr Arbeiter und Angestellte beschäftigen als unsere Großkollegen mit ihrer Massenproduktion! Be werkstelligen wir kleineren und mittleren Einzel- Handelsbetriebe nicht auch heute noch den größten Teil der Gütervertcilung an den Konsumenten! Viel leicht ist es übertrieben, aber sehr viel Wahres ist doch daran: Einer der größten Kreditgeber, nämlich ein solcher „über den Ladentisch hinweg", ist der kaufmännische und gewerbliche Mittelstand, soweit er Einzelhandelsgeschäfte betreibt. Er muß in weitestem Umfange den Kunden pumpen und riskiert dabei viel, kriegt dafür aber nicht einmal Zinsen und — stößt meist auf die übliche „kalte Schulter", wenn er selbst Kredite benötigt und um sie nachsucht. Es hat in den Kreisen der „Kleinen" und Mittleren eine unsagbar tiefgehende Erbitterung erregt, daß man ihnen meist schwerste, meist unerfüllbare Kreditbedingungen stellte, die auf eine Ab lehnung des Kreditgesuches hinauslaufen mußten, während man den „Großen" den Kredit geradezu nach warf. Dafür hat sich aber bei den Großbanken, als diese im Anfang dieses Jahres „Bilanz machten" und ihre Kreditnehmer einmal genau nachprüften, sehr bald her ausgestellt, daß verhältnismäßig viel mehr Großkunden „faul" waren als die Kreditnehmer kleinerer und mittle rer Art Und damals schon sprach ein Reichsfinanz minister von der Notwendigkeit, den Kredit auf breitere Schultern zu verteilen. Inzwischen ist das Reich doch Herr der Großbanken geworden,und deswegen richtet sich jetzt an das Reich direkt der Ruf der kleinen und mittleren Industrie, des kauf männischen und gewerblichen Mittelstandes und des Hand werks nach einer volkswirtschaftlich besseren Kreditvertei- lung. Was ist z. B. aus dem P e r s o n a lk r e d it ge worden, der früher für große Teile der Wirtschaftenden, namentlich in den kleinen und mittleren Städten, wesent lichste Kreditstütze war? Er existiert ja überhaupt gar nicht Mehr oder hier und da höchstens noch in Trümmern! Nun hat der Kanzler in seiner Paderborner Rede gleich im Anfang seiner Ausführungen erklärt, daß sein Pro gramm „keineswegs für die Großen allein bestimmt" sei; „gerade die mittleren und kleinen Betriebe wer den durch die Maßnahmen der Reichsregierung gefördert und gestützt". Das ist insofern richtig, als hier ja die Steuergutscheine wirksam fein sollen, — aber wenn der Kanzler weiter erklärte, das, was die Neichsregierung wolle, sei „ausgesprochene Mittelstandspolitik", dann muß auch eine bessere kreditpolitische Berücksichtigung des Mittelstandes endlich durchgeführt werden, wenn jenes „Wollen" in ein Handeln umgesetzt werden soll! In kleineren Dosen ist manches bereits geschehen, anderes in Vorbereitung. Für die Belebung der Bauwirt schaft und des Baugewerbes im besonderen sind durch die Notverordnung zusammen 100 Millionen bereitgcstellt worden; auch die Bank für Jndustrieobligationen ist an gewiesen, aus den künftigen Eingängen der Industrie- Umlagen schon jetzt Kredite für den Mittelstand bereit zustellen. Und schließlich — was einer, wie oben erwähnt, ganz besonders dringenden Förderung des Mittelstandes entsprechen würde — soll die geplante Reform der Banken aufsicht des Reiches auch die krcditpolittsche Linie dieser Großinstitute mehr zugunsten des bisher so arg vernachlässigten oder fchlecht behandelten Mittelstandes abbiegen. " Wenn nur die Sparkassen, diese „Banken des kleinen Mannes", heute wieder so funktionieren könnten vne früher. Aber noch schleppen sie aus dem Ansturm der vergangenen zwölf Monate eine fchwcre Wechselfchuld bei der Akzept- und Kreditbank — also letzten Endes bei der Reichsbank — im Betrage von einer Milliarde mit sich herum, und diese Fessel hindert sie, sich ihrer kreditpoliti schen Hauptaufgabe, nämlich der Gewährung von Klein krediten, sich so zu widmen, wie sie es im eigenen Interesse wünschen. Denn sie wissen, daß man am liebsten sein Geld dort hinbringt, wo man einigermaßen sicher sein kann, im Bedarfsfälle auch was gepumpt zu erhalten. Gerade deswegen scheint man nun auch davon ab- gckommen zu sein, die Sparkassen mit „der Kredit beschaffung für ein zusätzliches Arbeitsprogramm" zu be lasten, die ihr die Erfüllung ihrer Hauptaufgabe, nämlich die Pflege des Klcinkredits, unmöglich gemacht hätte. Wmk ElMmg mi> Mhmllg. Deutschland lehnt Genf erneut ab. Der englische Geschäftsträger in Berlin, Newton, suchte den Rcichsaußenminister von Neurath auf und schlug ihm in einer Unterredung erneut Genf als Konferenzort für die vorgesehene Viermächtekonferenz vor. In der Besprechung erklärte der Rcichsaußenminister unter ein gehender Begründung wiederum, daß Genf für Deutsch land nicht annehmbar sei. * Lin Appell Macdonalds an Deutschland. Der englische Ministerpräsident Macdonald hielt inLondon eine bedeutsame Rede über die Abrüstungs- und Gleichberechtigungsfrage. Er betonte u. a.: Wir wollen, daß die Abrüstungskonferenz etwas gut und richtig Festgelegtes wird, und nicht etwas, das nur zu der for mellen moralischen Scheidemünze der Welt gehört. Ich wünsche eine Abrüstung, die ein wirklicher Beitrag zu dem Problem, den Frieden zu bereiten, ist. Das Schlüsselwort unserer Politik ist nicht Wiederaufrüstung, sondern Ab rüstung. In diesem Zusammenhang möchte ich sagen: Deutschland Weitz sehr gut und hat es schon seit einiger Zeit gewußt, daß England sich nicht dem deutschen Wunsch widersetzt, als gleichberechtigt auf der Abrüstungskonferenz betrachtet zu werden. Alles zielt auf die Notwendigkeit hin, eine allgemeine Vereinbarung über die deutsche Forderung zu sichern. Bei der Vorbereitung des zu er zielenden Abkommens sollte Deutschland einsehen, daß es anwesend sein muß, um mit uns allen in einen Meinungsaustausch zu treten. Unser Wunsch ist, daß wir alle am Ende unserer Be sprechungen wie eine Abordnung vor die Abrüstungs konferenz hingehen und sagen können: „Ihr seid stecken geblieben. Es sind Dinge geschehen, die euch verhindert haben, vorwärtszukommen. Wir zusammen machen nun diesen Beitrag zur Beseitigung der Hindernisse." Ich bedaure auf das Tiefste, daß Deutschland zwar seine Bereitwilligkeit zu einer solchen Konferenz gezeigt, aber sich geweigert hat, nach Genf zu gehen aus Gründen, deren Substanz für mich schwierig zu entdecken ist. Ich hoffe ernstlich, daß Deutschland neuestes Wort nicht auch sein letztes Wort sein wird! * Oer neue Generalsekreiär -es Völkerbundes. Avenol vom Rat zum Generalsekretär ernannt. Der Völkerbundrat ernannte in einer geheimen Sitzung einstimmig den gegenwärtigen stellvertretenden Generalsekretär Avenol zum Generalsekretär des Völkerbundes. Die Wahl bedarf noch der Zustimmung der Mehrheit der Bundesversammlung und wird auf der Ende No vember stattfindenden außerordentlichen Völkerbundver sammlung erfolgen. Ebenso werden die beiden neuen stellvertretenden Generalsekretäre (Italien und Norwegen) sowie die neuen Untergeueralsekre- täre (Deutschland und England) auf der Novembertagung des Rates ernannt werden, über die Ernennung des neuen deutschen U n t e r g e n e r a l s ek r et ä r s liegt noch keine Entscheidung vor, jedoch werden jetzt all gemein der frühere Staatssekretär Trendelenburg und der deutsche Gesandte in Athen, Eisenlohr, für diesen Posten genannt. Zum Generalsekretär des Völkerbundes als Nachfolger von Sir Erie Drummond ist des Franzose Joses A vcnoI gewäblt worden. Die Viermüchtelonserenz ausgeschoben. Frankreich will deutsche Schuld k o n st r u i e r e n. In Berliner politischen Kreisen wird nach Lage der Dinge damit gerechnet, daß die Verhandlungen über die Abhaltung der Vicrmächtckonferenz auf Mitte November verschoben werden dürfte. Diese Annahme stützt sich, wie verlautet, vor allem auf Gerüchte, die in Paris und London umlaufen. Die Meldung, daß die Engländer am Sonnabend in Berlin angefragt hätten, ob die Ablehnung Genfs, das nachträglich auf Wunsch Herriots in seinen Vereinbarun gen mit Macdonald als Tagungsort vorgeschlagen wor den war, das letzte Wort der deutschen Regierung sei, trifft nicht zu. Vielmehr scheint es so, als ob man in London vorläufig eine abwartende Haltung einnehmen will. Eine Besprechung zu zweit zwischen Macdonald und dem Reichsantzenminister oder dem Reichskanzler wird in Berliner politischen Kreisen für unwahrscheinlich gehalten. Die französische Außenpolitik hat bisher schon versucht und wird cs auch weiterhin versuchen, aus der Ablehnung Genfs als Tagungsort eine deutsche Schuldfrage zu konstruieren, obwohl Frankreich es gewesen ist, das er klärt hat, der Einladung der englischen Regierung zu einer Konferenz in London nicht folgen zu können. Es sei des halb noch einmal daran erinnert, daß die Neichsregierung die Einladung Macdonalds nach London zu einer Be sprechung der deutschen Glcichbercchtigungsfordcrung im Rahmen einer Mächtckonscrcnz sofort bercitwilligst an- aenommen hatte. * Reisende in Politik. Die Isolierung Deutschlands vor dem Weltkrieg war nicht zuletzt der Erfolg der politischen Reisen König Eduards Vll. von England, der bei scheinbar harmlosen Besuchen in den verschiedenen Ländern diese gegen Deutschland einzunehmen wußte und so den eisernen Ring um Deutschland schmieden half, der seine verheeren den Wirkungen dann imWeltkrieg ausüble. An diese Tatsache muß man sich erinnern, wenn man jetzt sieht, mit welcher Geschäftigkeit der französische Ministerpräsident Herriot das Mittel der Reisen mit politischem Hinter grund in feine Diplomatie eingliedert. Seiner Reise nach London mit ihrer deutschfeindlichen Auswirkung wird er jetzt eine Reise nach Spanien folgen lassen, die Ende Oktober stattfinden soll. Herriots Absicht sei, so wird hier zu berichtet, in erster Linie die Bildung einer neuen und wirklichen Entente zwischen Frankreich und Spanien. Hierbei habe er natürlich nicht nur den günstigen Einfluß einer solchen französisch-spanischen Entente auf die marokkanische Frage, sondern besonders auch auf Frankreichs Stellung in Genf und die franzö sische Sicherheit im Mittelmeer im Auge. Man könne da mit rechnen, daß Spanien in Kürze einer der hauptsäch lichsten Unterstützer von Herriots Abrüstungsplan in Genf sein werde. In diesem Zusammenhang fei es nicht ohne Bedeutung, daß Frankreich angeblich Spanien als das geeignetste Land für die Unterbringung der vor- gcschlagenen internationalen Völkerbunddepots von schweren Waffen vorgeschlagen habe. Denn in Spanien würde ein solches Depot in jedem Falle außerhalb der Reichweite Deutschlands liegen. Frankreich wird also versuchen, den Kreis seiner will fährigen Trabanten in Genf aus dem Osten und Südosten Europas im Westen zu ergänzen. Ob die betont deutsch freundliche Einstellung der alten spanischen Regierung auch noch unter der neuen republikanischen Regierung be steht, bleibt abzuwarten. Jedenfalls wird die Reichsregie rung ein wachsames Auge haben müssen auf Herrn Herriot, den neuen Reisenden in Politik. Als neuer deutscher Nntergeneralsekretär des Völkerbundes werden genannt der frühere Staatssekretär Trendeken- vurg (links) und der deutsche Gesandte in Athen, Eisenlohr (rechts),