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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter I Wilsdruff-DreSden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" ' Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch den 2. November 1932 Das .WUrbruffcr Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags ö Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM rei Haus, dei Poftbeftellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. Alle Postanstalten, Post. n°^°'s-7-7seiL Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Falle höherer Sewall, —— Krieg -der sonstiger Be° nebsstörungen besteh! Keir Anspruch aus Lleserung de, Zeitung ober Kürzung des Bezugspreises.— Rücksendung eingesandter Echriststücke ersolgi nur, wenn Porto beiliegt. werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsvrtttt 5» annahmebisvorm.lvrlhr. — HSVrUs? N berücksichtigt. Anzeigen- durch Fernru, Üd-rmit.elten Anzeegen übern, wir k.we U aranne. Jeder Aada.tan.pruch erlisch?' w-nn . K>°«° -ingezog.v werden must oder de, Auftrag,-b-- m K^nkurs gerLu " dnrch Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauvtmannsckatt Meikon d-«: Nm.- geeicht- und des Siadtrats zu Wilsdruff, des Forstren.am.s Tharandt und de- Nnanz°ntts N°st^ Nr. 257 — 91. Jahrgang Miliz oder Berufsheer? Daran, daß die Abrüstungskonferenz praktisch fest gefahren ist — übrigens auch ohne die deutsche Weigerung, an ihr teilzunehmen —, zweifelte Wohl kaum noch irgend ein Mensch. Nicht einmal die Staatsmänner glaubten daran, den Karren wieder vorwärts zu kriegen, wenn dieser nicht ganz gehörig entlastet wird. Das geschieht jetzt der Idee und Absicht nach mit dem „konstruktiven" Plan Herriots, und man darf hinsichtlich der Vielberufenen deutschen Gleichberechtigung etwa sagen, daß der Herriot- Plan uns in gewisser Beziehung diese Gleichberechtigung zugestehen soll, nämlich in der der Heeresorganisation. Der französische Ministerpräsident sprach von einer „Verall gemeinerung der Herabsetzung der kurzfristigen Dienst pflicht für die im Mutterland stehenden Streitkräfte", wo bei die Bedingung zu erfüllen sei, daß „alle Formationen, die dieser Heeresorganisation zuwiderlaufen, wie Vie Reichswehr, aufzulösen seien". Daß Herriot hierbei gerade die Reichswehr erwähnte, hat auch noch seinen besonderen Grund außerdem an sich schon auf der Hand liegenden. Man be zeichnet unsere Reichswehr als „Berufs"-Hecr und hat — wegen der zwölfjährigen Dienstzeit — damit auch nicht ganz unrecht. Wenn man aber in Frankreich außerdem von einem „Kaderheer" sprach, das also im Ernstfall durch Auffüllung mit ausgebildeten Mannschaften zu einem Volksheer gemacht werden würde, so ist dem nicht nur entgegenzustellen, daß diese ausgebildeten Mannschaften überhaupt nicht da sind, und andererseits, daß man uns ja dieses „Berufs"- oder „Ka8er"-Heer im Versailler Ver trag einfach befohlen hat. Damals waren die franzö sischen Generale durchaus dafür, daß Deutschland eine gewisse, natürlich zahlenmäßig sehr begrenzte „allgemeine" Wehrpflicht beibehalten sollte, wobei allerdings die Be waffnung nicht über die in Versailles gezogenen Grenzen binausgchen sollte. Denn man stand damals auf dem Standpunkt, daß für den modernen Krieg wirklich aus gebildete Soldaten zu erhalten eine kurze Dienstzeit kaum genügen würde, daß also ein Berufsheer doch Wohl eine größere Gefahr bedeute. Ausgerechnet der „Zivilist" Lloyd George war es, der in Versailles demgegenüber das Be rufsheer für Deutschland durchsetzte und dann war es eine fast naturgemäße Folge, daß , schon 1920 die Reichswehr von 200 000 Mann auf die Hälfte herabgesetzt werden mußte. Jedenfalls erhielt Deutschland ein Berufsheer nach englischem Muster, obwohl man sich doch eigentlich darüber hätte klar sein müssen, daß die englischen „soläiers" in der Hauptsache für ganz andere Zwecke als für die Ver teidigung des Mutterlandes bestimmt sind. Offenbar hält Herriot heute wieder die Einführung eines „Miliz"-Svstems in Deutschland für viel weniger gefährlich als das Bestehen der Reichswehr, obwohl damit die Zahl der für den Krieg zwar ni<A ausgebildeten, aber „angelernten" Mannschaften auch dann steigen würde, wenn der zahlenmäßige Umfang der Miliz verhältnis mäßig klein wäre. Denn diese Art der militärischen Aus bildung selbst schon macht der Miliz den Angriffskrieg heute noch unmöglicher als früher, und zwar nicht bloß deswegen, weil der ganze Zweck des Milizheeres nur auf die Landesverteidigung gerichtet sein will. Berufsmäßig dabei tätig müßte eine Art Gerippe sein, das Ausbildungs- und Führerpersonal also, das etwa nach schweizerischem Muster den zur Dienstpflicht eingezogenen und später zu Übungen herangeholten Mannschaften kaum mehr als die Anfänge moderner militärischer Kenntnisse beibringen könnte. Nur in einem, allerdings möchte man sagen: an sich „unmilitärischen" Punkte, wäre das Milizsysiem dem Berufsheer vorzuziehen. Die Miliz verkörpert wenigstens etwas, wenigstens als Stückwerk den Gedanken der Wehrpflicht des Staatsbürgers. In der Entwicklung vom Berufsheer zum Volksheer ging das Milizsystcm diesem letzteren voraus. Das heute mili tärisch Zweckmäßige wird davon aber nicht berührt, auch nicht — und darüber hat Herriot bezeichnenderweise vor läufig gar nichts gesagt —, wie es denn eigentlich mit der Frage der Bewaffnung steht! Auch für einen modernen Defensivkrieg ist das letzten Endes entscheidend, besonders für Deutschland, wo man ja mit größtem Raffinement alle Verteidigungsmöglichkeilen bis auf zwei Dutzend Kanonen mittleren Kalibers restlos hat zerstören lassen. Man hat uns die Reichswehr aufgedrängt und es ist unmöglich, daß man sie nun einfach beseitigen will, ehe das Milizsystem für einen auch nur einigermaßen aus reichenden Ersatz sorgen könnte. Frankreich selbst erklärt ja, daß es einen derartig radikalen Umbau seiner Wehr macht, wie ihn Herriot „grundsätzlich" vorschlägt, sofort durchzuführen gar nicht imstande Ware — obwohl es doch Millionen ausgebildeter Reserven besitzt Wir können das noch viel weniger, und die anderen Lander mrt Berufs heeren und allgemeiner Dienstpflicht dürsten sich auch weigern, sofort den Umbau zu vollziehen. Herriots Plan gelangt mit allen Einzelheiten jetzt vor das Büro der Abrüstungskonferenz und damit vorderen Arbeitsans schutz. (Äst dann wird man sagen können, ob und wie sich ein praktischer Weg aus dem Labyrinth findet, m dem die Konferenz sich verirrt hat. Vie neuen AirllehaNswege. Bor einer neuen Getreidepreisstützung. Kontingentierung der Anbaufläche? Das Neichskabinett wird sich in seiner nächsten Sitzung mit Maßnahmen zurRegulierungderGe- treidepreise befassen. Diese Frage ist durch die dies jährige Rekordernte und die damit verbundenen Absatz schwierigkeiten aufgeworfen worden. Da Deutschland heute auch hinsichtlich des Weizens Selbstversorger ge worden ist, dürsten sich die Maßnahmen der Reichsregie rung sowohl auf Roggen als auch auf Weizen er strecken. Mit neuen Z o l l m a ß n a h m e n ist der Weizen preisfrage jedenfalls nicht mehr beizukommen. Die Ent wicklung der Wcizcnpreise ist seit einiger Zeit rückläufig, wenn auch beispielsweise am letzten Sonnabend die Notie rungen wieder etwas günstiger waren. Die Reichs regierung dürfte aus der veränderten Gesamtlage die not wendigen Folgen ziehen, über die Maßnahmen, die ge plant sind, werden mannigfache Vermutungen geäußert, ohne daß sich bisher bestimmte Anhaltspunkte ergeben. Als Gerücht sei verzeichnet, daß die Ncichsregicrung eine ge wisse Kontingentierung, also Begrenzung der Ge treideanbaufläche, ins Auge gefaßt haben soll. Im Reichskabinett wird weiter die Frage der Ge hälter der leitenden Persönlichkeiten der staatlich unterstützten Betriebe erörtert. Die Grundlage der Aussprache im Kabinett ist eine nach langwierigen Verhandlungen zustandcgckommene Vorlage, in der der Begriff des subventionierten Betriebes — soweit er für die Gehaltskürzung maßgebend sein soll — klargelegt wird. Diejenigen Betriebe, an denen das Reich nur in ge ringerem Umfange beteiligt ist, werden von den kom menden Maßnahmen der Reichsregicrung nicht betroffen. Dagegen dürften die Gehälter der leitenden Persönlich keiten in den übrigen Betrieben voraussichtlich eine nicht unbeträchtliche Kürzung erfahren. * Der Beginn der Mlliardenemisfion. Die erste Notierung der Stcuergutscheine. Die erste Notierung der Steuergutscheine ge staltete sich zu einem Ereignis der Berliner Börse. Zahl reiche Interessenten und Schaulustige umlagerten die Maklerschranke, in der die Kurse für die zukünftige Mil liardenemission festgestellt wurden. Die Notiz sür die 1934 fälligen Gutscheine wurde mit 9014. kür die 1935 fälligen mit 8», für die 1936 fälligen mit 80', für die 1937 fülligen mit 7514 und für die 1938 fälligen mit 71 Prozent festgesetzt. Der Gesamtumsatz betrug etwa dreiviertel Millionen Mark, die hauptsächlich auf die 1934er Emissionen entfielen. * Warum deuifche KontingentspoMk? Die Handelsschranken der anderen Länder. In dem vorbereitenden Wirtschaftsausschuß fstr die Londoner Konferenz wurde die Frage der Aus- und Einfuhrverbote, Handclshemmnisse und Kontingente erörtert. Ministerialdirektor Posse, der Vertreter Deutschlands, legte in einer längeren Rede die Richtlinien der deutschen Wirtschafts- und Handelspolitik der letzten Zeit dar und hob besonders die außerordentliche Ver schuldung der deutschen Industrie hervor, die heute in hohem Maße auf die Ausfuhr angewiesen sei. Posse verwies gleichzeitig auf die großen Schwierigkeiten, die der deutschen Ausfuhr wegen der Zollpolitik und der Handelsschranken der anderen Länder entgegenstchen. Die deutsche Kontingentierungspolitik er kläre sich als eine zwangsläufige Folge der von den anderen Ländern verfolgten Handels- und Zollpolitik. Die deutsche Regierung könne von ihrer Kontingen tierungspolitik nur dann abgehen, wenn sich auch die anderen Länder zur Aufgabe der bisherigen Handels schranken und Zollschutzmaßnahmeu bereit fänden. Bisher leine Einiguna mit Dänemark. Abschluß der deutsch dänischen Wirtschaftsverhandlunge«. Die in Kopenhagen zwischen einer deutschen Re gierungsabordnung und Vertretern der dänischen Regie rung und Landwirtschaft geführten Wirtschaftsbesprechun- gen sind abgeschlossen worden. In der gemeinsam herausgegebenen Mitteilung heißt es: „Die deutsche Ab ordnung hat die Absicht ihrer Negierung über die Kontingentierung der Einfuhr von Schlachtvieh, Schmalz und Käse dargelegt. Die dänischen Vertreter haben in eingehender Aussprache ihre grundsätzlichen B e - denken sowohl gegen die Kontingentierung überhaupt als auch insbesondere hinsichtlich der vorgenannten Waren mitgeteilt. Die deutsche Abordnung wird ihrer Regierung über den Verlauf und das Ergebnis dieser Aussprache Bericht erstatten." Die deutsche Abordnung unter Füh rung von Ministerialrat Dr. Walter wird nach Berlin zurückkehren. Eine Einigung ist also nicht erzielt worden. Deutschlands Auslandsverschuldung Im Vorbereitenden Genfer Finanzausschuß für di« Londoner Weltwirtschaftskonferenz wies dei deutsche Vertreter, Fogge, auf die besondere Lage dei deutschen kurzfristigen Auslandsverschuldungen hin. Di« Haltung der deutschen Auslandsgläubiger hab« die deutsche Regierung zur Einführung der Devisen bewirtschaftung gezwungen, jedoch handele es sick hierbei um eine Notmaßnahme, die durch stabile Maß nahmen ersetzt werden müsse. Eine Aufhebung der De visenbewirtschaftung könne jedoch nur erfolgen, wenn di« Ursachen für die Devisenkontrolle wegfallen und dies« Ursachen nicht wieder eintreten. An die Stelle der kurz fristigen Auslandsverschuldungen müsse jetzt ein Dauev zustand treten. Herriot beklagt sich wegen schlechter Behandlung durch die deutsche Presse. Madrid, 1. November. Auf einem Presse-Empfang in der französischen Botschaft am Dienstag, zu dem auch die Aus landspresse eingeladen war, wies Herriot alle Vermutungen über den Zweck seiner Reise zurück. Er bemerkte dabei, datz er von der deutschen Presse trotz seiner Aufrichigkeit schlecht be handelt würde. Auf die Zwischenbemerkung eines spanischen Pressevertreters, daß doch bei der Reise der Gedanke an ein Bündnis Frankreichs mit Spanien naheliege, antwortete Her riot, datz kein Mensch das Recht haoe, an dem Wort eines französischen Ministerpräsidenten zu zweifeln. Er sei als Freund der spanischen Demokratie in Madrid und wolle Spanien nicht in Konflikte bringen. Neuer Vorstoß Bayerns gegen das Reich? Reich, Bayern und Württemberg. Nach dem Verlauf des Kanzlerbesuches i« München herrschte in der Öffentlichkeit die Meinung, daß die Gegen sätze zwischen Bayern und dem Reich abgemildert seien. Zur allgemeinen Überraschung hat nun der bayerische Ministerpräsident Dr. Held in einer Wahlversammlung des Zentrums in Stuttgart Äußerungen gegen die Re gierung Papen gemacht, die ein völlig verändertes Bild des Verhältnisses zwischen Reich und Preutzen ergeben. Obwohl der Staatsgerichtshof die Einsetzung des Reichskommissars in Preußen bestätigt hat, behauptete Dr Held, die Bestellung des Reichskommissars sei ver fassungswidrig und er machte der Reichsregierung den Vorwurf, datz sie sich mit Gewalt gegen das Urteil von Leipzig durchsetzen wolle. Er, Held, habe den Glauben an das Kabinett Papen verloren und sei schwer ent täuscht. Ob diese Ausführungen nun tatsächlich die Absicht enthalten, von neuem einen Vorstoß gegen das Reich zu unternehmen oder ob nur die Wahlversammlung den baye rischen Ministerpräsidenten diefe Äußerungen als an gebracht erscheinen lieben, stellt noch nickt fest. Die Reicks regierung hat sich mit der Rede bereits beschäftigt und es ist wahrscheinlich, daß von Berlin ans eine Antwort er folgen wird. Inzwischen bemüht sich der Vertreter der Reichsregierung bei den süddeutfchen Staaten, Freiherr von Lersner, eine Klärung der Lage durch Besuche bei den verantwortlichen Stellen herbeizuführen. So stattete der Beauftragte der Reichsregierung, Frei herr von Lersner, dem württenbergischen Staatspräsidenten Dr. Bolz einen Besuch ab. über den Inhalt der Besprechung wurde kein amtlicher Bericht veröffentlicht. Zwischen Frciherrn von Lersner und dem baye rischen Ministerpräsidenten Dr. Held, der auf zwei Wahlvcrfammlunqen der Zentrumspartei in Stuttgart sprach, hat keine Unterredung stattgefunden, da Dr. Held erst gegen Abend in Stuttgart eintraf, nachdem Freiherr von Lersner bereits wieder nach München zurück- gereiLwar. . . Mrs der Tatsache, datz in Stuttgart eine Zusammen- kunft zwischen dem Reichsbcauftragten und dem baye rischen Ministerpräsidenten nicht stattgefunden hat, ist vielfach versucht worden, ein Politikum zu machen, indem behauptet wurde, die Stuttgater Konferenz zwischen Lersner, Held und Bolz sei gescheitert. Von zuständiger Stelle wird hierzu erklärt, daß eine Kon ferenz in Stuttgart überhaupt uiegeplant gewesen sei.