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»bmfferÄgebla« Wilsdruss-DreSden Nr. 256 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt' Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 1. November 1932 Berufsheer oder Miliz? Die neuen Reichskommissare Zweifellos nimmt der Plan aber auch den alten Gedanken einer internationalen Luftpolizei auf, für die Frankreich das stärkste Kontingent zu stellen äußerst gern bereit wäre! Wir Deutsche würden den Plan Herriots mit ge ringerem Mißtrauen beurteilen, wenn der französische Ministerpräsident ihn nicht eingeleitet hätte mit einer Un zahl scharf gegen Deutschland gerichteter Wendungen. Auch ist der Gegensatz recht pitoresk: Am gleichen Tage, als Herriot seinen „Abrüstungs"plan im Obersten Rat für die nationale Verteidigung Frankreichs durchgebracht hatte, beschloß der Ministerrat die sofortige Kiellegung rind den schnellstmöglichen Bau eines starken — Panzer kreuzers! Das war sozusagen der Auftakt der von Herriot vorzuschlagende« »Abrüstung" Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauvtmannschast Melken des Amts, gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt z« seinem Stellvertreter für den Geschäftsbereich des Finanz Ministeriums den Staatssekretär a. D. Professor Dr. Popitz; für den Geschäftsbereich des Landwirtschaft«. Ministeriums den Reichsminister für Ernährung, Frei- Herrn von Braun; . . für den Geschäftsbereich des Kultus Ministeriums Universitätsprofessor Dr. Kähler aus Greifswald. In der kommissarischen Leitung der übrigen preußi schen Ministerien tritt keine Veränderung ein. Es bleiben also: Dr. Bracht für Inneres, Staatssekretär Dr. Hölscher für Justiz und Staatssekretär Dr. Ernst für Handel (das Ministerium heißt jetzt „für Wirtschaft und Arbeit^. Gleichzeitig hat der Reichspräsident den Reichs, kommifsar Dr. Bracht und Staatssekretär Popitz für die Dauer ihrer Betrauung mit den Aufgaben in Preußen zu Reichsministern ohne Portefeuille ernannt. Die Regierung Braun-Severing tritt am Dientsag zusammen, um zu diesen Ernennungen Stellung zu nehmen. Reichsrat zum 10. November elnbervfen. Der Reichsrat ist nunmehr zum 1v. November ein- berufen worden. Es ist anzunchmcn. daß in dieser Sitzung Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das .Wilsdruffer Tageblatt» erschein, an allen Werktagen nachmittag, S Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— «W. rei Haus, bei Poffbestellung 1,80 RW. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern IO Rpsg. Alle Postanstalten, Post. Nchme/zu ied^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ft^^mL^m Fall« höhere, «ewatt, — — Krieg oder sonstiger Be- »iebsstSrungen besteh, »ein Anspruch ans Li-serung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung -ingesandier Schriftstücke ersolg, nur, wen» Porto beiliegt. Allgemeine Dienstpflicht in ganz Europa? Der neue französische Plan für die Ab rüstungskonferenz. Der Abschluß der außenpolitischen Aussprache der französischen Kammer, in der Ministerpräsident Herriot den neuen Abrüstungsplan Frankreichs vorlegte, gestaltete sich zu einem vollen Erfolg für die Regierung. Ihr wurde mit 430 gegen 20 Stimmen das Vertrauen ausgesprochen. Der französische Vorschlag für die Genfer Konferenz, dem die Kammer damit ihre Zustimmung gab, hat folgenden Wortlaut: Frankreich würde zu einem noch scstzusetzenden Zeit punkt die Verallgemeinerung und die Her absetzung der Militärdicn ftp flicht für alle Landstreitkräfte in Europa unter folgenden Bedingungen annehmen: 1. Jede Formation, die dieser Organisation der Armeen nicht entspricht, wie die Reichswehr, wird aufgelöst; die innere Polizei „reglementiert". 2. Die internationale Kontrolle wird organisiert; sie schließt obligatorisch das Jnvestigations- recht ein. 3. Um de« Vertrag von Locarno zn ergänzen, soll ein Pakt auf gegenseitige Unterstützung ab geschlossen werden, an dem sich jede europäische Nation beteiligen kann. Die Gesamt^rke der Mächte dieses Paktes würde genügen, jeden Angriff abzuschlagen. Diese (internationalen) Streitkräfte müssen eine feste Staffel nationaler Kontingente umfassen, die genau anfzuführcn und daher sofort verfügbar sind, und die über ein ausreichendes Kriegsmaterial verfügen. 4. Die Vereinigten Staaten müssen die Sicherheilsgarantien zugestehen, die sie für sich selbst in Anspruch nehmen. 5. Die Staaten, die Mitglieder des Völkerbundes find, müssen sich verpflichten, alle Verbindlichkeiten, die sich aus Artikel 16 des Paktes ergeben. 6. Das Kriegsrecht muß obligatorisch für alle Staaten sein, die dem Pakt beitreten. Der -euifche Gian-punki. Zu der Erklärung Herriots erklärt man an Ber liner zuständiger Stelle, man könne sich noch kein abschließendes Bild über die Erklärungen machen. Man könne aber schon jetzt sagen, daß die Rede Herriots insofern sehr interessant sei, als der französische Minister präsident zum erstenmal den Standpunkt verlassen habe, daß der Versailler Vertrag ein „Rührmichnichtan" bedeute. Es sei falsch, wenn Herriot das deutsche Gleich berechtigungsverlangen mit einer Forderung auf Auf rüstung identifiziere. Was von Deutschland unter keinen Umständen angenommen werden könne, sei, daß nach zweierlei Maß gemessen werde. Darüber vermisse man noch eindeutige klare Ausführungen Herriots. Zu der Behauptung Herriots, daß die größte Kriegsgefahr in den Berufsarmeen Ernennungen von prevfienmimflern. Nene Reichskommlffare und Reichsminister. In Verfolg der vom Reichskommissar für Preußen in Angriff genommenen Verwaltungsreform sind jetzt die erwarteten Ernennungen von neuen Reichskommissaren fm Preußen amtlich bekanntgegeben worden. Reichskanzler von Papen hat danach in seiner Eigen schaft als Neichskommissar für Preußen ernannt: liege, erklärt man an Berliner zuständiger Stelle, eine solche Berufsarmee könne Deutschland unmöglich zum Vorwurf gemacht werden, da diese Heeresform ihm ja im Versailler Diktat aufgezwungen worden sei. Was die Erklärung Herriots über die Miliz anbetreffe, so könne man sagen, daß Frankreich die Miliz ja als DefensivWaffe auffasse. Es sei also unlogisch, wenn die deutsche Forderung nach einer Miliz als Bedrohung anderer Staaten aufgefaßt werde. Die Ausführungen Herriots seien teils unklar und teils widersprechend. Wenn Frankreich in Genf der Aussprache mit Deutsch land nicht ausgewichen wäre, hätte man damals schon die ganze Angelegenheit klären können. Für Deutschland sei allein maßgebend, daß alle Abrüstungsmatznahmen für alle Staaten gleichmäßig gelten müßten. Es sei auffällig, daß Herriot in seiner Kammer erklärung nicht die Frage der Sicherheitin den Vor dergrund gestellt habe. Was die Vorschläge Herriots im einzelnen angehe, so müsse man sagen, daß Deutschland nicht alle annehmen könne. Da Herriot aber Verhand lungsmöglichkeit offengelassen habe, so sei gegen eine eventuelle Aussprache über diese Punkte nichts einzuwenden. Auch über die internationale Polizeimacht könne man reden. Sie habe aber nur Zweck, wenn sie so stark sei, daß keine Macht sich dagegen wehren könne. Der bisherige französische Plan sei nicht durchzuführen, da er nur zur Stärkung der starken und zur Schwächung der schwachen Staaten geeignet sei. Herriot habe aber an scheinend nunmehr diesen Standpunkt aufgegeben. Wenn Deutschland in gleichem Maße wie die anderen Staaten an einer solchen Polizeimacht beteiligt würde, so hätte es nichts gegen diese Institution einzuwenden. Die Schiedsgerichtsbarkeit müsse die Sicherheit dafür bieten, daß auch politische Fragen gerecht und unparteiisch behandelt würden. Zusammenfassend könne man sagen, so unbestimmt die Vorschläge Herriots seien, so sei doch festzuftellen, daß die Belange anderer Staaten diesmal in höherem Maße gewahrt würden als bisher. Eine Erörterung der französischen Vorschläge sei immerhin möglich, Vorbedingung sei selbstverständlich, daß die Gleichberechtigung aller Staaten, also auch die deutsche Gleichberechtigung, gewährleistet sei. Herriois neuer plan. Deutschland soll erneut die Ostgrcnze garantieren. Der Führer der amerikanischen Abrüstungsabord nung, Norman Davis, hatte in Paris eine mehr stündige Unterredung mit dem sranzösischen Minister präsidenten Herriot über den französischen Abrüstungs plan. Auch mit dem französischen Kricgsminister Paul- Boncour hatte Davis eine längere Aussprache. Im Anschluß an seine Unterredung mit Norman Davis emp fing Herriot die französische Presse. Er wies daraufhin, daß die Forderung, daß Deutschland und Polen einen Regionalvertrag abschließen, der über Locarno noch hinausgeht, von der französischen Regierung aufrechterhalten werde. Der Öffentlichkeit wurde ferner ein neuer Punkt des französischen Abrüstungsplanes be kanntgegeben, der die Kolonial- und überseetruppen betrifft. Er hat folgenden Wortlaut: „Die Nationen, die die Verantwortung für überseeische Gebiete tragen,, be halten die Verfügung über spezialisierte Streitkräfte." Herriot plant. Wenn am 3. November von dem Arbeitsausschuß der' Abrüstungskonferenz die Vorbereitungen für die zweite Lagungsperiode dieser Konferenz in Angriff genommen -verden, dann wird ihm nun der neue französische Sicherheits- und Abrüstungsplan vorgelegt werden. Eine etwas ungewohnt gewordene diplo matische Zurückhaltung hat den Ministerpräsidenten iHsrriot veranlaßt, seine Pläne vorerst noch nicht in den ^Einzelheiten mitzuteilen, sondern so lange damit zu Warten, bis sie jenem Arbeitsausschuß offiziell vorgelegt And. Aber Herriot hat andeutend und in großen Zügen -über den Plan vor der Deputiertenkammer gesprochen, so Latz man zwar ungefähr erfahren hat, um was es sich Labei handelt, im gleichen Augenblick aber eine fast un übersehbare Reihe von Zweifelsfragen auftaucht. Immerhin wirken die Andeutungen Herriots doch so sensationell, gehen grundsätzlich so weit über das bis cherige Schwere solcher Vorschläge hinaus, daß Herriot mindestens das eine politische Ziel erreicht hat: dieser französische Plan dürfte die kommenden Beratungen der Abrüstungskonferenz be herrschen. Das Sensationellste dabei ist der Vorschlag, Laß in allen Staaten die Berufsheere verschwin den sollen und durch ein Milizheer mit ganz kurzer Dienstpflicht zu ersetzen sind. Also etwa nach dem Muster der Schweiz. „Hier stock' ich schon..." möchte man mit „Faust" sagen. Dieser Vorschlag Herriots wurde ja auf Deutschland bezogen — und die Reichswehr wird aus drücklich erwähnt! —, nichts anderes bedeuten, als daß die Versailler Bestimmungen über unsere militärische Rüstung grundsätzlich aufgehoben würden! Daß also eine Abänderung der Versailler Diktats erfolgte solle! Daß also dieses Diktat nicht mehr das sorgsam mit Waffen- gewalt und Sanktionen gehütete Kräutlein „Rührmich nichtan" zu bleiben hätte! Ebenso ist es mit dem zweiten Punkt des Vorschlages Herriots: Reorganisation der Polizei. Denn die Organisation der Schupo entspricht haargenau den Bestimmungen von Versailles, mrd bis 1925 hat die interalliierte Kontrollkommission vanz offen und genau aufgepaßt, daß wir uns keines Derstoßes schuldig machten. Hernach besorgte man diese Kontrolle mehr im geheimen durch Spione. Uns kann xs also nur recht sein, wenn dem Vorschlag Herriots gemäß die Polizei wieder einmal umorganisiert wird, vorausgesetzt aber, daß sich diese Reorgani sation auf alle Staaten und ihre Polizei bezieht. Und wenn Herriot des weiteren vorschlägt, daß die Durch führung jener ersten beiden Punkte seines Planes von einer internationalen Kommission kontrolliert und dieser auch das „Jnvestigationsrecht" zusteht — die „Aus spülung" gemäß § 213 des Versailler Vertrages und laut Lem vor unserm Eintritt in den Völkerbund geschaffenen Genfer Protokoll von 1924 —, dann läßt sich deutscherseits über all diese Dinge nur reden gleichfalls unter der Vor aussetzung, daß sich solchen Kontrollen alle Staaten gleich mäßig unterwerfen. Ohne auf die zahlreichen Zweifelsfragen einzugehen, Lie sich allein schon bei diesen drei Punkten erheben, und ohne darüber Vermutungen auszusprcchcn, wie sich denn dieser erste Teil des Herriot-Planes, also die Abrüstung selbst, zu dem zweiten verhält, dem man die Überschrift: „Sicherheit" geben kann, fallen sofort die vielen Vor aussetzungen auf, die hier für den Aufbau des Systems Ler Schiedsgerichtsverträge gemacht werden. Daß diese Schiedsgerichtsbarkeit ganz Europa zu umfassen hätte und außerdem obligatorisch sein müßte, steht bereits im Völker bundpakt, hat aber schon ein paarmal — zuletzt im japa nisch-chinesischen Konflikt — einen recht erheblichen Schiff bruch erlitten. Weitere Voraussetzung wäre eine Garantie Amerikas für den großen Europa-Pakt, — und ob diese zu erzielen ist, bleibt trotz entgegenkommender Erklärun gen Hoovers zweifelhaft, weil dessen Präsidentschaft selbst — recht zweifelhaft geworden ist. Siegt der demokratische Gegenkandidat, so läßt sich nicht sagen, wie er nach seinem Amtsantritt im nächsten Jahr sich entscheiden wird, auch wenn ein Demokrat, Präsident Wilson, es gewesen ist, der den Versailler Vertrag unterschrieb, aber dafür dann nicht die Zustimmung des Kongresses in Washington fand. „Ergänzung des Locarno-Vertrages" durch die Schaffung eines „regionalen Abkommens zur gegenseitigen Unterstützung" — nennen wir das: „Europa- Pakt" — und durch eine militärisch derartig starke Siche rung, daß „sie jeden Angriff verhindert", sind Mitteilungen und Vorschläge so unbestimmter Art, lassen soviel Fragen und Zweifel, Vermutungen und Befürchtungen zu, daß man auch hierfür noch auf Einzelheiten warten muß. Aber gerade dort steckt der Kern des zweiten Teiles der fran zösischen Vorschläge und es dürfte sich dabei um einen Pakt handeln, der einerseits eine „Nichtangriffs"-, andererseits eine „Hilfeleistungs"-Verpflichtung enthält. Das geht schon aus dem weiteren Verlangen des Herriot- Planes hervor, die Mitglieder des Völkerbundes müßten sich verpflichten, die Bedingungen des Artikels 16 des Völkcrbundpaktes zu erfüllen; das würde heißen, daß z. B. auch das militärisch ungerüstete Deutschland die vom Völkerbund gegen irgendein den Frieden brechendes Land beschlossenen „Sanktionen" mitzumachen hätte, was uns unter Umständen, sehr übel bekommen könnte! für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter -»«2°^ Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 d-nch S-.N1», übermittel,-» Anz-ige» ü^-n w» k-in- Earau.ic. Jeder AadEmpruch -rlisN,' WM» Klage -iugczogeu weide» mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gcriil! ««rag dick