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Irrlichter. Von Rudolph F. ProchLzka-Prag. Die alten Giebelhäuser erzählen, aber sie reden nicht. Abklärung: wenn das Leben an dir vorbeirauscht wie der Eisenbahnzug an einem Friedhof. -s- Die nur gibt und nichts verlangt, ist die größte Liebe. -i- Beurteile oder gar verurteile keinen, von dem du nicht wenigstens die Hälfte seines Lebensweges genau kennst. Aus dem Wahlkampf. Hitler in Ostpreußen. Von Franken aus ist Hitler nach Ostpreußen gefahren. Er sprach zunächst in Tilsit. In seiner Rede recht fertigte und begründete er seine Haltung am 13. August. Er habe erkannt, daß die Papenschen Notverordnungen zu verhängnisvollen Auswirkungen führen müßten, und daß er das Vertrauen, das er bei den Millionen gewonnen habe, nicht verlieren wolle. Hitler wurde immer wieder von stürmischem Beifall unterbrochen. Zum Schluß er klärte er: „Wir wollen sehen, was härter sein wird: die Köpfe jener Klubmitglieder oder die Schädel der Mil lionen in unserer Bewegung." Hitler begab sich dann nach Insterburg und von dort nach Königsberg, wo er im größten Saale der Stadt, dem Hause der Technik, sprach. Nach national sozialistischer Schätzung betrug die Zahl der Zuhörer in dem Saal und auf einem freien Platz auf deiw Messe gelände etwa 20 000. Hitler erklärte u. a.: Er hätte, für eine Bewegung von 14 Millionen verantwortlich, sich nicht heute so und morgen so entscheiden können. In dreizehn Jahren seines Kampfes sei er mit allen Mitteln bekämpft worden und habe wiederholt die Versassung beschwören müssen. Jetzt, wo er legal mit 230 Sitzen i«i Reichs tag zur Macht habe kommen können, da habe man diese Verfassung alsuntauglich bezeichnet. Der Minister- titel sei ihm aber zu abgegriffen, als daß er noch etwas Anziehendes für ihn hätte. Er wolle auch heute kein Gehalt, sondern er wolle die Mach t. Wenn die bürger liche Regierung noch zwei Jahre am Ruder bleibe, dann würde alles zertrümmert werden, was er in dreizehn Jahren aufgebaut habe. Wenn er aber einmal die Macht erhalten würde, dann würde er sie behalten. Er glaube nicht, daß in Deutschland jemals ein Parteiführer mehr Autorität besessen habe als er, aber diese Autorität sei ihm zugleich Kameradschaft mit seinen Anhängern. Er werde sich, um an die Macht zu kommen, mitjedem verbünden, wenn er nur die Führung habe. Hitler erklärte dann, er und seine Bewegung hätten mehr ge- arbeitet als die heutige Regierung. Nie, so schloß er, sei ihm eine Entscheidung so leicht geworden wie das Nein am 13. August. Er betonte, seine Bewegung werde weiter bestehen und weiter wachsen, den Kamps zum Siege führen, eingedenk der Opfer und der Toten. Wahlaufruf der Bayerischen Volkspartei. Die Landesleitung der Bayerischen Volks- Partei veröffentlicht einen Wahlaufruf, in dem es heißt: Die Partei kämpfe gegen jeden Absolutismus, der einem durch ewige Wahlkämpfe mürbe gemachten Volke auf gezwungen werden solle. Das Volk dürfe nicht von der Mitbestimmung seines Schicksals ausgeschlossen werden. Der neue Reichstag müsse eine arbeitsfähige Mehrheit bekommen. Bei der Wahl müsse daher dem politischen Radikalismus die Mehrheit genommen werden. Der Sozialismus sei kein Mittel zur Gesundung der Wirt schaft. Diese könne nur mit Hilfe eines freien Unter nehmertums und mit einer sozial- wie staatspolitisch gleichberechtigten Arbeitnehmerschaft aufgebaut werden. Vor allem müsse auch das mittel st ändische Gewerbe und der bäuerliche kleine Mittelbetrieb ge fördert werden. Insbesondere wende sich die Partei gegen einseitige Belastungen, die den Sozialrentnern und den Kriegsopfern durch die Notverordnungen auferlegt seien. Kurze politische Nachrichten. Die Entlastung der Reichsbank auf der Kapitalanlage hat auch in der zweiten Oktoberwoche gute Fortschritte gemacht. Insgesamt flossen der Reichsbank 180 Millionen Mittel zurück. An Scheidemünzen flossen 42 Millionen in die Kassen der Reichsbank. Der Noten umlauf ermäßigte sich um 99 auf 3519 Millionen. Sowohl der Goldbestand wie der Nestbestand an deckungsfähigen Devisen zeigen eine geringfügige Steigerung, die ins gesamt 800 000 Mark beträgt. Das Deckungsver hältnis stieg von 25,7 auf 26,5 Prozent. * Reichswehrminister von Schleicher ist zu einem längeren Kuraufenthalt in Badenweiler eingetroffen. Der frühere Reichskanzler Dr. Brüning, der sich mehrere Wochen zur Erholung in Schloß Hausbaden bei Badenweiler aufgehalten hat, ist wieder abgereist und hat seine Wahlpropagandatätigkeit ausgenommen. -r- Der amerikanische Senator Watson erklärte in einer Wahlversammlung der republikanischen Partei in In dianapolis: „Ich bin zu der Erklärung ermächtigt, daß die amerikanische Regierung, solange die repu blikanische Partei am Ruder ist, keinen Dollar der europäischen Kriegsschulden nachlassen werde." * Der neuernannte österreichische Sicherheits minister hat im Zusammenhang mit den blutigen Vor fällen in Wien die Bundespolizeidirektion angewiesen, in Wien alle Kundgebungen, Aufmärsche und Versamm lungen unter freiem Himmel, die von den Sozialdemokraten, Kommunisten und Nationalsozialisten ausgehen, sowie Veranstaltungen von Vereinigungen, die diesen Parteien angehören, ausnahmslos zu unter sagen. Schlagwellerekploslon im Rheinland. Ein Bergmann getötet, vier schwer verletzt. Auf der Zeche „Sofia Jakoba" bei Hückelhoven im Rheinland ereignete sich eine Schlagwetterexplosion. Ein Bergmann wurde getötet, vier weitere wurden so schwer verletzt, das, an ihrem Aufkommen gezweifelt wird. Fünf andere Bergleute trugen Gasvergiftungen davon. Die Rettungsmannschaften waren sofort zur Stelle und bargen die Verunglückten. Von den verletzten Bergleuten wurden mehrere durch die Explosion unmittelbar betroffen, während andere bei dem Versuch, ihren Kameraden zu helfen, durch Einatmen der Nachschwaden zu Schaden gekommen sind. Danzigs Völkcrbundtommissar. Zum Hohen Kommissar des Völkerbundes in der Freien Stadt Danzig wurde der Däne Rosting ernannt. IV,sgöglsn rwisoksn ösn rwei unglsicksn Vpüöspn Roman von Oorl RotftdorZ Lopvriakt by kl. Uslle (Saals» s18 Das Gemachte fiel ab von Lindsmühlen. Seine Augenbrauen schoben sich finster zusammen, die Zähne knirschten wütend auseinander. „Das habe ich nun von meiner Nachgiebigkeit! Sie hat irgendeinen Kerl kennengelernt, der ihr nun im Kopfe spukt. Aber ich werde die Augen offen halten. Gerade jetzt muß das passieren, wo ich selbst mit guten Vorsätzen voll gestopft hierher komme. Der Kerl spukt ihr im Kopfe. Ob die Bekanntschaft wirklich nur so flüchtig war, wie sie sagte? Aber sie hat noch nie gelogen — sie war immer offen und wahr. Also habe ich ihr zu glauben. Und dann wäre ich ja sozusagen zur rechten Zeit hierher gekommen. Wir bleiben noch einige Tage hier. Vielleicht trifft sie ihn noch einmal in meiner Gegenwart. Ich werde sofort wissen, wer es ist, denn auch in diesem Augenblick wird sie sich nicht verstellen können. Nun, ich werde ja sehen." Prüfend sah Lindsmühlen an seinem Anzug herunter. Er wollte gleich gehen, wie er war. Er konnte in diesem Anzug ganz gut irgendeine Bar betreten, jetzt im Sommer fiel das nicht auf. Und wenig später schleuderte er bereits durch den Ort. Er war ganz zufrieden. Hübsche Frauen gab es hier! Donnerwetter! Na, vor läufig war da eine Grenze gezogen, denn Magdalen ver stand in solchen Sachen keinen Spaß — das hatte sie ihm bewiesen. Aber man konnte ja irgend etwas für später verabreden, wenn es der Zusall wollte, daß man eine nette Bekanntschaft schloß. Alle guten Vorsätze begannen sich bereits zu zerstreuen. Friedrich Karl von Lindsmühlen fand es plötzlich un geheuer dumm, solche spießigen Vorsätze überhaupt jemals gefaßt zu haben. Aber Magdalen! Vorerst war die Leidenschaft nach ihr das Stärkste! Wie lange es anhalten würde, konnte man nicht sagen. Er selbst machte sich auch weiter keine Gedanken darüber. In der Bar eines Hotels schloß er dann die in Aussicht genommene Bekanntschaft mit einer blonden Norwegerin, die mehrere starke Liköre trank und unzählige Zigaretten rauchte. Sie trug irgendeinen hochtönenden Namen, der aber keinesfalls echt war. Lindsmühlen kannte sich da zu gut aus in solchen Dingen. Aber wozu sollte er denn die kleine Fälschung feststellen? Die Person war sehr schön — und das war für ihn die Hauptsache. * * *» Magdalen aber lag in ihrem Zimmer, hatte beide Hände vor das Gesicht geschlagen und stöhnte: „War eine Frau jemals unglücklicher als ich? Wie soll ich dieses Leben ertragen?" War ihr Vater es wirklich wert, daß sie sich ihr Leben um seinetwillen so verpfuschte? Gedanken kamen und gingen. Der Kopf schmerzte ihr. Klar heraus aus all dem Gewirr schälte sich die hoch gewachsene Gestalt des Fremden. Magdalen richtete sich auf. ° „Ich liebe ihn!" Laut sagte sie es vor sich hin. Warum hatte das Schicksal sie mit diesem Männe" zu sammengeführt, der ihr immer fremd bleiben mußte, weil sie Friedrich Karl von Lindsmühlens Leibeigene war? Stöhnend warf Magdalen sich wieder zurück. Sie durfte nicht mehr denken, sonst wurde sie wahn sinnig. Aber die Gedanken ließen sich nicht bannen. Sie kamen wieder. Und sie umkreisten den Mann, der ganz gewiß seiner Frau die Treue halten würde! Der anders war wie Friedrich Karl! Ganz, ganz anders! Und weiter irrten ihre Gedanken. Wenn der Vater nicht wäre! Immer und immer wieder er, der auf ihre Kosten ein Nie Koburger Fürsienhochzeii. Eine Koburger Baucrnwiege für den künftigen Stammhalter. Die dreitägigen Vermählungsfestlichkeiten in Ko- bürg begannen mit einem Presseempfang auf der Feste Koburg. Der ehemalige Herzog von Sachsen- Koburg-Gotha und das Brautpaar, Prinz Gustav Adolf von Schweden und Prinzessin Sibylle von Sachsen-Kob urg-Gotha, unter hielten sich mit etwa 50 deutschen und ausländischen Pressevertretern. Dann wurden die , Hochzcitsgeschcuke besichtigt. ! Besonders beachtet wurde das Geschenk des Reichs-, Präsidenten von Hindenburg, zwei prunkvolle Leuchter und eine kunstvolle Obstschale aus der Staatlichen Porzellanmanufaktur. Eine thüringische Stadt schenkte ein kostbares Porzellanservice und eine Modellpuppe, die die Züge der Braut trägt. Das originellste Geschenk aber ist eine alte Koburger Bauernkunstwiege für den künftigen Stammhalter. Diese Wiege hat einen doppelten Boden. Zwischen die Wände soll Koburger Erde gefüllt werden, damit der spätere Thronerbe von Schweden aus heimatlicher Erde aufwachse. Vom 19. Oktober ab übernimmt aufAnordnung des Reichspräsidenten eine Reichswehrkompanie die Ehrenwache auf der Feste Koburg. Bei den Hochzeits feierlichkeiten sind 67 Fürstlichkeiten aus Deutschland, Schweden, Norwegen, Dänemark, England, Rußland und Bulgarien vertreten. Die Stiamaiisierte von Konnersreuth. Dieser Tage war gemeldet, daß sich die diesjährige bayerische Bischofskonferenz dafür ausgesprochen habe, daß die Stigmatisierte von Konnersreuth, Therese Neumann, sich zu einer Untersuchung in eine Universitätsklinik begebe. Diese Mitteilung wird nun von offizieller kirchlicher Seite bestätigt. Dom prediger Rohr müller erklärte in einer Predigt, es müsse sich durch die medizinische Wissenschaft feststellen lassen, ob der Verzicht auf alle Nahrung, die Wundmale, die Fernkommunion usw. auf natürliche Ursachen zurück geführt werden könnten. Die Entscheidung darüber, ob Therese Neumann tatsächlich in eine Universitätsklinik ge bracht wird, liegt nun bei dem Vater der Neumann, dessen Entschluß noch aussteht, der sich aber keineswegs weigern soll, dem Wunsche der Bischofskonferenz zu entsprechen. Überfall auf ein Bahnhofsgebäude . . . weil eine Frau einen Unfall erlitten hatte. Die Eisenbahnstation Otwozk bei Warschau war der Schauplatz wüster Ausschreitungen. Etwa 100 Personen, meistens Arbeitslose, haben, mit Steinen und Stöcken be waffnet, aus die Station einen regelrechten Überfall verübt. Sie zerschlugen zahlreiche Fensterscheiben im Bahnhofs gebäude und in einigen Wagen eines Personenzuges, drangen in die Büroräume und zertrümmerten die Ein richtungsgegenstände. Erst eine größere Polizeiabteilung konnte dem Treiben eine Ende setzen. Mehrere Personen wurden verhaftet. Die Ursache dieser Ausschreitungen war angeblich der Umstand, daß eine Frau auf der Eisenbahnstation einen Unfall erlitten und hierbei erhebliche Verletzungen davon getragen hatte. Der Ehemann der verunglückten Frau be schloß, Rache zu nehmen, versammelte seine Freunde und zog gegen die Eisenbahnstation, um sie zu zerstören. Aus sächsischen parieilagern. Die Spitzenkandidaten des Zentrums und der Staatspartei. Im Wahlkreis 28 (Dresden-Bautzen) hat die Sächsische Zentrumspartei wieder wie zur letzten Neichstagswahl Reichskanzler a. D. Dr. Brüning als Spitzenkandidaten aufgestellt. An der Spitze der staatsparteilichen Liste steht wieder Oberbürgermeister Dr. Külz (Dresden). Auch im übrigen sind die beiden Listen wieder besetzt wie bei der vorigen Reichstagswahl. leichtsinniges Leben führte und sich und sie dem Majorats herrn von Lindsmühlen immer mehr auslieferte. Wie gut es war, daß die feine, stille Mama das alles nicht mit zu erleben brauchte, daß nur sie, Magdalen, das Opfer blieb! Die junge Frau vergrub das Gesicht in den weichen Kissen. Ihr schlanker Körper zuckte. „Ich habe doch auch ein Recht auf Glück, habe das Recht der Selbstbestimmung. Warum nimmt man es mir?" , dachte sie. In ihrem Herzen klang es Weh: „Warum soll gerade ich auf das Höchste, Herrlichste, auf eine große, reine Liebe verzichten?" Magdalen sprang auf, lief im Zimmer hin und her, dachte: „Bin ich nicht töricht, einem Phantom nachzuweinen? Denn was war diese flüchtige Bekanntschaft sonst? Und würde der Fremde nicht lächeln über mich, wenn er wüßte, daß ich ihn liebe? Daß alle meine sehnsüchtigen Gedanken bei ihm sind?" Scham schüttelte sie. Wie konnte sie, eine verheiratete Frau, diesen Mann so' in ihr Herz schließen, nur weil er gut und anständig zu ihr gewesen war? Vielleicht dachte er schon längst nicht mehr- an sie?! Da fühlte sie aber auch schon wieder seine Hand, vie die, ihre so warm und verstehend umfaßt hatte. War nicht auch in seinen großen Augen eine klar zum Ausdruck gekommene Sympathie gewesen? Doch wohin verirrte sie sich immer wieder? Sie mußte diesen Mann vergessen, mußte die Stunde in der Hütte aus ihrem Gedächtnis streichen. Sie durfte nicht mehr sich selbst gehören — sie mußte sich selbst vergessen und nur noch ein seelenloses Etwas sein. Dann — dann vielleicht konnte sie das Leben an der Seite des brutalen, gesunden, starken Friedrich Karl von Lindsmühlen ertragen. Warum hatte sie nicht darauf bestanden, daß sie sofort heimreisten? Denn wie naheliegend war es doch, daß sie dem Fremden noch einmal begegnete? (Fortsetzung folgt.)