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Tagesspruch. O Herr, zerreiße mich! Ich bin ja noch ein Kind Und wage doch zu singen Und nenne dich Und sage von den Dingen: Wir sind! Und wenn ich erst zerstreut bin in den Wind, In jedem Ding bestehend, ja im Rauche, Dann lodre auf, Gott, aus dem Dornenstrauche. Ich bin dein Kind. Du auch, Wort, prahle auf, das ich in Ahnung brauche; Gieß unverzehrbar dich durchs All: Wir sind! Fr. Werfel. Chemnitzer Brief. Zwei Männer — zwei Lebenswerke. Chemnitz hat Abschied nehmen müssen von zwei Männern, deren Lebenswerk ein Teil des in den letzten Jahrzehnten machtvoll omporgewachsenen Gebäudes der Stadt selbst war, zwei Männern, deren Wirken weit hinaus ins ganze Sachsrn- land drang und ihren Namen überall bekannt machte. Der Leiter und Organisator des Chemnitzer Feuerlöschwesens, Branddirektor Dickow, ist der eine, der Schöpfer unserer für ganz Deutschland vorbildlich gewordenen Friedhofsanlagen, Direktor Möckel, der andere. Und beiden hat nicht etwa Ar beitsmüdigkeit die Zügel aus der Hand genommen, sondern der seelenlose Paragraph der gesetzlichen Altersgrenze, der nichts zu wissen scheint von der Unersetzlichkeit der Persönlichkeiten. Als Branddirektor Dickow, der in ganz Sachsen als Leiter der Führerkurse der sächsischen Freiw. Feuerwehren bekannt geworden ist, vor 20 Jahren nach Chemnitz kam, da stand die Großfeuerziffer in Chemnitz noch weit über dem Durchschnitt der Großstädte. Da hatten wir noch eine kleine Berufsfeuer wehr mit pferdebespannten Wagen und trotz der Ausdehnung der Stadt eine einzige Feuerwache. In unermüdlicher zielvoller Arbeit hat Dickow aufgebaut, ungeachtet der Not der Zeit, die jedem großzügigen Gedanken zum Hemmschuh werden mußte. Zuerst mobilisierte er die Berufsfeuerwehr, die er von 1ZH auf fünf Löschzüge aufbaute. Er organisierte das Freiwillige Feuer löschwesen in Chemnitz neu zu einem allezeit schlagbereiten Re servekorps. Er baute zwei neue Nebenfeuerwachen, er schuf den vorbeugenden Feuerschutz und hielt in schwerster Zeit, obwohl er immer der väterliche Freund seiner Untergebenen blieb, die straffe Manneszucht im Dienste unvermindert aufrecht. Chem nitz hat heute eine der niedrigsten Großfeuerziffern, und das ist unstreitig allein das Verdienst Dickows, dessen letzte Tat in Chemnitz noch die Beschaffung der modernsten Feuerspritze der Welt war, eines riesigen Fahrzeugs, das in Limousinenform Spritze, Mannschafts- und Gerätewagen in einem darstellt. Auch hier zeigte sich seine nimmer stille werdende Sorge für seine Leute, denn er war es, der darauf hinwies, daß man aus gesundheitlichen Gründen dem Feuerwehrmann nicht mehr wie einst bei 25 Kilometer Fahrgeschwindigkeit zumuten könne, aus offenem Wagen zu fahren, da die modernen Feuerlöschfahr zeuge mit 60 Kilometer Stundengeschwindigkeit durch die Stadt jagen. Nicht zu vergessen im übrigen, daß er auch der Schöpfer der Ueberlandlöschhilfe war, die der Stadt recht er hebliche Einnahmen brachte, während sie der Industrie der weitesten Umgebung Schutz und Hilfe bei Troßfeuern gewährte. Direktor Möckel, ein Glauchauer von Geburt, ist der Schöpfer des Chemnitzer Destattungswesens. Die modernen Bauten erstanden unter ihm. Er schuf den Chemnitzer Urnen- Hain. Er organisierte die kostenlose Totenbestattung so glänzend, daß sie sich in Chemnitz im Gegensatz zu den meisten anderen Städten noch heute gehalten hat. Seine größte Tat aber, die bahnbrechend wurde, war sein Kampf um die gärtnerische Aus gestaltung der Friedhöfe und die künstlerische Durchbildung der Grabmale. Er setzte die Prüfungspflicht aller Grabmalsent würfe in Chemnitz durch, ob man ihn darob anfangs auch schwer angriff, und erreichte, daß der Chemnitzer Friedhof als mustergültig in ganz Deutschland anerkannt und von vielen an deren Städten zum Vorbild genommen wurde. Selbst aus dem ungleieksn Roman von Oerl Rolkberg Oop^riAkt dv kl. Reuedlwanssr, Halls (Saale) j21 In sehr animierter Stimmung machte Friedrich Karl Von Lindsmühlen sich auf den Weg. Es war Zeit, nach Hause zu gehen» wo Magdalen ihn erwartete. Eigentlich war die ganze Angelegenheit furchtbar blöd. Nun hätte es so gemütlich sein können, statt dessen sollte er seiner Frau gegenüber den reuigen Sünder spielen, zu Kreuze kriechen, bis sie ihn wieder in Gnaden aufnahm. Lag ihm nicht, die Sache, ganz und gar nicht lag sie ihm. Aber Magdalen war köstlich in ihrer stolzen Unnahbar keit! Er war bald verrückt geworden in den letzten Wochen. Sie mußte ihm wiedergehören. Und sie würde es! Durch ihren leichtlebigen, leichtsinnigen Vater hatte er jederzeit Gewalt über sie. Leise vor sich hinpfeifend, schritt er an der Hecke entlang. Vor ihm ging ein hochgewachsener Mann, der ihm irgendwie bekannt vorkam. Der Fremde wandte den Kopf halb zur Seite. „Karl Joachim, du bist es wirklich?" Der Aeltere trat einen schnellen Schritt nach vorn. Der Jüngere, Hochgewachsene blieb stehen, sah sich um, streckte die Hand aus. „Friedrich Karl, du? Ich vermutete dich als eifrigen Landwirt daheim in Lindsmühlen. Habt ihr jetzt nicht Ernte?" Die Brüder schüttelten sich die Hände. Der Aeltere blickte in das schöne, markante braune Ge sicht des Jüngeren. „Das heißt, schneidig siehst du aus, das muß dir der gemeinste brüderliche Neid lassen. Herzlich willkommen! Das müssen wir natürlich feiern. Seit wann bist du denn hier? Das kommt von deiner Schreibfaulheil. Wir haben dich ja nie feierlich empfangen können, so oft wir das auch Auslande kam man wiederholt nach Chemnitz, um die Chem nitzer Anlage zu studieren. , , Möckel, der ja als einstiger Elbgaubundessänger und jetzi ger 1. Vorsitzender des Erzgebirgischen Sängerbundes in weite sten Sängerkreisen bekannt ist, wurde zur Autorität auf dem Gebiete des künstlerischen Friedhofsdaues. Man berief ihn zum Mitglied des Sonderausschusses für Feuerbestattung beim Deut schen Städtetag, zum Vertreter der Friedhöfsbetriebe bei der Sächsischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschast, zum Vor sitzenden des Verbandes Sächsischer Feuerbestattungsvereine, wie er auch heute noch Ehrenvorsitzender der Gruppe Sachsen des Verbandes der Friedhofsbauten ist. Zwei Männer — zwei Lebenswerke, die in Chemnitz fort wirken und die Namen ihrer Schöpfer unvergessen machen werden! Lohengrin. Vie Loburger Mrltenhochxett. Die standesamtliche Trauung auf der Veste Loburg. Bürgermeister Schwede als Standes beamter. Am Mittwoch vormittag sand im Hornzimmer dei Veste Coburg die standesamtliche Trauung des Prinzen Gustav Adolf von Schweden mit der Prinzessin Sibyllr von Sachsen-Coburg und Gotha statt. Die Trauung voll zog der Erste Bürgermeister Schwede in seiner Eigenschaft als oberster Standesbeamter unter Assistenz eines zweiten Standesbeamten. Als Trauzeugen fungierten der Kron prinz von Schweden und der Herzog von Coburg. Die Trauhandlung wurde durch kurze Ausführungen des Standesbeamten eingeleitet. Bürgermeister Schwede wies auf die besondere Bedeutung dieser Ver bindung des herzoglichen Hauses mit dem schwedischen Königshause hin. Er erinnerte an die gemeinsame Ver teidigung der Veste Coburg durch Schweden und Coburger vor 300 Jahren und meinte, daß dieses historische Datum eine gute Vorbedeutung für den zu schließenden Bund sei, Er machte dann das Brautpaar auf die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches aufmerksam und vollzog mit den vom Gesetze vorgeschriebenen Fragen an den Bräutigam und die Braut die Trauung. Die Urkunde wurde von dem jungen Ehepaar und von den Trauzeugen unterzeichnet. Die Neuvermählten nahmen sodann die Glückwünsche der Anwesenden entgegen. Das Brautkleid der Prinzessin Sibylle wurde in Coburg angefertigt. Es ist ein schlichtes weiß seidenes Kleid mit einer schweren Schleppe. Besonders bemerkenswert ist ein Schleier aus wertvollen alten Spitzen, den einst die Königin Viktoria von England getragen hat. Die Prinzessin soll diesen Schleier tragen, wenn sie unter dem Geläute der Glocken in Stockholm einziehen wird. Die Geschenke für das Brautpaar. Unter den zahllosen Geschenken für das fürstliche Paar befindet sich auch ein Leuchter und eine Vase aus der Staatlichen Porzellanmanufaktur, die Reichspräsident von Hindenburg geschenkt hat. Der Fackelzua ln Loburg. des Brin»» der Veranstaltungen zur Vermählung des Prinzen Gustav Adolf von Schweden und der Prin zessin Sibylle von Sachsen-Cobura-Gotba bereiteten die bürgerlichen Vereine der Stadt mit nahezu 4000 Mit gliedern, darunter auch der Stahlhelm und die National sozialisten, dem Brautpaar eine große Huldigung, die mit einem Fackelzug durch die illuminierte Stadt eingeleitet wurde. Die Straßen waren mit einer nach Zehntausenden zählenden Menge besetzt. Von einer Tribüne vor dem Landestheater aus beobachteten das Brautpaar mit deck Brauteltern und den Hochzeitsgästen den vorüberziehenden Fackelzug. Nach dem Vorbeimarsch, der etwa eine halbe Stunde in Anspruch nahm, spielte die Kapelle zwei schwe dische Neitermärsche, und die Coburger Sänger brachten Lieder zum Vortrag. Der Vorsitzende des Festausschusses Schrumpf hielt eine Ansprache. Aus dem Wahlkampf. „Schluß mit -er parteiwirtschast!^ Eine Hugenberg-Rede in Emden. In Emden sprach der deutschnationale Parteiführer Dr. H u g e n b e r g über die Auseinandersetzung im natio, nalen Lager. Er erklärte, die Deutschnationale Partei habe es verhindert, daß die Folge der Unterzeichnung des Noung-Planes zu einer Radikalisierung des deutschen Menschen führte. Sie habe es erreicht, daß das groß« Treibmittel der Not nicht dem Marxismus, sondern der großen nationalen Bewegung zugute gekommen sei. Den Nationalsozialisten müsse bei dieser Wahl eine grobe Lektion zuteil werden, um ihr Absacken auf die sozialistische Seite zu verhindern. Der Nationalsozialismus Habs sich Jahre hindurch auf das nationale Programm soweit eingeschworen, daß er, wenn er wirklich und endgültig alles verleugnen sollte, was er in dieser Beziehung früher geschworen habe, rettungslos in zwei Teile ausein anderfallen müßte. Im Nationalismus lassen wir uns von den Nationalsozialisten nicht übertreffen. Aber wir erklären ebenso klar und deutlich: Mit dem Sozialist mus' der Nationalsozialisten wollen wir nichts zu tun haben, denn der Sozialismus der letzten vierzehn Jahre ist es gewesen, der Deutschland zugrundegerichtei hat. Wir Wüllen diePar 1 ei Wirtschaft nicht mehr, nachdem endlich eine autoritäre Regierung gebildet ist. Saalschlacht bei einer -eutfchnationalen Versammlung. Die Deutschnationale Volkspartei veranstaltete eine Wahlkundgebung in Stolp, in der Rittergutsbesitzer Von Kleist-Schmenzin sprach. Als Diskussionsredner richtete der nationalsozialistische Landtagsabgeordnete Czirnick-Stettin außerordentlich heftige Angriffe gegen die Deutschnationalen. Als dann von Kleist den bekannten Ausspruch Hitlers vom November 1923: „Morgen haben Wir in Deutschland die Monarchie, oder ich bin tot" er wähnte, kam es zu einem allgemeinen Tumult. Die Nationalsozialisten versuchten die Versammlung zu sprengen. Es entstand eine blutige Saalschlacht, wobei eine größere Anzahl Personen verletzt wurde. Abgeord neter Czirnick wurde von der Polizei fe st genommen. Nationalsozialisten und Zentrum. Abg. Kube spricht in Köln. Der Führer der nationalsozialistischen preußischen Landtagsfraktion, Kube, sprach in der großen Messehalle inKöln. Er wandte sich in seiner Rede eingehend gegen den Vorwurf, daß die Nationalsozialisten mit dem Zen trum verhandelt hätten. Das Zentrum sei in diesen Verhandlungen bereit gewesen, den Posten des Minister präsidenten, des Innenministers und zwei weitere Mi nisterposten den Nationalsozialisten zu geben. Wenn man gern getan hätten. Aber diesmal — Ich glaube, du warst sechs Jahre fort?" „Ja! Und lange werde ich wohl nicht bleiben. Wie geht es dir, Bruder?" „Danks, es macht sich! Daß ich mich verheiratet habe, schrieb ich dir wohl. In Lindsmühlen ist alles gut. Vetter Friedrich Christian ist tot! Hatte dich der Brief erreicht?" „Ja, mit allen Einzelheiten. Es ist sehr traurig für Tante Adelheid." „Gewiß! Doch es sind ihr eben doch nach und nach allerlei Sachen hinlerbracht worden, die den Glorienschein um Friedrich Christian etwas getrübt haben." „Mußte das sein? Warum ließ man dem armen Toten diesen Glorienschein in den Augen seiner Mutter nicht?" „Sentimental! Wie unangebracht, Karl Joachim. Aber wir wollen das Thema vertagen. Meine Frau ist mit hier. Das heißt, sie ist schon länger hier. Ich bin erst heule hier angekommen. Du kommst doch mit mir? Mußt dich aber nicht wundern. Meine Frau ist eine sonderbare Heilige. Sie zieht es vor, in einer einfachen Pension zu wohnen, trotzdem ich natürlich auch m0 Wonne eine Zimmerflucht in einem der teuersten Hotels für sie bezahlen würde. Sie wird sich freuen, dich kennenzulernen. Dein Bild gefiel ihr immer sehr. Und sie wird dir sicher auch gefallen, meine schöne, blonde Frau." In seine muntere Gesprächigkeit hinein fiel der schwere Ernst des Jüngeren, der immer schweigsamer wurde. Karl Joachim schalt sich einen Narren, weil ganz sonder bare Gedanken ihn nicht loslassen wollten. „Es gibt so viele Frauen hier in diesem bekannten Kur ort. Warum sollte die einzige Frau, die ich lieben kann, gerade die Frau meines Bruders sein?" Eine Viertelstunde später wußte Karl Joachim von Lindsmühlen, daß er sich nicht geirrt. Die schöne, blonde Frau, an die er in den letzten Stunden unablässig gedacht hatte, war die Frau seines Bruders. Zart und schlank stand Magdalen neben ihrem Gatten. In ihren Augen zeigte sich Entsetzen. Friedrich Karl blickte von einem zum anderen. Was war das? Lag es nicht wie ein stummes Grüßen in den Augen des Bruders? Und Magdalen? Sie bewahrte doch nur noch mühsam ihre Fassung? War — Karl Joachim der Mann — der Mann, der während des Gewitters mit ihr in der Alpenhütte gewesen war? Was bestand zwischen Magdalen und seinem Bruder? Noch behielt der ältere Lindsmühlen den herzlichen Ton bei; aber in seinen Augen prägte sich finsteres Mißtrauen gegen sie aus. Und er wußte jetzt schon ganz genau, daß er mit seiner Vermutung recht hatte. Magdalens feine, weiße Finger zitterten sehr, und ihr Mann sah es. In seinem Herzen stieg etwas Ungeheuer liches auf. Es war der Haß gegen den eigenen Bruder. Karl Joachim aber dachte: „Mein Bruder also, mit dem sie unglücklich ist! Jetzt bin ich vollständig machtlos gegen ein Schicksal, das mit ganz besonderer Grausamkeit sich auf uns alle drei nieder senkt." Mit warmem Ausdruck ruhten seine Augen auf dem süßen Gesicht der Frau, Hie sein Inneres aufgewühlt hatte, als er sie das erste Mal sah. „Mein Bruder muß wahnsinnig sein. Wie könnte er sonst dieser Frau weh tun?" Dieser Gedanke kam Karl Joachim mehr als einmal, und er betrachtete dann jedesmal seinen Bruder wie irgend etwas Fremdes, das er sich sehr genau einprägen mußte. Tante Susanne in ihrem Sessel betrachtete sich die drei sehr genau und zog Vergleiche. Sie wußte nicht mehr sol recht, was sie eigentlich denken sollte. Sie hatte immer ge hofft, im stillen, daß Magdalen nicht wieder zu dem j brutalen Manne zurückkehren würde. Aber das Kind schien doch das sorglose Leben an seiner Seite vorzuziehen, denn sonst hätte es sich nicht mit Friedrich Karl ausgesöhnt! (Fortsetzung folgt.)