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MsdmfferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter AnzUgrnpreis! die 8«k»x o>»i»< SiavnizeUe 20 Npfg., die 4,cipal>ene Zeile der amMcke» Beka»»tm«ck»»p«» 4> N «sch«» Pfennige, die Sgefpoitene Reklamezeile im >ertlichen Teile I AMK. RachweifnngLgedüh, 2V Reichepfennige. Loi» gefchriebeneErfcheinungs. « ">»-»»» 4 >°tz»°U0 >> -» werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wtlsvruff vlr. y berüchslchtigt. «nzei.iN. annahmcbisvorm.lvUhr. — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelte» Anzeigen Udern. wir keine Garantie. Jeder ttatatu-ntg irr >>»,»>,»>»» r-i L>»< »rch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Kontore ,<>!>. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. frei Haus, bei Postdestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Npfg. Alle Postanstalten, Post- «'»Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Lg7»^ Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Be- »iebsstSrungen besteh» kein Ampruch aus Lleserung der Zeitung oder Kürzung des Dezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Horte b,ili>,>. Nr. 216 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Wilsdrufs-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 14. September 1932 VerMster Streit um die Versüssung. Regierung und Überwachungsausschuß. Die Reichsminister verweigern vorläufig ihr Erscheinen. Nach den Bestimmungen der Verfassung bleiben nach einer Auflösung des Reichstages zwei Parlamentsaus schüsse am Leben; der eine nennt sich „Ausschuß zur Wah rung der Rechte der Volksvertretung gegenüber der Reichs regierung", kurz Überwachungsausschuß ge nannt. Er ist der wichtigere; der andere weiter amtierende Ausschuß ist der Ausschuß für auswärtige Angelegen heiten. Zwischen dem Überwachungsausschuß und der Neichs- regierung ist es zu einem schweren Konflikt ge kommen. Der Ausschuß hat die Annahme des Miß trauensvotums im Reichstage als rechtmäßig, die Aus lösung aber als verfassungswidrig erklärt. Dem Kanzler wurde Verfassungsbruch vorgeworfen. Der erste Ausschuß hat sofort seine Tätigkeit aus genommen und hat am Tage nach der Auflösung den Kanzler und den Ncichsinnenminister geladen. Aber die beiden Minister sind nicht erschienen, über die Gründe ihres Fernbleibens gab Ministerialdirektor Go tth einer vom Reichsinnenministerium eine Erklärung ab, in der die Reichsregierung noch einmal auf die Vorgänge imReichstag einging. Nach Anführung der schon be kannten Einzelheiten sagt die Regierungserklärung weiter: „Die Abstimmung bei der Wortmeldung des Reichs kanzlers hatte noch nicht begonnen, der Präsident hatte selbst die Abstimmung als noch nicht begonnen angesehen. Damit steht fest, daß dem Reichskanzler geschästsordnungs- und verfassungswidrig das Wort versagt worden ist." Weiter heißt es in der Erklärung, daß der Reichskanzler infolge dieses Verhaltens des Reichstags präsidenten genötigt gewesen sei, die Auflösungsverord- nung in der Weise dem Reichstag zu übermitteln, daß er sodann die Urkunde dem Reichstagspräsidenten übergab. Mit der Übergabe der Urkunde sei die Auflösung in Wirksamkeit getreten. Jede weitere Tätigkeit der noch versammelten Abgeordneten entbehre damit der verfassungsrechtlichen Grundlage. Beschlüsse des Reichstages über die Aufhebung der Notverordnung vom 4. September dieses Jahres und über die Entziehung des Vertrauens lägen daher nicht vor. Der Regierungs- Vertreter erklärte dann weiter, daß ungeachtet dieser klaren Rechtslage der Reichstagspräsident an den Reichskanzler ein Schreiben gerichtet habe, in dem mitgeteilt worden sei, daß der Reichstag beschlossen habe, die Notverordnungen vom 4. und 5. September d. I. aufzuheben und der Reichs regierung das Vertrauen zu entziehen. Ans diesem Schreiben ergebe sich, daß der Reichstagspräsident die Aus lösung des Reichstages nicht anerkenne. Mit dieser Stellungnahme des Reichstagspräsidenten stehe die Ein berufung des Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung in Widerspruch. Die Reichsregierung sei jederzeit bereit, mit dem Ausschuß zu verhandeln, müsse es jedoch ablehnen, in solche Verhandlungen einzu treten, ehe nicht der Reichstagspräsident dieses Schreiben zurückgezogen habe. Nach Abgabe dieser Erklärung verließ Ministerial direktor Gottheincr die Sitzung. Reichstagspräsident Göring gab sodann die Er klärung ab, er müsse anerkennen, daß die Rcichstagsauflösung rechtsgültig sei, weil auch ein gestürztes Reichskabinett ein Aus lösungsdekret gegenzeichnen könne, solange es das Ver trauen des Reichspräsidenten habe. Dagegen müsse er, der Präsident, auf seinem Standpunkt beharren, daß d i e A b st immnng^ rechtsgültig sei, da sie bereits be gonnen gehabt Hätte, als sich der Reichskanzler zum Wort gemeldet habe. Präsident Göring brachte weiter zum Ausdruck, er habe juristisch lebhafte Bedenken, ob die Be gründung, die für die Auflösung des Reichstages gegeben worden sei, mit dem Geist und dem Sinn der Verfassung übereinstimme. Für die Deutschnatronalen wurde durch den Abg. Berndt die Erklärung abgegeben, daß sich die Fraktion voll auf den Boden der Ausführungen des Re- gierungsvertreters stelle. Abg. Löbe (Soz.) erklärte, daß der Ausschuß auf jeden Fall rechtmäßig tage. Die Regierung habe übrigens in ihrer Erklärung die Rechtmäßigkeit des Ausschusses an erkannt und nur von dem Reichstagspräsidenten eine Er klärung verlangt, ob er die Auflösung anerkenne. Auch der Vertreter der Bayerischen Volkspariei, Dr. Pfleger, sah die Abstimmung als gültig an. Bei den Ausführungen des deutschnationalen Ab geordneten Schmidt-Hannover, der nachdrücklich die -Beweisführung des Reichstagspräsidenten bestritt, kam es zu erregten Auseinandersetzungen zwischen den deutschnationalen und nationalsozialistischen Ausschußmitgliedern. Es wurde gegen die beiden deutschnationalen Stimmen beschlössen, die Anwesenheit desReichs - kanzlers und des Reichsinnenministers zu verlangen. Der Ausschuß vertagte sich dann auf kurze Zeit, um das Erscheinen des Kanzlers abzuwarten. Der Kanzler und der Reichsinnenminister sind jedoch nicht ge kommen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung teilte der Vor sitzende Löbe mit, daß die Reichsregierung nach einer Er klärung des Staatssekretärs Dr. Planck auch weiter auf dem Rechtsstandpunkt beharre, der in der Erklärung des Ministerialrats Gottheiner zum Ausdruck komme. Nach längerer Aussprache billigte der Ausschuß folgende Entschließung: „Der Ausschuß hat gemäß Artikel 33 der Reichsver fassung die Anwesenheit des Reichskanzlers und des Reichsministers des Innern zu seiner Sitzung verlangt. Der Reichskanzler und der Reichsminister des Innern haben ihr Erscheinen von Bedingungen abhängig gemacht. Das ist nach dem klaren Wortlaut des Artikels 33 der Reichsverfassung nicht zulässig. Die Reichsregierung hat diese Rechtsauffassung auch anerkannt durch ihr Verhalten im Juni vor dem damaligen Überwachungsausschuß. Der Ausschuß stellt fest, daß sich der Herr Reichskanzler und der Herr Reichsminister des Innern durch ihre Hand lungsweise eines offenen Bruches der Reichsverfassung schuldig gemacht haben. Er erwartet, daß der Herr Reichspräsident als der berufene Hüter der Ver fassung den Herrn Reichskanzler und den Herrn Reichs minister des Innern zur Erfüllung ihrer verfassungs mäßigen Pflichten unverzüglich anhält." Die Annahme der Entschließung erfolgte gegen die Stimmen der Deutschnationalen. Der Ausschuß beschloß, die Entschließung auch dem Reichspräsidenten zu übermitteln. Dann wurde ein Antrag Frank (Nat.-Soz.) angenommen, worin der Ausschuß feststellt, daß die Montagabstimmungen über die Aufhebung der Notverord nungen und die Entziehung des Vertrauens gegenüber dem Reichskabinett Papen verfassungsmäßig waren. Weiter wurde ein Antrag Wegmann (Ztr.) an genommen, der lautet: Die Auflösung verstößt gegen Artikel 25 Absatz 1 der Reichsverfassung, weil die im Auflösungs dekret angenommene Gefahr, der Reichstag könnte die Aufhebung bestimmter Notverordnungen verlangen, keinen konkreten Anlaß darstellt, wie er in der Reichsverfassung gefordert wird. Die Auflösung verstößt gegen Artikel 48 Absatz 3 der Reichsversassung, weil sie das verfassungsmäßige Recht des Reichstages, die Aufhebung von Notverord nungen zu verlangen, verletzt und eine Wiederholung der Auflösung dieses Rechts des Reichstages dauernd be seitigen würde. Beide Anträge wurden gegen die Stimmen der Deutschnationalen angenommen. Im weiteren Verlauf wurde noch ein Antrag Frank (Nat.-Soz.) angenommen, wonach der Ausschuß die Reichs regierung ersucht, den Wahltermin unverzüglich be kanntzugeben. Frank sprach davon, daß der Reichs präsident „in Verkennung seiner verfassungsmäßigen Pflichten" gehandelt habe. Schmidt-Hannover (Dtn.) Ein historisches Bilddolument. Reichskanzler von Papen hat sich zum Wort ge meldet — Reichstagspräsident Göring und die Schriftführer sehen gerade zur anderen Seite des Hauses —, der Kanzler kann nicht sprechen, da Göring ihn nicht be achtet. Auf der Regierungsbank neben dem Reichskanzler Reichsautzenmini st er von Neurath. wies diese Behauptung und die Angriffe gegen den Reschs kanzler mit größter Schärfe zurück. Der Ausschuß nahm zum Schluß einen Antrag auf Aufhebung der P r e s s e v e rb o t e an. * Wie es kam. Vielleicht wird die Reichstagsauflösung des 12. Sep tember noch Gegenstand staatsrechtlicher Auseinander setzungen außerhalb der politischen Arena, vielleicht wird man darüber verhandeln, ob es bei dem „Wettrennen zwischen einem vom Mißtrauensvotum bedrohten Reichs kanzler und dem Reichstag" — so bezeichnete ein sehr be kannter Staatsrechtslehrer und Reichstagsabgeordneter, Prof. Dr. Kahl, die theoretische Möglichkeit einer solchen parlamentarischen Situation — alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Aber an der tatsächlich erfolgten Reichs- tagsauflosAng dürfte auch der bereits in der Sitzung er folgte Widerspruch des nationalsozialistischen Reichstags präsidenten und seiner Partei deswegen schon nichts ändern, weil die anderen Parteien, von den Deutsch nationalen bis zur Sozialdemokratie einschließlich, praktisch bereits am Abend des 12. September die Auflösung „an erkannten". Man mag auch noch darüber debattieren, ob dem Reichskanzler trotz wiederholter Wortmeldung vom Reichstagspräsidenten mit oder ohne Absicht das Wort nicht gegeben und stattdessen in die Abstimmung cin- getreten wurde, die mit einem großen Mißtrauensvotum enden mußte oder enden sollte, — man mag auch das weitere Verhalten des Herrn Göring mißbilligen oder, wie seine Partei es tut, billigen, — das alles ändert nichts daran, daß die zweite Sitzung dieses Reichstages auch seine letzte gewesen und geworden ist. Tatsächlich ist er nach einer Lebenszeit von dreizehn Tagen — 30. August bis 12. September — seinen sechs Vorgängern nachgefolgt. Er starb auch nicht wie Hedda Gabler „in Schönheit und mit Weinkraut im Haar", sondern unter tosen den Tumulten. Peinlich ist es für uns Deutsche auf alle Fälle, daß eine außerordentlich große Schar aus ländischer Diplomaten dem zusah und Wohl auch die drastische Symbolik dessen erfaßte, daß die Regierung von Papen sofort nach Überreichung der Auflösungs urkunde den Sitzungssaal des Deutschen Reichs tages verließ und damit dem Reichstage selbst — den Rücken kehrte. Wie das alles im einzelnen kam, wie die Dinge in den letzten Tagen, ja Minuten diesem Ausgang zutrieben oder — zugetrieben wurden, wird man im einzelnen und von allen (Partei-) Seiten erst später erfahren. Vielleicht aber auch nicht. Denn die Ereignisse folgten ja so schnell aufeinander, daß es dem Beobachter sozusagen „vor den Augen flimmerte". Wider alles Erwarten war ja aus einer mit großem Jnterefle — wegen der bevor stehenden Kanzlererklärung — erwarteten, vielleicht auch stürmisch verlausenden, so doch in den Einzelheiten fest gelegten Tagung eine Kampfsitzung geworden. Im Hand umdrehen ist es ganz zweifellos, daß eine Entscheidung des Reichstages erfolgen wird sowohl über die Notver ordnung wie über das Mißtrauensvotum, — und gerade das hatten die in Verhandlungen miteinander stehenden Parteien des Zentrums und der Nationalsozialisten ursprünglich vermeiden wollen! Schon einmal ist ein Reichstag aufgelöst worden, aber erst, nachdem er den Antrag auf Aufhebung einer großen Notverordnung angenommen hatte. Das war am 18. Juli 1930. Und schon einmal ist aus politischen Gründen ein Reichstag aufgelöst worden nach verhältnismäßig kurzer Lebenszeit; nach fünf Monaten wurde er aufgelöst, weil „parlamentarische Schwierigkeiten die Beibehaltung der gegenwärtigen und gleichzeitig die Bildung einer neuen Regierung auf der Grundlage der bisher befolgten Jnncn- und Außenpolitik unmöglich machen". Das war 1924, und die Auflösung vollzog sich damals ganz undramatisch durch einfache Übersendung der Auflösungsordcr an den Rcichs- tagspräsidenten und durch amtliche Veröffentlichung. Allerdings brachten die dann folgenden Wahlen ein Er gebnis, das dem Reichstag ein kaum wesentlich verändertes Bild gab. Den zweiten Teil der damaligen Begründung hätte man wohl auch für die Auflösung des 12. September ver wenden können. Nicht aber den ersten Teil; denn aus dem „parlamentarisch gebildeten" ist ein ausgesprochenes „Präsidialkabinett" geworden. Und drittens ist es eine Frage an die völlig ungewisse Zukunft, ob bei den kommen den Neichstagswahlen eine wesentliche „Gesichtsverände rung" des neuen Parlaments eintreten wird oder nicht. Auf alle Fälle haben bis dahin nur der Reichspräsident und die Reichsregierung das Wort. Allerdings auch di» Verantwortung, die allein zu tragen ohne und gegen den Reichstag sie sich entschlossen haben.