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MÄmfferNgMM Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentomts Tharandt und des Finanzamts Noffen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das «Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. frei Haus, bei Postbestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstallen, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Falle höherer Gewalt, ' Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht Kei». Anipruct aus Lieferung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises.— Rücksendung eingefandter Schriststückc erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für ÄüfgertuM/ Beamte/ Angestellte u. 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Die geheimnisvolle Mappe — Signale — Politik und Wirtschaft. „Keine große Nation wird je zu bewegen sein, ihr Be stehen auf dem Altar der Vertragstreue zu opfern, wenn sie gezwungen ist, zwischen beiden zu wählen", sagte ein mal Bismarck und war damit nicht, längst nicht bis zu dem „saoro o§oismo" vorgestoßen, auf den noch heute eine jener uns zur Vertragstreue nötigenden alliierten Mächte stolz ist. Heutzutage zwischen den Staaten und Völkern mit Moralbegriffen wie „Treue" operieren zu wollen, ist etwas, was man beim Engländer oft und treffend als „ormt" bezeichnet hat, um den deutlicheren Ausdruck „Heuchelei" zu vermeiden, Allzusehr zerschlissen ist der Mantel der Politischen Moral, als daß man sich in Paris damit umhüllen könnte. „Laut" ist es, wenn England — oon Frankreich gar nicht zu reden — de» moralischen Grundsatz vom Selbstbestimmungsrecht der Völker nur insoweit auf Deutschland angewendet wissen will, daß wir licht befugt seien, für den Schutz unserer nationalen Sicherheit zu sorgen. Das sei unmoralisch, sei Vertrags- »ruch, sei — Untreue. Und wir hätten unsere natio- rale Sicherheit auf dem Altar der Vertragstreue jU opfern. „Das ultra P0886 nemo obligatur kann durch keine Vertragsklausel außerKraft gesetzt werden",sagte Bismarck, und es kann auch kein Volk „über das Können hinaus ver pflichtet werden", wenn dieses „Können" darin bestehen soll, sein erstes, sein naturrcchtliches Wollen nicht aus führen zu dürfen, nämlich für seine Sicherheit zu sorgen. Dabei hat der deutsche Außenminister, haben auch spätere amtliche deutsche Äußerungen immer wieder darauf hin zewiesen, daß wir diese Sicherheit uns gar nicht durch eine aktive Aufrüstung schaffen wollen; auch Herrn Herriots zehei m n isvolle Mappe mit den angeblichen „Be weisen" für eine tatsächliche deutsche Aufrüstung brauchen wir nicht zu fürchten. „Heraus mit eurem Flederwisch?" Diese Dinge sind nur so lange für uns gefährlich, als sie in der Mappe stecken und man mit dem frommen Augen aufschlag des „eant" und bedeutsam auf besagte Mappe klopft. Das „taut ckc bruit paar arm omsletto" — Wipp chen Würde Shakespeare kopierend sagen: „Viel Lärm und wenig Wolle" — ist ein französisches Sprichwort! Und wenn sich das deutsche Schaf in Genf nicht geduldig scheren läßt, ist erst recht keine Wolle da. Das spürt man auch in ven Beratungen des Büros der Abrüstungskonferenz, die jetzt in Abwesenheit Deutschlands wieder begonnen haben, lind mit dem blutigen Zynismus, den sich das onkant -orriblo jeder heutigen Weltkonferenz, nämlich der russische Delegierte, leisten kann und prompt auch leistet, hat Litwinow vorgeschlagen, man solle doch auf das Pro- iramm der Konferenz die Inangriffnahme der wirk lich entscheidenden Fragen setzen und nicht mehr rur jene zweiter Ordnung, die ein bequemes Weiter- wllen in den ausgefahrenen Gleisen ermöglichen. Der Kusse wurde natürlich niedergestimmt. -r- In ganz unfreiwilligem Zynismus, aber treffend hat ja auf der Gegenseite über die Weltlage ein Mann sich zeäußert, der in der heute so merkwürdig gewordenen eng lischen Politik seit anderthalb Jahrzehnten eine große Kolle spielt. Winston Churchill nämlich „ist sehr pessi mistisch, was die Männer anlangt, die die Weltgeschichte machen". Aber, so setzt er tröstend hinzu, er sei „sehr optimistisch über den von ihnen meist nicht geahnten Ausgang ihrer Unternehmungen". Das hat sich jetzt wieder gezeigt, als gewissermaßen auf die deutschen Verpflichtun gen des Nonng-Planes, den man in Lausanne tatsächlich ins Grab senkte, die ersten Erdschollen hinunterfielen: Man löste jetzt in Basel die der Deutschen Reichsbank schon im Dawes-Plän auferlegten, im Doung-Plan zwar vermin derten, aSer noch längst nicht aufgehobenen Bindungen und ermöglichte so die Herabsetzung des deutschen N e i ch s b a n k d i s k o n t s. Das politisch erfreulichste daran ist, daß die Erledigung dieser Angelegenheit ganz ohne Mitwirkung der Politiker erfolgte, daß vielmehr jene „Staatsmänner" von ihren Staatsbankleitern darauf auf merksam gemacht wurden, welch' überholter Unsinn die Bindung der Reichsbank war. Was jetzt von der Neichs- bank durch die Diskontsenkung gemacht wird, ist ja dem Wesen nach genau das gleiche, was mit diesem Mittel in Amerika und England angestrebt wird: Ankurbelung der Wirtschaft durch H e r a b d r ü cku u g der Kosten bei der Gütererzeugung und -Verteilung. Ein hoher Diskont satz in Krisenzeiten ist ein Warnungssignal: Achtung! Geld oder Kredit herzugeben, ist mit einem großen Risiko verbunden! Und darum sprang der deutsche Diskontsatz im Juni 1931 über die 5 Prozent hinauf, als der über wältigende Ansturm des Auslandes auf unsere Kredite einsetzte. Nicht bloß des Auslandes! Wenn jetzt der Diskontsatz der Reichsbank, die aber als „letzte Kredit quelle" auch das sonstige Zinsniveau souverän dirigiert, auf 4 Prozent herunterging, dann bedeutet das ein anderes Signal: A ch t u n g! Wir nähern uns wieder besseren Kreditverhältnissen! Kredit heißt auf Deutsch aber Ver trauen. Und so bringt die Diskontsenkung nicht nur eine Gesamtzinsersparnis von etwa 100 Millionen für die deutsche Wirtschaft, soudcrn gleichzeitig drückt sic den Willen der Rcichsbank ans, konjnnkturpolitisch den Diskont neben die anderen Maßnahmen zu spannen, die den fest- Vie gegenleite hat clas Wort! Unveränderte Haltung Deutschlands in der Gleichberechtigungsfrage. Zweckmeldungen der Pariser Presse, nach denen die deutsche Regierung um die Vermittlung einer dritten Ratsmacht des Völkerbundes in der Gleichberechtigungs frage nachgesucht habe, werden von maßgebender deutscher Stelle als vollständig unwahr bezeichnet. Die deutsche Regierung habe niemals und an keiner Stelle um eine Vermittlungsaktion nachgesucht und habe hierzu auch nicht den geringsten Anlaß. In der Frage der Gleich berechtigung habe die Gegenseite das Wort. Von maßgebender deutscher Seite wird im übrigen darauf hingewiesen, daß seit der letzten Kundgebung der Reichsregierung in der Gleichberechtigungsfrage keine Änderung der Lage eingetreten sei. Der Reichsaußen minister sei nur nach Genf gekommen, um am Völker bundrat und an der Vollversammlung des Völkerbundes teilzunehmen. Der Vertreter Deutschlands sei durchaus in der Lage, abzuwarten, ob die anderen an der Ab rüstungsfrage hauptinteressierten Mächte den Wunsch haben, mit den Vertretern Deutschlands zu verhandeln. Ferner wird auf deutscher Seite der Standpunkt ver treten, daß auch keinerlei Veranlassung vorliege, auf das zweifellos von guten Absichten getragene Schreiben des Präsidenten der Abrüstungskonferenz, Henderson, ein zugehen. Es bestehe n i ch t die Absicht, hierauf eine schrift liche Antwort zu erteilen. Ebensowenig sei beabsichtigt, mit Henderson zu verhandeln, solange nicht die deutsche Gleichberechtigungsforderung anerkannt werde. Eine etwaige Aussprache im Büro der Abrüstungskonferenz über die Gleichberechtigungsfrage kann nach deutscher Auf fassung an der Lage an sich nichts ändern. Sollte auf englischer oder französischer Sette der Wunsch nach direkten Besprechungen mit dem deutschen Außenminister geäußert werden, wird man sich auf deutscher Seite durchaus hierzu bereit finden, jedoch nur unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß lediglich eine völlige Anerkennung der deutschen Gleich berechtigung und der sich daraus ergebenden Folgen eine Rückkehr Deutschlands in die Abrüstungskonferenz möglich macht. Es ist Aufgabe derjenigen Mächte, die entschieden an einem Erfolg der Abrüstungskonferenz nnd damit an einem Erfolg des Völkerbundes interessiert sind, der deutschen Negierung enlgegenzukommen und durch Anerkennung der unbestreitbaren deutschen Gleich- berechtigungsfordernng die weitere Mitarbeit Deutsch lands an der Abrüstungskonferenz zu ermöglichen. * Oie Ltnierredung Neuraih-Simon. Offizielle deutsche Verlautbarung. Über den Verlaus der eineinhalbstündigen Unter redung zwischen dem Reichsaußenminister und dem eng lischen Außenminister Simon im Hotel Carlton wird von zuständiger deutscher Stelle solgendes mitgeteilt: Im Verlaufe der Unterredung ist zwischen dem deut schen und dem englischen Außenminister eingehend die gesamte Abrüstungsfrage in jeder Richtung hin besprochen worden. Jedoch sind in dieser Unterredung weder von der einen noch von der anderen Seite irgendwelche Vor schläge gemacht worden. Weitere Zusammenkünfte sind nicht vereinbart worden. Aus dieser kurzen Mitteilung wird in unterrichteten Kreisen übereinstimmend geschlossen, daß sich eine Ände rung der Lage zu der deutschen Gleichberechtigungsforde rung im Verlaufe dieser Unterredung nicht ergeben hat. Man nimmt an, daß die Behandlung der Gleichberech tigungsfrage durch den englischen Außenminister von deutscher Seite nicht als annehmbar angesehen worden ist. Aus diesem Grunde dürften Wohl auch zunächst k:nc weiteren Vereinbarungen verabredet worden sein. gefahrenen Wagen der Wirtschaft aus dem Sumpf der Depression hinausziehen sollen. Die Rcichsbank tut es, sie wagt es zu tun, weil auch sie hofft, daß es mit ver einten Kräften vorwärtsgehen kann. Aber nur, wenn alle es tun, alle es wagen. Aber die Voraussetzung dabei ist immer, das; nicht allzu viele politische Torheiten gemacht werden. Gelegen heiten dazu bietet ja gerade ein Wahlkampf mehr als zur Genüge. Ein Stück überflüssiger, aber tatsächlich vor handener Unsicherheit ist nun zum Glück dadurch beseitigt worden, daß die Reichsregierung bzw. der Reichspräsi dent den Termin für die Wahlen festsetzten und vorläufig alle Vorschläge zur Reform des Wahlrechts ver tagt haben. Das „Volk" wird also wieder einmal be fragt, was es „will", — und melancholisch darf man im Rückblick auf die vielen bisherigen „Befragungen" dieser Art mit Bismarck sagen: „Das deutsche Volk hat in der letzten Zeit vielGeduld gezeigt und grotzeLeicht- gläubigkeit gegen diejenigen, die sich seine Freunde nennen." Dr. PL Italien Wert unbedingte Gleich- berMianna. Nom, 23. Leptmber. Ein Leitartikel Gaydas, des Direk tors des halbamtlichen „Gicrnale d'Italia", klärt in nicht miß- zuverstebender Weise über die Ansicht der maßgebenden italieni schen Politiker in der Frage der deutschen Gleichberechtigung auf. Eayda nimmt scharf Steilung gegen jenen Teil der franzö sischen Presse, der aus der italienischen Haltung gewisse Be- sürchtungen über das politische und wirtschaftliche Wieder erwachen Deutschlands herauslesen zu können glaubt. Grotesk sei auch die französische Unterstellung, Italien beginne über die in Deutschland angekündigten neuen Formen der Jugendorga nisation Sorgen zu machen. Im Gegenteil, das faschistische Ita lien freue sich, daß ein weiterer italienischer Gedanke jenseits der Grenzen in einer großen Nation Fuß fasse. Die französischen Blätter sollten auch nicht in Entstellung der Tatsachen behaup ten, daß Italien damit eine Wiederaufrüstung Deutschlands im Gegensatz zur Abrüstungskonferenz begünstige. Die letzten Worte Mussolinis hätten in dieser Beziehung volle Klarheit geschaffen. Italien wolle eine tatsächliche Entscheidung und rasche Ab rüstung. Es sei immer bereit, seinerseits auf den niedrigsten RL- stungsstand herabzugehen. Aber wenn Frankreich und seine Ver bündeten nicht wirklich abrüsteten — jenseits trügerischer Zei tungsartikel und Reden — und wenn Frankreich und seine Ver bündeten weiter dabei blieben, daß ihre Rüstungen die Grund bedingungen ihrer Sicherheit seien, so könne man keinem ande ren Staate der Welt das Recht auf dieselbe Art von Sicherheit absprechen. Gerade im Hinblick auf den Frieden und eine herz liche internationale Zusammenarbeit werde das Recht Deutsch lands für alle anderen Länder zu einer Pflicht. Sie zu ver neinen, bedeute so viel, wie gegen den Fortschritt und die Ord nung Europas zu arbeiten. „Wir wollen helfen!" Ein Aufruf zur neuen Winterhilfe. Berlin, 25. September. Die in der Deutschen Liga der freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände wen den sich mit dem nachstehenden Ausruf an die Oesfenllichkeit: „Ein neuer schwerer Minter steht vor der Tür. Mitfühlende! Nächstenliebe, die aus freiem Willen hingibt, was sie entbehren kann, vermag viel. Sie muß neben die Anstrengungen von Reich-, Ländern und Gemeinden treten, um die Arbeitslosen und Arbeitsunfähigen vor der äußersten Not zu schützen. Daß diese Nächstenliebe noch lebendig ist, hat der vorige Winter bewiesen. Trotz der Verarmung unseres Volkes wurde mehr gegeben als je zuvor, — dank der großen Opfer aller derer, denen es ernst war mit dem Worte: Wir wollen helfen. War diese Hilfe auch bescheiden gegenüber der Not der Millionen, so hat sie doch in vielen Hunderttausenden den Mut gestärkt, in fast hoffnungsloser Lage auszuharren. Auch in diesem Winter muß und wird die Losung aller Deutschen, die guten Willens sind, lauten: Wir wollen helfen. Im Namen aller Hilfsbedürftigen, im Namen aller offenen und verschwiegenen Not bitten die unterzeichneten Verbände: Helft weiter in opferbereiter Liebe! Helft von Mensch zu Mensch, soweit ihr könnt! Helft aber auch durch Spenden an Lebensmitteln, Klei- dungs- und Wäschestücken, an Heizungsmaterialien und an Geld den in der Winterhilfe tätigen Organisationen, damit sie in ge wissenhafter, geordneter Arbeit den Kampf gegen die Not wei ter führen können!" Deutsche Liga der freien Wohlfahrtspflege: Central-Aus schuß für dis Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche. — Deutscher Laritasverband. — Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden. — Deutsches Rotes Kreuz. — Fünfter Wohl fahrtsverband. — Christliche Arbeiterhilfe. Der Reichspräsident und die Reichsregierung schließen sich diesem Ausruf mit folgendem Geleitwort an: Trotz mancher Anzeichen einer Besserung der Wirtschafts lage gilt es dennoch wieder, einen schweren Winter wirtschaft licher Bedrängnis zu überstehen. Opfermut des Deutschen für den Deutschen muß hier abermals ein starker Helfer sein. Auch in diesem Jahre ergeht daher der Aufruf zur Winterhilfe. Reichspräsident und Reichsregierung unterstützen ihn mit der dringenden Bitte an alle, in Erfüllung sittlicher und mensch- li-ber Nächstenpslicht auch für den kommenden Winter in der Liebestätigkeit nicht nachzulassen. Wer diese Bitte erhört, lin dert nicht nur dis Not des Einzelnen, er dient auch dem Vater lands. Dorum denkt an Deutschland und helft! Berlin, 24. September 1932. Der Reichspräsident: von Hindenburg. Für die Reichsregierung: von Papen, Reichskanzler.