Volltext Seite (XML)
Zerrissener Traum. Skizze von Georg Wagener. Der Vorsitzende wandte sich an den Angeklagten: „Schil dern Sie uns die Ereignisse jenes Tages!" Albrecht Klinkhardt erhob sich langsam. Sein junges Ge sicht war eingefallen. Sein Blick ging starr am Vorsitzenden vorbei, bohrte sich in die Wand hinein, sah vielleicht dort draußen im Freien das aufgeschlagene Buch, aus dem er ein tönig vorzulejen schien: „Ich war sechs Jahre alt, als ich zuw ersten Mal von hohen Bergen erzählen hörte. Wir lebten in »er Großstadt, wo ein Haus wie das andere aussah, wo in du Höfe kein Licht hineinkam, und wenn meine Mutter mich ein- mal ins Freie brachte, dann ging sie bis an den Rand bei Stadt. Da lag ein Schrebergarten am anderen, und alle Hatter armselige Zäune und noch armseligere Lauben. Die Leut« standen da drinnen und gruben schwitzend, oder sie hockten n oer Laube und tranken irgend etwas, das fürchterlich bittei sein mußte; denn wenn sie dabei auch zuweilen schrien uni lachten, so kam es mir doch vor, als machten sie alle unendliä traurige Gesichter. Da fragte ich die Mutter: ,Was tun die Leute da?' — ,Dai sind arme Leute', sagte sie, ,arme Leute wie wir. Sie feier» so ihren Sonntag, weil sie kein Geld haben, um einmal dorthii zu fahren, wo die hohen Berge sind, wo man nichts von Elen und Kummer weiß, wo die Einsamkeit ist und der Mensch sie als König fühlt.' Ich Sachte über das nach, was die Mutter gesagt hatte Und dann gingen meine Gedanken Plötzlich sprungweise Mutter, warum geht der Vater nie am Sonntag mit uni aus? Er könnte uns doch helfen, die hohen Berge zu suchen. — ,Ach Kind', sagte meine Mutter dann, ,er geht immer allen auf die Suche nach ihnen. Aber er findet sie nicht.' Nur glaubte ich manches zu verstehen: ,Deshalb ist er wohl auä immer so ärgerlich, wenn er Sonntag abend nach Hause komm und kaum noch gehen kann, daß Du ihn ins Bett bringe» mußt und er gleich einschläst und schnarcht?' — ,Kind, red doch nicht', sagte die Mutter dann, und ich verstand nicht warum sie ein Paar Tränen in den Augen hatte. Nur das eine wußte ich: Groß wollte ich werden uni stark, damit ich einmal genug Geld verdiente, um die Mutt« auf die Berge führen zu können, nach denen sie sich so sehnte. — Ich kam nicht dazu. Denn ich ging noch zur Schule, di konnte die Mutter eines Sonntags nicht mehr mit mir vor dt Stadt gehen. Sie lag im Bett und fieberte, und der Vatei war wieder allein auf die Suche nach seinen Bergen der Vev gessenheit gegangen. Wir sagten wenigstens so zueinander meine Mutter und ich, denn ich wußte, es würde sie schmerzen -hätte ich mich anders ausgedrückt und von Schnaps uni Kneipen gesprochen. Ich saß am Bette der Mutter und hielt ihre Hand. Sv schien zn schlafen. Doch dann sprach sie mit geschlossenen Augen s,Kind', sagte sie, und ihr abgehärmter Mund schien mir Plötz Aich so schön, ,Kind... ein Wunder! ... der Berg... ich steh i aus »hm... allein mit Dir... siehst Du die unendliche Ferne! §... O, wie still... wie still...' Ich sah nur, daß ihr Mun! sich noch leise bewegte. Ich hörte nichts. Dann rührten sich auä i thre Lippen nicht mehr. Als der Vater nachhause kam, polternd und lärmend, dl I schlug ich ihm die Faust ins Gesicht: ,Sei still, Du ... Du .. die Mutter ist tot!' — Ich blieb, bis wir sie begraben hatten. Denn ich wollte ! sie nicht mit ihm allein lassen. Vom Friedhof aus lief ich da von. Ich mußte die Berge finden, nach denen Mutter sich in Leben so gesehnt und die sie erst im Sterben gesehen hatte ! Die Berge des seligen Vergcssens. Es dauerte lange, bis ich sie fand. Ich war Wohl fort gelaufen, aber sie holten mich unterwegs wieder und brachte»- mich in eine Erziehungsanstalt. Und dort hatten sie keiner Sinn für Phantasien und Berge. Sie ließen mich ein Hand werk lernen, aber die Sehnsucht konnten sie nicht unterdrücken Sie lebte weiter, wurde immer stärker, und ich wußte, erlebt« sie nicht die Erfüllung, dann mußte es zur Katasirovü, kommen. Ich war ja nur deshalb auf der Welt, um einmä auf dem Gipfel steheu zu könne«. Mit einundzwanzig Jahren entließen sie mich aus de» Anstalt. Ich hatte ein paar Mark gespart, und nun verdient, ich mir langsam durch Arbeit von Ort zu Ort die Reise. Si, dauerte ein halbes Jahr. Und dann sah ich die Berge. Sie lagen am Rande der Ebene, wie ein Wall, den di, Natur um die Erde mit ihrem Elend und Jammer gebaui hatte. Sie schienen greifbar nahe zu sein, und doch mußte iöj tagelang wandern, bis ich endlich an ihrem Fuße stand. Dann sah ich aber, daß es doch nicht die richtigen Berg, waren, denn alle Anzeichen verrieten: Menscher» kamen dori öfters hin. Und die Mutter hatte doch von einem Berg ge- sprochen^ wo die Einsamkeit war! So lief ich weiter in di, Daler hinein und fragte, die Leute, ob sie nicht einen Berg wüßten, den niemand bestiege. Sie machten verwunderte Ge sichter, und dann meinte einer, das Leutenhorn sei Wohl de, richtrge. Das sei gefährlich, und deshalb sollte ich mich hüten. Ich ging aufs Lcutcuhorn. Ich weiß nicht, ob es wirklich so gefährlich war. Ich sah nur, daß ich immer höher stieg, daß die Welt immer tiefer unter mir versank, daß der Himmel sich weitete, daß die Einsamkeit wuchs. Und endlich stand ich auj dem Gipfel, und meine Sehnsucht war erfüllt. Meine Mutter stand neben mir. Ich hielt ihre Hand und sah in eine andere Welt" Der Angeklagte schwieg. Das Buch dort jenseits der Wand des Gerichtssaals mußte Wohl zu Ende sein, denn Albrecht Klinkhardts Blick kehrte in den Raum zurück, sah die Menschen, und Haß flammte in seinen Augen auf: „Ja, und dann klang Plötzlich zu uns in die Stille Lärm hinauf, Menschen, die schrien mW lachten. Und meine Mutter war nicht mehr bei mir. Aber unter mir kamen die Menschen den Berg herauf, hingen wie Fliegen an der Felswand und... und . Albrecht Klinkhardt ballte die Fäuste, schüttelte sie in ohn mächtiger Wut: „... und da... und da..." Der Vorsitzende fiel ihm ins Wort: „Da warfen Sie mit Steinen nach den Menschen unter ihnen, und einen machten Sie zum Krüppel!" „Ja, und das war noch nicht genug! Ich hätte sie alle treffen müssen, denn ich stand vor der Erfüllung meiner Sehn sucht, und meine Mutter wollte mich hinüberführen in eine andere Welt, und diese Menschen haben sie mir verschlossen. Ich hasse sie, hasse sie, Has..." „ . Die Sitzung mußte vertagt und der Angeklagte hinaus gebracht werden, weil er tobte. Die Verhandlung konnte nach der Wiederaufnahme bald abgeschlossen werden. Sie endete mit einem Freispruch. De, Geisteskranke wurde in eine Anstalt gebracht. Was sollte ein Mensch wie Albrecht Klinkhardt noch unter den Leuten? Der rätselhafte Fall. Humoreske von Ernst Römer. An unserem Seemannsstammtisch „Zum fröhlichen Taifun" wird streng darauf geachtet, daß Albert Butenschön und Karlchen Vogelsang sich nicht nebeneinander setzen. Um des Friedens und der Eintracht willen. Geschieht es doch ein mal, dann wird sich mit Sicherheit das Folgende entwickeln: Karlchen ist beim dritten Glase angelangt, sagt freundlich: „Prost Blume, lieber Albert!", niinmt einen herzhaften Schluck und holt von ungefähr eine Bleifeder aus der Tasche. Darauf legt Albert Butenschön aus Ostholstein mißtrauisch die Ohren zurück, hüllt seine beiden ansehnlichen Hände schützend um sein Grogglas und starrt »vie ein Noghi einen Punkt an der Wand an. Worauf Karlchen Vogelsang aus Leipzig einen Bierfilz ergreift und unserm Butenschön damit zutraulich näher rückt: „Abert, nun schau doch mal her! Ich habe mir das nochmal ganz genau überlegt, wie es war: Du kamst mit Deinem Gaul s o augeritten" — er zieht auf dem Bierfilz einen Strich — „und ich s o" — er macht einen zweiten Strich — „und wenn Du nun rechtzeitig dorthin abgebogen wärest, dann hätte unmöalick ..." Albert Butenschön hat zunächst überhaupt nicht, dann unwillig und nur mit einem halben Auge hmgesehen. Als nun Karlchen seinen dritten Strich hinmalt, da hält es ihn nicht länger. Er nimmt Karlchen den Bleistift aus der Hand und ruft mit rollenden Augen: „Das könnte Dir Woll so Passen, wie? Menschenskind, wie oft habe ich Dir das nun schon erklärt: Ich hatte meinen Kurs geradedurch gehalten, und zwar in dieser Richtung" — er zieht den Strich Numero vier — „und wenn Du auf Deiner kümmerlichen Ziege nicht so viel Abtrift gehabt hättest, dann wäre doch..." Worauf wieder Karlchen den Bleistift erobert und der bierfilzigen Generalstabskarte die fünfte Rune eingräbt. Wor auf Albert Butenschön in zorniger Verzweiflung die Hand durch die Luft schlägt und mit einem endgültigen Halbrechts- um seinen kalten Grog austrinkt. Nein, es war nichts zu machen mit den beiden. Woher stammt dieser eingefrorene Konflikt? Albert und Karlchen Ware», alte Seekameraden, die das Schicksal immer wieder zusammengeführt hatte, nach meist jahrelanger Trennung, an den entlegensten Plätzen des Erd balls, in den unwahrscheinlichsten und seltsamsten Lagen. Ein mal war es in Kiel gewesen, beide dienten dort als Einjährig- Freiwillige bei der Kriegsmarine. Man erneuerte den schicksal haft gewollte», Freundschastsbund auf soldatisch-seemännische Weise. Der Rest blieb militärisches Geheimnis. Der Krieg schien sie für immer getrennt zu haben. Keiner hatte vom an dern gehört, Briefe waren nie gewechselt worden. Nach dem Kriege stellte sich Albert Butenschön einem Freikorps zur Verfügung. Bald nach seinem Eintritt war eine groß angelegte Felddienstübung fällig, in der sich die beiden Regimenter des Korps als grimme Feinde gegenüber lagen. Albert hatte den beurlaubter, Koinpagnieführer zu ver treten. Er lag mit seinen Leuten ausgeschwärint und zum Sprunge bereit am Rande eines Tannenwäldchens und sah schon gewissermaßen das Weiße im Auge seines Gegners. Da wurde plötzlich aus für ihn nicht ersichtlichen Gründen der Kampf abgebrochen: Vom Feldherrnhügel ertönte „Das Ganze halt!", und kurz darauf schmetterten die Hörner: „Die Herren Offiziere!" Leutnant zur See der Reserve Butenschön zog den Niemen seines stählernen Südwesters enger, bestieg trutzig sein herbeigeführtes Streitroß und brauste mit zehn Knoten Fahrt über die blühende Heide, dem Feldherrnhügel zu. Da tauchte in der ehemals feindlichen Linie ein anderer Offiziersreiter auf. Das ganze sah aus wie eine Eierkiste im Seegang, und Albert nahm die Erscheinung fester ins Äuge. Plötzlich schrie er: „Karlchen, hallo Karlchen! Menschenkind noch mal!" und steuerte sein gutes Schiff auf de», wiedergefundenen Freund zu. Nun wird ja das Ausweichen von Schiffen auf See durch eine internationale Seestraßenordnung geregelt, deren drei unddreißig Artikel jedem Seemann in Fleisch und Blut über gegangen sind und deren strenge Befolgung zur Berufsehre gehört. Ob sich nun die Ausführung jenes Gesetzes nicht ohne weiteres auch auf der Lüneburger Heide ermögliche», ließ oder ob es daran lag, daß Militärpferde keine Seepferde sind: kurz, die beiden freundlich gesinnten Fahrzeuge stießen mit banniger Fahrt zusammen. Man sah einen langen nordischen Leib Meteore»,gleich durch die bienendurchsummte Luft fliegen, dann nahm ihn Mutter Erde an ihren Busen. Worauf sich das Butenschönsche Pferd beim Oberbefehlshaber vereinsamt zur Stelle meldete. Das andere Pferd hingegen bevorzugte in hur tigen Sätzen eine mehr nordöstliche Richtung. Nordöstlich vonr Schlachtfeld lag der Stall. Und auf dem Pferd saß Karlchen. Karlchen aus Leipzig. Neulich war ich wieder am Stammtisch. Und es war wieder einmal so weit. Diesmal versuchte Karlchen Vogelsang die Kollisionslage mit Hilse von Zündhölzern darzustellen. Er sagte zu Butenschön: „Nun mal in aller Ruhe, lieber Albert: Du mußt doch zugeben, daß mein Kurs ent- entschieden..." Aber der liebe Albert gab entschieden nichts zu und »nachte schon ein Gesicht wie Götz von Berlichingen. Es ist eben nichts zu machen mit den beiden. Die Bluse ist in ihrer Gesamlwirkung im Laufe der leylen Fahre immer eleganter geworden, Stoffe wie Gröpe-satin, Georgette, Gröpe de Lhine, Waschseide und Organdy gelängen in den schönsten Farben zur Verarbeitung. Man trägt die moderne Bluse sowohl im Rock als auch, in langer, enger Form, über den Rockbund greifend; und auch die Bluse mit kurzem Schösschen ist sehr beliebt. — Massgebend für die elegante Wirkung sind, neben den Formen und den Stoffen, die Garnierungen. Hohlnähte, Säumchen, Biesen, Reihziehungen, etwas leichte Stickereien und, für sportliche Blusen, auch Besayknöpfe — hiermit können die Blusen aufs Effektvollste geschmückt werden. — Neu in ihren Formen sind auch die Röcke. Zu dem üblichen, durch Falten, Glocken oder Godets erweiterten Rock gesellen sich heute vor allem die Mieder- und die Trägerröcke, die es in unendlich vielen verschiedenen Arten gibt. Das ' Verschiedenartige siegt in erster Linie in der Höhe des Mieders und im Schnitt der Träger. — Neben den aus einfarbigen und gemusterten Wollstoffen gearbeiteten Röcken erfreuen sich die Seidenröcke grosser Beliebtheit, denn der aus Seidenröcke und Seidenbluse gebildete Anzug ist heule ein geschätztes und sehr modisches Nachmittags- kleid! — Zu den hier abgebildclen Modellen sind Lyon- Schnitte crbältlich. A. K. ist Bid-14 Bluse aus gemusterter Waschseide. Kurze ein gesetzt-Ärmel. Lyon-Schnitt, Sröss«44. (Kleinigkeit.) B10123 Sportbluse aus Jersey. Kürtet und Bluse schliessen mit Perlmutterknöpfen. Lyon - Schnitt, Sr. 44. (Kleinigkt.) B101S2 Bluse aus leichtem Wollstoff mii Doppelsape und geknöpftem Westeneinsatz. Lyon-Schnitt, Hr. 44. (Kl. Schn.) B 10172 Bluse, aus glatter Seibs und Lochstickereistoff kombiniert. Lyon-Schnitt, Srösse 44. (Kleiner Schnitt.) B101S7 Blusenrock aus Lrsps de Lhine. Der Klocksn ansatz ist ssitlich in Säumchsn abgenäht. Lyon- Schnitt, Srösse 44 erhältlich. Meiner Schnitt.) B101Sä Blusenrockaus leichtem Wollstoff. Unten sind Tallsn- tsile eingcfügt. Lyon-Schnitt, Srösss 44. (Kl. Schnitt.) B101SS Trägerrock aus einfarbigem Wollstoff. Dazu eine weisse Waschseidenbluse. Lyon-Schnitt, Sr. 44. (Kr. Schn ) sn cZ/e/en M^cZeZZen §Q6n/ZZn7n/?er' «7nn/a6Z nncZ /keZne BesaAs- yneZZe v^l^e/Q^ne? /Zn^e/, u^oZZe /7c6 an cZen ^er-Zas cZ/e/e§ LZaZZes u^en^en ocZer- nö'Z/sen/aZZL an c/en k^l-Zas 6n/?a^ Ler-Z/n §0/6.