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I Ratlosigkeit aas Ker Genfer Tagung Nie Neichsreformpläne und Sachsen. Tie Reichsregierung zeigt, nachdem sie in Konflikt mit dem Reichstage geraten ist, ganz offen das Bestreben, sich nun wenigstens mit den Ländern zu verständigen. Dabei handelt es sich nicht nur um die politische» Tagesfragen, sondern vor allem auch um das große Gebiet, das man unter der Bezeichnung Reichs- und Verfassungsresorm zusammensaßt. Aber die Begriffe haben sich gewandelt. Während man früher, wenn man von der Reichsresorm sprach, vor allem an die Vereinheitlichung dachte, steht jetzt der föderalistische Gedanke im Vordergründe. Eine neue Verbindung zwischen Reich und Preußen, durch Personalunion in den Ministerien und vielleicht auch durch Neugliederung der Provinzen, widerspricht dieser Zielsetzung nicht, weil das Gegengewicht dadurch herbeigeführt werden soll, daß die anderen Länder wieder größere Selb ständigkeit erhalten sollen, und zwar vor allem auf finan ziellem Gebiet. Allerdings nicht alle Länder: daran, daß die kleineren Gebilde mit anderen bzw. mit preußischen Landes teilen vereinigt werden sollen, scheint man sestzuhalten — die Nie peinliche Lücke. Abrüstungskonferenz ohne Deutschland. Die Erklärung der deutschen Regierung, an den Ver tändlungen der Abrüstungskonferenz nicht teil- junehmen, solange ihr Anspruch auf Gleichberechtigung »on allen beteiligten Staaten nicht anerkannt ist, scheint »ein Völkerbund doch außerordentlich peinlich zu fein. Man bemüht sich jetzt auf alle Weise, Deutschland zoldene Brücken zu bauen, oder es unter einen ge- ivissen Druck zu setzen, um es zu einer Aufgaoe seines Beiseitestehens zu veranlassen. So glaubt man in gut anterrichteten französischen Kreisen, daß der eng lische Außenminister in Genf alles versuchen werde, um sie Reichsregierung doch noch zur Teilnahme an den Ab- cüstungsverhandlungen zu bewegen Die letzte Erklärung Hoovers legen ferner die amerikanischen Blätter anscheinend auf höhere Weisung sehr entgegenkommend aus. Man spricht von einem „freundschaftlichen Druck" befreundeter Mächte auf Berlin, um die Ab rüstungskonferenz nicht zum Scheitern zu verurteilen. Mit einigem Unbehagen sieht Frankreich, wie sich Deutschland plötzlich zu einem ausschlaggebenden Faktor entwickelt, was eigentlich nicht beabsichtigt war. Da ein freundschaftlicher Druck von seiner Seite aus Deutschland keinen Glauben finden würde, versucht es Frankreich mit Drohung und weist auf sein angeblich vorhandenes Geheimarchiv über deutsche Rüstungen hin, das es öffnen würde. Nun, wir können mit gutem Ge wissen dem Offnen dieser alten französischen Motten kiste entgegensetzen. Daß Deutschland trotz alles Liebeswerbens und aller Einschüchterungsversuche auf seinem erklärten Standpunkt bleibt, das erhärten erneut Ausführungen des Reichs- außenministers von Neurath in einer Monats schrift. Er führt darin u. a. aus: „Wir haben in Genf mit großer Geduld viele Monate hindurch uns bemüht, eine durchgreifende allgemeine Abrüstung nach unserem Muster herbeizuführen. Wir haben ferner Gleichberechtigung verlangt. Das bedeutet praktisch, daß das Abkommen über allgemeine Abrüstung, das in Genf aufgestellt werden soll, für uns ebenso gilt wie für die anderen Staaten Gewisse aus ländische Presseorgane haben den Eindruck zu erwecken versucht, als ob es Deutschland nicht auf die allgemeine Abrüstung, sondern auf seine eigeneAufrü stung ankäme. Eine solche Verdächtigung stellt die Tatsachen auf den Kopf. Ich brauche kaum zu versichern, daß für Deutschland eine Beteiligung an den Genfer Verhandlungen nich 1 in Frage kommt, solange unser Anspruch aus Gleich berechtigung nicht von allen beteiligten Staaten anerkannt wird. Das wäre mit der Ehre des deutschen Volkes un vereinbar. Wir sind nicht gewillt, eine Rolle minde ren Rechts zu spielen. Darin weiß ich mich mit dem ganzen deutschen Volke einig." Dieser wiederholte Hinweis auf Deutschlands festen Willen kommt gerade recht zurerstenSitzungdes Büros der Abrüstungskonferenz. Dort gab zunächst Henderson ein Schreiben Litwinows bekannt, in dem di«e Moskauer Regierung sich weigert, in Zukunft Ver treter in die technischen Ausschüsse der Konferenz zu ent senden, solange nicht Beschlüsse über wesentliche Herabsetzungen der Rüstungen gefaßt seien. Ferner berichtete er über seinen Briefwechsel mit dem deut schen Reichsautzenminister. Henderson beantragte, die Aus sprache über diesen Notenwechsel zu vertagen, für den Fall, datz die deutsche Regierung die Absicht habe, auf sein, Hendersons letztes Schreiben vom 18. September eine Ant wortzuerteilen. Das Büro erteilte mit Schweigen dem Präsidenten die Zustimmung zur Verschiebung der Aussprache über den deutschen Notenwechsel. Botschafter Cdge nach Washington beordert. Berscht über Frankreichs Haltung in der Abrüstungsfrage Staatssekretär Stimson gab bekannt, datz der amerika nische Botschafter in Paris, Edge, nach Washington be ordert sei, um ausführlich über die Verhandlungen über den neuen französisch-amerikanischen Handelsvertrag zu berichten. Man vermutet, daß Edge in der Lage sein wird, die tieferen Ursachen zu beleuchten, die Frankreich vom schärfsten Gegner des Hooverschen Abrüstungsvorschlages zum Befürworter dieses Planes machten. Weiter wird erwähnt, daß Edge gelegentlich als Sprecher für Hoover im Wahlkampf v'orgcschlagen worden sei. Minim Ae A WM WN Oer kleine „Laps" und der große „Jonathan". Vor einem Jahre krachten die japanischen Schiffs geschütze um Schanghai, loderte der Brand riesenhoch auf, den Japan durch sein Vorgehen in der Mandschurei entfacht hatte. Wieder einmal war, mächtiger und folgen schwerer denn je, auch in der Nachkriegszeit der Beweis ge liefert worden, daß nicht das Recht — oder was man schamhaft dafür ausgibt — die Welt regiert, sondern nur die Macht, daß nicht Völkerbundparagraphen oder Kellog-Verträge das entscheidende Wort zu sprechen haben, sondern die Kanonen und die Bombenslugzeuge. Weil man das beim Völkerbund zwar wußte, aber nicht zugeben konnte oder gar zugeben wollte, vertrieb man sich erst ein halbes Jahr lang die Zeit mit Verhandeln, und dann ein weiteres Jahr mit dem Warten auf das Er gebnis der Untersuchung jener groben internationalen Kommission, die der Völkerbund nach der Mandschurei geschickt hatte und die nun, nach Europa zurückgekehrt, mit ihrem Bericht sür die bevorstehende Konferenz des Völker bundes und feines Nates gerade zurechtkommt. Dann kann in Genf das Verhandlungsspiel wieder beginnen und können die Herren Diplomaten von einer Verlegenheit in die andere taumeln, während die japanische Delegation mit verbindlich-steinernem Lächeln zusieht und immer nur Nein sagt. Und über den Hintergrund zucken die Kriegs flammen im Fernen Osten. Ist die Diplomatie überhaupt jemals imstande gewesen, solche Brände zu löschen? Das Paragraphen- und Vertragseimerchen, aus dem der Völkerbund sein bißchen Wasser der „Entschließungen" ins Feuer gießen könnte, hat zudem noch ein paar große Löcher im Boden. Voller Staunen und Bewunderung vernehmen es die Völker, daß die internationale Diplomatie die Lage im Fernen Osten „als sehr ernst ansieh t". Das ist ja immerhin etwas! Aber sie ist auch sehr ernst, allzu ernst, als datz man selbst über die Diplomaten nebst Völker bund und Völkerbundrat lächeln könnte. Schlimm für den Völkerbund war es schon, daß mitten in seine Ver handlungen vor einem halben Jahr die japanische Mit teilung hineinplatzte, die Regierung in Tokio habe die Unabhängigkeit der Mandschurei von China erklärt. Noch schlimmer für die kommenden Verhand lungen in Genf ist es, datz zehn Tage vor ihrem Beginn die japanische Negierung auch noch den neuen Mandschurei staat „Mändschukuo" als selbständigen Staat formell an erkannte. Ganz schlimm aber wurde es, daß japanischer- seits ganz offiziell erklärt wurde, datz in dem neuen „selbständigen" Mändschukuo z. B. wirtschaftlich kein Land etwas zu suchen habe, dessen Regierung nicht gleichfalls den neuen Maudschustaat anerkennt. Diese Mitteilung ist aber nichts anderes, als daß der kleine „Japs" dem großen „Jonathan" ganz fürchterlich auf den Fuß getreten hat; denn dies ist die Antwort auf eine kürzlich erfolgte, ganz unzweideutige Erklärung des amerika nischen Staatssekretärs Stimson, die Regierung in Washington werde nie einen Staat anerkennen, der unter Bruch bestehender Verträge und mit Waffengewalt begründet sei. Denn schließlich ist es doch Stimsons Vor gänger Kellog gewesen, der feierlich vor aller Welt und durch alle Welt — einschließlich Japans — den Krieg für alle Zeit und Ewigkeit ächten ließ! In der Mandschurei hat gerade Amerika die stärksten wirtschaftlichen Interessen, und in jahrzehnte langem zähem Kampf gegen Russen und Japaner dort den Grundsatz der „offenen Tür" verteidigt. Jetzt hat Japan die Macht dazu, sie den Amerikanern — natür lich formell durch die Regierung von Mändschukuo — vor der Nase znzuschlagen. nein, zuzuknallen! Dadurch wird nicht bloß das amerikanische „Prestige" — auch eine be liebte Kriegsursache! — arg verletzt, sondern, was noch viel wichtiger ist, die amerikanischen Wirtschafts interessen werden bedroht! Die Bedrohung kann aber für den amerikanischen Handel noch ganz unabsetzbare Folgen in dem riesigen und zukunftsreichen chinesischen Absatz gebiet Haben, wenn Amerika die erbitterten Proteste Chinas gegen das japanische Vorgehen nur mit Worten unterstützen will. Und dann liegt dahinter auch noch die Sphinx Sowjetrutzland, das jetzt mit ein paar tausend Kilometer an Japan — Verzeihung! —, an Man- dschukuo grenzt und zur Zeit ein ganz undurchsichtiges Spiel im Fernen Osten treibt. Die Luft ist also mit weltpolitischen Span nungen geladen; die dem Völkerbund angehörenden europäischen Großmächte sind in ihrer Stellungnahme zum Brand im Fernen Osten uneiniger als je und — man hat auch gar keine Spritze, nm den Brand zu löschen. China Protestiert, Amerika protestiert, vielleicht auch der Völker bund, — und der Japaner steckt sein höflich-verneinendes Lächeln vor das Gesicht. Mord und Macht regieren die Stunde! größeren aver, und zwar Bayern, Württemberg, Baden und Sachsen, sollen dafür wieder stärker mit eigenen Rechten in Erscheinung treten. Bestimmte Mitteilungen iiber diese Pläne sind freilich noch nicht gemacht worden, im großen und ganzen scheinen diese Angaben aber doch den wirklich gehegten Ab sichten zu entsprechen. Daß man aus dem so stark föderalistisch gesinnte» Bayern Worte der Zustimmung oder wemgstens < er „Bereitschaft zur Mitarbeit" hört, beweist ebenfalls, daß die Pläne in dieser Richtung gehen. Wie gesagt, ein ausfälliger Wandel vom Unitarismus zum Föderalismus ist festzustellem Und damit ist es allerdings auch wahrscheinlicher geworden, daß man in absehbarer Zeit einmal zur Verwirklichung der Pläne kommt, da eben der söderalr- stische Gedanke doch stärker und wirklichkeitsnaher ist. als 'S viele bisher wahrhaben wollten. Aber auch sie brauchten über eine solche Lösung nicht traurig zu sein, wenn es tatsächlich gelänge, durch Vereinheitlichung weuigsteus der kleinen Länder einen Fortschritt m der Beseitigung der Memstaaierei zu machen. Dabei erhebt sich eine Frage, die besonders Sachien Ei« geradezu trostloser Eindruck. Eine neue Sitzung des Büros der Abrüstungs konferenz in Genf verlief vor fast leeren Tribünen ohne das geringste Interesse. Es machte sich allgemeine Rat losigkeit und Teilnahmslosigkeit geltend. Aufmerksamkeit erregte lediglich eine scharfe Erklärung Litwinows, der den völlig ergebnislosen Verlauf der Abrüstungsverhandlun gen und die hoffnungslose Lage deutlich darstellte. Das Büro müßte dem Hauptausschutz sofort praktische Maß nahmen im Sinne einer Rüstnngsherabsetzung auf das von Sowjetrußland angeregte Drittel Vorschlägen. Unter diesen Umständen würde Deutschland, dessen Fernbleiben das Büro außerordentlich bedauern müsse, vielleicht wieder in die Abrüstungskonferenz zurückkehren können. Die Versuche, ohne Deutschland die praktischen Ab rüstungsarbeiten weiterzuführen, scheinen bereits am ersten Tage gescheitert zu sein. Die Verhand lung rief in allen internationalen Kreisen einen geradezu trostlosen Eindruck hervor. * Peinliche Pariser Eindrücke. Paris, 21. September. Unter der Parole „Der Ab wesende hat immer Unrecht", setzt die Pariser Presse ihre Be mühungen fort, auf Deutschland einen stimmungsmäßigen Druck auszuüben. Der „Paris Midi" erinnert in einem Bericht feines Chefredakteurs aus Genf an einen „Präzedenzfall", der sich im Jähre 1919 auf der Versailler Friedenskonferenz abgespielt habe. Damals seien die italienischen Vertreter Orlando und Sonino wegen der Fiume-Frage plötzlich abgereist. Trotzdem habe die Konferenz ihre Aufgabe auch ohne Italien durchgeführt und gerade in jener Zeit seien wichtige Beschlüsse über die Ver teilung der Kolonialmandate gefaßt worden. Jetzt beklage sich Italien über die damalige Regelung dieser Probleme. Der Berichterstatter des „Intransigeant"" vermittelt seinem Blatt folgende Eindrücke aus den Wandelgängen des Konferenzge bäudes: 1. Aus den Gesprächen gehe stimmungsmäßig hervor, daß man Deutschland nicht ewig in einer Läge der moralischen Minderwertigkeit oder Minderberechligung erhalten könnte. 2. Deutschland könne aufrüsten, wie es wolle, da niemand hin gehen könne, um die Rüstungen zu kontrolliere». 3. Die deut schen Forderungen einfach zu übergehen, würde die Auflösung der Abrüstungskonferenz und die Wiederaufnahme des Wett rüstens bedeuten. 4. Die Belgier, Polen, Tschechen, Rumänen, Südslaven und sogar die Schweizer und Holländer seien durch die vielen militärischen Kundgebungen in Deutschland beun ruhigt und fragten sich, ob der Augenblick geeignet sei, dem Reich Zugeständnisse zu machen. Schließlich glaube man, daß Herriot seine Akten über die deutschen „Rüstungen und Ver tragsverletzungen" vorlegen wolle. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, La» »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittag» S Uhr. Bezug,prct» monatlich r,— RM. frei Hau-, bei Pofibestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Eivielnummer» 10 Rpsg. Alle Postanstaltrn, Post, nehmen"» jSiL Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Fall« höherer Lewalt, ' Krieg oder sonstiger Be. triebrstörungrn besteht dein Amprucl am Lieferung bei eitung odrr Kürzung de, Dezugoprerse». — Stüchsendung eingefanbter SchristpLcke «rsolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff m» K >-g-u»d Plabm-rschriftM annahmcdisooim.lvUhr. -i " «Ull LVllSvrUsl ^tr. v derSchsichtigi. Anzeige», durch Fernruf übermi.^ten Anzeigen öder», wn keine «araniie. Jeder AadaXamgruü erluchu wenn dkr B«f^ Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen^^^ . . und "-.»ALL «L Nr. 223 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden - mm!I —" — Dresden 2640 Donnerstag, den 22. September 1932