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10810 Nichtamtlicher Teil. ^ 253, 30 Oktober 1906. den Papyrus mehr und mehr verdrängt hatte, für Urkunden bis in die neueste Zeit angewandt worden ist. Der Ur sprung des Pergaments wird auf 1500 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung zurückdatiert; wie weit die Erfindung in Pergamon geschah, wie der Name andeutet, ist nicht er wiesen. Sicherer dagegen ist die Tatsache, daß das von den Chinesen seit undenklichen Zeiten aus dem Gewebe des Seidenspinners hergestellte Papier von der durch die Araber eroberten Stadt Samarkand dem Okzident vermittelt wurde, nachdem schon die geschickten arabischen Handwerker die schwer zu beschaffende Seide durch Hanf und Hadern ersetzt hatten. In Europa bürgerte sich das neue Papier um die Mitte des 1t. Jahrhunderts ein, gerade rechtzeitig, um der Erfindung der Buchdruckerkunst dasjenige Material zu schaffen, das ihr kraft seiner Weichheit und Billigkeit qualitativ und quantitativ unentbehrlich war; ja, wer weiß, ob diese Erfindung ohne die ihr voraufgegangene Erfindung des Hadernpapiers überhaupt möglich gewesen wäre, wenigstens ob sie ihre weltbewegende Bedeutung erlangt hätte! Bambus, Seide, Leinen, Hadern würden für den im Laufe der letzten Jahrhunderte infolge der Erfindung des Buchdrucks ins Ungemcssene angewachsenen Papierkonsum nicht im entferntesten ausgereicht haben; die rastlose menschliche Findigkeit hat deshalb eine ganze Reihe anderer organischer Stoffe mit Erfolg zur Fabrikation von Papier herangezogen, ja man kann sagen, daß es kaum einen Stoff gibt, der nicht wenigstens versuchsweise dazu benutzt worden wäre. In erster Linie alle faserigen Pflanzen: Stroh, Farne, Nessel, Ramie (exotische Pflanze aus der Familie der Urticeen), das in Algerien sehr verbreitete Spartgras, der indische Jutehanf, dann namentlich viele unsrer Baumarten: Tanne, Weißtanne, Pappel, Zitterpappel, Birke, Linde, Nußbaum, Eiche, Kastanie, Eibisch, Weide, ferner Hundszahn, Moos, Torf, Hopfen, Leder usw. werden als Surrogate der Hadein verwertet — sogar die im Pferdemist enthaltenen und schon zum Teil verarbeiteten, d. h. im Pferdeniagen zerriebenen Faserstoffe sind nach d'Avenel, b,s messoisms äs 1s vis woäsros, zur Zeit Napoleons III. dazu benutzt worden. Daß altes Papier (Makula tur), eingestampft und gereinigt, in neues, wenn auch ordinäres Fabrikat umgesetzt wird, ist ebenfalls allgemein bekannt Die Versuche, neue, zur Papiersabrikation geeignete Stoffe zu finden, sind schon ältern Datums. Im Britischen Museum befindet sich ein holländisches Buch aus dem Jahre 1 772, das aus 72 verschiedenen Papiersorten, jede aus einem andern Rohmaterial gewonnen, hergestellt worden ist Der Papier fabrikant Louis Piette veröffentlichte 1827 ein »Usonsl äe xspstsrisr, das 160 verschiedene Papierarten enthält; eine neue, 1861 in Dresden erschienene Auflage dieses Werks ent hielt in einem besondern Anhang sogar 300 Papierarten, die aus ebensoviel verschiedenen Grundstoffen hergestellt waren. Wie der Buchdruck vor der Erfindung der Dampf maschine auf die langsame Handarbeit beschränkt blieb, so wurde auch das Papier bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts handwerksmäßig in Bütten hergestellt; der französische Ausdruck »pspisr s ls msior (auch L ls korws und s ls <mvs genannt) erinnert in gleicherweise wie unser deutsches »Büttenpapier« hieran. Die Technik der heutigen Papierfabrikation beruht im wesentlichen auf der Erfindung des Franzosen Louis Robert, der, ursprünglich Korrektor der Pierre Didotschen Buchdruckerei in Paris, im Jahre 1799 als Leiter der berühmten, L6ger Didot gehörigen Papierfabrik zu Essonnes den Plan zur rotierenden Sieb trommel (msobivs L pspisr oootmo) gefaßt hatte. Wieder an die Gutenbergsche Zeit erinnert der Prozeß, den Robert mit seinem Chef Didot wegen Kontrakterfüllung durchzu fechten hatte und schließlich gewann. Das von Robert ge nommene Patent konnte im Jahre 1814 von diesem aus Geldmangel nicht erneuert werden, und so fiel das Verfahren der Öffentlichkeit anheim; Robert aber hat das Los so manchen Erfinders geteilt und ist 1819 mittellos gestorben. Cim gibt nun eine genaue Darstellung der früheren, handwerksmäßigen, und jetzigen Herstellung des Papiers, die wir hier natürlich nicht wiedergeben können, da wir uns auf die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale und geschichtlichen Momente zu beschränken haben. »Lspisr vsrqs« nennt man ein Büttenpapier, das ans einer mit sehr feinen messingnen Fäden überzogenen Form hergestellt ist und die letzteren, auch Rippen genannt, im fertigen Papier durchscheinen läßt Die senkrechten Rippen, — pontnsssnx, stehen hierbei weiter auseinander als die wagerechten — vsr^surs. Beim Velin-Papier, das aus der Haut junger Kälber fabriziert — daher sein Name — und auf ähnliche Weise hergestellt wird, sind diese Fäden im Papier selbst nicht mehr sichtbar, es ist glatt, satiniert, ohne Korn und eignet sich vorzüglich für die Illustration. Beide tragen gewöhnlich ein Wasserzeichen, Filigran, nach dem das Format des Papiers bezeichnet wird: ein Topf, eine Glocke, Krone, Adler, Traube, Wappen, Monogramm IU 8 (Orsnä si^Is, Rsisill, Loa, llösns sind heute noch sehr gebräuchliche französische Formatbezeichnungen). Das Velinpapier wurde 1750 von dem Engländer John Baskerville (1706—1775) erfunden, und das erste auf diesem Papier gedruckte Werk ist ein von ihm verlegter Vergil aus dem Jahre 1757. Sehr beliebt ist auch das imitierte Büttenpapier, t-mx valin, das maschinenmäßig hergestellt wird und oft auch ein Wasser zeichen enthält, so daß letzteres also nicht immer als Garantie für die Echtheit des Büttenpapiers angesehen werden darf. Das Lspisr äs Hollsväs ist trotz seines Namens fran zösischer Herkunft; es wurde von nach Holland geflüchteten Hugenotten hergestellt und hauptsächlich nach Frankreich ein geführt. Es ist ein widerstandsfähiges, festes, manchmal je doch mit zu viel Leim versehenes und dann matt und grau werdendes Büttenpapier, kspisr ^Vüstmso ist ein englisches Büttenpapier ohne Wasserlinien und wird besonders für Linien- und Tuschzeichnungen verwandt. Das Chinapapier, pspisr äs Odios, wird aus der Rinde des Bambus hergestellt und hat ein graues, gelbliches Aussehen, das von seiner Herstellungsweise im Freien herrührt. Es ist dünn und glänzend wie Seide, dabei so weich, daß der Druck und noch mehr der Stich mit außerordentlicher Schärfe hervor treten. Es spielt bei den heutigen Bibliophilendrucken und im Kunstverlag eine große Rolle, ebenso das Japan papier, pspisr äs äspoo, das weiß oder gelblich gefärbt, zu gleich dick und durchsichtig, seiden, satiniert und perlmutter glänzend ist. Dieses wird aus der Rinde gewisser japanischer Sträucher, wie des Mitsumata, des Kozokozu, des Gampi hergestellt Es soll von Rembrandt, dem es ein befreundeter Seemann aus Japan mitgebracht hatte, zum erstenmal an gewandt worden sein. Eine Limili - äspoo genannte Nachahmung hat wohl das Aussehen, aber nicht die vielseitigen Vorzüge des echten Japanpapiers. »Lspisr Läks r ist ein spezifisch englisches Fabrikat aus Spartgras, elastisch, weich, dabei widerstandsfähig, jedoch selten ganz weiß. »Lspisr äs iswis«, aus der in Süd frankreich kultivierten chinesischen Brennessel hergestellt, ist eins der teuersten Papiere und wird eigentlich nur noch zur Fabrikation von Banknoten benutzt. Eine größere Bedeutung hat das loäis-Lspisr, eine neuere Erfindung, der eine große Zukunft bestimmt zu sein scheint. Dieses Papier ist außerordentlich dünn, jedoch un durchsichtig; sein Fabrikationsgeheimnis besitzt seit 1875 die