Volltext Seite (XML)
MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das .Wilsdrufiei Tageblatt- cttchcini an allen Wertingen nachmittags s Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— StA! Irel V°us, sei -vohd-st-llung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern w Rpj«. Alle Postanstatten, Post- neamen zu I.de,"--i> B-. Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend st^g-n^ig^ge^ höherer GewaU, Krieg oder sonstiger Be- Ntedsitörungen besteht keu. Anspruch aus ^'leferung der Wertung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung erngesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn H.onr tlilnr i. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8ge,s oltene Baumzeile 20 Rpfg.» die 4gespaltene Zeile der amlliü en Bekanntniockunprr 4l ,ict s Pfennige, die 3gefpallene Neklamezeile irn tertlichen Teile 1 RMK. O achrreisungsgebüt,'. 20 Reichspiennige. Dor- gefchriebeneErscheinungs- « tageund lvtroric rrs en werden nach Möglichkeit AkkN f iLVLl9okUsf v berücksichtigt. Anzeigern» annahmebisvorm.lOUHr. Für die Billigkeit ter durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Earantie. Jeder d vt anr.i i; rr e »c -..c- 1, n enn lei L l»iLs li rv Klage eingezogen werden muß oder der Auftrags «ter ir L rnl r ,t Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts- gerlchts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 201 — 91. Jahrgang Telezr.-Adr.: „Amtsblatt* Wilsdruff-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 27. August 1932 3il ElMtW der Ksnzlemde. Sackgasse ober Ausweg? Die Kampferspritze — Echte Krcdithilfe — Kann ein Volksentscheid helfen? Nicht weniger als 20 000 Deutsche haben zur Feder gegriffen und schriftlich recht ausführlich auseinander- gcsctzl, wie sie sich den Ausweg aus der deutschen Krise vorstellcn; der größte Teil beschäftigte sich mit dem Schwierigsten, was es in unserm Wirtschaftssystem über haupt gibt, mit der ä h r u n g s p o l i t i k. Mit einem heiteren, einem nassen Ange sprach der Neichsbankprüsident aus der Dortmunder Tagung des Genosscnschaftsvcrban- des davon, aber er spottete nicht darüber. Denn ans jener Zahl der 20 000 geht vor allem hervor, wie sehr und wie stark wir nun schon seit Jahren von der bangen Frage gepackt und geschüttelt werden: Wie kommen wir bloß wieder heraus aus diesem furchtbar wachsenden Elend? Und immer wieder konnte eine Antwort aus dicfe Frage nur insofern erfolgen, als eine Besserung der Lage von der Währungsseite allein her nicht zu erreichen ist. Wenn man in Deutschland das Wort „Währung" ausspricht, dars man niemals auch nur als leises Echo von irgend woher „Inflation" hören, auch nicht, wenn das Wort i,K r e d i t a u s w e i t u n g" auftaucht. Dr. Luther hat darum in Dortmund nicht ohne bestimmte Absicht und mit äußerster Deutlichkeit erklärt, daß er „vor seinem Gewissen und vor seinem Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber dem Vaterlande es ablchnen müsse, mit der Kampfer- sp ritze der offenen, verschleierten oder dosierten In flation sich als Rcichsbankpräsident Volkstümlichkeit zu erringen, die sicher rasch einer ewigen Verfluchung Platz machen würde." Dieses Lutherische: „Hier steh' ich, ich kann nichts 'anders" kommt aber ans dem Mnnde des Rcichsbankpräsidcnten, also eines Mannes, den seine Stellung völlig unabhängig macht. Äußerlich schon, denn er ist nur dem Vcrwaltnngsrat der Reichsbank gegenüber verantwortlich auf Grund des Bankgesctzes, das in völker rechtlichen Vertragsbindungen wurzelt. * Diese Stellung will Dr. Luther nun nicht etwa bloß in der Abwehr gegen währungs-, krcdit- oder handels politische Projekte ausnutzen, die er für falsch hält. Er ist gegen die „u n b c d i n g t e A u t a r k i e", die übrigens nur noch von wenigen verteidigt oder gefordert wird. Binnenmarkt und Ausfuhr, nicht Binnenmarkt oder Ausfuhr ist heute handelspolitisches Prinzip, weil schon der Fortfall der Möglichkeit, einen großen Teil unserer Arbeitsleistungen in das Ausland zu verkaufen, uns in einen noch tieferen Elcndszustand hinabführen müßte. Um so mehr will Dr. Luther die Kräfte aus seiner Stellung un bedingt mobilisieren. Er will die Kredithilfe durch die Neichs- bank einsetzen. Er will in keinem Falle wirtschaftlich be rechtigte Kredite verweigern, — im Gegenteil, er begrüßt es, wenn die Wirtschaft aus eigener Initiative mit solcher Forderung an ihn herantritt. Er ist bereit, „der Wirt schaft für jeden wirtschaftlich gesunden Zweck die Kreditkraft der Reichsbank zur Verfügung zu stellen, sofern es sich nur um echte Geschäftsvorgänge handelt, aus denen die Einlösung und damit die Zahlung des Wechsels in der erforderlichen kurzen Frist sich ergibt." Die Reichsbank gibt ja Geld gegen solche Wechsel, Geld, das wieder zu ihr zu rückfließen mutz, wenn es draußen seine Arbeit geleistet hat, Geld, das nicht draußen bleiben darf, weil es sonst den Notenumlauf ausdehnen würde über die wirtschaftliche Notwendigkeit hinaus, und damit eine „zusätzliche Kaufkraft", eine — In flation bewirkt. Und darum hat Dr. Luther sich bei den Forderungen, die wegen der Finanzierung des Arbeitsbeschaffungsprogramms an ihn ge stellt wurden, nicht in eine Sackgasse drängen lassen, an deren Ende die Inflation stehen müßte, sondern hat sich auch hier den Weg offengehaltcn. Er hat nicht einfach zn- gesagt, runde 200 Millionen dafür herzugeben, sondern er wird die Einzelvorschläge des Programms, die er finan zieren soll, sehr genau auf ihre privat- und volkswirt schaftliche Berechtigung hin prüfen und sie entsprechend — sieben lassen. Er wird sich sehr genau die Wechsel an- sehen, die man der Reichsbank zur Diskontierung ein- reichcn will, um von ihr das Geld für die beabsichtigten Arbeiten zu erhalten. Und schließlich wird er die Zusicherung des Finanzministers dafür verlangen, daß für jede Finanzierung eines solchen Projektes der Reichshaushall für 1933 usw. vorbelastet wird. * Während die Wirtschaft, von der Rcichsbank gestützt, vorsichtig und mit tastenden Schritten einen Ausweg zu finden sucht, scheint die Politik ganz hoffnungslos „in einer Sackgasse festgefahren zu sein", wie Wippchen sagen würde. Arbeitsunfähigkeit des Reichstages, Auflösung, Neuwahlen, verbunden mit der trüben Ahnung, daß auch ein neugewähltcr Reichstag nicht viel anders aussehen würde, — das alles läßt schon jetzt die Frage disku tieren, ob und wie man mit Hilfe einer „höheren Instanz" aus diesem parlamentarisch-politisch-ver fassungsrechtlichen Dilemma herauskommen kann, ohne dabei aber den Boden der Verfassung zu verlassen. Man denkt.». B. au einen Volksentscheid, der eine — Dauersitzungen des Reichskabinetts. Die Mitglieder der Rcichsregierung halten Dauer sitzungen ab, um bis Sonnabendabend über die Grund- zügc des wirtschaftlichen A u f b a u p r o g r a m m s ins reine zu kommen, das der Kanzler in einer Rede vor den westfälischen Bauern in Münster am Sonntag- mi'ttag um 12 Uhr der Öffentlichkeit vorlcgcn will. über den Inhalt des Programms und der Rede wird nach wie vor an amtlichen Stellen größtes Still schweigen bewahrt. Natürlich sind doch zahlreiche Mei nungen über dieses Programm in der Öffentlichkeit im Umlauf. .Hauptteil des wirtschaftlichen Aufbaupro- gramms werden ohne Zweifel die Pläne für die Ar beitsbeschaffung sein. Wie bekannt, sind bisher schon Mittel vorgesehen, um etwa 200 000—250 000 Menschen Arbeit geben zu können. Natürlich wäre dies keine wesent liche Erleichterung, wenn cs nicht gelänge, weit mehr Arbeitslose wieder zur Beschäftigung zu bringen. Darum drehen sich auch die wichtigsten Beratungen des Kabinetts. Von den verschiedensten Selten sind der Reichsregierung Vorschläge in dieser Frage zngegangen, die zum Teil sehr stark voneinander abweichcn. Bekannt lich hat der Kanzler in diesen Tagen auch die Meinung von Vertretern der Wirtschaft gehört. Die Hauptfrage ist und bleibt die Geldbeschaffung. Es ist jetzt die Nachricht im Umlauf, die Rcichsregierung plane, durch eine Zwangsanlcihe in Höhe von etwa 3—4 Prozent des Vermögens sich Mittel zu beschaffen. In der Praris würde sich dies genau wie eine S t e u e r e r h ö h u n g auswirken Nach allen bisherigen Erfahrungen wäre ckuf diesem Weg eine An kurbelung der Wirtschaft nicht zu erwarten. Auf die Frage bei den zuständigen Stellen, was an der Nachricht über die Zwangsanleihe Wahres sei, wird weder mit Ja noch mit Nein geantwortet. Die zuständigen Stellen verweisen auf die Rede des Kanzlers am Sonntag. Bis dahin wird man sich also gedulden müssen. Nach seiner Rede in Münster wird der Kanzler nicht, wie ursprünglich geplant, sofort nach Neudeck zum Reichspräsidenten fahren. Tie Reise ist erst für Montagabend vor gesehen. In Neudeck werden daun sehr schwerwiegende Entscheidungen fallen. Wie zuverlässig verlautet, wird der Kanzler dem Reichspräsidenten eine große Notver - ordnung zur Unterschrift vorlcgen, in der die gesetz lichen Maßnahmen zur Durchführung des Wiederaufbau programmes enthalten sind. Weiter wird behauptet, der Kanzler werde den Reichspräsidenten um die Ermäch tigung bitten, den Reichstag sofort aufzulofcn, wenn sich für das Programm der jetzigen Reichsregierung keine arbeitsfähige Mehrheit im Parlament finden sollte. Es wird damit gerechnet, daß der Reichspräsident diese Ermächtigung Herrn v. Papen geben wird. In Neudeck wird auch die Entscheidung darüber fallen, auswelchen Wegen die Reichsregierung weitergehen will, wenn der Reichstag wieder aufgelöst ist. Während die Rcichsregierung über ihr Programm berät, und alle Welt von der baldigen Wiederauflösung des Reichstages spricht, gehen die Geheimvcrhandlungcn zwischen Zentrum uud Natioualsozialisten übrigens allseits als notwendig anerkannte — Änderung des Wahlrechts herbeiführen soll. Grundsätzlich scheint hierfür möglicherweise der Volksentscheid einen Ausweg zn bieten, wenn man die Reform nicht auf dem gewöhnlichen parlamentarischen Wege erreicht. Nach der Verfassung kann einerseits der Reichspräsident einen Volksentscheid herbeiführen über irgendeinen Gesetz entwurf, bei dem es zu einer Einigung zwischen Reichs tag und Neichsrat nicht kommen will, der „gewöhnliche" Volksentscheid andererseits auf Grund eines Volks begehrens ist in Deutschland wohlbekannt; nur heißt es im Artikel 73 der Reichsverfassung, daß der „volks- bcgehrte" Gesetzentwurf erst von der Regierung „dem Reichstag zu unterbreiten" ist. Wenn nun kein „amtieren der" Reichstag da ist? Gar so einfach, wie so mancher sich dies vorstellt, ist also dieser Ausweg doch nicht, vorausgesetzt immer, daß man ans dem Boden der Ver fassung bleibt, was aber die Rcichsregierung zu tun aus drücklich erklärt hat. Gewiß ist dieser Boden manchen Erschütterungen ausgesetzt unter den Stößen der drängen den Notwendigkeiten einer turbulenten Zeit, aber die Entscheidung des ganzen Volkes könnte und dürfte die Verfassung ändern, weil ..das deutsche Volk sich diese Verfassung gegeben hat"- - M. Pr. über ein Zusammengehen dieser beiden Parteien km Reichstag uud im Preußischen Landtag weiter. Die Meinungen über das Ergebnis dieser Verhandlungen sind außerordentlich widersprechend, zumal die National sozialisten, nach den Äußerungen ihrer Blätter zu schließen, immer noch auf der Forderung vestehen, daß die ge samte Staatsgewalt ihnen übergeben werden müsse. So sagt das Blatt Hitlers, der Völkische Beob achter in München, zu den Meldungen über die geplante Ncuauflösung, die einzige wirkliche Klärung der Krise bleibe stets dieselbe: Übergabe der Staats- führung an Adolf Hitler! Je schneller dies vollzogen wird, desto besser für Deutschland. Wie diese Forderung bei einem Zusammengehen mit dem Zentrum erfüllt werden soll, ist nicht vorstellbar. * Das Wirischastsprogramm der Reichsregierung fertig. Das Ncichstabinctt befasste sich am Frcitagnachmittag in einer Sitzung, die bis nm 21 Uhr dauerte, mit dem Wirtschaftsprogrnmm, das der Reichskanzler in seiner Ncdc am Sonntag in Münster bckanntgcbcn wird. An der Sitzung nahm auch Rcichsbankpräsident Dr. Luther teil. Die Bcratnngcn sind, wie verlautet, sachlich im wesentlichen zu Ende geführt worden. Am Sonnabend wird zunächst noch an der Formulierung gearbeitet, wor auf sich dann das Rcichskabinctt zu einer letzten ab schließenden Beratung des Wirtschaftsprogramms zu- sammcnfinden wird. Aus der Teilnahme des Reichsbankpräsidenten an den Beratungen ist danach zu schließen, daß das geplante Wirtschastsprogramm die Billigung aller in Frage kam- menoen Rcichsinstanzen findet. Oie Maßnahmen gegen die Beuthener Todesurteile. Gnadenverfahrcn und Wiederaufnahme des Verfahrens. Während in Benthen äußerlich die Ruhe einiger maßen wiederhergestellt worden ist, die durch die fünf von dem dortigen Sondergericht gefällten Todes urteile stark gefährdet war, geht der Kampf mit recht lichen und politischen Mitteln um die Köpfe der fünf verurteilten Nationalsozialisten mit unverminderter Schärfe fort. Der Vorsitzende des 19. Ausschusses des Preußischen Landtags, der zur Nach prüfung der in dem Buch von Zarnow „Gefesselte Justiz" behaupteten Mißstände in der Justiz eingesetzt worden ist, hatte dem preußischen Justizminister die Ein berufung des Ausschusses zum 2. und 3. September nach Beuthen zur Nachprüfung des Verfahrens vor dem Sondergcrccht in der Strafsache Kottisch und Genossen mitgeteilt und u. a. um Überlassung des Schwurgerichtssaales in Beuthen, um Bereit- stellung der Verurteilten zur Vernehmung vor dem Ausschuß und um AushändigungderAkten des Strafverfahrens ersucht. Das preußische Justizministerium hat erwidert, daß es aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage sei, dem Er suchen zu entsprechen. Die Nachprüfung des Verfahrens des Sondergcrichts in Beuthen würde eine Ausdehnung der dem Ausschuß vom Landtag übertragenen Aufgabe bedeuten, zu der der Ausschuß nicht befugt sei. Es komme hinzi^ daß die angclüudigtc Untersuchung einen Eingriff in die Unabhängigkeit der Gerichte bilden und daher im Hinblick auf Artikel 102 der Reichsverfassung unzulässig sein würde. über die von der Verteidigung der Verurteilten be absichtigten weiteren Schritte äußerte sich Rechts anwalt Dr. Luetgebrnne u. a. folgendermaßen: Für die Angeklagten war nicht die Einreichung eines eigenen Gnadengesuchs, sondern der Antrag auf Wieder aufnahme des Verfahrens der gegebene Weg zur Wiedergutmachung. Nur um die Angeklagten und ihre Angehörigen aus der quälenden Ungewißheit über ihr Schicksal schnellstens zu befreien und zur Beruhigung der Öffentlichkeit beizntragen, ist die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinter die sofort von Amts wegen eingeleitete Prüfung, ob die Staatsregiernng die Vollstreckung der fünf Todesurteile an den fünf Angeklagten durch Begnadigung zunächst ein mal ausschließt, zurückgestellt. Die Wiederaufnahme des Verfahrens wird unbekümmert um die Entschließung der Gnadeninstanz w e it e r g c fü h rt, um bei dem nicht zu erwartenden Verfügen der Begnadigung, allerdings in länger dauerndem Rechtsweg, die Vollstreckung des Urteils unmöglich zu machen und den Angeklagten ihr Rechj. zuteil werden zu lassen.