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sei durch diesen Vorgang in der Interparlamentarischen Union beleidigt. Da die Interparlamentarische Uinon bei dem Völker bund zu Gaste sei, dem auch Italien angehöre, verlange er, das; Sir Erik Drummond in irgendeiner Weise eine öffentliche Ent schuldigung Renaudels herbeiführe oder der Interparlamenta rischen Union das Völkerbundshaus verbiete. Falls der italieni schen Forderung nicht Genugtuung gegeben werde, könne das nicht ohne Folgen auf die Zugehörigkeit Italiens zum Völker bund bleiben. Sir Erik Drummond Hal von diesem italienischen Ultimatum dem Rate der Interparlamentarischen Union, der ohne Unteilaß wegen der Beleidigungsangelegenheit tagt, Kenntnis gegeben. Renaudel soll sich aber nach wie vor weigern, eine Entschuldigungserklärung abzugeben. Milderung des SemonffrationSverdotS. Nachdem in den letzten Tagen die Störungen der öffentlichen Ordnung wesentlich nachgelassen haben, hat der Reichsminister des Innern durch eine Verordnung Vom 22. Juli 1932 Milderungen des bestehenden Demonstrationsverbots vorgenommen. Das Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel und von Aufzügen gilt nach der neuen Verordnung, die mit Sonntag, den 24. Juli 1932 in Kraft tritt, nicht mehr für Gedenkfeiern, Trachtenfeste und sonstige Veranstaltungen, die der Förderung künstlerischer, kultureller oder heimatlicher Zwecke dienen, wenn sie von Körperschaften oder von Vereinigungen un politischer Art veranstaltet werden. Jedoch sind auch diese Veranstaltungen 48 Stunden vorher der Ortspolizei behörde anzumelden und können im Einzelfall verboten werden, wenn nach den Umständen eine unmittelbare Ge fahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu be sorgen ist. In einem Rundschreiben an die Landesregierungen hat der Reichsminister des Innern ferner ausgeführt, daß gewöhn liche Leichenbegängnisse, hergebrachte Hochzeitszüge, kirchliche Prozessionen, Bittgänge, Wallfahrten und überhaupt Ver anstaltungen gottesdienstlicher Art nicht unter das Demon strationsverbot fallen, weil sie nicht als Versammlungen oder Auszüge im Sinne der hier in Betracht kommenden Vor schriften anzusehen sind. Das gleiche gilt von sogenannten aeländesportlichenübungen, sofern sie nicht demon strativen Charakter tragen. llbttwachungsausslhuß -es Reichstages. Der Ausschuß forderr Anwesenheit des Kanzlers und des Reichsinnenministers. Der KberwachungsausschußdesNeichstages ist zusammcngetreten. Regierungsvertreter waren nicht er schienen, dagegen waren neben dem Neichslagspräsidemen und dem Direktor des Reichstages einige Reichsratsmitglieder anwesend. Von 28 Mitgliedern des Ausschusses nahmen 18 an den Verhandlungen teil. Es fehlten die fünf Ausschußmilglieder der nationalsozialistischen Frak tion, je zwei Vertreter der Deutschnationalen und der Deut schen Volkspartei sowie der Landvolkverlreler. Das älteste Ausschußmitglied, das den Ausschuß auch ein berufen hat, Abgeordneter Heimann (Soz.) leitete die Ver handlungen. Zum stellvertretenden Vorsitzenden bes Ausschusses wurde der sozialdemokratische Abgeordnete Dr. Hoegner gewählt. Der Abgeordnete von Lindeiner (konservativ) warf dann die Frage aus, ob für die Einberufung des Ausschusses über haupt eine Rechtsgrundlage vorhanden sei. Reichs- tagspräsident Löbe erklärte dazu, der Ausschuß sei aus Er suchen von Mitgliedern einberusen worden, die in ihrer Ge samtheit die Mehrheit des Ausschusses darstsllten und die sich darüber beschwerten, daß sich der Abgeordnete Strasser (Nau-Soz.) als Vorsitzender geweigert babe, den Ausschuß einzuberufen. Nach Artikel 26 der Verfassung übe der Reichs- einzuberusen. Nachdem festgestellt worden sei, daß der Vor sitzende aus parteipolitischen Gründen die Arbeiten oes Ausschusses sabotiere, habe er — Löbe — seiner Pflicht genügt. Dr. Wegmann (Ztr.) vertrat den Standpunkt, daß der Vorsitzende seine Pflichten in gröblichster Weise verletzt habe. Dr. Breitscheid (Soz.) hielt die rechtliche Darlegung des Reichs tagspräsidenten und des Vorredners für vollkommen berechtigt. Nbg. von Lindeiner-Wildau (konservativ) er innerte daran, daß der Ausschuß im Jahre 1930 selbst fest gestellt habe, daß er nicht in der Lage sei, Beschlüsse in dem Umfange zu fassen, wie sie von der Vollsitzung gefaßt werden könnten. Unter diesen Umständen sei nicht einzusehen, welchen Sinn diese Ausschußtagung habe. Der stellvertretende Vorsitzende stellte darauf fest, daß kein Redner die Rechtlichkeit der Einberufung des Ausschusses an- m zweifelt hätte. In der Abstimmung erklärten sich 17 Ab geordnete für die Rechtlichkeit der Einberufung des Ausschusses, während sich der Abgeordnete von Lindeiner-Wildau der Stimme enthielt Die siebzehn anwesenden Mitglieder des Ausschusses be schlossen dann gegen die Stimme des Abgeordneten von Lind- einer-WUdän, einen Antrag deS Abgeordneten Dr. Pfleger (Bayer. Volksp.) anzunehmen, durch den der Vorsitzende des Ausschusses, Abgeordneter Strasser (Nat.-Soz.) abberufen ^^Zur Beratung der vorliegenden Anträge wurde dann von der Äusschußmehrbeit die Anwesenheit des Reichskanzlers und des Reichsinnenminister verlangt. Man berief sich hierbei auf Artikel 33, Absatz 1, der Reichsverfassung, wonach der Reichs tag und seine Ausschüsse die Anwesenheit der Regierung ver- langen können. Nachdem der Antrag auf Herbeirufnng des Kanzlers und deS Neichsinnenministers mit allen Stimmen gegen die des Abgeordneten von Lindeiner-Wildau angenommen worden war, wurde die Sitzung für kurze Zeit unterbrochen, um der Regie- rnna Kenntnis von dem Beschluß zu geben. Bei Wiedereröffnung der Sitzung um 147 Uhr lag ein Bries des Staatssekretärs Dr. Planck an den Reichstags- Präsidenten Löbe vor, in dem er n. a. mttteilt, — tm Auftrage des Reichskanzlers - daß die Mitglieder der Reichsregicrung bereit sind, sich an den Beratungen des Ausschusses zu beteili gen, soweit der Gegenstand der Beratungen sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Ausschusses halt. Neichstagspräsident Löbe erklärte dazu, aus dem Schrei ben gehe hervor, daß auch die Reichsregierung das Reckt des Ausschusses zu beraten und Beschlüsse zu sassen und die Recht- mäßiakeit seiner Einberufung nicht anzweifle. Nach Wiedereröffnung der Sitzung wurde einstimmig — der Abgeordnete von Lindeiner-Wildau war nicht mehr anwesend — ein Antrag des vom Ausschuß gewählten Vorsitzenden angenommen, wonach der Ausschuß es auf Grund der Artikel 33, 34 und 35 der Reichsverfassung ablehnt, daß die Regierung ihr Erscheinen im Ausschuß von Bedingungen abhängig mache. Der Äusschußbeschluß wurde dem Reichskanzler tele phonisch übermittelt, und dieser hat dabei sein Erscheinen in der am Montag nachmittag stattfindenden nächsten Ausschußsitzung zugesagt. ReMommissar Dr. Nacht im Rundfunk Der Reichskommissar Dr. Bracht hielt am Freitag im Rundfunk eine Rede, in der er u. a. ausführte: Es lag nicht in der Absicht der Reichsregierung, mit der Amts enthebung des Ministerpräsidenten und Innenministers Preußens den militärischen Ausnahme zustand zu verbinden. Erst die Erklärung des Staats ministers Severing, sich der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten nicht fügen und nur der Gewalt weichen zu wollen, machten einen beschränkten Einsatz der Macht mittel des Reiches notwendig. Dieser Einsatz ist örtlich auf die Reichshauptstadt und ihre nähere Umgebung und sachlich auf die Maßnahmen beschränkt worden, die zur Sicherung der ordnungsmäßigen Übernahme der Amts geschäfte erforderlich sind. Wer in der Reichshauptstadt den Verlauf der Ereignisse der letzten drei Tage beob achtet hat, konnnte sich von der völligen Ruhe und Rei bungslosigkeit, mit der die erforderlichen übergangsmaß nahmen abgewickelt wurden, überzeugen. Die Aufgabe, die mir der Reichskanzler in seiner Eigenschaft als Reichskommissar gestellt hat, hat mit irgendwelchen parteipolitischen Manövern nichts zu tun. Sie steckt mir ganz einfach das Ziel, die Staatsautorität und die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Preußen auf über parteilicher Grundlage wiederherzustellen. Deshalb hatte sich der Reichskommissar darauf beschränkt, die Amtsenthebung des Ministerpräsidenten und Innen ministers anzuordnen, die übrigen Minister aber auf ihren Posten belassen. Erst die Weigerung der Minister, den mit den Funktionen des preußischen Ministerpräsidenten ausgestatteten Reichskommissars anzuerkennen, hat eine weitergehende Änderung der Regierungsverhältnisse in Preußen erforderlich gemacht. Die Übergabe der Minister geschäfte an die mit der kommissarischen Leitung der Ministerien beauftragten Herren ist im Laufe des heutigen Tages abgeschlossen worden. Somit ist eine geordnete Führung der laufenden Geschäfte im Lande Preußen nun mehr sichergestellt. Die staatsrechtliche Stellung Preußens ist durch die Maßnahmen unberührt geblieben. Die Autorität des Staates ist nur gesichert, wenn der Staatsbürger die Überzeugung haben dars, daß allein nach staatspolitischen Gesichtspunkten regiert wird; wenn er an erkennen kann, daß es das vornehmste Streben aller Funk tionäre des Staates ist, gerecht zu sein! Die Entwicklung der politischen Verhältnisse in Preußen hat diesen Grund satz nicht mehr an allen Stellen klar zum Ausdruck kommen lassen. Die neue preußische Staatsregierung hat aus die sem Grunde als erste ihrer Maßnahmen eine Reihe per soneller Veränderungen verfügen müssen. In den Teilen des Landes, in denen das Gefühl, gerecht regiert zu wer den, bei überwiegenden Teilen des Volkes nicht mehr be stand, mußte schleunigst die Staatsautoritüt durch die Ent fernung von Persönlichkeiten, die sich objektiver Entschlüsse nicht immer fähig gezeigt haben, wiederhergestellt werden. Die Staatsregierung wird sich auch in Zukunft bei der Betrauung von Persönlichkeiten mit öffentlichen Ämtern nicht nach der Parteizugehörigkeit, sondern lediglich nach der fachlichen Eignung und Objektivität des Amtsträgers richten. Die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung setzt voraus, daß der Staat vorausschaltend mit fester Hand alle diejenigen Gruppen bekämpft, die sich die Stö rung der öffentlichen Ordnung zum Ziel gesetzt haben. Es genügt nicht, wenn die Staatsgewalt gegen Störungen erst eingesetzt wird, wenn sie erfolgt find; es ge nügt nicht, die kommunistifchen Terrorgruppen zu be kämpfen, wenn sie Feuerübersälle auf demonstrierende Massen eingeleitet haben, sondern derartige Versuche müssen, bevor sie zur praktischen Auswirkung kommen, unterdrückt werden. Es muß das Ziel sein, denen, die Gewalt in den politischen Kampf hineintragen, so recht zeitig das Handwerk zu legen, daß die Betätigung der politischen Meinungsfreiheit ungehindert erfolgen kann. Mit dieser Absicht stimmt auch mein fester Entschluß überein, alle Maßnahmen zu einer geordneten Abwicklung des Wahlkampfes und der Wahl selbst zu treffen. Das Vorgehen der Reichsregierung und der mit erteilte Auf trag haben nicht das Geringste mit einer Absicht zur Wahl behinderung zu tun. Im Gegenteil, es ist meine erste und wichtigste Aufgabe, eine Terrorisierung des Wahlkampfes zu verhindern. Zum Schluß möchte ich in aller Offenheit meinem Wunsche Ausdruck geben, daß es auch in Preußen gelingt, alsbald geordnete parlamentarische Verhältnisse herzu stellen und die kommissarische Verwaltung des Landes Preußen durch eine vom Landtag gewählte Negierung zu ersetzen. Oos Arbeiisbefchaffungsprogramm. Die nach der Notverordnung vom 14. Juni 1932 aus zuführenden öffentlichen Arbeiten kommen jetzt, soweit sie auf dem Gebiete des Verkehrswesens und der Wasser wirtschaft liegen, nach einer Mitteilung des Reichsarbeits ministeriums in Gang. Sie sollen in der Hauptsache mit Hilfe der Gesellschaft für öffentliche Arbeiten (OEFFA.) finanziert werden. Der von der OEFFA. zu beschaffende Betrag wird sich auf insgesamt 110 Millionen Mark be laufen, für den das Reich entsprechend der Notverordnung vom 6. Juni 1931 die Garantie übernimmt, 50 Millionen von diesem Betrag sollen für den Bau von Wasserstraßen, 60 Millionen für den Bau von Landstraßen Verwendung finden. Hierzu kommen noch 15 Prozent des Gesamtwertes, die von der Reichsanstalt zur Verfügung gestellt werden. Sachsen muß in dieser Stunde mit vollem Nachdruck die alte Forderung erneuern, daß es bei der Verteilung dieser öffentlichen Arbeiten nicht nur nicht wieder zu kurz kommt, sondern in Anbetracht seiner höchsten Erwerbs- losenzisser in hervorragendem Maße bedacht wird. Das große Mm'sterlresfen in Stuttgart. Reichskanzler von Papen und Reichsarbeits minister Schäffer haben sich in Begleitung des Ministerialrats Pukaß zu der Zusammenkunft der Ministerpräsidenten der Länder nach Stutt gart begeben. Reichsinnenminister von Gahl, der an dem Sängerfest in Frankfurt a. M. teilnimmt, wird gleichfalls nach Stuttgart kommen. Der Reichskanzler, der Reichsinnenminister und der Reichsarbeitsminister treffen am Sonntag früh wieder in Berlin ein, Wilsdruff, am 23. Juli 1932. Merkblatt für den 24. und 25. Juli. Sonnenaufgang 4" 4" I Mondaufgang 22" 22" Sonnenuntergang 20" 19" j Monduntergang 11" 13" 2 4. Iuli 19 2 0 : der Schriftsteller Ludwig Ganghofer gestorben. 2 5. Jull 1914: Abbruch der Beziehungen Osterreich- Ungarns zu Serbien. Wie wird das Weiter: Das veränderliche Wetter hielt auch in den letzten Tagen an. Nur im Süden und in Mitteldeutschland trat vorübergehend eine geringe Bessecung ein. Die Nieder schlagsmengen waren nicht so hoch wie in der voran gegangenen Woche. Die Temperaturen, die zu Anfang der Woche allgemeinen sehr niedrig lagen, stiegen wieder etwas höher, vielfach wurden 20 Grad Celsius über schritten. Mitte der Woche setzte wieder erhöhte Gewiltsr- tätigkeit ein. Die Erwartung, daß das südwesteuropäische Hoch sich über ganz Deutschland verbreiten würde, erfüllte sich nicht. Erhebliche Störungen, die von einem nordeuro päischen Tief ausgingen, brachten in der zweiten Wochen hälfte eine neue Wetterverschlechterung. Nach der allge meinen Wetterlage ist auch für die nächsten Tage nicht mit einer durchgreifenden Wetterbesserung zu rechnen. * Mnrktkonzert der Städtischen Orchesterschule Sonntag, den 24. Juli, vormittags 11 bis 12 Uhr. 1. Der Königgrätzer Marsch von G. Piefke. 2. Ouvertüre z. Oper „Die Nürnberger Puppe" von A. Adam- 3. Russische Skizzen, Fantasie von O. Fetras. ,4. Mimosa-Walzer a. d. Operette „Die Geysha" von S. Iones. 5. „Amina", ägypt. Ständchen von P. Linke. 6. Margarethenmarsch a. d. Oper „Faust" von O. Hackenberger- * Wegfall der zweiten Briefzustellung in Wilsdruff. Infolge des stark verminderten Brieseinganges auch beim hiesigen Postamt muß die zweite OrtsbriefzuMung nachmittags ab kommenden Montag, den 25. Juli, vorüber gehend eingestellt werden. Eilige Sendungen, die man erwartet, können jedoch am Schalter während der Dienststunden abgeholt werden. Zu dieser Maßnahme ist die Deutsche Neichspost lei der — nicht nur in unserer Stadt — gezwungen, um einen Aus gleich für die verminderten Einnahmen zu schaffen. Aerztlicher Sonntagsdienst (nur dringende Fälle): Sonntag, den 24. Juli: Dr. Ziem- Wilsdrufs^und Dr. Ulrich- Bur» hardswalde. Oesfenlliche Fmuenversammlung. Die NSDAP, ladet für Montag abend 8 Uhr zu einer öffentlichen Frauenversammlung ein, in der Reichstagskandidat Oberlehrer Protze-Falkenstein sprechen wird. Me MlrdrMr SSM in Mnksm. Auf nach Frankfurt lockt seit langer Zeit das Werbeplakat des Frankfurter Sängerfestes. Acht Wilsdruffer, die in jeder Singestunde Groschen zu Groschen in die Reisekasse steckten, reisten am Donnerstag los. Am Markt standen die daheimge bliebenen Getreuen und sangen, fast klang es wehmütig, den Abfahrenden einen Scheidegruß nach. In uns klang es noch bis Dresden nach als Zeichen der innerlichen Verbundenheit im deutschen Lied. In Dresden stand der Sonderzug des Elbgausängerbundes bereit, nahm willig die Sängerleute aus und jeder hatte seinen Platz dank der guten Organisation. Und trotzdem hätte ich nicht der Reiseleiter sein mögen, dem man von allen Seiten auf sie Schulter klopfte: „Hören Sie mal!" einen Wunsch auf dem Her zen. Als wir uns alle für die zehnstündige Fahrt gut eingenistet hatten, war bald mit den Wegegenossen Fühlung genommen, Kamenz und Grumbach. Draußen auf dem Bahnsteig aber kon zertierte die Kapelle ehemaliger Militärmusiker, schneidig, zackig. Mit dieser Marschmusik wird sichs zum Festzug gut durch Frank furt marschieren lasten. Und als kurz vor Abfahrt die Sonne durchbricht, werden noch schnell ein paar Bildchen geknipst: Sän ger mit weiten, erwartungsfrohen Herzen. Die Fahrt: Leipzig, Weimar, Fulda, Frankfurt. So recht interessiert an der durcheilten Landschaft wurden wir erst, als das herrliche thüringische Land sich vor unseren Blicken auf tat, als die Wartburg grüßte, als das Bunt der berühmten Blumengärten alles an die Fenster rief. Weitgrundig die Täler, dunkelgrün die Waldhänge! In den Feldern fleißige Menfchen bei der Erntearbeit. Alle richten sich auf, winken den vielen weißgrün flatternden Fähnchen unseres Zuges zu. Wie mancher wäre wohl selbst gern mitgefahren. Und im Zug selbst geht alles nach dem gewohnten Reise- rhythmus: einer steckt den anderen in seine mTun an; man ißt, wenn andere essen, man singt gemeinsam manch schönes Lied, und in das wohlige, basztiefe Lachen der Sängerkehlen mischt sich der hohe Diskant der mitfahrenden Kamenzer Sängerfrauen, wenn ein wohlgelungener Witz, eine harmlose Neckerei alle er heitert. Fulda: Kaffeehalt, Musik auf dem Bahnsteig — eine froh bewegte Menge! Und als nach dem Aufenthalt alles einsteigt, wird von uns Freund F. vermißt. Wir fahren ohne ihn ab. Ei, ei! Die Fulda-Werke hatten es ihm angetan, ein Irrtum in der Zeit. Der nachfolgende Sonderzug des Iulius-Otto-Bundes aber brachte ihn nach. Frankfurt: herrlich, herrlich geschmückt in seinen Haupt straßen, nimmt uns gastlich auf. Schnell eilt alles in seine Quar tiere, und bald sind alle Wilsdruffer mitten drin im Straßen gewühl, die Herzen klopfen den Festfreuden entgegen. Man hatte feine liebe Not zunächst, den Frankfurter Dialekt zu ver stehen. Mich aber ziehts noch am Abend in das Konzert der Frankfurter Lehrer und der Singakademie unter Professor Gamble: „Der jüngste Tag". Ich höre gerade noch den Schlnsz- teil. Aus ernstem, dissonierendem Tvngewoge schwingt sich sieg reich, alles Trübe von sich abstoßend, eine himmlische Melodie empor, begeisternd, versöhnend, erlösend. Mir ist dies eine gute Deutung des Frankfurter Festes. Wir wollen heraus ans der drückenden Not. Wir wollen frei sein in unserem Erdenschaffen, wir wollen endlich so lang drückende Fesseln sich lockern fühlen, wir wollen erlöst werden. P. H-