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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wilsdrusf-DreSden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 23. Juli 1932 v« ,WU»vrufter Tageblatt» erlcheini an allen Werdlagen nachmittag» S Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. tf" Haus, bet Postbcstellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Bpsg. Alle Postanstalten, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend 8»lle höhere, «ewatt, Krieg oder ionftiger Be- "'edsttSrungea besteht Kew An,peuch aui Lieieiung del Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung —eo.aarungen new An,peuch au, u,«,eeung oer «ettung oder Kürzung de- Bezugspreises. - Rücksendung V I — , ' durch »erneui ^777 ' Für die Mcklistkii -ingesandter Schriftstück- ersolat nur, wenn Porto l.m,,.. " l v--nru, üdermttt-N-n Anzeigen uden,. wn d-tu-Earantie. Jeder A°da,wn,proo .-lisch-. wenn de. — " «>°S° cingczogen werden must oder der Auslraggede, in Konkurs g.rü, »-"-k - > ro, Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtsbauvtmannickatt Mikron geeicht- und d°s Stadtrats zu Wilsdruff, des Forftren.am.s Tharandt und des Finm-zamf- NoK Nr. 171 — 91. Jahrgang für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter werden nach Möglichdei, Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr 6 '°S5«nd Plahv-rsch-i, »n annahmedisvorm.1O!ihr. — '<Vl«SvrUss ^ir. V berücksichtig,. Anzeizeu» » ... - - - Für die Richttgkeil ter MsliMs EWkder - Sder in Gens. Deutschland fordert Politik in Kelten. „ES gelingt nichts mehr!" — Vergessene Reparationen. Immer wieder Versailles! Schon lange ist's her. Jahrzehnte sind verstrichen seit jener Zeit, als nach Bismarcks Entlassung die deutsche Politik ihre Anstrengungen scheitern sah, die russische Annäherung an Frankreich zu verhindern und die Notwendigkeit des „Zweifrontenkrieges" heraufzog, als auch die deutschen Bemühungen sich als vergeblich herausstellten, an Stelle des früheren russischen Partners den englischen zu gewinnen. Da schrieb einer der politi schen Vertrauten Kaiser Wilhelms die seufzenden Worte an einen Freund: „Esgelingtnichtsmehr!" Das war eine Feststellung und sollte gewiß kein — Werturteil sein. Und wenn man heute, ein paar Wochen nach Lau sanne und am Schluß der Genfer Abrüstungskonfe renz, sich an jenes Wort erinnert, so soll dieses Erinnern auch nur eine Feststellung sein, der leider von keiner Seite her widersprochen wird. Weder hinsichtlich der tatsäch lichen Ergebnisse von Lausanne noch der Vertagungs beschlüsse von Gens. Denn trotz aller deutschen Proteste, denen sich außer den 19l9 entwaffneten Staaten auch Sowjetrutzland anzuschließen als selbstverständlich hielt, ist doch tatsächlich in Genf „nichts gelungen" im Sinne einer wirklichen Abrüstung. Oder soll man es als einen „Erfolg" betrachten, wenn allen Ernstes in Genf resolviert und feierlich «liedergeschriebcn wurde, daß z. B. Bomben nur über Schlachtfeldern und „Verbindungs linien* abgeworfen werden dürften. Wäre diese Sache nicht so fürchterlich ernst, so müßte man über solche Be schlüsse lachen in einer Zeit, da die Japaner auf dem man dschurischen „Kriegsschauplatz" ausgiebigsten Gebrauch von ihren Bombengeschwadern machen; daß diese sich da bei mitunter „verfliegen" und über einer chinesischen Stadt die Bomben „abladen", kann ja vorkommen und wird hinterher durch eine gut stilisierte Note herzlichst be dauert Allerdings werden die Toten davon nicht wieder lebendig. Und wenn unsere Grenzen ringsum von viel leicht zehntausend feindlichen Flugzeugen überflogen werden, dann dürfte uns hinterher kein Protest dagegen helfen daß diese Flugzeuge auch die deutschen Städte als Schlachtfelder" betrachten und behandeln. Dann wäre außerdem kaum noch jemand da, der den Protest los lassen könnte! Es gelang nicht, diesen tatsächlichen Zustand der ge radezu unheimlich bedrohten „Sicherheit" Deutsch lands irgendwie zu ändern. Es gelang in Genf nicht ein mal unsere militärischen Verteidigungsrechte und -Maß nahmen auszudehnen, geschweige denn, die Angriffs- Waffen der anderen einzuschränken. Die Forderung nach der militärischen Gleichberechtigung Deutschlands blieb ein Traum. Das blieb sie ebenso wie die deutsche Forderung, nun endlich einmal auch finanziell Schluß zu machen mit dem Weltkrieg und seinen Nachkriegsbestim- mungcn. Drei Wochen hat man in Lausanne gestritten Um ein Ergebnis, das keines ist, aber trotzdem die Bezeich nung „Ende der Reparationen" trägt. Das ist — auch wenn das Ergebnis von Lausanne durch all- seitige Ratifizierung zur Wirklichkeit würde — übrigens tatsächlich nicht richtig, denn man hat in Lausanne die Frage des Saargebietes nicht „bereinigt". Auf und nach der .ftaager Konferenz, die zur Annahme des Young- Plans führte, hat man wenigstens einen Anlauf ge nommen, um zu deutsch-französischen Verhandlungen über eine Lösung der Saarsrage zu kommen. Nach ein paar Monaten verlief auch das im Sande: nach wie vor beuten die Franzosen „ihr e" Kohlengruben im Saargcbiet aus, und ebenso bleibt die Bestimmung des Versailler Diktats bestehen, daß Deutschland den Franzosen diese Kohlengruben auch noch abkaufen mutz, selbst wenn 1935 die Abstimmung der Saarländer die Wiederver- elnigung dieses Gebietes mit Deutschland verlangt, as soll geschehen, obwohl die nordfranzösischen Kohlen gruben längst nicht bloß ihre früheren Erzcugungszisfern w,eder erreichten, sondern die Franzosen gar nicht wissen, Wohin mit dem ganzen „Kohlcnsegen"! Im übrigen be sitzt diese ganze Saarfrage aber natürlich außer ihrer reparattonspolitischen auch noch eine für jeden Deutschen selbstverständliche rein politische, völkerrechtliche Seite. * Gcschmackvollerweise hat eine französische Zeitung es gerade jetzt fcriigbetommen, an diese Seite mit roher Hand zu rühren. Denn soeben wies eine Pariser Zeitung darauf hin, daß ja der — Ausnahmezustand in Preußen seine Grenze am Saargebiet und an der entmilitarisierten Zone des Rhcinlandes finden müsse. Das weiß man in Deutschland nur allzu genau, schmerzhaft genau, — aber diese Erinnerung des französischen Blattes gibt Ver anlassung zu einer anderen Feststellung: die innen- politlschen Vorgänge in Deutschland sind unsere ureigenste Angelegenheit und gehen das A u s- land gar nichts an! Gewiß können wir es nicht ö- B. wirtschaftliche Krisenbcfürchtnngen zu Ruckwirkungen unangenehmer Art im Ausländ fuhren tonnen; a^cr wir brauchen uns heute darum nicht ^mchr„ übermäßig z» kümmern! Kreditpolitische Gleichberechtigung. Die Schlußerklärung der Reichsrcgierung in Genf. Im Hauptausschuß der Abrüstungskonferenz gab Botschafter Nadolny im Namen der Reichsregierung eine formulierte ausführliche Erklärung ab. Er führte aus: Die deutsche Regierung ist bereit, auch weiter an den Arbeiten der Abrüstungskonferenz teilzunehmen, um mit aller Kraft dazu beizutragen, daß im Sinne des Artikels 8 der Völkerbundsatzung ein wirklich entscheiden der Schritt in der Richtung aus die allgemeine Abrüstung getan wird. Namens der deutschen Regierung mutz ich aber heute aussprechcn, datz ihre Mitarbeit nur möglich ist, wenn die weiteren Arbeiten der Konferenz auf der Grundlage der zweifelsfreien Anerkennung der Gleichberechtigung der Nationen erfolgen Die deutsche Regierung muß zu ihrem tiefen Bedauern feststellen, daß die vorliegende Entschließung diesem Stand punkte keine Rechnung trägt. Sie hält es nicht für möglich, daß bei dieser Unklarheit über eine Grundfrage des ganzen Abrüstungsproblems ersprießliche Arbeit geleistet werden kann. Sie muß deshalb darauf bestehen, daß diese Zweifel dadurch beseitigt werden, datz die Gleichheit aller Staaten hinsichtlich der nationalen Sicherheit und hin sichtlich der Anwendung aller Bestimmungen der Überein kunft ohne weiteren Verzug zu Anerkennung ge langt. Die deutsche Negierung mutz darauf Hinweisen, datz sie ihre weitere Mitarbeit nicht in Aussicht stellen kann, wenn eine befriedigende Klärung dieses für Deutschland ent scheidenden Punktes bis zum Wiederbeginn der Arbeiten der Konferenz nicht erreicht werden sollte. * Die Genfer Schlußabstimmungen über den Konferenzbericht des tschechoslowakischen Außenministers Benesch sind nicht so glatt verlaufen, wie es die franzö sischen, englischen und amerikanischen Regisseure vor bereitet und verabredet hatten. Abgesehen davon, daß die sowjetrussische Delegation sehr weitgehende Ab rüstungsanträge einbrachte, die übrigens nichts anderes waren als die Wiederholung der Forderungen des — amerikanischen Präsidenten Hoover, bedeutete die Rede des italienischen Delegationsführers Bal bo — er ist Minister für die Luftfahrt — eine scharfe Stellungnahme gegen die bisherigen „Ergebnisse" der Abrüstungskonferenz und gegen die bereits vorbereiteten „Beschlüsse", die der italienische Minister als praktisch total ungenügend bezeichnete. Infolgedessen kündigte Balbo an, die italienische Delegation werde sich bei den Abstimmungen über den Benesch-Bericht der Stimme ent halten; damit ist sie auf die Seite der zu gleichem Ent schluß gekommenen deutschen Delegation getreten. Deutscherseits war aber auch kein Zweifel darüber ge lassen worden, daß die grundsätzliche Forderung der mili tärischen Gleichberechtigung vor dem Auseinander gehen der Abrüstungskonferenz zur Sprache gebracht werden müsse, und davon die noch weitere Stellunahme der deutschen Regierung zur späteren Fortsetzung der Abrüstungssrage abhängig sein würde. Zum mindesten werde man durch Stimmenthaltung der deutschen Delegation gegenüber dem Benesch-Bericht Protest gegen die ungenügenden Ergebnisse der Konferenz erheben. Das ist denn auch bei den Abstimmungen über die Einzelheiten des Benesch-Berichts im „Allgemeinen Aus schuß" der Konferenz geschehen, was sich auch gegen die vorgeschlagene Vertagungsentschließung richtete. Das Ergebnis im Ausschuß war eine auffallend große Zahl von Stimmenthaltungen, so daß die Beschlüsse einen noch ge- „ Muammer" wie etwa bet dem Kamps um den Young-Plan stehen den Herren Franzosen nicht mehr zur Verfügung, und man kann oder vielmehr muß heute daran erinnern, daß schon einmal ein deutscher Reichskanzler die vom französischen Gesandten in Berlin zum Ausdruck gebrach ten „Befürchtungen" scharf zurückgewiesen hat. Auch damals war es zu heftigen innenpolitischen Auseinander setzungen in Deutschland gekommen. Und der damalige deutsche Reichskanzler fkknd das richtige Wort und die richtige Antwort: Es wäre in Deutschland nicht zu solchen Kämpfen gekommen, „wenn nicht seit dem Versail ler Frieden jede deutsche Regierung, gleichgültig auf welchem Parteistandpunkt sie gestanden habe, von einem außenpolitischen Mißerfolg zum anderen getrieben worden wäre". Was damals Herrn Poincars durch seinen Botschafter gesagt werden mußte, gilt auch Herrn Herriot gegenüber. Dr. Pr. ringeren Wert haben, als sie ihn inhaltlich schon besitzen. Deutschland, Italien und S o w j e t r u ßl and sind sich in der Verurteilung der Konferenz ergebnisse einig, und der englisch-französisch-amerika nischen Gegenseite ist es sehr peinlich, daß sich Italien mit betonter Schärfe dem Protest gegen die Genfer Ergebnis losigkeit angeschlossen hat. Frankreich gegen Gleichberechtigung. Herriots Rede in Gens. Der französische Ministerpräsident Herriot hielt in der Schlußsitzung des Hanptansschusses der Abrüstungs konferenz eine große Rede, die eine meisterhafte Ver teidigung und Verschleierung der gewaltigen französischen Rüstungsmacht darstcllt. Zur allgemeinen Überraschung fand sich m seiner Rede kein Hinweis auf die von der deutschen Regierung angekündigte Forderung auf Aner kennung der Gleichberechtigung Deutschlands. Herriot be schränkte sich im wesentlichen darauf, die französische Ab rüstungspolitik zu verteidigen und die Bedeutung der Vertagungsentschließung darzulegen. In der zweiten Phase der Abrüstungskonferenz werde die französische Re gierung einen eingehenden Vorschlag auf Internationalisierung der Zivilluftfahrt einbringen. Frankreich werde weiter bei der Berechnung der effektiven Truppenbestände auch die Einbeziehung der heimlichen oder zugegebenen Militärverbände (!) fordern. Herriot setzte sodann eingehend di- französische Ab rüstungsthese über den unlösbaren Zusammenhang zwischen Sicherheit, Schiedsgerichtsbarkeit und Abrüstung auseinander. Die Lösung der Sicherheitsfrage könne gleich zeitig mit einer Lösung der politischen Fragen erfolgen, die nicht außerhalb dieses Rahmens behandelt werden könnten. W Die englische Stellungnahme zur Gleichberechtigung. Der englische Außenminister Simon suchte den deut schen Vertreter davon zu überzeugen, datz die deutsche For derung auf Anerkennung der Gleichberechtigung bereits eingehende Berücksichtigung in der Vertagüngsentschlte- ßung gefunden habe, und daß die Behandlung dieser Frage zu einem so verspäteten Zeitpunkte nicht mehr möglich sei. Derartige große Fragen wie Gleichberechtigung würden am Schluß der Konferenz behandelt werden. * Italienisch-französischer Zwischenfall in Genf. Italien droht mit Anstritt an» dem Völkerbünde. Genf. Die Sitzung der Interparlamentarischen Union, die augenblicklich in Genf im RalssaaüSeite an Seite mit der Ab rüstungskonferenz tagt, wurde am Freitag vormittag durch einen ungeheuren scharfen Zusammenstoß zwischen der italienischen und der französischen Abordnung gesprengt. Der italienische Vertre ter Costamogna hatte gerade über die Organisation des itali enischen Parlaments gesprochen, wobei er auch die Worte Frei heit und Recht gebrauchte, als der französische Abgeordnete Renaudel sich erhob und in den Saal rief, in Italien gebe es überhaupt kein Parlament, kein Recht und keine Freiheit. Die Leute, die hier über italienischen Parlamentarismus sprächen, seien keine freien Männer. Als die Italiener gegen diese Behaup tung Einspruch erhoben, schrie Renaudel, man habe es hier mit der Bande der Maleottimörder zu tun. Darauf brach ein unge heurer Tumult aus, bei dem die ganze Versammlung wild durch einanderschrie. Aus der Abrüstungskonferenz holte man die fran zösischen, italienischen und englischen Vertreter herbei. Der frühe re französische Abgeordnete Grumbach ging gegen die italieni schen Vertreter auf der Abrüstungskonferenz vor und versuchte, sie aus dem Saal auswcisen zu lassen. Er rief: „Die ganze itali enische Clique von der Abrüstungskonferenz hat sich hier ver sammelt, um gegen die Franzosen vorzugehen." Schließlich stand man sich mit geballten Fäusten gegen über, während die Italiener Rufe ausstießen wie: „Nieder mit Frankreich, mit den Beschützern der Attentäter!" Der italienische Vertreter San Martino, der sich mit Mühe verständlich machte, verlangte von Renaudel die Zurücknahme der beleidigenden Aeußerungen. Renaudel weigerte sich aber und der Präsi dent hob die Sitzung auf. In erregten Gruppen besprach man die Ereignisse, und die Italiener erklärten beim Präsidenten der Interparlamentarischen Union, baß sie entweder das Verschwin den Renaudels aus der Union verlangten oder sich selbst endgül tig aus der Union zurückziehen würden. Der italienische Luftfahrtminister Balbo wurde dann we. gen des Vorfalles offiziell beim Generalsekretär des Volkerbun- des Sir Erik Drummond vorstellig und erklärte chm, Italien,