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MMM Tageblatt 21 für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter I Nr. 172 — 91. Jahrgang Wilsdruff-DreSden Montag, den 25. Juli 1932 Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, ? Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ^aue yoyerer Gewalt, - ' oder fonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reicke- pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Vor- geschriebeneEvscheinungs- tage und Platzvorfürii en werden nach Mogltchbcrt ^ekNsprecySk: AMt WllSDrUff v berücksichtigt. Anzeiten. annahmebisvorm.10Uhr. Für die Richtigkeit ter durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabaitanipruü erlischt, wenn der Betrog li rch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Vor dein StmtWWU Die Woche der Wahl. Wenn am 31. Juli der Tag der Reichstags- Wahlen kommt, dann ist — so darf man Wohl mit einiger Richtigkeit sagen — die Reichsregierung gerade zwei Monate im Amt; denn am Sonntag, den 1. Jnni ent schloß sich das Kabinett Brüning zur Demission. Fast er staunt mag man fragen: Erst zwei Monate? Solch eine Frage wäre verständlich; denn in diesen zwei Monaten geschah eine fast unübersehbare Fülle von innen- und außen-, aber auch von Wirtschafts- wie parteipolitischen Ereignissen, über die nun am Wahltag vom deutschen Volke, von den mehr als 44 Millionen Wahlberechtigten ein Urteil gefällt, ein Ja! oder Nein! gesprochen werden soll. Aber nicht bloß das, was geschehen ist, soll diesem Urteil unterliegen, sondern auch das, was nicht geschah. Wohl noch niemals war in Deutschland vor einer Reichstagswahl die ganze innenpolitische Lage so undurch sichtig, so kompliziert wie jetzt. Der frühere Reichstag ist mit der Begründung aufgelöst worden, seine Zusammen setzung entspräche nicht mehr der Volksstimmung. So sehr nian sich hinterher über die politische Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit der Auflösung und der Neuwahlen herumgestritten hat, — über das formell Zulässige der Auflösung bestand kein Zweifel, und auch die nicht hinter der Brüning^Pegierung stehenden Parteien haben in und mit dem Wählkampf alles eingesetzt, um den Wahltag zu es^em „Stimmungsbarometer" zu machen. Upd gerade weil das Unbestimmbarste, was es auf diesem ^rdball gibt, doch zweifellos die „Volksstimmung" ist, mag der Vorsichtige sich hüten, schon jetzt prophezeien zu wollen, wie am 31. Juli die Volksstimmung sich auswirken, wie das Barometer dieser Stimmung stehen wird. Man kann dabei nämlich äußerst leicht „vorbeiprophezeien". Allerdings ist das „Wahlnrteil" — abgesehen von dieser Unbestimmbarkcit der „Volksmeinung" — heute noch dadurch erschwert, daß des kommenden Reichstags auch Noch eine große Reihe ihm verfassungsmäßig zustchender Aufgaben harren. Er selbst soll dann urteilen. Er muß zur Ratifikation des Lausanner K onferenz - Er gebnisses ein Ja oder Nein sprechen, — da haben fast alle Parteien es im Wahlkampf vermieden, sich ganz offiziell oder bindend auf ein solches Ja oder Nein festzulegcn. Selbst verständlich wird anch unsere ganze innenpolitische Weiter entwicklung, trotz des nun schon zwei Jahre dauernden Regierens mit dem Verfassungsartikel 48 und der damit immer wieder erfolgten Ausschaltung des Parlaments, auf das allerwesentlichste von dem neuen Aussehen des kommenden Reichstags beeinflußt werden. Ziele, Art und Tempo dieser sicherlich nicht mit dem 31. Juli zu Ende gehenden innenpolitischen Auseinandersetzungen werden davon abhängen, wie das Ergebnis dieses Tages sein wird. Der Reichskanzler hat wiederholt in seinen Reden darauf hingewiesen, er betrachte es als seine Aufgabe, die Neichstagswahlen zu sichern. Daher sind die Gerüchte verstummt, die wegen des geradezu beispiellos heftigen Aufcinanderprallens der parteipolitischen Gegensätze noch bis vor kurzem eine Verschiebung der Neichstagswahlen für wahrscheinlich erklärten. Verstanden hätte das frei lich niemand, da doch von vornherein mit einem überaus heftigen Wahlkampf gerechnet werden mußte, als man sich zur Auflösung des Reichstages entschloß. Allerdings wurde dieser Wahlkampf sogar zu einer richtigen Wahl schlacht, und die Ereignisse der letzten Wochen haben nur äußerlich den innenpolitischen Kämpfen gewisse Schranken setzen können, haben aber dieinneren Spannungen noch schärfer und noch energischer zu der Entscheidung am 31. Juli hindrängen lassen. Zur üblichen Höhe steigen die Rede- und Papier fluten zwischen Königsberg und Aachen, jetzt, da nnn in knapp fünf Monaten das deutsche Volk zum drittenmal, in den meisten deutschen Ländern sogar zum viertcnmal den Gang zur Wahlurne macht. Die beiden Reichspräsi denten-, dann die Landtagswahlen, — anch dieses rasche Aufeinander steht einzig da in der deutschen Verfassungs- geichlchte. Und wieder werden auch am 31. Jnli einige Lander ihre Parlamente neuwählen lassen. Uber das Parlament selbst wird am 31. Juli nur dem Aussehen nach entschieden: über sein Schicksal aber liegt die Ent scheidung dann m den eigenen Händen. Oer Papst gegen^Nschranten. - Sonntag begann in L i l l e die 24. Sozialwoche der französischen Katholiken. Der Papst hat ihrem Präsidenten aus dl-sem Anlaß durch Kardinalstaatssekretür Pacelli ein Schreiben zugehen lassen, in dem von der Pflicht der Mitglieder aller Völker die Rede ist, die Liebe die sie in erster Linie ihrem eigenen Vatcrlande schuldig' sind auch auf die anderen Völker anszudehnen. Jedes Volk müsse den berechtigten Interessen der anderen Völker Rechnung tragen, Pflicht aller Völker sei es, gegenseitig Gerechtigkeit und Barmherzigkeit walten zu lassen. Alle Staaten hätten zusammen dem gemein samen Wohl aller zu dienen. Wenn die Völker ganz allge mein ihre Wirtschaft einer Gesundung zuführen wollten, so könne das nicht erfolgen, wenn sie sich hinter immer höheren wirtschaftlichen Schranken absderrten. Llm den Keichskommiffar. Die Klagen Preußens, Bayerns und Badens gegen das Reich. Der Andrang zu der Verhandlung des Staats- gerichtshofes in Leipzig war so groß, daß auf plötzlichen Entschluß des Präsidenten hin die Verhandlung aus dem vorgesehenen kleinen in den großen Saal des Reichsgerichts verlegt werden mutzte. Der Beginn der Verhandlung verzögerte sich durch diese Um gruppierung um etwa eine halbe Stunde. Die abgesetzte preußische Regierung ist vertreten durch den Ministerialdirektor Badt, den Ministerialdirektor Brecht und Professor Giese, Frankfurt a. M., die Zentrums fraktion des Preußischen Landtags durch Professor Peters, Köln, die sozialdemokratische Fraktion durch Professor Heller, Frankfurt a. M. Die Reichs regierung vertritt Ministerialdirektor Gottheiner vom Reichsinnenministerium in Berlin. Der Staatsgerichtshof betrat nnter Führung des Vor sitzenden, des Reichsgerichtspräsidenten Dr. Bumke, den Sitzungssaal. Der Klage des Preußischen Staats- ministerinms haben sich die Fraktionen des Zentrums und der SPD. angeschlossen. In der Sitzung handelt es sich, wie der Vorsitzende mitteilte, ausschließlich um den Erlaß einer einstweiligen Verfügung. Dann erhielt der V e r i ch t e r st a t t e r Reichsgerichts rat Schmitz das Wort zur Darstclluug der Sachlage. Er machte zunächst Mitteilung von dein Inhalt der Ver ordnung des Reichspräsidenten und von dem Antrag der preußischen Regierung, „auf dem Wege der einst weiligen Verfügung anzuordncn, daß der aus Grund der Verordnung vom 20. Juli eingesetzte Reichs kommissar für Preußen einstweilen jeder Dicnstausttüung sich zu enthalten habe". über den Hauptantrag, daß nämlich „die Ein setzung des Reichskommissars als mit den Bestimmungen der Reichsverfassung nicht in Einklang stehend zu be zeichnen sei", könne selbstverständlich heute nicht ver- verhandelt werden. Zur Sache selbst ist zu sagen, daß der Reichskommissar nach Ansicht der klagenden preußischen Regierung zu Unrecht auf Grund des Artikels 48 eingesetzt wurde. Weder der erste noch der zweite Absatz dieser Be stimmung der Verfassung träfen hier zu. Nach Absatz 2 des Artikels 48 müsse entweder die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit gestört fein. Anderer seits sei erforderlich, daß die Maßnahmen, die der Reichs präsident auf Grund des Artikels 48 treffe, zur W Leder herstellung dieser gestörten Verhältnisse notwendig seien. * Kurz vor Eintritt in die sachlichen Verhandlungen wies Ncichsgerichtspräsidcnt Bumke darauf hin, daß die Verhandlungen über die Klage voraussichtlich den ganzen Sonnabend in Anspruch nehmen mürden, und daß die VerkündungderEntscheidung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung erst am Montagzu erwarten sei. Der Reichsgerichtspräsident fuhr dann fort: Es be steht für die Öffentlichkeit und auch für die beiden Streit teile ein ganz besonders großes Interesse daran, daß die Entscheidung so bald wie irgend möglich getroffen werden kann. Die Geschäftsordnungsbestimmungen des Staatsgerichtshofes können aber nicht nach jeder Richtung übergangen werden, wenn man auch vielleicht aus gewisse Fristen der Ladungen verzichten kann. Nun ist in erster Linie die Frage der Prozeßvoraus setzung zu verhandeln, also der Parteifähigkeit, der Zu ständigkeit usw. Näherer Erörterungen bedarf dabei ins besondere die Frage der Sachbefugnis der anwesenden Vertreter. Ministerialdirektor Dr. Gottheiner als Vertreter der Reichsregierung erklärt sich mit der Annahme der Sachbefugnis der Vertreter Preußen, einverstanden. Als Dr. Bumke dann noch die Frage der Zuständigkeit des Gerichtshofes aufwirft, wollte von den Parteien niemand das Wort er greifen. Dr. Bumke erklärte, die preußische Regie rung habe selbst bisher auf dem Standpunkt gestanden, der Staatsgerichtshof könne einstweilige Verfü gungen nicht erlassen. Es liege nun an der kla genden preußischen Regierung, zu erklären, auf Grund welcher Umstände sie ihren Standpunkt geändert habe. Dazu erklärt Ministerialdirektor Dr. Brecht: Wir haben in erster Linie ein Interesse daran, daß die Sache heute entschieden werden kann. Das Reich und Preußen vertreten hier eine Meinung: Sie sorgen sich um die Ge schicke Deutschlands, deshalb ist es notwendig, daß der Schwebezustand zwischen den beiden größten Be- glerungen Deutschlands so schnell Me möglich be seitigt wird. Ministerialdirektor Gottheiner bezeichnete es ebenfalls als im Interesse ganz Deutschlands liegend, daß in dieser Streifrage eine möglichst schnelle Entscheidung herbeigeführt werden könne. Dem Reich sei es aber un möglich, auf die Beachtung aller prozessualen Vorschriften zu verzichten. Das Reich wolle aber nichts anderes als ausreichende Gelegenheit, die Schriftsätze zu bearbeiten. Reichsgerichtspräsident Bumke macht in diesem Zu sammenhang noch einmal darauf aufmerksam, daß es sich um eine weittragende Frage unseres Staatslebens handele, um eine Rechtsfrage von ungeheurer Tragweite, bei der zwar nichts verzögert, aber nichts übereilt werden dürfe. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen überreichte Ministerialdirektor Dr. Brecht eine Nenformnlierung des Antrages auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung, in die nunmehr auch die von den Regierungen Badens und Bayerns zum Ausdruck gebrachten Wünsche eingearbeitet sind. Danach soll der Staatsgerichtshof die rechtliche und tatsächliche Lage im Wege der einstweiligen Verfügung regeln und dabei insbesondere bestimmen, daß der Reichs- kommissar bzw. die von ihm ernannten kommissarischen Minister sich nicht als Mitglieder der preußischen Staats- rcgicrung bzw. als preußische Staatsministcr bezeichnen dürfen, daß sic ferner nicht preußische Staatsministcr ihrer Eigenschaft als solche entkleiden können, daß sie weiter nicht bevollmächtigte Vertreter der preußischen Staats- rcgicrung in den Reichsrat entsenden noch die bisherigen bevollmächtigten im Reichsrat ihrer Eigenschaft als solche entkleiden können, nnd daß sic schließlich nicht Beamte mit dauernder Wirkung ernennen oder absetzen können. Professor Peter nahm dann das Wort zu prozeß rechtlichen Ausführungen über einstweilige Ver fügungen, die durch den Staatsgerichtshof erlassen werden können. Dann tritt eine Pause ein. * LMeidmg am Montag M13M Verhandlung Reich —Preußen in Leipzig. Ncichsgerichtspräsidcnt Dr. Bumke hat den Termin zur Verkündung der Entscheidung des Staatsgerichtshofes für das Deutsche Reich in Sachen der früheren preußischen Regierung gegen das Reich wegen Einsetzung eines Reichs kommissars mit dem Ziel des Erlasses einer einstweiligen Verfügung auf Mo »tag, 25. Juli, 13 Uhr, fest gesetzt. Der Verlauf der Verhandlung. Professer Peters legte den Standpunkt der Zen trumsfraktion dar und wiederholte dabei im wesentlichen die bereits von Brecht vorgetragenen Ge dankengänge. Der Vertreter der sozialdemokratischen Landtagsfraktion in Preußen, Professor Heller, führte u. a. aus: Nach allgemeiner Ansicht soll die Reichsexekutive nur dann eintreten, wenn Gefahr im Verzüge sei. Diese Gefahr könne aber nirgends gesehen werden. Ncichsgerichtspräsidcnt Bumke stellt dem Vertreter des Reiches anheim, sich darüber zu äußern, weshalb in der Notverordnung des Reichs präsidenten vom 22. März 1920 gegen Thüringen und in der Notverordnung des Reichspräsidenten vom Jahre 1923 gegen Sachsen in der Überschrift die Rede von Artikel 48 Absatz 2 der Reichsverfassung, im Text aber nur von Artikel 48 sei und warum in der neuen jetzt zur Sprache gestellten Notverordnung in der Überschrift der Artikel 48 überhaupt nicht in Erscheinung trete und im Text aus Artikel 48 Absatz 1 und 2 der Reichsverfassung hinge wiesen werde. Endlich soll noch die Auffassung der Reichsregierung über die Auswirkung der Verordnung insbesondere dahin dargelegt werden, baß in der Begründung der Notverord- mmg von der Reichsregierung selbst gesagt worden sei, daß der Zustand nach der Hoffnung der Reichsregierung eine baldige Beendigung finde. Der Vertreter der Reichs regierung möchte sich darüber äußern, wie die Reichs regierung sich das denke. Ministerialdirektor Dr. Gottheiner brachte den Standpunkt der Reichsregicrung gegenüber dem Antrag der abgesetzten preußischen Ne- gierstng dahin zum Ausdruck: Wenn die Einsetzung des Reichskommissars sich im Rahmen der verfassungs mäßigen Befugnisse des Reichspräsidenten bewegt — und das scheint die preußische Regierung eigeutlich anzu-