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Tagesspruch. Ein leerer Topf am meisten klappert, ein leerer Kops am meisten plappert. G. Mil. Helft den Unwetter-Geschädigten! Aufruf der Staatsregierung. An die Bevölkerung! Unwetter von furchtbarem Ausmaß haben am 14. uni l5. Juli große Teile der Lausitz heimgesucht Die reißenden Fluten haben schwerste Schäden an Hab and Gut verursacht; zahlreiche Brände folgten dem zün denden Blitz. Häuser wurden zerstört, Vorräte und Mo biliar vernichtet, Gärten und Felder verwüstet. Straßen vurden metertief abgedeckt, Brücken weggerissen. Der Schaden läßt sich noch nicht annähernd beziffern. Er dürfte eine Million übersteigen und leider nicht gerin ger fein als derjenige, der im Vorjahre im Erzgebirge erwachsen ist. Viele Einwohner der betroffenen Orte wissen nicht, wie sic sich und ihre Familie weiter durchbringen sollen. Unter ihnen herrscht Kummer und Verzweiflung. Regie rung, Bezirksverbände und Gemeinden werden ihr Mög lichstes tun zur Behebung der Schäden an Wegen und Wasserläufen. Um das Unglück, das die einzelnen be troffen hat, mildern zu können, muß die Allgemeinheit angerufen werden. Deshalb wird an alle, die von der Naturkatastrophe verschont blieben, und die noch ein Scherflein entbehren können, die dringende und herzliche Bitte gerichtet, der großen Not durch eine Spende steuern zu helfen. Jede kleinste Gabe ist willkommen. Die öffentlichen Kassen sind verpflichtet, auch die klein sten Geldbeträge entgegenzunehmen und das Sammel ergebnis an die Amtshauptmannschaft Löbau, die vom Gesamtministerium mit der einheitlichen Durchführung der Hilfsaktion betraut worden ist, abzuführen. Die Kassen der privaten Banken und Kreditanstalten und die Ge schäftsstellen der Tageszeitungen werden ersucht, dasselbe zu tun. Die Staatsregierung. Die Bezirlsverbände der Amtshauptmannschaftcn Löbau und Zittau. 300000 Wohlfahrtserwerbslose. 51 Prozent aller Erwerbslosen fallen den Gemeinden zur Last. Die Zahl der von den sächsischen Gemeinden be ireuten Wohlfahrtserwerbslosen ist auch weiterhin ge stiegen. Nach den Meldungen der Bezirkssürsorgever- bände an das Statistische Landesamt wurden Ende Juni in Sachsen 298 783 vom Arbeitsamt anerkannte Wohl fahrtserwerbslose gezählt gegenüber 291657 am Ende des Vormonats. Berücksichtigt man noch die 8664 Unter stützungsempfänger, deren Anerkennung als Wohlfahrts- erwerbslose das Arbeitsamt am Stichtag noch nicht aus gesprochen oder abgelehnt hatte, so ergibt sich, daß in Sachsen Ende Juni 307 447 Arbeitslose oder rund 51 Proz. aller unterstützten Arbeitslosen der Wohlfahrtspflege der Gemeinden zur Last fielen, während auf die Arbeitslosen versicherung 120 568 und die Krisenfürsorge 172 694 Haupt- unterstützuugsempfänger — zusammen 17 338 weniger als Ende Mai — entfielen. Die auf 1000 Einwohner errechnete Zahl der anerkann ten Wohlfahrtserwerbslosen erreichte Ende Juni 1932 im Landesdurchschnitt 59,8 (gegen 58^1 am 31. Mai 1932 und 31,2 Eside Juni 1931)^ Wesentlich größer ist die Wohlfahrtserwerbslosigkeit in folgenden Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern: Pirna 97,8, Heidenau 97,4, Chem nitz 91,8, Freital 88,9, Olbernhau 84,0, Freiberg 83,9, Großenhain 82,8, Wurzen 82,6, Plauen 80, Radeberg 77,8, Siegmar 75,8, Oschatz 74,7, Bautzen 72,4, Meißen 72,2, Mittweida 71,7, Leipzig 71,2. Unter den ländlichen Bezirksfürsorgeverbänden stan den Leipzig (78), Pirna (72,9) und Flöha (69,9) an der Spitze. Ltm Bürgermeister Dr. Bührer. Versetzung in den Wartestand geplant. Auf das Ersuchen der Dresdner Stadtverordneten, wegen der Unterstellungen und Angriffe, die Bürgermeister Dr. Bührer gegen die Finanzpolitik der Stadt Dresden erhoben hat, das Disziplinarverfahren zu beantragen, faßte der Rat in seiner letzten Sitzung eine zustimmende Entschließung, da die Kritik, die Bürgermeister Dr. Bührer gegen die Finanzpolitik der Stadt Dresden geübt habe, nach Form und Maß der Amtspflicht widerspreche und geeignet sei, den Ruf der Verwaltung Dresdens schwer zu beeinträchtigen, was um so schärfer zu verurteilen sei, als Bürgermeister Dr. Bührer als Vorstand des städtischen Finanzamtes selbst die Verantwortung für einen erheb lichen Teil der von ihm kritisierten Maßnahmen über nommen habe. Weiter beschloß der Rat, in das schwebende Disziplinarverfahren jenen Brief einzubeziehen, den Bür germeister Bührer an eine ausländische Bank gerichtet hat, und in dem er es unternommen hat, diese Bank zu be wegen, ihren Einsluß bei den damals schwebenden Still halleverhandlungen und Reparationsbefprechungen nach der Richtung hin geltend zu machen, daß die „ungerechte und unzweckmäßige Regelung des Anleihe-Neubesitzes durch Gleichstellung dieses Neubesitzes mit dem Altbesitz abgelöst werde, eine Maßnahme, die mit schweren finan ziellen Belastungen der Stadt Dresden, der deutschen Gemeinden und des Deutschen Reiches hätte verbunden sein müssen. Der Antrag der Stadtverordneten, Bührer während des gegen ihn schwebenden Dienststrafverfahrens von der Stellvertretung des Oberbürgermeisters zu ent binden, wurde angenommen. Aus das weitere Ersuchen der Stadtverordneten, Dr. Bührer bis zum Ablauf des auf Dienstentlassung zielenden Disziplinarverfahrens vor läufig vom Amte zu entheben, stellt der Rat fest, daß keine rechtliche Möglichkeit zu einer solchen Enthebung iesteht. Er beschloß jedoch, bei dem Gesamtministerium sie Versetzung Dr. Bührers in den Ruhestand (Warte- tand) zu beantragen. Der 1000«. Nus Paul Rothes. Der Chefpilot der Sächsischen Fliegerschule Aero-Expreß in Leipzig-Mockau, Paul Rothe, konnte soeben seinen 10 000. Flug in der Sportsliegerei verbuchen. Er führte sämtliche Flüge ohne den geringsten Bruch aus. Kabinettsumbildung in Iialien. Mussolini hat das gesamte Ministerium neu be setzt. Mussolini selbst übernimmt das Außenmini st e- rium und das Korporationsministerium. Es sind zurückgetreten der Minister des Äußeren Grandi, der Finanzministcr Dr. Mosconi, der Unter richtsminister Giuliano, der Justizminister Rocco sowie sämtliche Unterstaatssekretäre. Die Übernahme des Außenministeriums durch Mussolini deutet darauf hin, daß Mussolini darauf drängen will, daß die Abrüstungskonferenz und der wirtschaftliche Wiederaufbau Europas fetzt schneller in Gang kommen. Die Übernahme des Außenministeriums durch Mussolini ist eine Folge der Haltung der übrigen europäischen Länder, die Lösung der Abrüstungsfrage und der anderen großen Fragen zu ver schleppen. Der Rücktritt Grandis von diesem Posten ist keineswegs darauf zurückzuführen, daß Grandi in Ungnade gefallen sei, denn er hat anerkanntermaßen mit den Vertretern aller europäischen Mächte auf bestem Fuße gestanden. Dadurch, daß dieses Ministerium jetzt von Mussolini selbst übernommen wird, soll die absolute Unabhängigkeit Italiens von dem Verhalten der übrigen Mächte bekundet werden. Kurze politische Nachrichten. Die Abordnungen Englands und verschiedener Dominien zur Weltreichswirtschaftskonferenz sind in Ottawa eingetroffen, wo ihnen ein herzlicher Empfang bereitet wurde. -r- Präsident Hoover hat den Vizepräsidenten Curtis beauftragt, ihn bei der Eröffnung der Olympischen! Spiele in Los Angeles zu vertreten. * Die Staaten Peru, Kuba, Uruguay und Bolivien haben die vorläufige chilenische Regierung anerkannt. Klein» Nachrichten Professor Kohlrausch Rektor der Berliner Universität. Berlin. Der Lehrkörper der Friedrich-Wilhelm-Universität, wählte Professor Dr. jur. Kohlrausch zum Rektor. Vor ihm hatte Professor Dr. Lüders das Amt inne. Als Dekane wurden gewählt für Jura Professor Nabel, für Philosophie Professor Dr. Hartung, für Medizin Prosesfor Gocht und für Theologie Professor Dr. De iß mann. Postautobus gegen Lokomotive. — Ein Toter, zwei Schwer verletzte. Königsberg i. Pr. Zwischen den Bahnhöfen Preutzisch- Holland und Güldenboden, wo die Straße Preutzisch- Holland—Crossen die Bahn kreuzt, fuhr ein Postomnibus gegen die Lokomotive des von Maldeuten kommenden Personen zuges. Dabei wurde das Vorderteil des Pcrsonenzuges ein gedrückt. Der Kraftwagensührer und ein Fahrgast des Omni busses wurden schwer verletzt und ein weiterer Fahrgast getötet. Deutsch-irischer Handelsaustausch in Vorbereitung? London. Es verlautet, daß ein Dr. Mac Laughlen, ein früheres Mitglied des irischen Zentral-Elektrizitäts-Aus- schuffes, voraussichtlich auf Veranlassung der Regierung des Irischen Freistaates eine Reise nach Deutschland angeireten hat, um dort die Möglichkeiten für einen Handelsaustausch- Vertrag zu untersuchen. Der Plan der Verhandlungen soll angeblich weit über etwaige Kohlenankäufe binausgehen und auch andere deutsche Erzeugnisse, wie elektrische Artikel, ZemenV usw. umfassen, wogegen Irland sich eine mehrjährige Absatz menge für einige seiner landwirtschaftlichen Produkte, wie Eier, Butter und Schlachtvieh sichern will. Schweres Verlehrsunglück in Mexiko. — Fünfzehn Tote, zwanzig Schwerverletzte. ! Mexiko-Stadt. Bei dem Zusammenstoß eines vollbesetzten, Straßenbahnwagens mit einem Eif-nbahnzug in einem Vor^ ort der Stadt Mexiko wurden fünfzehn Personen ge tötet und zwanzig schwer verletzt. König lUskrUkä k o >14 I- >4 ä oKc hi MüeäeösiecsiTLscüüi? voac« osxäk EsrL« (20. Forljetzung.) „Alles kannst du verlangen, nur dieses nicht. Ich muß das, was ich fühle, was mich erfüllt, aus mir herausgeben, nur dann habe ich die Befriedigung, die ich suche." „Ich weiß es. Aber deine Stimme ist so herrlich, daß ich bange, du könntest sie einmal verlieren." „Und wenn das einträte . . . glaube mir, ich wüßte es zu tragen. Dann wird immer Singen und Klingen in mir sein, und das tiefe Erlebnis dieser Zeit, die Erinnerung an die köstlichen Stunden, wird mich nie verlassen. Doch jetzt wollen wir nicht weiter vom Fach sprechen. Komm jetzt mit zu Klein-Elschen. Sie hat schon die ganzen Tage nach dem Onkel gefragt." Helle Freude flutete über des alten Sängers Antlitz. „Jal Ich habe ihr auch eine Tüte mitgebracht." „Du verwöhnst sie, Karl." «I wo! Ich habe als Kind Zucker auch gern gegessen, und es hat mir nichts geschadet." Sie begaben sich gemeinsam in das Wohnzimmer. Lis beth war inzwischen aus dem Geschäft gekommen. Willmar sah sich um. „Wo ist das Kind?" „In der Küche, Herr Heyden," sagte Lisbeth Engst lachend. „Sie hilft beim Törtchenbacken." „Ein gutes Zeichen! Sie bildet sich zur künftigen Haus frau. Nun, dabei dürfen wir nicht stören. Du bleibst doch zum Abendbrot, Karl? Ich hoffe, daß mein Schwiegervater kommt." „Er hat heute keinen Dienst und kommt sicher. Wir wollen doch wieder einmal einen Skat kloppen." „Ich bin dabei," sagte Willmar munter. „Ich habe mich schon die ganze Woche darauf gefreut." „Wieder ein Zeichen, wie wenig dazu gehört, sich freuen zu können. Schön, lieber Karl, spielen wir heute einen Skat." * * * Dalbade hatte seinen Vertrag mit der Berliner Staats oper in gütlicher Weise gelöst. Der ehrgeizige Künstler brachte es nicht über sich, der zweite zu sein. WMWWM« i Er nahm ein Engagement in Wien an. Als er sich von Mara verabschiedete, fragte er sie, wann sie endlich zur Vermählung bereit sei. Aber auch diesmal konnte er keine positive Antwort er halten. Sie vertröstete ihn auf später. Er fühlte aus jedem Wort, daß er Mara üichts bedeutete, und der Trotz wollte ihn zum endgültigen Bruch treiben . . . aber das Herz stellte sich dagegen. Er liebte die schöne Frau wahnsinnig. Das Wohltätigkeitsfest zugunsten der notleidenden Künstler war das größte gesellschaftliche Ereignis Berlins. Alles, was im gesellschaftlichen Leben Berlins eine Rolle spielte oder zu spielen glaubte, war vertreten. Die Sensation des Abends war das persönliche Erscheinen des legendenumwobenen, gefeierten Sängers Willmar Heyden. Frau Geheimrat Spranger, die Gattin des Ber liner Großindustriellen, die das Protektorat über das Wohl tätigkeitsfest übernommen hatte, war maßlos stolz, daß es ihrer Tochter gelungen war, die Teilnahme Heydens zu erwirken Heyden war der Mittelpunkt des Abends, und seine präch tige Erscheinung, sein gewandtes, sicheres Auftreten und seine gute Laune gewann ihm alle, die ihn sahen und fprechen hörten. Als Heyden Renate Spranger oorgestellt wurde, war er von der lichten Schönheit des jungen Mädchens sofort ge fesselt. Sein schönheitsfrohes Auge glitt über die schlanke, etwas sehr selbstbewußte Mädchengestalt, die das herrlichste Blondhaar, das er je gesehen hatte, auszeichnete. Seltsam im Kontrast zu dem lichten Haar standen die dunklen Augen Renate war, tm Gegensatz zur Mutter, die immer noch nicht über einen kleinbürgerlichen Anstrich hinwegkam, die vollendete Weltdame, trotz ihrer 23 Jahre. „Wir freuen uns, Herr Heyden, daß Sie uns endlich einmal die Ehre Ihrer Anwesenheit schenken," sagte Renate sehr verbindlich Heyden iah sie mit blitzenden Augen an. „Meine Gnädigste," erwiderte er mit natürlicher Galanterie, „ich habe nicht gewußt, daß ich eine so wunder voll blonde junge Darm treffen würde. Hätten Sie das Ihrer Einladung hinzugefügt, ich glaube, ich wäre schon früher einmal gekommen." „Sie bevorzugen blond. Herr Heyden?" „Ich bevorzuge nicht, denn mein Leben fließt in harmo nischer Weise hin. daß ich bisher noch nicht in die Verlegen heil gekommen bin . . . eine besondere Farbe bei Damen zu bevorzugen. Aber Ihr Blondhaar schmückt Sie ganz wundervoll." Er sprach das in so liebenswürdig-verbindlicher Weise, daß es ein Vergnügen machte, ihm zuzuhören. „Warum halten Sie sich der Gesellschaft so fern, Herr Heyden? Sie dürften doch die beste Figur in der ganzen Berliner Gesellschaft abgeben." Heyden lächelte. Sie sah ihn gern lächeln. Er tat es nicht, um bewundernden Blicken eine Reihe prächtiger Zähne zu entblößen, sondern sein Lachen war fröhlich unbefangen und doch wieder so überlegen und sicher. „Eine gute Figur." wiederholte Heyden „Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Drum bin ich nicht gern in Gesellschaft Ich bin eine zu gute Figur und habe nebenbei noch das Pech, sehr bekannt zu sein . . " „Das Pech? Das Glück meinen Sie, Herr Heyden!" „O nein! Sehen Sie. meine Gnädigste, ich bin nicht etwa ein eitler Patron, der sich absondert, weil er den stillen Größenwahn hat. Nein, ich sondere mich ab. weil ich eine zu gute Figur abgebe. Die wird nämlich gesellschaftlich zu sehr in Anspruch genommen, überall soll sie dabei sein, übera" soll sie das Aushängeschild sein. Das vaßt mir nicht Ich bin sehr gesellig, aber der einfache Mensch ist mir am liebsten, der sich so gibt, wie er ist. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen." „Ich bemühe mich, Herr Heyden. Glauben Sie, daß man in der Gesellschaft sc selten auf Menschen stößt, die ihre wahre Natur zeigen?" „Sie fangen an, mich zu begreifen. Das ist nett. Ich glaubte icbon. unhöflich zu sein, wenn ich gleich mit meinen Anschauungen auspacke." „Durchaus nicht. Herr Heyden! Ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen " „Dann ist Aussicht vorhanden, daß ich heute einen recht netten Abend verlebe. Wenn nur diese leidige Vorstellerei schon vorüber wäre! Sehen Sie, da bringt Ihre Frau Mutter schon wieder neue Opfer, denen der große Tenor vorgestellt werden muß. Und ich habe ein so schlechtes Gedächtnis für Namen." Frau Gebeimrat Spranger trat mit einer jungen, mit raffinierter Eleganz gekleideten Dame näher. „Herr säenden!" rief Sie dem Sänger zu. „Darf ich Ihnen M'st Astor aus Newyork vorstellen?" Heyden verbeugte sch Die Manke Amerikanerin sah ihn lange an. Er empfand den prüfenden Blick fast taktlos. (Fortsetzung folgt.)