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MMufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das ,Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 8 Uhr. Dezugsureis monatlich 2,— NM. tret Haus, bei Poftdestellung 1,80 NM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Roig. Alle Postanstalten, Post boten und unsere Aus» «r>-r . träger und TeschSstsfiellen nehmen zu jeder?sei,B-- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend st-llung-n entgegen. Im D-walt, Krieg oder sonstiger B-. mcosnorungen besteht kein Anspruct, aus Licserung der Heilung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke crsolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Äürgertum, Leamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die bgespaltene Raumzeile 20 Rpsg., die 4gespalt«ne Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs» ps-nnige, die Sgespaltene Reklamczeile im textlichen Teil« 1 NM». Nachweisungsgebüh, 2V Reichspsennige. Dir»' ÄLnn^chWV Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 LsichW°ÄW^ -nn-hmebi-vorm.1VUHr. - Für die Richtigkeit den' durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch' Klage eingezogen werden must oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits, bestimmte Blatt. Nr. 169 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruss-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 21. Juli 1932 Der Reichskommissar. Der schon lange nicht mehr nur hinter den Kulissen spielende Gegensatz zwischen dem Neichskabinett von Pape n—v onSchleiche r—v onGayl und der zwar demissionierten, aber immer noch die Geschäfte führenden P r e u ß e n r e g i e r u n g B r a u n — S e v e r t n g — Hirtsieser hat nun zu der Absetzung der preutzischen Minister durch den Reichskanzler geführt, der durch Ver ordnung des Reichspräsidenten zum Reichskom missar in Preutzen ernannt und hierfür mit außer ordentlichen Vollmachten ausgestatlel worden ist. Dieser erste Schritt des Reichskommissars findet übrigens in der deutschen Verfassungsgeschichte der Nachkriegszeit insofern eine Parallele, als im Oktober 1923 das sächsische, aus Sozialdemokraten und Kommunisten bestehende Kabi nett Zetgner zunächst von der Reichsregierung zum Rücktritt aufgefordert und dann von dem Reichskommissar Dr. Heintze für abgesetzt erklärt wurde, weil kommunistische Kabinettsmitglieder die Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten und zur Auflehnung gegen die Neichsgewalt aufgereizl hatten. Auf Veranlassung des Reichskommissars war damals die R e i ch s w e h r in Dresden einmarschiert und hatte die Ministerien besetzt. Der Sächsische Landtag zwang das Kabinett Zeigner übrigens zum formellen Rücktritt und ersetzte es sofort durch ein anderes. Auch damals war durch den Reichspräsidenten dem Reichskommissar das Recht zuerteilt worden, im Auftrage des Reichskanzlers nicht bloß Minister, sondern auch Mitglieder sonstiger Be hörden ihrer Stellung zu entheben und andere Personen mit der Führung der Dienstgeschäfte zu betrauen. Wie damals und in einigen anderen Fällen wird auch bei dem Einschreiten der Reichsregierung in Preußen die rechtliche Begründung dem Absatz 2 des Artikels 48 der Reichsverfassung entnommen, der den Reichspräsiden ten ermächtigt, alle „nötigen Maßnahmen zu treffen, wenn im Deutschen Reich die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet" wird. Über die Art dieser „Maßnahmen" zwecks Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist nur insofern etwas gesagt, als durch sie bestimmte „Grundrechte der Ver fassung" vorübergehend aufgehoben werden können und der Reichspräsident erforderlichenfalls „mit Hilfe der bewaffneten Macht einzuschreiten" das Recht besitzt. In ihrem Protest gegen die Ereignisse des 20. Juli haben die preutzischen Minister erklärt, die Voraussetzung zur Anwendung dieser Verfassungsbestimmung sei nicht gegeben, weil die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht erheblich gestört sei, und daher solle der Staatsgerichtshof eine Entscheidung treffen. Andererseits wird aber be stritten, daß der Staatsgerichtshof rechtens hierzu über haupt in der Lage sei oder dazu, eine einstweilige Ver fügung gegen den Reichskanzler als preußischen Reichs kommissar bzw. gegen die von ihm getroffenen Maß nahmen zu erlassen. Wie dem auch sein mag, — zunächst jedenfalls i st der Reichskanzler durch die Verordnung des Reichspräsidenten mit den Befugnissen des preußischen Ministerpräsidenten bekleidet worden, und da ergibt sich aus den entsprechenden Artikeln der preutzischen Verfassung, daß er von sich aus bestimmte Personen „mit der Führung der preußischen Ministerien betrauen" kann, und diese wiederum „inner halb ihres Geschäftsbereichs alle Befugnisse der preußischen Staatsminister" besitzen. Dazu gehört auch das Recht der Beamtenernennung bzw. der Beurlaubung bzw. Ent fernung politischer Beamter von ihrem Posten. Natürlich hat der Preußische Landtag nicht etwa die Mög lichkeit, gegen diese Verordnung des Reichspräsidenten rechtlich irgendwie bindende Beschlüsse zu fassen, sondern er kann nur preußischen Notverordnungen die Genehmi gung und damit die Rechtskraft versagen. Da der Reichs- tag aufgelöst ist, braucht der Reichskanzler wegen der jüngsten Notverordnung einen parlamentarischen Ein spruch nicht zu befürchten. Neben diesem politisch für Deutschland so bedeutungs vollen überraschenden Vorgehen des Reichs gegen die Preußenregierung ist dann noch für Berlin und Branden burg die Verordnung des A u s n a h m e z u st a n d e s er folgt. Einerseits geschah dies „mit Hilfe der bewaffneten Macht", andererseits durch die „vorübergehende Außer kraftsetzung" bestimmter Verfassungsartikel über die „Grundrechte der Deutschen". Dies gilt für die Unverletz lichkeit der persönlichen Freiheit (Art. 114), dann für die Unverletzlichkeit der Wohnung als Freistätte, für die des Brief-, Post-, Telephon- und Telegrammgeheimnisses. Außer Kraft gesetzt wird die „Meinungsfreiheit in Wort, Schrift, Druck und Bild" (Art. 118) und das Recht, davon Gebrauch zu machen. Die Zensur wird damit auch zulässig. Das unbedingte Versammlungsrecht wird dadurch auf gehoben (Art. 123) und das Vereinsrecht ebenso scharf be schnitten. Schließlich hört auch die Gewährleistung des Eigentums durch die Verfassung (Art. 153) bis auf weite- res auf. Vor allem aber geht gleichzeitig die vollziehende Gewalt in Berlin und Brandenburg auf den Reichswehr minister über, und damit erhält der „Ausnahmezustand" seinen militärischen Hintergrund. Jas Ende der MWen Regierung. Bayern beantragt Staatsgerichtshof-Entscheidung. Oie Verordnung über den militärischen Ausnahmezustand. Amtlich wird mitgeteilt: Auf Grund des Artikels 48 Absatz 2 der Reichsver fassung verordnet der Reichspräsident zur Wiederherstel lung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Groß- Berlin und Provinz Brandenburg folgendes: 8 1. Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reiches werden bis auf weiteres außerKraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungs äußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrcchts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Tele graphen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und Beschlagnahmen sowie Beschränkun gen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür be stimmten gesetzlichen Grenzen zulässig. 8 2. Mit der Bekanntmachung dieser Verordnung geht die vollziehende Gewalt auf den Reichswehr- Minister über, der sic auf Militärbefehlshaber über tragen kann. Zur Durchführung der zur Wiederherstel lung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen wird dem Inhaber der vollziehenden Gewalt die ge samte Schutzpolizei des bezeichneten Gebietes un nittelbar unter st ellt. 8 3. Wer den im Interesse vcr öffentlichen Sicherheit er lassenen Anordnungen des Reichsmehrministers oder des Militärbefehlshabcrs zuwiderhandett, oder zu solcher Zu widerhandlung auffordcrt oder anrcizt, wird, sofern nicht Vie bestehenden Gesetze eine höhere Strafe bestimmen, mit Gefängnis oder Geldstrafe bis zu 15 000 Mark bestraft. Wer durch Zuwiderhandlung nach Absatz 1 eine gemeine Gefahr für Menschenleben herbeiführt, wird mit Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten und, wenn die Zuwiderhand lungen den Tod eines Menschen verursachen, mit dem Tode, bei mildernden Umständen mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Daneben kann auf Vermögenseinziehung erkannt werden. Wer zu einer gemeingefährlichen Zuwiderhandlung (Absatz 2) auffordert oder anreizt, wird mit Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. 8 4. Die in den 88 81 (Hochverrat), 302 (Brandstiftung), 311 (Explosion), 312 (Überschwemmungen), 315 Absatz 2 (Beschädigungen von Eisenbahnanlagen) des Strafgesetz buches mit lebenslänglichem Zuchthaus bedrohten Ver brechen sind mitdemTodczu bestrafen, wenn sic nach der Verkündung der Verordnung begangen sind. Unter der gleichen Voraussetzung kann im Falle des 8 92 (Landesverrat) des Strafgesetzbuches auf Todesstrafe erkannt werden, ebenso in den Fällen des 8 125 Absatz 2 (Rädelsführer und Gewalttätigkeiten bei Zusammen rottungen) und ß 115 Absatz 2 (Rädelsführer und Wider stand bei Aufruhr), wenn der Täter den Widerstand, die Gewalt oder Drohung mit Waffen oder in bewußtem und gewolltem Zusammentreffen mit Bewaffneten be gangen hat. 8 5. Auf Ansuchen des Inhabers der vollziehenden Gewalt sind durch den Reichsminister der Justiz außer ordentliche Gerichte zu bilden. Zur Zuständigkeit dieser Gerichte gehören außer den im 8 9 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 29. März 1921 (Reichsgesetz blatt Seite 371) aufgeführten Straftaten auch die Ver- gehen und Verbrechen nach 8 3 der vorliegenden Ver ordnung. 8 6. Diese Verordnung tritt mit dem 20. Juli in Kraft. * General von Rundstedt Träger der vollziehenden Gewalt. Der Neichswehrminister hat aus Grund der Ver ordnung über den militärischen Ausnahmezustand die vollziehende Gewalt über die Gebiete Groß-Berlin und Provinz Brandenburg aus den Befehlshaber im Wehrkreis III, General von Rundstedt, übertragen. * Oberbürgermeister Bracht-Essen Stellvertretender Reichskommissar. Der Reichskanzler v. Papen hat in seiner Eigenschaft als Reichskommiffar von Preutzen den Essener Ober bürgermeister Dr. Bracht zu seinem Stellvertreter er nannt und ihn gleichzeitig mit der Wahrnehmung der Geschäfte des preutzischen I n n e n m i n i st e r s an Stelle Severings beauftragt. Oberbürgermeister Bracht, der im 55. Lebensjahr steht, hat Rechtswissenschaft studiert und war zunächst Staatsanwalt in Essen und Hamm. Von 1911 bis 1918 war er als Regierungsrat im Reichsversichcrungsamt tätig. Dann wurde er als Vortragender Rat in das Reichsamt des Innern berufen. Im Jahre 1919 wurde er Ministerialdirektor im preußischen Wohlfahrtsministerium und Anfang Dezember 1923 berief ihn Reichskanzler Marx zum Staatssekretär der Reichskanzlei. Bis dahin war Bracht, der als Anhänger und Freund Stegerwalds galt, politisch nicht hervorgetreten. Im Jahre 1924 über nahm Bracht, der, wie er damals erklärte, dem Zentrum nahesteht, das Oberbürgermeisteramt der Stadt Essen. Reichswehr im preußischen Staatsministerium. Im preußischen Staatsministerium in der Wilhelm straße trafen am Mittwoch gegen 12,30 Uhr ein Offizier und mehrere Neichswchrsoldaten ein. Das Gebäude wurde geschlossen. Das Verlassen und Betreten des Gebäudes wurde verhindert. Das geschästsführende preußische Ka binett tagte zu dieser Zeit im preußischen Ministerium des Innern Unter den Linden. Gegen 11,45 Uhr wurde die Reichswehrwache in der Reichskanzlei, in der sich bekanntlich wegen des Umbaues des Präfidenten- gebäudes auch die Räume des Reichspräsidenten befinden, durch einen Zug Infanterie, der auch leichtes Mafchinengewehr mitführt, verstärkt. Braun und Severing abgesctzt. Der preußische Ministerpräsident Dr. Otto Braun (rechts) und der preußische Innenminister Severing (links) sind aus Grund der neuen Notverordnungen ihrer Ämter enthoben worden. Links Generalleutnant von Rundstedt, der Kommandant des Wehrkreises III, der durch die Ver hängung des militärischen Ausnahmezustandes über Berlin und die Provinz Brandenburg Inhaber der vollziehenden Gewalt in diesen Gebieten geworden ist — rechts der Essener Oberbürgermeister Bracht, der vom Reichs kanzler zum stellvertretenden Reichskommissar für Preußen und zum preußischen Innen minister ernannt worden ist.