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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschast, I Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Nr. 168 — 91. Jahrgang Postscheck: Dresden 264V Mittwoch, den 20. Juli 1932 »Fördert die Ortsprefse Feuer «'m „Konferenzschiff". Wer abergläubisch ist, mag ja umkehren, wenn ihm eine schwarze Katze über den Weg läuft. Und für aber gläubische Engländer bezw. Engländerinnen mag es kein gutes Vorzeichen sein, daß auf dem „Konferenzschiff", das die englischen Delegierten zur Reichskonferenz nach Kanada gebracht hat, Feuer ausgebrochen ist. Baldwin selbst, der vorläufige Führer der Delegation — erst später wird auch Macdonald nach Ottawa reisen — habe aber durch geschicktes und schnelles Eingreifen den Ausbruch einer Panik verhindert. Und bald darauf hat der Dampfer infolge Nebels mit einem Frachtschiff eine Kollision gehabt, die aber der stolzen „Empreß of Britain", der „Kaiserin von Britannien", auch weiter nichts geschadet hat. Wenn man also eine derartige Kon ferenzfahrt mit Hindernissen als ungünstiges Vorzeichen deuten mag, so kann man dies schon deswegen tun, weil die Fahrt der Konferenz selbst zweifellos durchaus nicht ganz glatt und ohne Kollisionen verlaufen wird. Seit vor 30 Jahren der Vater des jetzigen Schatz- kanzlers und feines Bruders Austen, der als Urheber des Burenkrieges noch nicht vergessene Joe Chamberlain, die handelspolitisch bedeutsame Idee des „Llreater Uritain", des „Größeren Englands", ersonnen hat, hat sich im eng lischen Weltreich gerade auf wirtschaftlichem Gebiete vieles ganz grundlegend geändert. Aus den damals noch Heran wachsenden Kindern sind inzwischen sehr selbständig han delnde Männer geworden, die auch wirtschaftlich sich sehr fest auf eigene Füße gestellt haben, — übrigens nicht zuletzt unter dem Einfluß des Weltkrieges. Gerade in den großen Dominien Englands, in Indien, Südafrika, Kanada, Au st ralien und — wenn man es anreihen darf — Ägypten, vollzog sich eine Industrialisierung größten Ausmaßes, die dem eigenen „Mutterlande" wirt schaftlich schweren Abbruch getan hat und noch tut. Man brancht z. B. nur an die großen Verluste zu erinnern, die eine der englischen Standardindustrien, nämlich die Textil industrie, erst durch die Konkurrenz, dann durch den Marenboykott Indiens erlitten hat. Trotzdem haben ins besondere Kanada und Australien immer noch einen aus geprägten Agrarcharakter als Großproduzenten agrar- rischer und nicht zuletzt auch industrieller Rohstoffe, — aber zwischen England und Irland ist gerade ein Zollkrieg aus- aebrocheu! , , Der kurz vor dem Sturz des Pfund Sterftngs em- setzende englische Hochschutzzoll-Sturm ließ die Dominien und Kolonien ganz unberührt, und die Regelung der Zollfrage mit ihnen wurde einer späteren Konferenz Vorbehalten, die nun in Ottawa abgehalten wird. In zwischen hat nun aber — neben dem tatsächlichen Über gang zum Hochschutzzoll geschlossenster Art — der große konservative Wahlsieg und dann die erfolgreiche Psund- stützung aus eigenen Kräften stattgefunden, und das hat das allbritische Selbstbewußtsein gewaltig gestärkt. Aller dings hat kein einziges Dominion — mit Ausnahme Südafrikas — am Goldstandard festgehalten, aber Indien stützte mit seinem Goldschatz das Pfund Sterling. Die das englische Weltreich umschließenden Bande sind Politisch vielfach sehr gelockert worden, aber die wirt schaftspolitischen Bande sind immer noch sehr fest. Aller dings ist die Zeit längst vorüber, als die Kolonien an das Mutterland Lebensmittel und Rohstoffe verkauften und dafür englische Fertigwaren, Kohlen und — Kredite be zogen: vielmehr sind gerade die größten Dominien aufs engste mit der Weltwirtschaft verflochten. Darum könnte man an dem Erfolg der Konferenz von Ottawa zweifeln, wenn die englischen Konservativen wit Baldwin an der Spitze dort wirklich eine Art all britischer „Planwirtschaft" erreichen wollen, ^eme Lebensmitteleinfuhr aus den Dominien und Kolonien müßte England mit Warenausfuhr bezahlen, aber die Dominien haben selbst ihre durch Schutzzölle Eser und vieler anderer Schwierigkeiten ein weltwirt- x^wporgepflegten" Industrien. Und doch könnte trotz ichaftlich hochbedcutsamer Ersatz in Ottawa dadurch er- zlctt werden, daß England durch ein Freihandels- und ^orzugszollsystem handelspolitisch die engen Beziehungen namentlich mit den Dominien aufrechterhält und verstärkt, Ederen Völkern und Ländern gegenüber aber die vorhandenen Hochschutzzölle bestehen läßt oder diese gar noch weiter erhöht. Rückwirkung auf die Gestaltung des Welthandels außerordentlich groß werden, wenn wirklich Eng- r ' „ Weise einen besonderen „Wirtschafts - 'Waffen sollte, den dann das Mutterland und die aciw^e" b'Gen würden. Das ist aber schneller aus- lischen durchgeführt. Denn zwei Drittel der eng- Rit Ausfuhr jn nichtbritische Länder. Und das Dritwiä doch sehr groß, cs wegen des einen übriacn an ^nen noch schwereren Zollkrieg mit der es ist Welt ankommen zu lassen, als der jetzt geführte ist „Freihandel" — unter dieser Parole geworden"" E der Weltwirtschaft vor dem Kriege groß Berlin. Reichskanzler von Papen emp fing heute vormittag 18 Uhr die preußischen Mi nister Hirtsiescr und Severing. Im Laufe der Unterredung teilte der Reichskanzler mit, daß sich die Rcichsrcgierung entschlossen habe, den Reichs kanzler von Papen zum Ncichskommissar von Preußen und Oberbürgermeister Bracht in Essen W 7 zum kommissarischen Verwalter des preußischen Innenministeriums und Leiter der Staatskanz- W lei einzusetzen. In einer längeren Begründung sagt die Reichsregierung, daß sie sich zu diesem Schritte entschlossen habe, weil sich der kommunistische Straßcnterrox immer schärfer hcrvorwage, weil die preußische Regierung nicht alles getan habe, um ihn zu unterdrücken. Berlin. In der Unterredung mit dem Reichskanzler hat sich der preußische Innenmini ster Severing geweigert, die Verordnung des Reichspräsidenten anzucrkcunen und erklärt, er weiche nur der Gewalt. Der Reichspräsident hat darauf eine zweite Notverordnung erlassen, wo nach über Berlin und Brandenburg der militäri sche Ausnahmezustand erklärt wird. Tic voll ziehende Gewalt ist daher für Berlin und Bran denburg auf den Befehlshaber des Wehrkreises 3, General Rondstedt, übergegangen. Ihm unter steht auch die Berliner und Brandenburger Po lizei. Die amtliche Begründung. Berlin. Amtlich wird mitgctcilt: Durch die Ver ordnung des Reichspräsidenten ist Reichskanzler von Pa pen zum Reichskommissar für Preußen bestellt worden. In dieser Eigenschaft hat er auf Grund der ihm erteilten Vollmacht den Ministerpräsidenten Braun und den Mini ster des Innern Severing ihrer Aemtcr enthoben. Die Befugnisse und Aufgaben des preußischen Ministerpräsi denten sind aus den Reichskanzler als Reichskommissar für Preuße»« übergegangen. Die Selbständigkeit des Landes Preußen im Rahmen der Rcichsverfassung wird nicht an getastet. Die Reichsregierung erwartet vielmehr, daß als bald eine Beendigung des aus Grund der Notverordnung geschaffenen Ausnahmezustandes eintreten wird. Die blutigen, von Kommunisten verursachten Unruhen haben die Reichsregicrung vor die schwere Ausgabe gestellt, von sich aus für Ruhe und Sicherheit im größte»» Teile Deutsch lands zu sorgen. In den übrigen deutschen Ländern, in denen die Polizei straff geleitet wird, besteht keine Be fürchtung, daß kommunistische Umtriebe Erfolg haben. Die Reichsregierung bedauert lebhaft, daß diese Voraus setzungen für Preußen nicht in dem notwendige»» Umfange zutreffen, obgleich die örtlichen Polizciorgane durch Ein satz von Person und Leben sich bemüht haben, den offenbar von langer Hand vorbereitete»» Unruhen Herr zu werden. JuPreußen hat dieNcichsrcgierung die Polizcimacht über nehmen müssen, da Planmäßigkeit und Zielbewußtheit der Führung gegen die kornmunistischc Bewegung fehlt. Es ist kein Zufall, daß gerade in Preußen die kommnnistische Bewegung am straffsten und erfolgreichsten ausgetreten ist und in den verschiedenste»» Orten ernste und blutige Unruhen verursacht hat. Es besteht der begründete Ver dacht, daß hohe preußische Dienststellen in Berlin und an anderen wichtigen Punkte»« nicht mehr die irrnere Unab hängigkeit besitzen, die zur Erfüllung ihrer Aufgabe not wendig ist. Dadurch ist in weiten Kreisen der Behörden sowie der Bevölkerung die staatliche Autorität erschüttert. Verstärkt wurde dieser Eindruck in der Ocsscntlichkeit durch die ungezügelten scharfen Worte des preußischen Innen ministers und anderer hoher Beamten gegen die Reichs- regierung. Die notwendige vertrauensvolle Zusammen arbeit zwischen Reichsregicrung und Landesregierung «st durch dieses Auftreten unmöglich gemacht worden. Aus diesen unerwünschten Umständen ist die vorübergehende Zusammenfassung der Machtmittel des Reiches und Preu ßens in der Hand des Reichskanzlers als Reichskomnnstar für Preuße»« der einzige Weg zur rasche»« Befriedigung des größten deutschen Landes. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeite Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 Kabinett Brann tritt nicht freiwillig zurück. Berlin. Aus der Sitzung des preußischen Kabi netts verlautet, daß das Kabinett nicht gewillt sei, frei willig zurückzutreten. Vorher waren folgende Meldungen eingcgangcn: Preußens Landtagspräsident fordert Reichsmaßnahmen, o nationalsozialistische Präsident des Preußischen Landtages, Ke rrl, hat nun den in einer Rede in Kassel ""gekündigten Brief an den Reichskanzler der Öffentlich keit übergeben. Kerrl fordert in dem Bries die Reichs- reglcrung auf, durch eine Notverordnung die Wahl eines Mnttsterprasldentcn in Preußen zu erzwingen und weiter- die Polizeigewalt in Preußen vorläufig aus das Reich zu übernehmen. Der Brief behandelt zunächst die Frage der Minister- Prasidentenwahl. Die NSDAP, sei bereit gewesen, das Amt des Ministerpräsidenten zü bernehmen, aber ohne irgendwelche Bedingungen und Bindungen. Darauf sei dar, Zentrum nicht eingegangen. Die Wahl sei dann vertagt worden. Die NSDAP, sei jedoch entschlossen, nach dem 31. Juli unbedingt die Wahl eines Minister präsidenten zu fordern. Seine Partei betrachte die Ände rung der Bestimmungen über die Präsidentenwahl durch den früheren Landtag als v e r f a s s u n g s w i d r i g und werde denStaatsgerichtshof in dieser Sache an rufen. Die Verfassung zwinge den Landtag, unbedingt einen Ministerpräsidenten zu wählen, uin diese Pflicht käme er nicht herum. Um die Rechte der Verfassung in Preußen wiederherzustellen, sei eil« Eingreifen des Reiches notwendig. Zum Schluß geht der Brief auf die Frage der Ordnung und Sicherheit ein und sagt: Mit tiefer Besorgnis habe ich in dei« letzten Monaten beobachten müssen, wie sich die kommunistische und die sozialdemo kratische Propaganda unbehindert übersteigern durfte, wie in ihrer Auswirkung die Unsicherheit im Lande anwuchs und Überfälle und Morde sich von Tag zu Tag in er schreckendem Maße mehrten. Ich habe nicht die Überzeu gung gewonnen, daß von feiten der geschäftsführen den preußischen Regierung die ihr zu Gebote stehenden Machtbefugnisse in der Weise gebraucht worden sind, wie es zur Verhinderung des Schwindens der Staats autorität notwendig gewesen wäre. Besprechung des Reichskanzlers mit Hirtfiefer und Severing. Wie verlautet, hat Reichskanzler von Pape»« die preu ßischen Minister Hirtfiefer und Severing für Mittwoch zu einer Besprechung zu sich gebeten. Sie Sesprechung mit dem Reichskanzler. Vor wichtigen Entschlüssen der Reichsregicrung. Zu der Besprechung des Reichskanzlers mit Hirtfiefer und Severing verlautet: Die Reichsregicrung wird darüber Aufklärung er bitten, was in Preußen zur Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung unternommen wird. Falls die preußischen Minister Hirtfiefer und Severing in der Mittwoch-Besprechung mit dem Reichskanzler nicht in der Lage sei»» sollten, eine befriedigende Erklärung ab- zugcbcn, so ist damit zu rechnen, daß die Reichsregicrung sofort von sich aus entscheidende Maßnahmen beschließen wird. , , Die preußische»« Minister dürften deshalb allem gebeten worden sein, weil nach Auffassung der Reichsregicrung dis kritischen Unruhen f a st nur in Preußen vorgekom men sind und es sich erwiesen hat, daß die preußiiche Polizei ii« vielen Fällen nicht Herr der Lage war. Berliner Pressestimmen. Berlin, 20. Juli. Eine Reihe Berliner Blätter b'e^ schuftigen sich eingehend mit der heutigen Besprechung des Reichskanzlers mit den preußischen Ministern Hutsiefer und Severing Allgemein wird darauf hmgewielen, daß dabei die Entscheidung über die Einsetzung des Reichsko-mmls ars m Dien- ßen fallen werde. Nach der „D.A.Z." wird in politischen Krei- Das »Wil-drufsc- Tageblatt- erschein- an allen Werktagen nachmittag- S Uh», »tzutz-pr«- monatlich 2,-RM. frei Hau-, bei Postbcstellung 1,8« RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. «A Um-n""- jÄt"ZeL Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend st^ung^entgegen.^ Im ^stSn «Kin 2« ^esernng de>^ Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten des Amts. gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. j ReilWlnnGr in Preußen eingesetzt Severing erklärt, er weiche nur der Gewalt. Verhängung des militärischen Ausnahmezustandes über Berlin und Brandenburg.