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D berücksichtigt. Anzeigen annahme bisvorm.lOUHr. ' Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Radananipruck erlischt, wenn der Betrag durch Klag- eingezogen werden muß oder Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 164 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdrufs-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Freitag, den 15. Juli 1933 „Forschung folgt." Was man heute unter „Lausanne* versteht und kurz mit diesem Wort bezeichnet, ist wie ein Kolportageroman „mit Fortsetzungen*, die dann versprochen sind, wenn es anfängt, interessant zu werden. Und vorläufig weiß die Welt, wissen die Völker noch nicht, was alles sie noch an derartigen „Fortsetzungen* zu lesen oder zu hören bekommen; aber nach den bisherigen Erfahrungen zu ur teilen, dürften die Herren Diplomaten noch allerhand bisher Verschwiegenes ans Lausanne mitgebracht haben und vorläufig noch heimlich im Busen bergen. Denn an den Gestaden des harmlos blauen Genfer Sees konnte die G e h e i ni d i p l o m a r i e wieder einmal „in alter Frische" sich ausgiebig betätigen. Was dabei herauskam, erführt man so allmählich in Fortsetzungen oder — gar nicht. Eifrig wurde „in hoher Politik ge macht*. Nur als Deutschlands Vertreter auch einige politische Forderungen anmeldeten, hieß es mit lautem Geschrei, alle diplomatischen Schuster sollten und wollten bei ihren reparationspolitischen Leisten bleiben, also nur wirtschaftliche und finanzielle Probleme be- bzw. mißhandeln. Darob ist ja auch die deutsche Delegation aus diese Plattform zurückgekehrt unter dem Druck der lärmenden Drohung, sie gefährde sonst die ganze Konfe renz. Viel Lärm und Wesens wur^e auch daraus gemacht, welch enorme Anforderungen an die Arbeitskraft der Diplomaten gestellt wurden, um die Reparationsfrage zu regeln. Ein großer Teil dieser Arbeit aber ist eine solche hi nie; den Kulissen gewesen, wie sich jetzt durch die Veröffentlichung einer überaus bedeutungsvollen Ver- cmbarung zwischen England und Frankreich her ausstellte, der Herriot in grob zupackender Manier den .iamen einer neuen „lüntonto corckinw" gegeben hat, den selben Namen für ein Bündnis also, das den ersten offen sichtlichen Entwicklungsschritt zum — Weltkrieg bedeutete, sich dann zur englisch-rufsischen Tripel^Entente erweiterte und schließlich zum Verband der „alliierten und assoziier ten Mächte" geworden ist. Und diese Erinnerungen durch jenen Namen wieder Herauszubeschören, zeugt ja Deutsch land gegenüber auch von einem besonders anerkennens werten Taktgefühl! Aber diese Bezeichnung demon striert in offensichtlichster und betont drastischer Form das für Europa politisch wichtigste Hauptergebnis der Lau sanner Konferenz: die künftige englisch-franzö sische Zusammenarbeit, das offizielle Freund schaftsbündnis zwischen diesen beiden Westmächten, — und Herriot persönlich steht damit als ein Mann da. der erreicht hat, was allen seinen Vorgängern nach dem Weltkrieg herbeizuführen mißglückt ist: das formelle Bündnis mit England. Und wenn Frankreich im Verfolg seiner „Reparationspolitik" immer wieder in eine politische Isolierung geriet, diese übrigens auch nicht scheute und sich auch noch zu Beginn der Lausanner Konferenz in dieser politisch isolierten Lage auch gegenüber England sah, so hat Herriot das alles zu überwinden vermocht. Er konnte als Triumphator den 14. Juli, den französischen Nationalfeiertag, begehen, nachdem er in fabelhaft ge schickter, geheimnistuerisch-spannender Regie am Tage zu vor die Kitt^de von der neuen „Lntento eorllwls" hatte in die Öffentlichkeit dringen lassen. Und Deutschland...? Uns Deutsche interessieren wenig die Punkte drei und vier des Vertrages, die von der gemeinsamen Vorbe reitung der Weltwirtschaftskonferenz und von einer Art handelspolitischen Waffenstillstandes zwischen England und Frankreich sprechen. Entscheidend ist aber für die Weiterbehandlung der A b r üst u n g s fr a g e die Vereinbarung der Zusammenarbeit auf der Genfer Konferenz und dann aber vor allem der absichtlich recht unbestimmt gehaltene Artikel 1 des Vertrages: „Austausch der gegenseitigen Ansichten in aller Offenheit", „gegenseitige Unterrichtung" über alle, — nun, sagen wir deutlicher, über alle Fragen politischer und sonstiger Art L la Lausanne", die also irgendwie mit den durch Versailles und s-ine Folgen geschaffenen Zuständen nnd Verträgen Zusammen hängen. Dazu würde — was hinter dem Abkommen stand und steht — natürlich auch z. B. die „gegenseitig ver trauensvolle* Behandlung der Schuldenregelung mit Amerika gehören. Das ist in Lausanne bereits fest verab redet worden, so fest und so geheimnisvoll übrigens, daß man dem deutschen Reichskanzler davon kein Wort sagte, und in einem besonderen „Gentlema n-Ag r eement* ausdrücklich eine „befriedigende Lösung* der interalliierten Schuldenfrage als Voraussetzung der Ratifizierung des Lausanner Vertrages bezeichnete. Aber in diesen Lau sanner Vertrag hat man kein Sterbenswörtchen davon hineingesetzt. Ja, man hat noch mehr vereinbart; in einem offiziellen Schreiben des englischen Schatzkanzlers an seinen französischen Kollegen wird gesagt, daß bei Nicht ratifizierung des Lausanner Vertrages die Rechts lage aller beteiligten Regierungen zueinander wieder die sein würde, die nach den Bestimmungen des Haager Ab kommens vom 28. Januar 1930 bestand. Also — der Noung-Plan! Macdonald aber hatte im Unterhaus tags zuvor erklärt, daß man in einem solchen Falle „nicht auf den Boung-Plan zurückzugreifen brauche*- sondern daß eine neue Konferenz stattfinden würde! Ich MW W HmM? Das enthüllte Geheimnis. Nachdem schon unmittelbar bei seiner Rückkehr von Lausanne nach Paris der französische Ministerpräsident Herriot von dem Bestehen besonderer Vereinbarungen — „Gentleman-Agreements" — zwischen England, Frank reich, Belgien und Italien gesprochen und immer mehr über den Inhalt dieser Geheimverlräge durchgesickert war, ist nunmehr endlich in Paris der Vorhang hochgezogen worden. Das französische Auswärtige Ami veröffentlichte den Wortlaut dieses „Gentleman-Agreements", wonach die Ratifizierung des Lausanner Abkommens ausdrücklich abhängig gemach« wird von einer „befriedigenden Lösung" der interalliierten Schuldenfrage, also haupt sächlich der Schulden der erwähnten Mächte an Amerika. Andernfalls erfolgt die Ratifizierung nicht, und die dann wieder eimretende Rechtslage sei jene, die vor dem Hoover-Moratorium, also vor dem 1. Juli 1931 bestanden habe. Das wäre: der Uoung-Plan! Ähnlich äußert sich in einem gleichfalls jetzt veröffent lichten Schreiben der englische Schatzkanzler Neville Cham berlain an den französischen Finanzminister. Nirgends aber ist die Rede davon, daß im Falle der Nicht-Ratifizie rung des Lausanner Abkommens eine neue Konfe renz stattfinden soll, von der der englische Ministerpräsi dent dem Reichskanzler gegenüber in Lausanne ge sprochen hat. * Gebremstes Lausanne. Das Gentleman-Agreement veröffentlicht. Das französische Außenministerium veröffentlicht den Wortlaut des Gentleman-Agreements, das in Lausanne zwischen Frankreich, England, Belgien und Italien getroffen wurde. Das Abkommen lautet fol gendermaßen: „Die Lausanner Abkommen treten erst nach der in diesem Abkommen vorgesehenen Ratifizierung endgültig in Kraft. Was die Gläubigermächte anlangt, in deren Namen dieses Schriftstück paraphiert ist, so wird die Ratifizierung nicht eher stattfinden, bis zwischen ihnen und ihren eigenen Gläubigern eine befriedigende Lösung erzielt worden ist. Sie haben alle Freiheit, ihre Haltung vor ihren Parlamenten darzulcgen." Im Wortlaut des Abkommens mit Deutschland wird dagegen nicht auf dieses libereinkommen hingewiesen Werden. Wenn in der Folge eine befriedigende Lösung ihrer eigenen Schulden erreicht worden ist, wer den die unterzeichneten Gläubigermächte die Ratifizierung vornehmen, womit das Abkommen mit Deutschland Rechts kraft erhält. In dem Falle, in dem eine Regelung der Schulden nicht erzielt werden kann, wird das Abkommen mit Deutschland nicht ratifiziert werden. Dadurch würde eine neue Lage entstehen und die interessierten Regierungen würden sich darüber einigen, was zu geschehen hat. In diesem Falle wird die Rechtslage aller interessierten Mächte wieder die werden, die vor dem Hoover- Moratorium bestanden hat. Die Reichsregierung wird von diesem Abkommen unterrichtet werden. Bestätigung durch England. Dem Abkommen ist ein Begleitbrief des englischen Schatzkanzlers an den französischen Finanzminister bei- gefügi über die Regelung der englisch-französischen Kriegs schulden, in dem es u. a. heißt: „Im Falle der N i ch t r a t i si z i eru n g des Lau sanner Abkommens würde die Rechtslage aller beteiligten Regierungen zueinander wieder die sein, die nach den Be stimmungen des Haager Abkommens vom 20. Januar 1930 und 'des englisch-französischen Kriegsschuldcnabkommens bestand. In diesem Falle würden diebritische und die französische Regierung gemeinsam den dann ge schaffenen Tatfachenbestand zn prüfen haben." * Was sagt -ie Reichsregierung? Wie aus den Kreisen der Reichsregierung verlautet, hat die Veröffentlichung des Lansanner Geheimabkommens keine Überraschung hcrvorgerufen, trotzdem die deutsche Abordnung in Lausanne über den Abschluß dieses Ab kommens nicht in Kenntnis gesetzt worden war. Die deutsche Abordnung wußte zwar, daß die Gegenseite unter sich Verhandlungen führte, hatte sich je- Als Kommentar braucht man nur noch hinzuzusügen, daß auch — Deutschland zum Beitritt zu diesem „Freund schaftsbündnis" aufgefordert wird! Und dabei hat man die Lausanner Konferenz als den Beginn einer „neue n Ära" bezeichnet . . .! Es kommt allerdings sehr, sehr darauf an, wie denn nun eigentlich diese „neue Ära" zuverfteheu ist! doch darauf beschränkt, zu verhindern, daß ein in diesem Abkommen gemachter Ratifizierungsvorbehalt in das Lau sanner Vertragswerk ausgenommen wurde. Demzufolge stellt das Gentleman-Agreement eine einseitige Hand lung der an der Tributfrage interessierten Mächte dar, die für Deutschland auch nicht bindend sein kann, sondern alleinige Angelegenheit der Gläubigermächte ist. Was geschieht, wenn das Lausanner Vertrags werk tatsächlich nicht ratifiziert werden sollte, hat der Präsi dent der Lausanner Konferenz, Macdonald, ausdrück lich mehrmals sowohl in Lausanne wie auch im Englischen Unterhaus betont: Dann wird es eine neue Konferenz geben. Bezüglich des englisch-französischen Verirauensab- kommens, dem beizutreten auch Deutschland aufgefordert ist, hält man sich in Kreisen der Reichsregierung noch sehr zurück. Man betont, daß auf jeden Fall keinerlei Bindungen der deutschen Handlungsfreiheit in Frage kommen könnte. * Italien und Belgien gehen mit London. Grundsätzliche Zustimmung zum Lausanner Zweimächtepakt. Amtlichen Meldungen aus London zufolge habe« der italienische und der belgische Geschäftsträger dem Foreign Office die grundsätzliche Zustim mung ihrer Regierungen zum Konsultativpakt mitgcteM Der italienische Geschäftsträger unterrichtete di« englische Regierung davon, daß die italienische Negierung ihre volle Übereinstimmung mit den Gedanken, wie sie in der Erklärung vom 13. Juli hinsichtlich der europä ischen Zusammenarbeit dargelegt sind, aus gedrückt hat, und daß sie sich freue, ihre Zustimmung zu der Art der vorgeschlagenen Behandlung der europäischen Fragen zu geben. Der belgische Geschäftsträger teilte mit, daß feine Regierung die genannte Erklärung dem Parlament zur Kenntnisnahme vorlegen werde in der Absicht, dessen Zu stimmung für einen Beitritt Belgiens zu der englisch-französischen Erklärung zu erhalten. Englisches Weißbuch über Lausanne. Briefwechsel mit dem Reichskanzler über das Gentleman- Abkommen. In Form eines Weißbuches hat die englische Re gierung einige Urkunden veröffentlicht, die sich aus die in Lausanne erzielt Regelung beziehen. Das erste Schriftstück enthält das sogenannte Gentle man-Abkommen, das das Inkrafttreten des Lausanner Vertrages von der zufriedenstellenden Regelung der inter alliierten Kriegsschulden abhängig macht. Das zweite Schriftstück enthält die Rote mit der Mitteilung Belgiens, Englands, Frankreichs und Italiens an Deutschland über das Gentleman-Abkommen. Im dritten Dokument ist ein Brief des Reichskanzlers von Papen ver öffentlicht, worin Papen zum Gentleman-Abkommen Stel lung nimmt. Das vierte Dokument gibt eine hierauf be zügliche Frage des Reichskanzlers und die darauf erteilte Antwort wieder. Im fünften Dokument sind zwei gleich lautende Briefe des englischen Schachkanzlers an den fran zösischen Finanzminister nnd an den Italiener Signor Ros- coni wiedergegeben. Das Weißbuch schließt mit der Erklärung des englischen Außenministers, die er am 9. Juli aus der Schlußsitzung der Lausanner Konferenz hinsichtlich der Kriegsschulden der einladenden Mächte machte. Deutschland und das Gentleman-Abkommen. Reichskanzler von Papen an Sir John Simon. Der im englischen Weißbuch über Lausanne veröffentlichte Brief des Deutschen Reichskanzlers an den eng lischen Außenminister Sir John Simon (Dokument Ikl) hat folgenden Wortlaut: „Lausanne, den 9. Juli 1932. Euerer Exzellenz bestätige ich ergebcnst den Empfang des von Ihnen und den Herren Chefs der belgischen, sranzöftschen und italienischen Delegation unterzeichneten Schreibens, das Sie mir heute nach Unterzeichnung des Abkommens von Lau sanne haben zugchcn lassen. Die Ihrem Schreiben anliegende Vereinbarung der vier Delegationen vom 2. Juli bezieht sich auf den Fall einer etwaigen Nichtratifikation des Abkommens von Lausanne, mithin auf die gleiche Frage, die auch den Gegen stand der Besprechung der Delegattonschefs der sechs einladen den Mächte am 8. Juli abends bildete. Entsprechend der bei dieser Besprechung getroffenen Verabredung habe ich noch am gleichen Abend in der öffentlichen Vollsitzung der Konferenz eine Frage wegen des in Rede stehenden Falles an den Herrn Vorsitzenden gerichtet, die von ihm sofort im Namen der ein ladenden Gläubigermächte beantwortet wurde. Unter diesen Umständen halte ich mich für berechtigt, davon auszugehen, daß die Angelegenheit für Deutschland durch meine Frage an den Herrn Vorsitzenden der Konferenz und dessen Antwort maßgebend erklärt worden ist. qez. von Papen." -