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Es hilft nichts, auch wenn in Deutschland die Wogen eines immer heftiger und immer blutiger werdenden Wahlkampfes hoch und höher gehen und von den beiden einander gegenüberstehenden Seiten bereits von „bürger kriegähnlichen Zuständen" gesprochen wird, — man mutz trotzdem jetzt schon, acht Tage nach dem Schluß der Lau sanner Konferenz, aufmerksameren Auges denn je über die Wahlkampfwogen hinweg nach dem ausschauen, was jen - seitsder deutschen Grenzpfähle vor sich geht. Der schon rein äußerliche Gegensatz ist allerdings beträcht lich! Den englischen und den französischen Ministerpräsi denten begrüßen die Volksvertretungen in London und Paris herzlich, fast stürmisch, — und dem deutschen Reichs kanzler begegneten nach feiner Rückkehr aus Lausanne die Parteien nur mit kalter Zurückhaltung bis zur schärfsten Ablehnung dessen, was er von dorther für Deutschland mitgcbracht hat. Freilich: „Harte Bissen gibt es zu kauen: Wir müssen erwürgen oder sie verdauen", darf man aus Goethes Sprüchen in Reimen hinsichtlich jener Lausanner „Mitbringsel" zitieren, und für den „Nachschub" an ähnlich angenehmen Bissen sorgten die Staatsmänner der Gegenseite, wo man jetzt ja schon einige Topfdeckel von den in Lausanne eingerührten und seither fertiggekochten Gerichten abgehoben hat. Man hatte diese in der festverschlossenen Hexenküche der Geheimdiplomatie znbereitet und tischt sie uns nun ans, weil die Neugier Un eingeweihter und die allzu große Siegesgewißhcit daran Beteiligter das Geheimnis brachen. Das große „Schau- gericht" aber, das Lausanner Abkommen, darf man etwa in der Art kennzeichnen, wie der Berliner eine bestimmte Knchensorte charakterisiert: „Luft mit was drum herum!" — wenigstens was die Hoffnungen be trifft, die an Lausanne für eine klar entscheidende Wendung der europäischen Politik geknüpft wurden und werden. Liber felbst dieses „was drum herum!" kann ein recht harter Bissen sein, wenn der Lausanner Vertrag mit dem allseitigen» aber ausdrücklich vermerkten Einverständnis der unterzeichneten Regierungen beginnt darüber, daß das Haager Abkommen — also der Young-Plan — „nicht zur Verhandlung stehe"! Die beste Kritik hierzu findet sich übrigens gleich ein paar Zeilen weiter in dieser Ein leitung zum Lausanner Abkommen, nämlich dort, wo gesagt wird, die Mächte seien nicht der Ansicht, das in Lausanne geschaffene Werk... genüge, um den Frieden zu erreichen, den die Völker wünschen. Wenn die Staatsmänner selbst also ihrem Tun die Note „Nicht genügend" ausstellen .. U Die Völker aber sollen diese Suppe auslöffeln! Auch Amerika weigert sich heftig, die in Lausanne zusammengekochte Speise zu sich zu nehmen. Denn sie war deswegen so ungenießbar geworden, weil man in der geheimen Lausanner Hexenküche zwar nach außen hin die europäische Regelung der Reparationsfrage" zube reitet und fertiggemacht hatte, aber im Gentlemen- Agreement" — wo waren dabei die Gentlemen? — dieses Gericht doch wieder tatsächlich mit der „Regelung der alli ierten Kriegsschulden an Amerika" zusammengebraut hatte. „Alles hängt von Amerika ab", hatte in seiner bewußten Hemdsärmel-Diplomatie der sranzösische Ministerpräsident gesagt und damit auf die Amerikaner die gesamte Verantwortung dafür abzuschieben versucht, wenn nun etwa das „Werk von Lausanne" an dem Wider spruch der Amerikaner scheitern sollte, die Schulden nach dem Willen der — Schuldner regeln zu lassen! Aber das A und O aller Verlautbarungen aus Washington war ge wesen, daß nicht etwa bloß Europa seine Reparations frage selbst ordnen soll, sondern auch, daß diese mit der interalliierten Kriegsschuldenfrage nichts zu tun habe und nichts zu tun haben dürfe. Schon des wegen nicht, weil z. B. die französischen Kriegsschulden an Amerika eigentlich — gar keine sind, sondern hauptsächlich daraus entstanden, daß die Amerikaner ihr in Frankreich zurückgelassenes Kriegsmaterial gern von den Franzosen bezahlt haben wollen! Das kann man schließlich den Amerikanern nicht allzu übelnehmen! Noch einmal darf man aus Goethes Hexenküche Zitieren, in der Mephistopheles zürnend herumführt. Die Tiere dort prahlen in Abwesenheit der Meisterin: „Wir kochen breite B e ttelsuppen." Dann wird ihnen das Geschirr zerschlagen. Mehr ist's ja nicht wert, weil die kleinen Geister sich bemühen, das Weltgeschehen meistern zu wollen. Taten es die Staatsmänner in Lausanne anders, waren die hernach folgenden Speisen L lu Herriot schmack hafter zubereitet? „Neue Taten werden um so leichter durchzuführen sein, alsdieVölker diesen neuen Schritt zu einem wahren Frieden — Lausanne — unterstützen", heißt es auch wieder in der Einleitung zu dem „ungenü genden" Werk der Staatsmänner in Lausanne. Sie schieben damit die Verantwortung dafür, was aus jenem Werk nun erst werden soll oder ob aus ihm etwas werden k a n n den — Völkern zu. Das ist bequem. Ge- WrrW MeMsksleiht MW Anleihe und Anfchlußverbot. Völkerbundsrat hat österreichisches Anleihcprotokoll angenommen. Der Völkerbundsrat nahm das Protokoll über die An leihe an Österreich, das von dem Ausschuß finanzieller Negierungsfachverständiger während der Lausanner Kon ferenz ausgearbeitet worden ist, einstimmig mit Stimm enthaltung Deutschlands an. Das Protokoll enthält eine Präambel, die auf dem während der deutsch-österreichischen Zollunionsverhand lungen so viel erörterten Protokoll von 1922 aufgebaut ist. Es Übernimmt damit das in diesem Protokoll enthaltene politische und finanzielle Anschlustverbot für Österreich. Der Vertreter Deutschlands, Gesandter Göppert, wies ln einer Erklärung darauf hin, daß das neue Anleihe protokoll auf 1922 aufgebaut sei. Deutschland sei damals noch nicht Mitglied des Völkerbundes gewesen und habe daher an den Verhandlungen von 1922 nicht teilgenommen. Die Reichsrcgierung sei nicht in der Lage, dem gegenwärtigen Protokoll beizutrcten. Sie könne nicht cEder Hilfsaktion für einen Staat teil- uehmen, wenn die Aktion an politischen Bindungen irgend welcher Art gebunden sei. Um jedoch die Anleihe nicht zu verhindern, enthalte sich Deutschland bei der Abstim mung der Stimme. Die deutsche Regierung hoffe ihrer seits, durch eine finanzielle unabhängige Transaktion an der Sanierung Österreichs teilzunehmen. Das Protokoll für die neue Finanzhilfe für Österreich enthält unter anderem folgende Bestimmungen: Die das Protokoll unterzeichnenden Staaten verpflichten sich, der österreichischen Regierung bei der Aufnahme einer inter nationalen Anleihe bis zur Höhe von 300 Millionen Schilling zu helfen, indem sie diese Anleihe entweder ga rantieren oder die notwendigen Beträge der österreichischen Regierung zur Verfügung stellen. Die Anleihe hat eine Lauffrift von zwanzig Jahren. Die österreichische Regie rung verpflichtet sich, die notwendigen Maßnahmen für die Wiederherstellung des Haushaltgleichgewichtes zu er ¬ greifen. Eine endgültige Regelung für die Kreditanstalt bildet einen Hauptbestandteil des allgemeinen Reform programms der österreichischen Regierung. Der Völkerbund ernennt einen Finanzberater bei der österreichischen Regierung sowie auch einen Finanzberater bei der Na- tioualbank. * Genfer VölkervundraWHung. Vorbereitung der Weltwirtschaftskonferenz. Der Völkerbundrat trat unter dem Vorsitz des Ver treters von Guatemala, Matos, zu einer Sitzung zu sammen, um die notwendigen Beschlüsse für die Ein berufung der Weltwirtschaftskonferenz zu fassen und die Protokolle über die Anleihe sür Osterreich zu genehmigen. Der englische Außenminister Simon gab zunächst eine Erklärung zu der englisch-französischen Vereinbarung ab. England und Frankreich seien übereingekommen, eine ge rechte Lösung auch in der Abrüstungsfrage und eine Zu sammenarbeit auf der Weltwirtschaftskonferenz sicherzu stellen. Die Einladung beziehe sich im übrigen nicht nur aus die sechs Lausanner, sondern auf sämtliche europäischen Mächte. Es sei nicht die Absicht gewesen, eine neue Organisation zu schaffen, sondern lediglich das von Briand geschaffene Werk des europäischen Studienausschusses zu stärken. Diese neue Arbeitsmethode werde zweifellos den Einfluß und den Geist des Völkerbundes weiter kräftigen und eine neue Eintracht innerhalb der Familie der europäischen Mächte schaffen. Simon legte sodann dem Völkerbund einen Plan für die Vorbereitung der Weltwirtschaftskonferenz vor und beantragte die Bildung eines engeren Ratsausschusses, zu dem auch weitere europäische Mächte hinzugezogen werden konnten und der über Ort und Zeitpunkt der Konferenz entscheiden soll. Die Vertreter Frankreichs, Italiens und Deutschlands stimmten dem englischen Vorschlag zu. Vie gläubiger Alles in der Schwebe! Während der Vertrag von Lausanne vor läufig ohne jede sichtbare politische Wirkung geblieben ist, verstärken sich die weltpolitischen Folgen der Lausanner „N e b e n a b k o m m e n" von Tag zn Tag und geben Ver anlassung zu immer schärferen Auseinandersetzungen. Die „Vereinbarung unter anständigen Leuten" — so etwa darf man „Genile men-Agreement" übersetzen — zwischen England, Frankreich, Italien und Belgien ist jetzt auch englischerseits formell veröffentlicht worden, und es findet feine ausdrückliche politische Ergänzung durch den Hinzutritt Italiens und Belgiens zu dem englisch-fran zösischen Freundschaftsbündnis. Über das „Gentlemen - Agreement" ist Deutschland erst nach der Einigung in Lausanne unterrichtet worden, obwohl es damals schon acht Tage bestand. Jene beiden Parallelvereinbarungen haben — das war ihre erste weltpolitische Wirkung >— in Amerika einen mehr als peinlichen Eindruck gemacht, besonders da ihre Veröffentlichung von Äußerungen Herriots begleitet war, die die Schuldenregelung der europäischen Schuldnerstaaten gegenüber Amerika als die Absicht einer Gemeinsamkeitsaktion dieser vier Mächte erscheinen ließen. Die Amerikaner hatten daher die Empfindung, als sollten sie von Europa her in der Kriegsschuldenfrage unter Druck gesetzt werden. Deutsch land hat sich schon ein paar Tage nach Lausanne selbst von dem Anschein distanziert, als wisse es von einem solchen Druck oder wolle ihn gar milmachen. Auch der englische Außenminister Simon nahm sofort nach feinem Eintreffen in Gens sehr scharf Stellung gegen jene angebliche Front bildung Europas. England fühle sich — trotz des Freund schaftsbündnisses — völlig frei für seine Schuldenverhand lungen mit Amerika. Viel genützt hat. es nichts Denn in raoe aver oas deutsche und später das amerikanische Volk müssendurch ihreStimmabgaben eine solcheVerantwortung vor der Welt übernehmen. Wir in der Reichstags- wahl am 31. Juli, die Amerikaner im November, wenn sie zum ersten Wahlgang für die Präsidentenwahl schreiten. Und damit müssen sie entscheiden, ob alle an diesen Bissen „erwürgen oder sie verdauen". Aber die Köche taten alles, um den Brei zu verderben. Dr. Pr. als Schuldner. seinem Schreiben an den bekannten Senator Boray er klärte Hoover, daß Amerika durch die verschiedenen Ab kommen in Europa in keiner Weise berührt und beeinflußt werde, man der Washingtoner Regierung auch nicht etwa mit einem gemeinsamen Vorgehen der Schuldner kommen solle. Die Ratifizierung des Lausanner Abkommens ist also durch das „Gentlemen-Agreement" abhängig gemacht von der „befriedigenden Lösung" der Kriegsschuldenfrage. Diese ist nun aber ebenso unsicher wie demzufolge auch die Ratifizieicung des Lausanner Abkommens selbst; daher ist das Hauptziel und die Hauptaufgabe der Konferenz in Lausanne nicht erreicht worden: Ruhe, Sicherheit und da mit neuesVertrauen endlich auch der Weltwirtschaft zu bescheren. Denn es ist ja noch gar nicht abzusehen, ob überhaupt und wann es zur Ratifizierung des Lausanner Vertrages kommt. Alles schwebt bis auf weiteres in der Luft. Dafür ist aber die nach Lausanne jetzt eingetretens Zuspitzung des Verhältnisses zwischen Amerika und seinen Schuldnerstaaten ganz unverkennbar, und gerade dies wird für die deutsche Regierung wichtigster Grund dafür sein, sehr genau zu prüfen, ob und unter welchen Be dingungen es der Aufforderung Folge leisten soll, dem mgsisch-französisch-belgisch-italienischen „Freundschafts bündnis" beizutreten. ' - " . Vas wird, wenn das Lausanner rrwm- abkommen nicht in Kraft M? In dem nun bekanntgewordenen Geheimabkommen von Lausanne haben sich Frankreich, England, Belgien und Italien gegenseitig verpflichtet, das Lausanner Tributabkommen ihren Parlamenten erst dann vorzulegen, wenn sie eine gemeinsame Regelung ihrer Schulden mit Amerika erzielt haben. Unter dieser Schuldenregelung verstehen diese Mächte natürlich eine mögliche Beseitigung aller Verpflichtungen. Die Ameri kaner sind über dieses Geheimabkommen außerordentlich verärgert und lehnen es ab, irgendwie sich dadurch be einflussen zu lassen. Die Aussichten auf eine baldige Schuldenregelung haben sich damit also nicht verbessert, sondern verschlechtert, und damit sind auch die Aussichten für das Lausanner Tributabkommen äußerst trübe. Es ist selbstverständlich, daß man sich nun in der Öffentlichkeit die Frage stellt, was denn geschehen soll, wenn der Lauianner Vertrna von den ParlamMtm.m Mris,