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MufferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. trer Haus, bei Postbestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten, Post boten und unsere Aus- träger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeil Be- U. stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, — Krieg oder sonstiger Be- trlebsstörungen besteht kein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto Keilig 1. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. 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Dgs ist nicht bloß auch einzig da- stehend in der Geschichte der Reparationskonferenzen seit dem Versailler Diktat, sondern ist gewissermaßen sym bolisch für die Art, wie man in Lausanne zum Entschluß und Abschluß gekommen ist. Wobei man übrigens noch hinzufügen darf, daß nur der französische und englische Text amtlichen, inteknational anzuerkennenden Charakter besitzt, es einen derart offiziellen deutschen Text aber nicht gibt. Die in der Hast des Sich-Entschließens und des Ab- schließen-Müssens sich ergebenden Lücken und Zweifels fragen, die verschiedenen Auslegungs- und Ausdeutungs- Möglichkeiten tauchten daher auch gleich bei der ersten Ge legenheit auf, als nun einer der in und an Lausanne be teiligten Ministerpräsidenten das Ergebnis vor das Par lament seines Landes hinstellte. Das ist durch Mac donald geschehen. Sieht man von den sympathischen, sa eindringlichen Worten ab, mit denen er die Notwendig keit unseres wirtschaftlichen Wiederaufbaus begründete, so richtete sich gleich ein für uns deutsche überaus bedeut samer Satz an die — französische Adresse: „Wenn der Plan von Lausanne nicht völlig ausgeführt wird, dann wird eine neue Konferenz stattfinden, so daßman nicht auf den Young-Plan zurückzu greifen braucht." Das klingt ganz anders als die Äußerung Herriots, man werde die „alten Stellungen" wieder beziehen, wenn eine allgemeine Ratifizierung des Lau sanner Abkommens nicht zustandekomme. Allerdings ist jene „persönliche" Auffassung der beiden Ministerpräsidenten! Nicht minder bemerkenswert ist aber die Deutlichkeit in der Abwehr Macdonalds, sein Land in eine Art „a n t i a m e r i k a n i s ch e Front" einspannen zu lassen, nur weil angeblich die interalliierte Schulden- rcgelung „allein von Amerika abhänge" und damit auch die Ratifizierung des Lausanner Abkommens. Allerdings ist Macdonald mit'keinem einzigen Wort auf die angeb lichen oder wirklichen G e h e i m v e rt r ä g e, die „Okmüs- men a§r66M6irk8" eingegangen, die wegen jener Schulden regulierung zwischen England, Frankreich und Italien abgeschlossen sein sollen und auf die Herriot ganz unmiß verständlich anspielte, — was ebenso deutlich auch eine Festlegung Englands auf diese „englisch-französisch-italie nische Zusammenarbeit" vor aller Öffentlichkeit sein soll! Diese „Geheimnisse von Lausanne" — die es aber kaum noch sind — stellen sich immer mehr als ein überaus kitzliger Punkt heraus. Und zwar nicht bloß für Amerika, wo man bereits mit lautem Schelten über diesen „moralischen Druck" geantwortet hat, sondern auch für England, wo man schon befürchtet, die Zeche dieser Ge heimverträge bezahlen zu müssen, wenn Amerika hart hörig bleibt. Denn mit Fug und Recht kann England hoffen, von Washington in der Schuldenfrage sehr viel entgegenkommender behandelt zu werden als das in Gold massen und Waffen strotzende Frankreich, das außerdem auch noch von der Arbeitslosigkeit in nur mäßig fühlbarer Weise getroffen ist und einen drei Merteljahre dauernden „Goldkrieg" mit Amerika geführt hat. Wenn man nun in Washington bei der interalliierten Schuldenfrage dasselbe gegenüber Frankreich tut, was dieses Land uns gegenüber in der Tributfrage versucht, nämlich das Prinzip und die Prüfung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners?! Hiergegen soll ja die geheimnisvoll in Lausanne vereinbarte antiamerikanische Front auf marschieren. Wenn man freilich die Worte und Bitten hört, die Macdonald in seiner Parlamentsrede an die Adresse Amerikas richtete, dann scheint diese Front trotz aller Ge heimverträge nicht gerade sehr festzustehen. „Europa hat keinen Rechtsanspruch auf ein amerikanisches Entgegen kommen", und das Eintreten für Europa bedeute „keinerlei Kombinationen gegen Am erika"! Ganz unzweideutig wendet Macdonald sich damit gegen jene „Front der Schuldnerstaaten", — aber nun weiß die Öffentlichkeit immer noch nichts wirklich Authentisches darüber, wie es denn nun eigentlich um die Geheimver träge, um die „Geheimnisse von Lausanne" bestellt ist! Vas Memel-Msayren abgeschlossen. Vom Ständigen Internationalen Gerichtshof im Haag wurde die Behandlung der beiden letzten Punkte der Memelfrage beendet und damit das öffentliche Ver fahren des Gerichtshofes in dieser Klage endgültig ab geschlossen. Kanzler und Znnenmimrm nach Aeudeck abgerelff. Reichskanzler von Papen und Reichsinnenminister von Gayl sind nach Neudeck abgereist, wo die vorgesehene Besprechung mit Reichspräsident von H«dcubura statt- Jas Wl.WzWe GtWMMMU Geheimabkommen zwischen England und Frankreich. Außenminister.Simon über die politischen Sonder- abmachnngen. Der englische Außenminister gab im Unterhaus eine Erklärung ab, in der er zunächst auf den Wortlaut des Lausanner Vertragswerkes hinwies, wonach die Unter zeichnermächte die Hoffnung aussprechen, daß der dort erfüllten Aufgabe neue Leistungen folgen werden, daß sie jede Anstrengung machen werden, um die Fragen, die im gegenwärtigen Augenblick bestehen oder späterhin auftreten können, in dem Geiste des Lausanner Ab kommens zu lösen usw. In diesem Geiste, so fuhr Simon fort, haben die englische und die französische Regierung sür sich be schlossen, die Führung zu übernehmen, indem sie einen sofortigen und gegenseitigen Beitrag zu diesem Zwecke nach folgenden Richtlinien liefern: 1. In Übereinstimmung mit dem Geiste der Völkcr- bundsatzung beabsichtigen sic mit vollständiger Aufrichtig keit gegenseitig miteinander Ansichten auszutauschen und einander gegenseitig über Fragen, die zu ihrer Kenntnis kommen, zu unterrichten, die die etwa ähnlichen Ursprungs wie die jetzt in Lausanne so glücklich gelösten Fragen sind und die das europäische Regime berühren. Sic hoffen, daß andere Regierungen sich bei Annahme dieses Vorgehens an sch ließen werden. 2. Sie beabsichtigen, miteinander und mit anderen Ab ordnungen in Genfzusammenzuarbeiten, um eine Lösung der Abrüstungsfrage zu finden, die für alle beteiligten Mächte vorteilhaft und gleichmäßig gerecht sein werde. 3. Sie wollen miteinander sowie mit anderen intcr-- essierten Regierungen in der sorgfältigen und praktischen Vorbereitung für die Weltwirtschaftslonferenz Zusammenarbeiten. 4. Bis zu Verhandlungen zu einem späteren Zeit punkt über einen Handelsvertrag zwischen diesen Ländern werden sie jede Handlung vermeiden, die ihrer Natur nach eine Diskriminierung von einem Lande gegen die Interessen des anderen Landes darstellt. Simon fügte hinzu, England habe im übrigen bereits seine Absicht mitgeteilt, mit den Vereinigten Staaten in der Abrüstungsfrage in Genf zusammen zuarbeiten. Was die Einladung anderer europäischer Länder be trifft, so habe er bereits die Gelegenheit gehabt, die Ver treter Deutschlands, Italiens und Belgiens zu sehen, und in jedem Falle habe er ihnen eine Abschrift dieser Er klärung übergeben und eine Einladung an ihre be treffenden Regierungen gerichtet, sich der Erkläruna an- z u s ch l i e ß e n. * Oie Auffassung in Berlin. -- Die amtlichen Berliner Stellen nehmen ;u dem vom englischen Außenminister im Unterhaus wkanntgegebenen englisch-französischen Sondervertrag noch keine Stellung, da der Wortlaut des Vertrages noch nicht vorliegt. In unterrichteten Kreisen glaubt man !cdoch, daß die Reichsregierung auf jeden Fall noch einige Rückfragen anstellen wird, um sich über die Bedeutung msbesondere des Artikels 1 nähere Aufklärung zu »erschaffen. Eine Beteiligung Deutschlands an politischen Ab machungen dürfte nicht in Frage kommen. Dagegen iünnte es unter Umständen für Deutschland zweckmäßig ein, einer allgemeinen Vereinbarung, wie äe zwischen England und Frankreich getroffen worden st, im Hinblick auf die kommenden politischen Aufgaben »eizittreten. Selbstverständlich würde sich Deutschland besonders hinsichtlich des Punktes 2 (Abrüstungsfrage) Hapd- lungsfreiheit Vorbehalten müssen, wann und in welcher Form die Frage der Gleichberechtigung am zweck mäßigsten zu behandeln wäre. Die Punkte 3 und 4 des Abkommens ent sprechen ganz den von Deutschland in Lausanne gegebenen Anregungen. Was die verschiedenartige Auslegung des Lausanner Vertragswerks durch Macdonald einerseits and Herriot andererseits für den Fall betrifft, daß das Vertragswert nicht zustande kommen würde, so ist zu bemerken, daß die Auslegung, die der englische Minister präsident Macdonald im Unterhaus gegeben hat, durch den Präsidenten der Lausanner Konferenz erfolgt ist, der für die Auslegung eher als jeder andere als zu ständig angesehen werden mutz. Präsident Mac donald hat bekanntlich erklärt, daß im Falle des SKM- znstandekommens des Lausanner Vertragswerks der Young-Plan nicht wieder in Kraft tritt, sondern eine neue Konferenz über das weitere zu entschei den hätte. Meinungsverschiedenheii London—Paris. Herriot hält sich immer noch an den Young-Plan. Die Erklärungen, die Macdonald im Unterhaus über das Lausanner Abkommen abgegeben hat, haben in Paris insofern große Überraschung ausgelöst, als sie eine ganz verschiedenartige Auslegung des Gentleman abkommens durch Frankreich einerseits und England andererseits an den Tag legten. Herriot äußerte sich über all diese Fragen vor dem Auswärtigen Ausschuß der Kammer. In gutunterrichteten Kreisen betont man, daß Herriot der Auffassung sei, daß im Falle eines Nichtzustande- >kommens einer Schuldenregelung mit Amerika sehr Wohl eine neue Konferenz einberufen werden könne; Frankreich werde sich jedoch in diesem Falle nichtsdestoweniger an den Haager Schiedsgerichtshof wenden, um zu dem Young-Plan zurückkehren zu können. Herriot sagte fchließlich im Auswärtigen Ausschuß u. a.: „Ich möchte lediglich noch einmal mit Nachdruck darauf Hinweisen, daß dieses Abkommen die loyale Freundschaft zwischen Groß britannien und Frankreich bestätigt, ebenso wie den glühenden Willen beider Länder, ihre Arbeiten und Er fahrungen zu vereinen, um zu einer guten Verständigung zwischen den Völkern Europas und der Welt wie auch zur Organisierung des Friedens bcizutragen." Er erklärte, daß das Abkommen die Wiedergeburt der „cntente cordiale" bedeute und für die französisch-englischen Beziehungen eine neue Aera eröffne. Sämtliche Probleme, die die Interessen der beiden Länder angingen, würden in Zukunft nicht mehr getrennt behandelt werden können. England könne sich zum Beispiel nicht mehr wie im Jahre 1923 Amerika gegenüber verpflichten, die Schuldenzahlun gen fortzusctzcn, ohne sich vorher mit Frankreich geeinigt zu haben. Im Anschluß an die Aussprache wurde eine amt liche Verlautbarung herausgegeben, in der es heißt, daß der französische Ministerpräsident auf die be sondere Bedeutung des Lausanner Abkommens hinge wiesen habe, dessen Hauptergebnis in der endgültigen Ab schaffung der Reparationszahlungen bestehe, sowie darin, daß den Wünschen Amerikas entsprechend eine europäische Verständigung geschaffen sei, die eine allgemeine Regelung der Schuldensrage möglich mache. Das Zustandekommen des Lausanner Abkommens lasse eine Verständigung mit Amerika möglich erscheinen. * Ein englischer Vorschlag. Die zuständigen englischen Stellen bemerken zu den neuen englisch-französischen Abmachungen, es sei be kannt, daß Deutschland dem ganzen Schritt freundschaft lich gegenüberstehe. Dieses neue Abkommen werde die geeignete Plattform schaffen, die Deutschland die Möglichkeit gebe, etwaige politische Forde rungen zur Sprache zu bringen, auf die man in Lau sanne nicht näher eingehen konnte, da dort nur das reine Reparationsproblem zur Verhandlung gestanden habe. Die englischen Stellen betonen ferner, daß das neue Abkommen in keiner Weise in sich etwa die Bildung einer europäischen Einheitsfront gegenüber den Vereinigten Staaten bedeute. Es habe gar keine Beziehungen zu den europäischen Schulden an Amerika. Berliner BlStterstimmen. Berlin, 14. Juli. Zu dem englisch-französischen Sonder abkommen nehmen vorläufig nur wenige Berliner Blätter aus führlich Stellung. Die „D.A.Z." bezeichnet den Vertrag, der in Deutschland mit Kaltblütigkeit und Ruhe betrachtet werden müsse, als eine erstaunliche und sonderbare Tatsache der inter nationalen Politik. Deutschland und Italien seien allerdings zum späteren Eintritt eingeladen; die deutsche Regierung werde diesen Schritt aus das sorgfältigste zu überlegen haben, und die Rückwirkung auf die Vereinigten Staaten und Rußland bleibe abzuwarten. — Die „Vossische Zeitung" hebt hervor, daß die zunächst geleugneten Geheimnisse von Lausanne durch ihr Be kanntwerden nicht gerade dazu beitrügen, einen Vorrat an Ver trauen zu schaffen. Trotzdem wäre es falsch, in dem englisch- französischen Abkommen eine politische Spitze gegen Deutsch land zu erblicken. Die „Börsen-Zeitung" hebt hervor, daß die Voraussetzung für die deutsche Bereitwilligkeit nach wie vor die Anerkennung der völligen politischen Gleichberechtigung durch alle Mächte sei. Schon Ende der Woche gelegentlich des Genfer Vertagungsbeschlusses werde man erkennen können, wie weit Frankreich loyal das englisch-französische Abkommen durch-