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Umgegend Falle höherer Gewalt, ' Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beili^r. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 160 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruss-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Montag, den 11. Juli 1932 Fragezeichen. Natürlich würde man es als Deutscher brennend gern glauben und erhoffen, daß „das Ergebnis von Lausanne politisch den Beginn einer neuenAra unter den Völkern bedeute", wie der Reichskanzler in seinem Rückblick auf die Konferenz äußerte. Aber wir haben bei dem Gang, den die „Reparationsfrage" seit 1924, dem Jahre des Dawes-Ver trages, genommen hat, doch vor allem eines lernen müssen: ans vor übertriebenen Hoffnungen zu hüten. Ge rade vor einem Jahr, als Amerikas Präsident Hoover durch den Vorschlag des Schnldenfeierjahres die Weltkrise wirklich anpackte, hat ihn Frankreich derart auf die Hand geschlagen, daß diese „große Geste", daß dieser Rettungs versuch nicht mehr die geringste Wirkung auszuüben ver mochte und die Hoffnung auf Wiederbelebung des heiß er- ehnten „W e l t v e r t r a u e n s" rasch dahinwelkte. Auch etzt wieder wurde cms der von Deutschland und dem größten Teil der Welt geforderten endlichen „Gesamt- iquidierung des Weltkrieges" schließlich doch bloß eine endlose Paragraphenreihe. Das „Ich will nicht" Herriots erzwang ein Kompromiß. Zu der Dawes- und der Doung-Plan-Anleihe soll noch eine dritte Verpflichtung solcher Art treten, und noch jahrzehntelang wird Deutsch land die daraus sich ergebenden Leistungen tragen und er füllen müssen, denen irgendwelche finanziellen oder wirt schaftlichen Gegenleistungen nicht entsprechen. Der „Tri- b u t"charakter bleibt bestehen, — und doch haben gerade die einseitigen Leistungsverpflichtungen Deutschlands die Welt krise auf die Höhe von heute mit hinaustreiben helfen! Daß der Baseler Sachverständigenbericht diesen wirtschaft lichen Irrsinn kennzeichnete, hat den französischen Minister präsidenten nicht bewegen können, endlich davon abzu stehen. „Ich will nicht!" war seine Antwort. Aber hinter dem Ergebnis von Lausanne stehen noch verschiedene Fragezeichen, die einen wirklich entschie denen und entscheidenden „Stoß nach oben" verhindern. Wenn — wie mehrfach angedeutet wurde — die Lage der deutschen Wirtschaft und unserer Finanzen das Nachgeben des Reichskanzlers gegenüber dem französischen „Nein!" erzwungen haben soll, so wäre das nur so etwa wie eine Wiederholung dessen, was sich beim Entstehen des Noung- Plans abgespielt hat. Und wie damals stellt auch jetzt hin sichtlich des Lausanner Abkommens die Frage der Rati fizierung eine besondere Schwierigkeit dar. Denn alles hängt ja nun davon ab, wie sich Amerika als Gläubiger Englands und Frankreichs zu den Lausanner Beschlüssen stellen wird. Die im Doung-Plan tatsächlich festgelegte Verbindung zwischen den deutschen Tributen und den alliierten Kriegsschulden an Amerika ist jetzt zersprengt, und ganz unabhängig von der Weiterentwicklung des englisch-französischen Schuldenverhältnisses zu Amerika wird die „Restzahlung" durch Deutschland erfolgen. Letzten Endes hängt also doch alles von W a s h i n g t o n ab, und es war für die Auswirkungsmöglichkeit der Lausanner Konferenz nicht gerade von Vorteil, daß man — im Hin blick auf das amerikanische Fragezeichen — schon von einer neuen Konferenz sprach, die notwendig werden müßte, wenn Amerika in der Schuldenfrage unnachgiebig bleiben würde. „Lausanne" ist also heute sozusagen noch gar nicht zu Ende, war gestern erst ein keineswegs befriedigender Anfang. Wenn daher einer der führenden Köpfe in der Lau sanner englischen Delegation, der bekannte Finanzberater Macdonalds und Mitverfasser des 3-Milliarden-Schemas, Sir Walter Layton, sehr zurückhaltend vor einer Überschätzung des Lausanner Abkommens warnt, weil die darin getroffene „Lösung" der Reparationsfrage eine unmittelbares Wiederaufleben der Weltwirtschaft und des Welthandels nicht herbeiführen werde, so spricht aus diesen Worten ein leider nur allzu berechtigter Pessimis mus. Andererseits ist aber in Lausanne die Hoffnung nicht verschüttet worden, daß man nun doch auch endlich den wirklichen, brennenden Wirtschaftsproblemen, den Han dels-, Zoll- und Währungsfragen, an den Leib geht. Anerkennung für den Landtag. Der Landtag ist in die Ferien gegangen, pünktlich Anfang Juli, wie er das seit Jahren zu diesem Zeitpunkt zu tun pflegt. Seine letzte große Arbeit ist auch dieses Jahr die Be ratung des Staatshaushaltplanes gewesen — daran, daß die Verabschiedung des Etats erst im Juli, also mehr als drei Monate nach Beginn des Etatjahres, geschieht, hat man sich ebenfalls überall gewöhnt. Dieses Mal hätte man noch einen Tag eher fertig werden können, für den Donnerstag war auch die Verabschiedung des Staatshaushaltplanes ursprünglich vorgesehen. Aber da machten die Kommunisten einen Strich durch die Rechnung, indem sie noch eine dritte Lesung ver langten. Das kostete Zeit und Geld: denn alle die vielen Abänderungsanträge zu sämtlichen Kapiteln mußten nun noch einmal für eine besondere Vorlage zusammcngestellt und ge druckt werden, und der angehängte Sitzungstag am Freitag selbst verursachte natürlich auch noch allerlei Kosten für den Staat. Am Endergebnis wurde aber selbstverständlich gar nichts geändert. Doch darf man dem Landtage in seiner Gesamtheit keinen Vorwurf daraus machen, den Dank dafür dürfen nur die Kommunisten beanspruchen. Der Landtag bat sogar — ein Lm We-MWtM «Kher in Berlin Schlußstrich mii goldener Keder. Die f ei e r l i ch e U nie r z ei chnun g inLausanne In der feierlichen Schlußsitzung der Lausanner Kon ferenz unterzeichneten Reichskanzler von Papen, Reichsautzenminifter Freiherr von Neurath und Reichsfinänzminister Gras Schwerin-Krosigk im Namen der deutschen Regierung das Lausanner Ab kommen der fünf Gläubigermächte mit Deutschland, in dem das Reparationssystem des Versailler Vertrages und des Uonng-Planes beseitigt wird. Die Sitzung fand in dem großen Kuppelsaal des Hotels Beau Rivage statt. Wieder füllten, in dichten Reihen gedrängt, die Delegierten, die Presse und ein zahl reiches Publikum den Saal, der bis auf den letzten Platz besetzt war. Sämtliche Delegationen nahmen der Reihen folge nach an dem großen viereckigen, mit grünem Tuck- bedeckten Tisch Platz. Die Sitzung begann mit einer gleichlautenden Er klärung der Vertreter Englands, Frankreichs nnd Italiens, derzufolge die Regelung der interallierten Schulden vom Tage des Ab schlusses der Konferenz an bis zu der endgültigen Rati fizierung des Lausanner Abkommens hinaus geschoben wird, nm diesen Mächten die Möglichkeit zu geben, in der Zwischenzeit eine endgültige Regelung der gesamten Kriegsschulden mit der amerikanischen Regie rung herbeiznsühren. Unter lautloser Stille des Saales begann sodann die feierliche Unterzeichnung des „Aktes von Lausanne" durch die sechs einladenden Mächte England, Frankreich, Italien, Deutschland, Belgien und Japan. Als erster unterschrieb mit einer goldenen Feder der englische Minister präsident Macdonald, dann die weiteren Gläubigermächte und zum Schluß Deutschland, da der Vertrag zwischen den fünf Gläubigermächtcn auf der einen und Deutschland auf der anderen Seite abgeschlossen wird. Es wurden dann der Reihe nach sämtliche Protokolle einzeln unter schrieben. * Das aste Siegel und der letzte Hammerschlag. Macdonalds große Abschlußrede. Die Lausanner Konferenz wurde mit einer großen Schlußrede des Präsidenten der Konferenz, Mac donald, abgeschlossen. Macdonald sprach in dem ihm eigenen Pathos. Er wies darauf hin, daß das Lausanner Abkommen mit einem Siegel aus dem Jahre 1525 besiegelt worden sei, das bei dem Abschluß eines Friedens vertrages zwischen Freiburg und Lausanne verwandt wurde, und in dem die beiden Völker sich nicht nur die Einstellung der Feindseligkeiten, sondern gegenseitige Annäherung und Freundschaft zusicherten. Macdonald betonte, daß auch dieses Lausanner Abkommen von dem gleichen Geiste getragen sein müsse. Er erklärte dann u. a.: Die entscheidende Frage erhebt sich jetzt, Wie .in den Genfer Abrüstungsarbeiten in baldiger Zeit ein voller Erfolg erzielt werden kann. Die moralische Abrüstung ist ebenso notwendig wie die materielle Abrüstung. Hierbei handelt es sich nicht nur um England und Frankreich, sondern um alle Mächte, die an diesen Arbeiten teilnebmen. Es besteht kern Zweifel, daß mit dieser Konferenz ein neues Ka pitel eröffnet worden ist, das neue Erfolge möglich macht. „Die Lösung der großen politischen und finanziellen Fragen muß", so fuhr Macdonald dann fort, „die früheren Gedanken des Krieges verschwinden lassen. An deren Stelle mutz jetzt der Gedanke der Zusammen arbeit treten. Für die endgültige Beseitigung der deutschen Repara tionen ist nunmehr eine Grundlage gesunden worden. Aber dieses jetzt erreichte Ziel genügt nicht, wenn sich nicht die Gesinnung derHerzen ändert. Der Geist der Freundschaft und der Zusammenarbeit muß jetzt an die Stelle der bisherigen Geistesverfassung treten." Herriot sprach hierauf im Namen der Konferenz mächte dem Präsidenten Macdonald seinen Dank aus und Macdonald richtete noch einige Dankesworte an Herriot. Mit einem Hammerschlag beendete sodann der Prä sident Macdonald die Lausanner Reparationskonferenz und erklärte die Konferenz für geschlossen. Lausanne-Delegation wieder in Berlin. Reichskanzler vonPapen und die übrigen Mit glieder der deutschen Abordnung sür die Lausanner Konfe renz trafen am Sonntag aus Lausanne wieder in Berkin ein. Zur Begrüßung hatten sich auf dem Anhalter Bahn hof der Reichsinnenminister als Vertreter der Reichsmini sterien eingefunben. Aus der Menge erschollen Hoch- und Bravorufe, als der Kanzler in Begleitung des Reichs innenministers den Seitenausgang des Bahnhofs verließ. Persönlicher Bericht in Nendeck. Das Reichskabinett tritt am Montag zusammen, um den Bericht des Reichskanzlers über Verlauf und Ausgang der Lausanner Verhandlungen entgeaen- zunehmen. Auch die übrigen Mitglieder der deutschen Ab ordnung werden bis zu diesem Zeitpunkt wieder in Berlin sein, mit Ausnahme des Reichsautzcnministers von Neu rath, der noch einige Tage in Genf bleibt. Etwa Mitte der Woche wird sich Reichskanzler von Papen nach Neu deck begeben, um dem Reichspräsidenten persönlich über Lausanne zu berichten. seltener Fall! Lob zu erwarten. Daß alle seine Parteien, wiederum mit Ausnahme der Kommunisten, den Etat geneh migten, ist noch nicht allzu oft vorgekommen, und daß sie die Regierungsvorlage nur um geringfügige Höherziehungen änderten, ist gleichfalls eine Tatsache, die man besonders ver zeichnen muß. Freilich, dieser Etat war so zwangsläufig bestimmt, daß es eigentlich gar keine andere Wahl gab, als ihm zuzustimmen. Niemand.könnte ja sagen, wo sür neue Ausgaben auch neue Einnahmen hergeholt werden könnten. Trotzdem aber haben sich in früheren Fällen manche Parteien nicht davon abhalten lassen, aus Agitationszwecken weitere Ausgaben zu verlangen, und deshalb muß man es anerkennen, wenn sie jetzt von dieser Gepflogenheit abgesehen haben. Die Sprache der Zahlen ist eben zu deutlich. Zum Beispiel der Zahlen, die über die ersten beiden Monate dieses neuen Etatjahres veröffentlicht wurden und die schon einen Fehlbetrag von rund 15 Millionen Mark zeigten. Nun sind zwar zwei Monate noch nicht ent scheidend, die Steuereinnahmen beispielsweise fließen ja nicht gleichmäßig in allen Monaten — aber das sieht man doch schon ganz klar, daß der jetzt auf dem Papier hcrbeigeführte Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben auch nur auf sem Papier stehen wird. Es fei denn, daß das Reich wirklich .mdlich die geforderte Hilfe — man denke an die Eisenbahn- rbfindung — leistete . . . Der Landtag- hat in diesem Tagungsabschnitt noch mehr als lediglich die Etatberatung vollbracht. Mehrere Gesetze sind verabschiedet worden, die seit Jahren in den Ausschüssen herum lagen, die immer und immer wieder neu beraten und doch niemals erledigt werden konnten: die Gesetzentwürfe über die Auseinandersetzung mit dem Reiche über die ehemaligen Heeresgrundstücke, über die Sekundogeniturrente und über den Rechtsstreit mit der Landeskirche. Bedauerlich ist es, daß es nicht gelungen ist, auch den Gesetzentwurf über die Kirchen steuer zu verabschieden. Dagegen muß noch die Beschlußfassung über die Novelle zum Baugesetz hcrvorgehoben werden, eine Arbeit, der höchste Bedeutung zukommt und die vor allem das erreicht hat, daß nunmehr auf dem Gebiete des Bauens im ganzen Lande größere Einheitlichkeit besteht. Am 1. Oktober tritt das neue Baugesetz in Kraft. Fügt man diesen Feststellungen noch die weitere hinzu, daß die Sitzungen in diesem Tagungsabschnitt im allgemeinen ohne größere Störungen durch Ausschreitungen der Partcileiden- schaften verlaufen sind: dann hat man dem Landtag endlich einmal jene Anerkennung zollen dürfen — nach der er eigentlich immer trachten sollte ...