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MdmfferTagehlatt Nr. 154 — 91. Jahrgang Wilsdruss-DreSden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Montag, den 4. Juli 1932 Postscheck: Dresden 2640 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 2V Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reich,- pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgedühr 20 Reichspfennige. Vor- Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 annahm..bisvorm.llMhr. - Für die Aichtixkei, de, durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Radananipruct erlischt, wenn der Betro; tuet Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wochen»,attckrW<I-druff«.Um,-,°nd S°lle hoher» Gcwall, — Krieg oder lonNiger Be ¬ triebsstörungen besteht Kem Anspruch auf Lieferung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung erngesandtcr Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porlo ikU"; i. Ohne Deutschland geht es nicht. Zwei unumstößliche Tatsachen sind zum Mittelpunkt der Lausanner Tributlonferenz geworden. Einmal die Tatsache, daß Deutschland unfähig geworden ist, auch nur noch einen Pfennig an Tributen zu zahlen, und zweitens die Tatsache, daß ohne Deutschlands Wieder erholung und Mithilfe die Weltkrise nicht überwunden werden kann. Das sind die beiden Tatsachen, die auch nicht mehr mit den Perdrehungskünsten der französischen Diplomatie wegzuzaubern sind. Wäre die Welt nicht durch HatzundGier verblendet gewesen, dann hätte sie längst zur Einsicht kommen können, und es wäre uns erspart geblieben, daß erst ein langer Leidensweg der Völker, ins besondere des deutschen Volkes, der Wahrheit die Bahn freimachen mußte. In Paris, in London und auch drüben in Amerika hat man sich vor 13 Jahren den Gang der Weltgeschichte anders vorgestellt. Man mutz sich einiges aus jenen Jahren ins Gedächtnis zurückrufen, wenn man die ungeheuerliche Verblendung jener Zeit erkennen will. Unsere einstigen Kriegsgegner haben alle geglaubt, sie könnten ein altes Kulturvolk von fast 70 Millionen Men schen einfach autz dem Kreis der Völker hinansdrängen und zu Sklaven zu machen. Der Welt würde es ohne Deutschland besser gehen, dachte man in Paris, London und Washington. Das Wort des Tigers, des alten Deutschenhassers Cle- mencaus: „Es sind 20 Millionen Deutsche zuviel auf der Welt", ist noch in aller Erinnerung. Zu gleicher Zeit sagte ein englischer Staatsmann, man müsse Deutschland aus pressen wie eine Zitrone, bis die Kerne quietschen. Ein Finanzberater der englischen Regierung hat sogar ausgerechnet, man könnte aus Deutschland jähr lich über 20 Milliarden Mark in Gold herauspressen. Mit solchen Wahnsinnsideen wurde einst Politik gemacht. Die Engländer meinten, sie könnten ganz gut ohne Deutschland auskommen, und träumten von ihrem Weltreich als künf- tiäcn Absatzmarkt für London. Den Franzosen genügte überhaupt, wenn in der Welt nur Franzosen existierten, und die Amerikaner verkündeten das Evangelium der „Prosperity", von der ständig steigenden Wohlfahrt Amerikas und der Amerikaner. Es ist doch ein wenig anders gekommen, die Welt geschichte hat die Träume, die aus haßerfüllten Herzen in die Gehirne stiegen, ganz gründlich zerstört. Aus dem eng lischen Weltreichtraum ist bis heute nichts geworden, die Engländer haben einsehen müssen, daß ihre gesamten großen Kolonien ihnen nicht das ersetzen können, was sie auf dem deutschen Markt verloren haben. Das Millionen heer der englischen Arbeitslosen beweist das deutlich. Auch Paris hat allmählich einiges lernen müssen, die franzö sischen Kurorte bemühen sich nicht weniger um den deutschen Kunden als der französische Kaufmann, und die großen Pariser Hotels versprechen sogar freie Reise von Deutschland nach Paris und zurück, wenn sich der deutsche Gast verpflichtet, eine bestimmte Zeit in dem betreffenden Hotel zu wohnen. In Italien hat sich die Gesinnung gegenüber Deutschland unter dem Druck der Verhältnisse so sehr gewandelt, daß die italienischen Staatsmänner die deutsche Forderung nach Streichung der Tribute in Lau sanne glatt unterstützten. Die bitterste Lehre aber haben die Amerikaner bekommen. Jahrelang haben sie unbekümmert um die Vernichtungspolitik des Versailler Vertrages frischfröhlich drauflos gelebt, und die Statistiker haben schon aus gerechnet, wann es möglich sein würde, jedem Neugeborenen der Vereinigten Staaten sein Auto neben die Wiege zu stellen. Was kümmerte sie Europa, was kümmerte sie deutsche Not! Der Amerikaner fühlte sich allein auf der Welt. Vermessenheit hat noch immer in der Weltgeschichte ihre Strafe gefunden. Auch der Amerikaner ist ikr nicht entgangen, und die zehn Millionen Arbeitslose werden sich heute über die Glücksprediger der amerikanischen Ab zahlungswirtschaft ihre eigenen Gedanken machen. Auch die amerikanischen Politiker haben einiges dazu lernen müssen. Vor einiaer Zeit hat der amerikanische MinisterdesÄußeren vor dem Parlament folgen den bemerkenswerten Ausspruch getan. „Ich erkläre hier mit, wenn Deutschland bankrott geht, den an deren europäischen Ländern und auch den Ver einigten Staaten das gleiche Schicksal droht!" Offener kann man nicht eingestehen, daß es ohne Deutsch laud einfach nicht geht. Wenn es ein Land allein schaffen könnte, dann müßte es Amerika fein. Hat es nicht den größten Goldvorrat der Welt, hat es nicht alle Naturschätze im Lande, die die Industrie braucht, hat es nicht Lebens- mittel in ungeheurer Fülle? Und doch müssen Millionen hungern. Man hat drüben einen Wirtschastsgeneralstab eingesetzt mit dem genugsam bekannten General Dawes an der Spitze, man hat den Generalstab mit Geld und mit Vollmachten versehen; aber er hat nichts erreicht. Das Geschäftsleben ist immer weiter berabgegangen. General Dawes hat wohl ein gesehen, daß es leichter ist, einem wehrlosen Volke erneu Tributplan aufzustellen, als mit den Folgen der Trrbuterpressungen fertig zu werden. Die Milliarden- fummen, die Amerika künstlich in das Wirtschaftsleben hin- emgepumpt hat, blieben zum größten Teil in den Banken steqem denn es fanden kick keine Unternebmunaen —. keine Jie Wil MmiW her MWr Ein unannehmbarer Vorschlag. In Laufanne ging der Endkampf nicht mehr um die Endlösung, sondern um die Grundlage für weitere Verhandlungen. Als die ersten Nachrichten über den Plan der Gläubigermächte bekannt wurden, war es klar, daß sie bedeutende Abänderungen erfahren mußten, ehe Deutschland sich bereiterklären konnte, auf dieser Basis zu verhandeln. Denn der Gläubigerplan enthielt nach englischen Mitteilungen folgende Einzelheiten: Das sofort eintretende Moratorium für Deutschland wird auf drei Jahre festgesetzt. Nach dem Ablauf dieser drei Jahre soll der Verwaltungsrat der Baseler BIZ. den Zeitraum festsetzen, innerhalb dessen die Unter bringung der von der deutschen Regierung zu gebenden Neichsbahnobligationen endgültig erfolgen soll. Von englischer Seite ist versucht worden, die Klauseln, die den Zusammenhang zwischen den interalliierten Schulden und den deutschen Tribut zahlungen betreffen, so elastisch und lose wie möglich zu gestalten, um der deutschen Regierung die Annahme dieses Gesamtvorschlages zu ermöglichen. Auf englischer Seite behauptet man, sich auf bestimmte diplomatische Zusiche rungen von amerikanischer Seite zu stützen, nach denen eine allgemeine Regelung der Tributsrage in Lausanne die amerikanische Regierung zu einem weitgehenden Entgegenkommen in der inter alliierten Schuldenfrage führen und damit eine Gesamt regelung aller politischen Schuldenprobleme ermöglichen würde. Ferner bestand auf englischer Seite die Absicht, den deutschen Forderungen aus Streichung des die Tribute behandelnden Teiles des Versailler Vertrages in der Weise entgegenzukommen, daß in das Schlußprotokoll der Konferenz eine Erklärung ausgenommen wird, datz entsprechend dem Wunsche des Präsidenten der Konferenz, Macdonald, politische Fragen auf der gegenwärtigen Konferenz nicht mehr entschieden werden könnten und daher die Mächte sich in diesen Fragen ihre Handlungsfreiheit vorbehielten. Auf diese Weise glaubte man aus englischer Seite die Aufrol lung dieser Fragen für Deutschland zu einem spät-ren Zeitpunkt zu ermöglichen. Dieser Vorschlag konnte von deutscher Seite nicht als annehmbare Verhandlungsgrundlage angesehen werden, da nach ihm der gegenwärtig bestehende Zustand der Unsicherheit und Ungewißheit weiter fortbestehen bleiben würde. Ferner würde durch den Gläubigervorschlag eine unmittelbare Verbindung zwischen der Regelung der Tributfrage und der inter alliierten Schulden hergestellt werden, die für Deutschland nicht besteht und nicht anerkannt werden kann. Durch diesen Vorschlag würde auch nicht das von der deut schen Regierung angestrebte Ziel erreicht werden, daß nun mehr eine sofortige endgültige Bereinigung der gesamten Tributfrage eintritt. In dem Vorschlag fehlte außerdem die Streichung des Kapitels b des Versailler Vertrages mit den Bestimmungen über die Krwüsschuldlüge und die Tribute. * Deutschland lehni den Gläubigervorschlag ab. Der Vorschlag der Gläubiger, der eine Restzahlung von vier Milliarden Mark als Höchftsumme, ein dreijäh riges Moratorium und die Abhängigkeit dieser Tribut- regelnng von dem Zustandekommen einer Schuldcn- gnten natürlich —, die mit den Krediten ihre Geschäfte er weitern wollten. Im reichen Amerika ist es heute so, daß Städte wie Chikago nicht mehr genügend Geld für die Be zahlung ihrer Beamten zusammenbringen, die Regierung in Washington hat den merkwürdigen Plan gefaßt, ein Drittel der Staatsbeamten zwangsweise aus einen un bezahlten Monatsurlaub zu schicken, die Haus haltsrechnung hat mit dem ungeheuren Fehlbetrag von 3700 Millionen Dollar, rund 15 Milliarden Mark, ab geschlossen. So könnte man noch an unzähligen Beispielen zeigen, datz es mit dem Glückstraum der Amerikaner nnd ihrer Freunde in Paris und London gründlich aus ist. Der Gang der Weltgeschichte hat den Völkern aus dem Weg über Not und Elend zum Bewusstsein gebracht, daß man Volk 70 Millionen Menschen nicht zu Sklaven machen kann. Ohne Deutschland wird die Welt nickt wieder aeneien! einigung mit Amerika Vorsicht, wurde der deutschen Ab ordnung offiziell überreicht. Die Besprechungen zwischen den deutsche« Ministern und den Gläubigermächten über den gemeinsamen Vor schlag der fünf Mächte zur Regelung der Tributfrage haben am frühen Sonntagmorgen begonnen. Macdonald hat in der Unterredung den Reichskanzler und den Reichsanßen- minister über die wesentlichen Punkte des Vorschlages der Gläubigermächte unterrichtet. In dieser Unterredung ist von deutscher Seite den Gläubigermächten mitgeteilt worden, daß der Vorschlag der Gläubigermächte in der vorliegenden Fassung nicht an nehmbar sei. Aus deutscher Seite ist wiederum mit voller Bestimmtheit erklärt worden, daß eine Verbindung der Tributfrage mit der interalliierten Schuldcnfrage, der Vor schlag eines Hochstbctrages für die A b s ch l u ßz a h l u n g von 4,2 Milliarden und die vorgcschlagene Sichcr- hcitsbedingung für die Ausgabe der Bonds der deutschen Regierung nicht annehmbar wären. Ein Gegenvorschlag ist von deutscher Seite nicht erfolgt. Die deutschen Minister haben sich darauf beschränkt, ihren grundsätzlichen Standpunkt Macdonald zum Aus druck zu bringen. Englischer Vermittlungsversuch. Gleich nach der Unterredung mit den deutschen Ministern fand bei Macdonald eine Besprechung der fünf Gläubigermächte statt, in der der deutsche Standpunkt er örtert worden ist. Auf englischer Seite sind starke Be strebungen im Gange, den Gläubigervorschlag imSinne des deutschen Standpunktes abzuändern. Es verlautet, datz die englische Regierung sich bereit gefunden hat, die ursprüngliche Snmme von 4,2 Milliarden erheblich herabznsetzen. Ebenso soll in der Frage des Zusammen hanges zwischen der Tributfrage und den interalliierten Schulden eine weitgehende Abänderung des bisherigen Textes vorgenommen werden. Man rechnet mit dem Äb- schlutz der Lausanner Konferenz nicht vor Mitte oderEnde dieser Woche. Amerika für Endregelung. Von hoher amerikanischer Negierungs seite wird erklärt, daß Amerika eine Endregelung der Tributfrage in Lausanne für unerläßlich ansieht nnd daß es nach wie vor gegen eine Verquickung der Tribut- und der Schuldenfrage ist. * Reser smzöWcr St örnlMerW Schsrse deutsche ZsrechMisW. Lausanne, 3. Juli. Von maßgebender französischer Seite wurden am Sonntag abend Mitteilungen verbreitet, nach denen die deutschen Vertreter in der Unterredung mit Mac- Donald einen- neuen Plan zur Regelung der Tributfrage vor- gelegt haben sollen, der eine gänzlich neue Regelung vorschlage und in schroffem Gegensatz zu dem Vorschlag der Eläubiger- mächte stehe. Die deutsche Abordnung soll jetzt vorgeschlagen haben, im Fall der endgültigen Streichung der Tribute eine Restzahlung in Höhe von 2 Milliarden Mark vorzunehmcn, die jedoch, entgegen der bisherigen deutschen Stellungnahme, in 10 Jahresraten zu 160 Millionen abgetragen werden solle. Durch diesen neuen Vorschlag sei für die französische Regierung eine vollständig neue Lage geschaffen worden, so daß eine neue Stel lungnahme von französischer Seite erforderlich geworden sei. Die Mitteilungen von französischer Seite, nach denen Deutschland als Restzahlung für die endgültige Regelung der Tribute zehn Iahreszahlungen in Höhe von 160 Millionen vor geschlagen habe, können ausdrücklich als vollständig falsch be zeichnet werden. Ein derartiger Vorschlag ist nicht gemacht worden. In den Verhandlungen sind lediglich verschiedene rech nerische Möglichkeiten erwogen worden. Zu diesen Möglichkeiten wird von deutscher Seite folgen des ausdrücklich festgestellt, Ein Plan oder ein Vorschlag ist in der heutigen Unterredung der deutschen Vertreter mit Mac-Do nald weder in mündlicher noch in schriftlicher Form erfolgt. Die deutschen Vertreter haben lediglich zu den von MacDonald vorgelegten Vorschlägen der Gläubigermächte den bekannten deutschen Standpunkt vertreten und insbesondere dargelegt, bis zu welcher Grenze und unter welchen Bedingungen die deutsche Negierung sich an der bereits zugesagten positiven Mitarbeit am Wiederaufbau Europas beteiligen könne. In den Bespre chungen am Sonntag ist ferner von deutscher Seite der bekann te deutsche Standpunkt vertreten worden, daß jede Klausel über den Zusammenhang zwischen der Tributfrage und der inter alliierten Schuldenfrage von der deutschen Regierung auf das entschiedenste abgelehnt wird, daß irgendwelche zukünftigen Zahlungen nicht als Tributzahlungcn, sondern nur als Beteili gung Deutschlands an dem Wiederaufbau Europas erkolaen