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Wilsdruffer Tageblatt : 05.07.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193207052
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19320705
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19320705
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-07
- Tag 1932-07-05
-
Monat
1932-07
-
Jahr
1932
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 05.07.1932
- Autor
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gende Kandidaten aufgestellt: Paul Löbe (Berlin), der bisherige Reichstagspräsident; Tony Sender (Berlin); Artur Arzt (Dresden); Alfred Dobbert (Meißen); Hermann Fleißner (Dresden) und noch 17 andere. — Im Wahlkreis Leipzig wird die sozialdemokratische Liste von Richard Lipinski und Hugo Saupe angeführt. Oie Kundgebungen der NGOAP. Bei dem großen SA.-Aufmarsch in Dessau hielt Dr. Goebbels eine Ansprache: Wenn die Sozialdemo kratie, so führte er auß, erklärt, die Nationalsozialisten hätten die letzte Notverordnung angenommen, um mit den Erträgnissen der Nemenkürzungen unsere llnisormen zu be zahlen, so wisse man, welch eine schamlose Lüge das sei. Die Sozialdemokratie ist von der panischen Angst besessen, daß mit dem Nationalsozialismus das Strafgericht kommt. Wir Nationalsozialisten werden nie ein Kabinen tolerieren, das nicht von Adols Hitler geführt ist Der Reichstagsabge- ordneie Gregor Strasser sorderie für den National sozialismus die Führung, damit all das, was von da ab in Deutschland geschieht, von nationalsozialistischem Geist ge tragen werde. Die letzte große Tat, mn der wir die Basis des Vertrauens erweitern werden, ist, so führte der Redner aus, die Lösung des großen Problems der Arbeits besch a s s u n g. Arbeit müssen und werden wir schassen. Ein Volk wie das deutsche, sauber und gerecht regiert, wird und muß vorwärtskommen. Unsere Nerven werden nicht versagen, wenn wir das ausfüürcn, was wir gepredigt haben. Eine Wahlrede Severings. Auf einer Kundgebung der Sozialdemokratischen Partei führte der preußische Innenminister Severing u. a. aus: Die Abberufung der Regierung Brüning habe die Uneinigkeit des Volkes vermehrt und die Gesahr eines Bürgerkrieges heraus beschworen. Die NSDAP, habe politische Erfolge bisher nicht zu verzeichnen. Wenn der Nationalsozialismus durch die Tat beweise, daß er fruchtbare Arbeit zu leisten imstande sei, würde die SPD. ihm die Anerkennung nicht versagen Severing erklärte schließlich, er werde nicht eher von seinem Posten Weichen, als bis ein Nachsolger aus gesetzmäßigem Wege bestimmt sei. Es sei nötig, die Bastionen des demokrati schen Staates so lange wie irgend möglich zu halten. Den augenblicklich regierenden Männern sei nicht ab zusprechen, daß sie gute Patrioten und von dem guten Glauben an den Ersolg. ihrer Arbeit beseelt seien, aber sie müßten ihren Patriotismus nicht nur mit Worten, sondern auch mit der Tat beweiseu. Die Regierung von Papen sei ein Kabinett der UUrarechlen und als solches aus die Gnade der NSDAP, angewiesen. Bier Brüning-Reden an einem Tage. Das Zentrum hat den Wahlkampf im Westen mit großen Reden Brünings eingeleitet. Dr. Brüning sprach an einem Tage in Siegburg, Bonn, Köln und Koblenz. Die Haupt rede hielt er in Köln. Dabei führte er u. a. aus: Es sei nicht angenehm für einen Politiker, der aus der Verantwortung scheide, sofort wieder in einen neuen Wahlkampf ziehen zu müssen. So zu sprechen, wie man es von ihm erwarte, werde er nicht sprechen können und nicht wollen. Es werde kein Wort über seine Lippen kommen, das die Position unserer Abordnung in Lausanne auch nur im geringsten erschüttern werde. Bleibe die deutsche Abordnung aus der Linie, die vorher vorbereitet und festgelegi worden sei, so werde sie die Unterstützung der Zentrnmspariei behalten in diesem Punkt. Brüning wandte sich besonders gegen die Behauptung, er hätte es abgelchnt, grundsätzlich mit der Rechten zusammenzugehen. Er sei von Haus aus konservativ eingestellt und pslcge sich nicht zu ändern. Er sei der Überzeugung gewesen, daß nach den Preußenwahlcn zunächst ein Kabinett mit der Rechten zu bilden sei. Er habe diese Verhandlungen selbst eingeleitet. Manche Leute hätten aber in den berühmten fünf Minuten vor Schluß nicht mehr warten können. Er könne nur sagen, daß es möglich gewesen wäre, auch nach seinem Rücktritt eine ver ständige Lösung zu finden. Auf die letzte Notverord nung der Reichsregierung zu sprechen kommend, befaßte sich Dr. Brüning besonders mit der Stedlung im Osten. Es gehe nicht an, daß man eine kleine Anzahl von Gütern des Großgrundbesitzes alle zwei oder drei Jahre neu entschulde. Wenn es einen gewissen kleinen Prozentsatz von Gütern gebe, die nicht bewirtschaftet werden könnten, dann sei es kein Sied- l-UNgsbolschewismus, wenn man den nachgeborenen Söhnen aus dem Westen und Süden Deutschlands auch mal einen „Happen Land" im Osten zuteilen wolle. Er weise es als eine Infamie zurück, als ob die Absicht bestanden hätte, irgendwo in den protestantischen Gebieten des Ostens vor wiegend katholische Siedler heranzuziehen. Der Schluß der Rede klang aus in der Bereitschaft, mitzugehen mit allen, die die gleichen kulturpolitischen Anschauungen wie das Zentrum hätten, und konfessionellen Hader in der Politik zu überwinden. * SPO -Kundgebung im Berliner Lustgarten. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands veranstaltete im Lustgarten eine Kundgebung, an der sich das Reichsbanner, die Eiserne Front und alle sympatbiesierenden Organisationen beteiligten. Man sah außer den schwarz-rot-goldenen Fahnen viele rote mir den drei Weißen Freiheitspseilen. Reichstags abgeordneter Künstler forderte einleitend zur Abkehr vom Bruderkampf und zur gemeinsamen Front gegen den Faschis mus aus. Reichstagsabgeordneier Dittmann machte Hitler ver antwortlich für die Zuspitzung der politischen Gegensätze und die sozialen Auswirkungen der letzten Notverordnung und nannte Hitler einen verräterischen Judas am deutschen Volke. Hitler habe die proletarischen Anhänger als Landsknechte an den Kapitalismus verkauft. Aber auch diese modernen Lands knechte würden wie die alten vom freiheitsliebenden Volke und der Eisernen Front geschlagen werden. Abgeordneter Stampfer klagte Hitler und von Papen an, sie hätten durch einen geheimen Pakt den sie vergeblich ab zuleugnen versuchten, namenloses Unheil über die mittellosen Schichten des deutschen Volkes gebracht. Die Sozialdemokratie sei friedlich. Wer sie aber angreife, der werde zurückgeschlagen, wie das im Vorwärts-Gebäude geschehen sei. Im Anschluß an die Kundgebung der Eisernen Front im Lustgarten kam es in der Blücherstraße zu ernsteren Zwischen fällen. Zwei uniformierte Nationalsozialisten wurden von einem Zug Reichsbannerleuten angegriffen. Die National sozialisten versuchten zu flüchten, der eine wurde jedoch von den Reichsbannerleuten eingeholt und erheblich verletzt; dem zweiten gelang es, in eine Wirtschaft zu flüchten, die längere Zeit von den Reichsbannerleuten belagert wurde. Das Über fallkommando konnte den Eingeschlosscnen befreien. Ser neue Vulkanausbruch in den Anden. Mehrere Vulkane in Tätigkeit. Nach Meldungen aus Santiago de Chile sind außer dem Vulkan Quizapu noch mehrere andere in Tätigkeit getreten. Die Rauchsäulen erreichten eine Höhe von mehr als NM> Meter und verdunkelten den Himmel. In vielen Städten, darunter auch Santiago de Chile und Valparaiso, sind heiße Aschenregen niedcrgefallcn. Ein weites Gebiet, das sich von San Fernando bis Talca erstreckt, ist von einer weißen Aschcnschicht bedeckt. Die Asche ist bedeutend gröber als die bei den letzten Vulkan ausbrüchen im April und riecht stark nach Schwefel. Auch Malarques aus der argentinischen Seite der Anden wurde mit Asche überschüttet. Viele Städte, darunter einige von den Pulkangebieten weit entfernte, wie die Küstenstadt San Antonio, mußten infolge der Verdunkelung des Himmels durch die Aschenwolken am heilen Tag die elektrische Be leuchtung einschalten. Ein großer Teil der Bevölkerung ist aus dem vulkanischen Gebiet entflohen. Die Vulkanausbrüche waren von einer heftigen Kältewelle begleitet. Sie haben dann plötzlich wieder aufgehört, nur aus dem Quizapu steigt noch eine leichte Rauchwolke. Oer VLshmarkt unter dem Druck der Gchlachisieuer. (Bericht der Viehzentrale G. m b H., Bcrlin-Friedrichsseld^ Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf die fleischpr" duzierenden und -verarbeitenden Kreise die Einführung einet Sch lacht st euer für ganz Preußen mit ihren uw angenehmen Begleiterscheinungen, zn der noch die durch Not Verordnung verkündete Salzsteuer hinzulommt, die cw 1. Juli in Kraft trat. Die Schlachtsteuer mußte beunruhigend wirken und ist aus alle Fälle als eine sehr unglückliche Maßnahme zu bezeichnen. Sie ist nicht allein produktionsseindlich, sondern erschwert vielmehr den Absatz landwirtschaftlicher Produkte, für dessen Förderung die R^. gierung seit Jahren Millionen opfert. Jede unnötige Ver teuerung auf diesem Gebiete erleichtert nicht, sonders erschwert den Absatz inländischer Produkte. Auf dem Rindermarkt war die Entwicklung der Preise, besonders in der ersten Hälfte des Monats Juni, nicht nur für Ochsen, sondern auch für Kühe und Bullen fester. In der zweiten Hälfte des Monats glichen sich die Preise wieder aus, um gegenüber dem Vormonat mit einer Erhöhung von einem Pfennig zu schließen. Färsen und Kühe haben aus einigen Märkten im Preise wieder nachgegeben. Die Zufuhren an Kälbern waren zwar nicht so reichlich als im Vormonat. Bei der verringerten Nachfrage sind aber die Preise weiter um 5—6 Mark gesunken. — Noch ungünstiger gestaltete sich vorübergehend der Schasmarkt, der wesentlich höhere Auftriebe als im Mai zu verzeichnen hatte, aber gegenüber dem Vorjahre doch geringere Zufuhren ausweist. Nachdem die Preise auch für Wolle weiter gedrückt blieben, herrscht in landwirtschaftlichen Kreisen wieder eine fast hoffnungslose Stimmung. Der Schweinemarkt wies die größten Preisschwankungen auf. Nach wie vor ist die Lage sehr verworren, zumal festgestelli wurde, daß die Forschungsstelle den Bestand um anderthalb Mil lionen Schweine zu niedrig einschätzte. Berlin mit den größten Auftrieben ist als der Markt, der fast die niedrigsten Preise aufzuweisen hatte, zu bezeichnen. — Aus dem Zucht- und Nutzviehmarkt war die Nachfrage nach guten Milchkühen etwas besser. Auch sonst war das Geschäft etwas lebhafter Gegen SeUuß des Monats trat eine Abschwächung ein, so daß die Preisbesserung wieder verlorenging. Die Weiden befinden sich fast durch weg in sehr gutem Futterzustand. Das Vieh entwickelt sich prächtig und das Wetter ist nach wie vor günstig. Die ersten Weidetiere erscheinen bereits auf dem Markt. Die Zufuhren an Fetkeln und Läusersch weinen waren im Äerichtsmonat in der ersten Hälfte nur gering, in der zweiten Hälste war das Angebot in Ferkeln etwas stärker, so daß auch die Preise stark abflauten. Die Preise für Läufer entsprachen der Tendenz aus dem Schlachtviehmarkt. Sie haben gegenüber dem Vormonat nur unwesentlich im Preise angezogen. Die Nachfrage nach Ebern war wieder etwas stärker, während Sauen wenig gesucht waren. Die Aussichten für die Zukunft sind infolge der ungünstigen Wirtschaftslage zur Zeit wenig günstig. Die verminderte Kaufkraft hält in erhöhtem Umfang an und dürste die Lage auch weiterhin entscheidend beeinflussen. Wahnsinnsiragödie. Eine Geisteskranke wirft ihr Kind aus dem Fenster. Eine furchtbare Tragödie spielte sich zur Nachtzeit in Berlin N. ab. Die 38 Jahre alte Frau Marie Hamann stieß aus dem Fenster ihrer im dritten Stock gelegenen Woh nung ihre fünf Jahre alte Tochter Helga auf den Hof hin ab und stürzte sich dann hinterher. Das Kind war sosort tot. Die Frau verstarb im Krankenhause. Die Tat hatte sich vor den Augen der Mutter der Frau Hamann und ihres Bruders abgespielt. Die Frau dürfte die Tat im Wahn sinn ausgeführt haben. Da ward es Friedrich August mit einem Male klar, wie töricht alle seine Gedanken über Scheiden und Ausein- andergehcu gewesen waren. Wenn ihm das ersehnte Glück an Mariannes Seite nicht wurde, wenn sie ihm durch ihre unsinnige Eifersucht das Leben schwer machte und die Laune verdarb, dann gab es dennoch einen Pol der Ruhe und des Friedens, zu dem er sich flüchten konnte, einen Nuhepunlt seligen Gcborgen- seins: bei seinen Kindern! Und da fielen ihm auch die Worte wieder ein, die der Prinz an jenem Festabend, der für ihn der Anfang zu einer Kette von Verdrießlichkeiten werden sollte, gesagt hatte: „Eine Familie zu haben und herzige Kinder, das ist das Schönste, was ich mir denken kann." Was der Prinz da in seiner schlichten Selbstverständ lichkeit ansgesprochen hatte, sollte die Marime auch seines Lebens werden. So, wie es sein prinzlicher Namensvetter anch selbst trotz aller Bürden seines hohen Amtes bis an sein Lebensende gehalten hat. XI. Denn zweiundcinhalbes Jahr nach den großen Tagen des Wettinfestcs hatte auch Priuz Friedrich August wenige Wochen vor dem Weihnachlsfest des Jahres 1891 seinen Ehestand gegrünvet, und reichlich ein Jahr später wurde dieses juuge Eheglück durch die Geburt eines Stammhalters bekräftigt. Daß damit die Wettiner in Sachsen abermals vor dem Aussterben gerettet waren war nicht allein der Grund zu der großen Freude, die dieses Erscheinen eines jungen Prinzen im ganzen Sach senvolke auslöste. Man gönnte dem jungen Paare dieses Familienglück vom ganzen Herzen, vielleicht gerade des halb, weil es zwei Menschen waren, die allen Untertanen des Landes so überaus sympathisch, ja, die schlechthin volkstümlich waren. Zudem war Prinz Georg, so hieß der Erstgeborene, ein Sonntagskind, und ein solches war auch der zweite Sohn, Prinz Friedrich Christian. Schon immer aber haben Sonntagskinder im Volksmunde den Ruf gehabt, besonders vom Glücke begünstigt zu sein. Noch ein Prinz und drei Prinzessinnen entsprossen dieser Ebe, und sie alle dursten sich glücklich schätzen, einen solchen Vater gehabt zu haben, wie Friedrich August es war. Wenn er mit ihnen im Wagen ausfuhr, wenn er die Heive im Kreise seiner Kinder durchstreifte und ihnen die Liebe zur Heimat einimpfle, die auch ihm jederzeit eine Selbstverständlichkeit gewesen war, wenn er mit seinen Kindern in einem der schlichten Gasthöfe der Umgebung ein einfaches bürgerliches Mabl oder den Nachmittags- kasfee einnahm, immer erzog er sie zu jener Schlichtheit des Wesens zu iener Geradheit des Denkens und zu jener Verbundenheit auch mit dem einfachsten Volks genossen, die ihm selbst in so hohem Maße zur Richtschnur des Lebens geworden waren. So erzählte er ihnen, wie er einmal im letzten Augen blick in Freiberg in den Zug gesprungen sei und einen Herrn in dem Abteil vorgefunden habe, mit dem er sich trefflich unterhielt. Aber dann sei der Herr eingeschlafen, denn es war schon spät am Abend, und als er ihn in Dres den weckte, habe sich herausgestellt, daß der andere nur bis Tharandt habe fahren wollen und leine Gelegenheit zur Rückfahrt mehr bestanden habe. „Ich habe den kürzeren Weg", habe er zu ihm gesagt, „ich kann das Stück durch die Stadt laufen. Nehmen Sie meinen Wagen zur Heimfahrt. Der Herr war natürlich sofort einverstanden. Aber was glaubt Ihr, Kinder," setzte der Erzähler lachend hinzu, „was der für Augen gemacht hat, als er die Hofequipage sah! Aber darin heimgefahren ist er doch . . ." Oder er erzählte ihnen das hübsche, kleine Erlebnis mit einer Bauernfrau, die er nach einem harten Ritt auf staubiger Landstraße um einen Eimer Wasser für sein Pferd gebeten hatte. Eigentlich hätte er selbst Wasser nötig gehabt, denn er hätte schrecklich verstaubt und ver schwitzt ausgesehen. Die Frau habe mit freudiger Bereit willigkeit seinen Wunsch erfüllt und seinem Pferde Was ser herbeigeschleppt. Und als er ihr dann habe ein Geld stück in die Hand drücken wollen, „was denkt Ihr Wohl, was sie da gesagt hat?" Er lachte erst einmal herzlich, ehe er weitersprach. „Danke", vermutete einer der Prinzen. „I, lassen Se's nur, hat sie gesagt. Ich habe ooch en Sohn beim Militär, da weeß ich schon, daß de Soldaten nischt icbrig Hamm." Ein fröhliches Lachen der Kinderschar belohnte seine Erzählung, und dieses Lachen war für ihn die schönste Musik. Wenn er es Hervorrufen konnte, tat er es auch und nur zu gern. Oft spielte er mit ihnen in einem der großen Zimmer des Palais. Da kam es denn auch vor, daß es im Eifer des Spieles manchmal etwas lauter zuging, als es die Mauern des großen Hauses sonst gewohnt waren. Und .einmal, als es gar zu toll und schaurig durch die Wände Aang, da wurde es der Frau Tante, der Prinzessin Ma thilde, zuviel und sie riß die Tür auf und schalt die Kinder weg»n ihres Gelärmes. Doch kroch plötzlich unter dem Tisch der prinzliche Herr Vater hervor, mit einem schrecklichen Brüllen sich ankündigend, und sagte dann zu seiner Schwe ster, mitten im frohen Spiel: „Reiße aus, ich bin der Löwe!" Was Wunder, wenn die jungen Prinzen und Prin- zessinen in ihrem Vater ihren besten Freund und ihr Alles fanden. Wenn er auch nicht immer zu Späßen aufgelegt war und sie auch einmal streng zur Ordnung rief, wenn sie in ihrem Tun nicht seinen Wünschen und Ansichten entsprachen. So kehrte er mit ihnen einmal in der Dresdner Leide in einem Gartenlokal ein, wo er Kaffee und Buttersemmel bestellte, um nicht durch irgendwelche Sonderheiten der Tafel Aufsehen zu erregen. Die Prinzen aber hätten lie ber Kuchen gegessen. Ihr Vater aber lehnte das ab: „Kuchen können wir uns heute nicht leisten." Denn es hatte sich ein älteres Ehepaar an den Tisch gesetzt, das den Prinzen nicht erkannt und bescheiden seine Butterbrote ausgepackt hatte. Er hätte es nicht über sich gebracht, sie ihre Armut fühlen zu lassen. Ueberhaupt war er ein Gegner aller Ueberheblichkeit. Was für andere gut genug war, war es auch für ihn und seine Familie. Als einmal in einem Dorfgasthause am Heiderand der Wirt die Türe des Zimmers abschloß, in dem die prinzliche Familie speiste, um sie vor den Blicken der übrigen Gäste zu schützen, befahl ihm Friedrich August unwillig, die Tür sogleich wieder zu öffnen. „Ich will wie jeder andere Gast behandelt sein", sagte er, „und mich vor dem Volke nicht verstecken." Und das hat er auch nicht getan, als er nach dem Tode seines Vaters ven Thron bestieg und die schwere Bürde, König zu sein, übernommen hätte. Denn die vielen hö fischen Pflichten, denen er sich damit unterziehen mußte, dünkten ihn eine harte Last. Aber er trug sie am leich testen dadurch, daß er sich selbst treu blieb. Das bewies er an einem kleinen Beispiel, das sich ebenfalls in einem Dorfgasthause zutrug. Dort ließ er einen der Prinzen die Zeche bezahlen, denn er tat dies immer gern, einerseits, um den Kleinen damit einen Ge fallen zu tun, und dann, um ihnen den Umgang mit Geld zu lehren. Dabei fiel nun dem Prinzen ein Geld stück herunter auf den Fußboden, und der Wirt beeilte sich, es aufzuheben. Der König hielt ihn jedoch zurück: „Lassen Sie nur, der Prinz hat noch einen geschmeidi geren Rücken, sich zu bücken." Diesen geschmeidigen Rücken, sich vor dem Alter ztt bücken, besaß er selbst und tat es noch, als er bereits in den Jahren war, die man wirklich nicht mehr zur Ju gend rechnen konnte. Wenn er ein altes Mütterchen eine Last schleppen sah, die es fast zu Boden drückte, da griff er selbst zu, und wenn es mitten in den Straßen der Stadt war, und half die Last tragen. Wären alle Landeskinder in bezug auf solches Mitgefühl und solche Hilfsbereitschaft seinem Beispiele gefolgt, so hätte es viel mehr glückliche Menschen geben können, so hätte auch ein gütiges Verstehen für die Lage des anderen manchen Weg geebnet, der von dem Herzen des einen zu dem des anderen Menschenbruders eine Brücke geschlagen haben würde. Dann hätte die Not, die später das Vaterland so schwer befallen hat, nicht die Menschen auseinandergetrieben und zu gegenseitigen Feinden gemacht, sondern sie hätte in tapfer getragener Gemeinsamkeit leichter bezwungen werden können. (Fortsetzung solgt >
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