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MdmfferTageblatt Af für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nr. 148 — 91. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Montag, den 27. Juni 1932, Postscheck: Dresden 2640 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das „Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. srer Haus, bei Postbestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. Alle Postanstalten, Post bolen und unsere Aus- träger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeil Be. Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend stellungen entgegen. 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Als junger Abgeordneter hielt er in einer Ver sammlung eine Rede, die plötzlich von Beifallsklatschen unterbrochen wurde. Betroffen wandte er sich an seine Begleiter mit den Worten: „Die Leute klatschen, habe ich eine Dummheit gesagt?" Ein solcher Verdacht, nicht richtig gehandelt zu haben, steigt dem mißtrauisch ge wordenen Deutschen unwillkürlich auf, wenn er den in der englischen und französischen Presse plötzlich auf tauchenden Optimismus über den Verlaus der Lausanner Konferenz siebt. Unsere Gegner loben uns darin zu sehr und „wir fürchten die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen". Wir können bisher keinen Grund zur besonderen Hoffnungsfreudigkeit erblicken, würden uns aber freuen, wenn der weitere Verlauf der Verhand lungen uns Unrecht geben würde. Der „Silberstreif", den das Ausland am Horizont von Lausanne bereits erblicken will, besteht eigenartigerweise nicht in der Streichung der Reparationen, sondern man geht um dieses heiße Eisen vorsichtig herum und spricht von der Möglich keit eines Einvernehmens zwischen England, Frankreich und Deutschland, durch das eine „Erleichterung in derinternationalen finanziellen Lage" erreicht werden könne. Das ist aber für Deutschland zu wenig. Es handelt sich für uns nicht um irgendwelche Auflockerung oder Erleichterung der Tributlasten, sondern um ihre re st lose Streichung. Unter dem Druck der Krise ist unser Volk nicht nur im Augenblick unfähig, diese finanziellen Anstrengungen zu machen, sondern auch davon überzeugt, daß sich eine Möglichkeit dazu niemals er geben wird. Jeder Regierungschef, der ihm noch von Reparationen sprechen würde, ganz gleich, ob es sich um die nahe oder die ferne Zukunft handele, würde Gefahr laufen, hinweggefegt zu werden, wie es der deutsche Außenminister sehr richtig in einer Unterredung betont hat. Aus diesen Gründen sieht sich die deutsche Abordnung verpflichtet, die These der vollständigen Annul lierung zu verteidigen. Der Young-Plan ist uns derart unbeliebt geworden, daß jede, wenn auch sehr her abgesetzte Wiederaufnahme seiner Zahlungen von der Öffentlichkeit als unannehmbar angesehen wird. Die Streichung der Tribute muß die Basis sein, auf dem ein europäischer Wiederaufbau vorgenommen werden kann, nicht umgekehrt eine Besserung der internationalen finan ziellen Lage als Bedingung für die Reparationsstreichung. Sowie eine solche eintreten und sich auf Deutschland er strecken würde, würde das an dem Faden des sogenannten Wohlstandsindexes ausgehängte Damokles- schwertderReparationenauf uns wieder herab sausen. Nach endgültiger Beseitigung dieser Gefahr für Deutschland wäre eine weitgehende wirtschaftliche Zu sammenarbeit der Gläubigermächte mit Deutschland möglich; diese könnte auf verschiedene Gebiete ausgedehnt werden und damit allen eine Entschädigung bieten. Aber erst die bedingungslose Streichung, damit Deutschland als gleichberechtigter Partner und ungefesselt mitarbeiten kann an der Beseitigung der Weltkrise. Man wird erkennen, daß das von der Tributknechtschast befreite Deutschland ein wichtiger und bereiter Helfer ist, ohne den andererseits auch nichts Wirksames gegen die Hydra der Krise ausgerichtet werden kann. Aber Eiletut not, und ein nicht wieder gutzumachen der Fehler würde es sein, die Verhandlungen sich wieder ins Uferlose ausdehnen zu lassen. Die Regierungen der Welt befinden sich heute in der Lage des Römerkönigs Tarquinius Superbus, dem die Sybille neun Bücher zu einem außerordentlich hohen Preis anbot. Der König lehnte den Preis ab. Darauf verbrannte die Sybille die ersten drei Bücher und bot die restlichen sechs zu dem glei chen Preise an, was der König wiederum ablehnte. Schließ lich nahm er die übrigbleibenden drei Bücher zu einem Preise, zu dem er zuerst alle neun Bücher hätte bekommen können. So ergeht es heute der Welt mit der Frage der Lösung des Problems der Reparationen und der interalliier ten Schulden. Jeder Monat der Verzögerung dieser Lösung wird den Preis anschwellen lassen. Er ist sicher heute schon doppelt so hoch, wie er voriges Jahr gewesen wäre, und er wird im nächsten Jahr noch einmal doppelt so hoch sein, wie er beute ist.. Die kleinen Staaten und die Abrüstung. Einberufung des Hauptausschuffes erst am 5. oder 7. Juli? Die Vertreter mehrerer kleiner europäischer Staaten haben sich mehrmals zu gemeinsamen Beratungen über die Abrüstungsfrage zusammengcfunden. Es h'andelt sich um Vertreter von Spanien, Norwegen, Schweden, Dänemark, der Schweiz, Holland, Belgien und der Tschechoslowakei. Die Besprechungen sollen eine einheitliche Auf fassung hinsichtlich der Frage der qualitativen Ab rüstung, der Abrüstungskontrolle und der privaten Waffen herstellung ergeben haben. Namentlich sollen die Ver treter der genannten Länder bei diesen Besprechungen uberemgekommen sein, demnächst im Hauptansschuß der Konferenz für die A b s ch a f f u n g der schwersten nLrrkfsw all e n einrutretew MW MWütW MmrdlW Das bayrische Rei«. In einer längeren Rede begründete der Minister präsident Dr. Held die Haltung der Regierung. Er be tonte, daß die bayerischen Verordnungen zu Recht bestän den, auch nicht dem Reichsrecht widersprächen, sondern nur mit der gegenwärtigen Neichspolitik nicht im Einklang ständen. Bayern befürchte bei Aufhebung der Verbote die Gefahr eines gewaltsamen Umsturzes, der auch gegen den Willen der politischen Führer kommen könne und durch den das Reich tödlich getroffen werden müßte. Die Verantwortung für die Beschlüsse der Reichsregierung könne die bayerische Regierung nicht übernehmen, diese Verantwortung sei zu schwer, und müßten von denen übernommen werden, die auf der Durchführung der Beschlüsse bestehen. Die bayerische Re gierung stehe und bleibe auf dem Boden der Reichsver fassung, wie auch die Entschlüsse der Reichsregiernng ausfallen mögen, und sie werde im Rahmen des Reichsrechts mit allen Mitteln gegen jeden Bruch der Rechtsordnung und gegen alle Störungsversuche einschreiten. In der Entschließung des Landtags heißt es u. a., ein Eingriff des Reiches, der die bayerischen Schutzmaßnahmen zerstören würde, könne nur mit Rück sicht aus die parteipolitischen Wünsche einer ein zigen Gruppe begründet werden. Diese Rücksicht würde dann höher eingeschätzt als das polizeiliche Hoheitsrecht der Länder. Was wir- -as Reich jetzt Lun? Durch die Rede des bayerischen Ministerpräsidenten Held im Landtag in München ist nun die Reichsregie rung in Berlin unterrichtet, daß Bayern es ablehnt, dem Wunsch des Reichsinnenministers nachzukommen und das Uniform- und Dejnoustrationsverbot in Bayern aufzu heben. Die gleiche Antwort wird Berlin Wohl auch aus Stuttgart und Karlsruhe erhalten. Die bayerische Regierung betont, sie werde an ihrer Sonderregelung so lange festhalten, bis sie durch eine besondere Notverord nung des Reiches aufgehoben wird; dann werde man sich fügen, entsprechend der Bestimmung der Reichsver fassung, daß Reichrecht vor Länderrecht gehe, aber die Verantwortung für die Folgen müßte Berlin ganz allein tragen. Ähnliches werden auch die Regierungen der anderen süddeutschen Länder sagen. Was wird darauf die Reichsregierung tun? Zunächst will, wie verlautet, der Reichsinnenminister abwarten, bis er die Antworten aus allen deutschen Ländern hat, er will ja nicht nur die Meinungen der Süddeutschen hören. Diese Antworten erwartet man für Montag. Möglicherweise findet dann noch einmal eine Konferenz statt, bevor sich die Reichsregierung zu neuen Maßnahmen entschließt. Immerhin läßt der Reichsinnenminister betonen, daß die Reichsregierung an der Linie festhalte, die sich durch die Notverordnungen vorgezeichnet habe. Das soll jedoch nicht bedeuten, daß den Ländern die Mög lichkeit genommen wird, für die Erhaltung der Ruhe und Sicherheit in ihren Gebieten zu sorgen. Es ist dabei zu beachten, daß der Neichsinnenminister ja keine Polizeimacht hinter sich hat, die Polizei untersteht dem Kommando der Länderregierungeu. Diese Tatsache muß natürlich auch die Reichsregierung in Rücksicht ziehen. Dazu kommt, daß die Verhältnisse in den einzelnen Län- dern sehr verschieden liegen. So hat der Streit um die Uniform für Württemberg z. B. keine Bedeutung, weil Württemberg nie ein Uniformverbot hatte. Auch die Bestimmungen über die Demonstrationsverbote sind in den einzelnen Ländern sehr verschieden geregelt. Die Reichsregierung wird sich zweifellos bemühen, einen Mittelweg zu finden, der sowohl ihrer Absicht als auch den Verhältnissen in den Ländern soweit wie möglich Rechnung trägt. * Sitzung -es Reichskabinetts. Die Kabinettsitzung vom Sonnabend, an der der Reichskanzler vonPapen teilnahm, dauerte von 17 Uhr bis um 21 Uhr. über diese Beratung wird folgende amt liche Mitteilung ausgegeben: Der Reichskanzler berichtete über die von der deutschen Delegation in Lausanne geführten Verhandlungen. Die bisherige Haltung der Delegation fand die Billigung des Kabinetts. Auch den vom Reichskanzler vorgeschlage- weiteren Absichten der deutschen Delegation stimmte das Neichskabinctt eüui mütiaLu. < Im Anschluß hieran erstattete der Reichsminister des Innern Bericht über seine Verhandlungen mit den Länder regierungen. Reichskanzler von Papen hat in seinem Bericht über die Lausanner Besprechungen auf die verschiedenen Vor schläge zur Lösung der Tributfrage hingewiesen; der von ihm vertretene Standpunkt in der Tribütfrage — daß Deutschland keine Tribute mehr leisten kann und daß in dieser Frage kein Kompromiß möglich ist —, fand die einmütige Zustimmung sämtlicher Kabinettsmit glieder. Der Kanzler wird sich also auch weiterhin in Lausanne dafür einsetzen, daß eine sofortigeLösung !m Sinne einer Beseitigung der Tributbelastung erzielt wird. In der Frage des Uniform- und Demonstrations verbotes hat das Kabinett nach dem Vortrag des Innenministers von Gayl keinerlei Beschlüsse gefaßt, da bekanntlich die Frist, bis zu der die Länder ihre Stellungnahme zu der Aufhebung des Uniformverbotes nach Berlin gegeben haben müssen, erst am Dienstag «bläust. Es dürfte jedoch innerhalb des Reichskabinetts die Einmütigkeit darüber hergestellt worden sein, was für Maßnahmen zu ergreifen sind, falls die süddeutschen Län der bei ihrer ablehnenden Haltung verharren. Beschlüsse hierüber werden erst Mitte nächster Woche gefaßt werden. Irgendein Zurückweichen des Reiches in diesen Fragen kann jedoch als ausgeschlossen gelten. Der Kanzler stellt französische Verdrehungen richtig. Der Reichskanzler erklärte unter Bezugnahme auf die Veröffentlichungen in der französischen Presse über die Unterhaltungen in Lausanne, er habe mit den Vertretern der ausländischen Presse nicht von einem Recht Frank reichs auf Kompensationen für den Verzicht auf weitere Reparationszahlungen gesprochen, aber wiederholt betont, daß die Wiederaufrichtung der Weltwirtschaft ein Zu sammenarbeiten besonders zwischen Deutschland und Frankreich fordere — eine Zusammenarbeit, aus der für Frankreich bessere und greifbarere Vorteile erwachsen würden, als die Fortführung irgendwelcher Reparations zahlungen. Wenn man also die Weltwirtschaft wieder in Ordnung bringen wolle, dürfe man nicht bei der Beseiti gung der politischen Tribute und Zahlungen stehen blei ben, sondern müsse konstruktive Maßnahmen ins Auge fassen. Zu dieser gemeinsamen Anstrengung sei Deutsch land bereit, zu seinem Teil nach Kräften beizutragen. Reichskanzler van Papen ist Sonntag 16,22 Mr mit dem fahrplanmäßigen Zuge wieder na-ü Lau-j sänne abgereist. Von Papen Seim ReWprüfidenlm. Berichterstattung über Lausanne. In Berlin fand eine Ministerbesprechung statt, in der über Lausanne verhandelt wurde. Der Reichskanzler, der über das Wochenende nach Berlin zu rückgekehrt ist, erstattete seinen Ministerlollegen über die Entwicklung der Lausanner Verhandlungen Bericht. An schließend hielt der Reichskanzler dem Reichspräsi denten Vortrag. » Zwischenspiel in Lausanne. Der sitzungsfreie Sonnabend war auf der Repara tionskonferenz nach der Abreise von Papens und Herriots hauptsächlich internen Besprechun gen innerhalb der einzelnen Abordnungen gewidmet. Auf deutscher und französischer Seite fanden zunächst Vorberei tungen für die dritte deutsch-französische Sitzung statt. Reichsaußenminister von Neurath wurde von Macdonald zu einer Unterredung in das Hotel Beau Rivage gebeteus die bereits in den frühen Morgenstunden begann. Es besteht der Eindruck, daß hierbei von deutscher Seite ein gewisses Befremden über die Haltung der e n g l i s ch e n R e g i e r u n g in der Reparationsfrage zum Ausdruck gebracht wurde, da die englische Negierung entgegen ihren ursprünglichen Versprechungen jetzt ihre Haltung fortgesetzt ändert, ohne selbst für nie von ihr als notwendig erkannte sofortige Regelung der Reparationen energisch einzutreten. Der italienische Außenminister Grandt hat ferner Macdonald eine Denkschrift über den italienischen Standpunkt der Reparanonsfrage übermittelt, deren In halt eine weitgehende moralische Unterstützung derdeutschenAuffassung darstellt. Reichsbankpräsident Luther, der an den offiziellen Verhandlungen der Lausanner Konferenz nicht tcilgenom- mcn hat, kehrte nach Berlin zurück. Der Eindruck der außerordentlich ernsten u n d ^e spannten Laae der KousereuL hält mreume.