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Wilhelm-Kahl Gedächtsis-Feier im Reichsiag In dem mit würdigem Trauerschmuck versehenen Voll sitzungssaal des Reichstags fand eine Gedenkfeier für das verstorbene älteste Mitglied des Reichstags, Geheimen Justizrat Universitätsprofessor v. Dr. Dr. Wilhelm Kahl statt. Über dem Präsidentengestühl war eine Kahl-Büste aufgestellt. In der Neichspräsideütenloge wohnte neben dem Reichspräsidenten L ö b e die Witwe des Verstorbenen der Gedenkfeier bei. Als Vertreter der Reichsregierung war Reichskanzler von Papen erschienen. Den Platz des Verstorbenen auf seiner Fraktionsbank schmückte ein großer Strauß weißer Lilien. Auf den vier Ecktürmen des Reichstagsgebäudes waren die Fahnen halbmast gesetzt. Professor Dr. G o l d s ch m i d t, der Dekan der juristi schen Fakultät der Berliner Universität, würdigte die juristische Tätigkeit Wilhelm Kahls. Geheimer Konsistorialrat Universitätsprofessor v. Dr. Eger-Halle, Präses der Sächsischen Prvvinzialsynode, legte dann dar, was Kahl der evangelischen Kirche ge wesen sei. Volle 40 Jahre habe Kahl am Leben der evan gelischen Kirche teilgenommcn als Mitglied der rheinischen und der brandenburgischen Provinzialsynode und der evangelischen Generalsynode. Der Redner hob besonders die Bedeutung in der Mitwirkung Kahls an der ver fassunggebenden evangelischen Kirchenversammlung hervor. Reichstagsabgeordneter Dingeldey widmete dem Verstorbenen als Parteisreund und Parlamentarier letzte Worte des Gedenkens. Vorstellung des neuen Hernoi-Mmisteriums. Ein Farbiger im französischen Kabinett. Nachdem sich die neue Regierung dem Staatspräsiden ten L e b r u n vorgcstellt hatte, begab sich Ministerpräsident Herriot zunächst an das Grab des Unbekannten Sol daten und von dort aus an dasjenige des verstorbenen Außenministers Briand. Herriot hielt sich auf dem Rück weg einige Augenblicke am Grabe des ermordeten Staats präsidenten Doumer auf. Die neuen Minister, unter denen sich auch diesmal wieder ein Vertreter der farbigen Nasse, nämlich der Abge ordnete von Cayennee, C a u d a c e, als U n t e r st a a ts - sekretär im Kolonial ministeri um befindet, werden vor der Kammer am kommenden Dienstag er scheinen. Der Regierungserklärung wird sich sofort eine AusspracheüberdieallgemeinePolitikder Regierung anschließen, die mit der Stellung der Ver trauensfrage endet. Es steht außer Zweifel, daß Herriot bei dieser Gelegenheit eine sehr starke Mehrheit aus sich vereinigen wird. Schwere Zusammenstöße bei Berlin. 92 Verhaftungen. Zu einem Zusammenstoß zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten kam es in Buchholz bei Berlin. Eine Gruppe von etwa zwanzig Nationalsozialisten wurde morgens von Kommunisten in großer überzahl ange griffen. Mit Holzlatten und Steinen gingen die Kommu nisten auf die Nationalsozialisten los, wobei es zu einem regelrechten Gefecht kam. Die Nationalsozialisten zogen sich in ein Grundstück zurück. Die Polizei traf gerade in dem Augenblick ein, als die Kommunisten sich anschickten, das Haus zu stürmen. Insgesamt wurden 56 Kommunisten und 21 Nationalsozialisten festgenommen und zum Polizei präsidium gebracht. Nach der Vernehmung wurden die Festqenommenen bis auf 35 Kommunisten wieder frei- gelassen. — Ein weiterer Zusammenstoß ereignete sich in Reinickendorf-West, wo es ebenfalls zu einer Schlägerei kam. 15 Kommunisten wurden hierbei festgenommen. Schnee in Avrwegen nnd Aordschweden. In der Provinz Drontheim ist nach längerem recht warmen Wetter ein Temperaturumschlag erfolgt. In höher gelegenen Gegenden mit Ackerland ist Schnee ge- fallen. Auch in den n o r d s ch w e d i s ch e n Provinzen Norrbotten und Västerbotten herrschte ein außer ordentlich heftiger Schneesturm, der große Verkehrs störungen zur Folge hatte. Mehrere Städte wurden vom Telephon- und Telegraphenverkehr abgeschnitten und Züge blieben im Schnee stecken. Kammerauflösung in Griechenland. Die neue griechische Negierung im Amt. Der griechische Staatspräsident hat die neue von Venizelos gebildete Regierung vereidigt. Während Michalakopulus das Außenministerium wieder über nommen hat, sind verschiedene Ministerposten mit Anhän gern der Venizelos-Partei neu besetzt worden. Man rechnet mit der Kammerauflösung nach der Lausanner Konferenz und Neuwahlen etwa Mitte August. Die griechische Negierung wird in Lausane durch den Außenminister und den Finanzminister vertreten sein. Veteranenmarsch auf Washington. Amerikanische Kriegstcinehmer erzwingen freie Fahrt. Bei dem Marsch der Kriegsteilnhmer nach Washington ist es noch zu weiteren Zwischenfällen gekommen. So stürmten 500 Demonstranten eine Fähre am Hundson, um nach Jersey City überzusetzen. In Hoboken setzten Kriegsteilnehmer der Verwaltung der BaltimoreOhio-Eisenbahngesellschast solange zu, bis sie ihnen, um sie endlich loszuwerden, freie Fahrt nach Washington gewährte. Die Kolonne, die von Cleveland nach Pittsburg unterwegs war, wurde schließ lich doch noch von der Polizei mit dem Gummiknüppel auseinandergetrieben. Polizei und Truppen, die alarimert wurden, sorgen für einen geordneten und ruhigen Abmarsch der Kriegs teilnehmer. Auch aus Denver (Colorado) wird gemeldet, daß dort ebenfalls eine Kriegsteilnehmerkolonne in der Nacht Frachtzüge aufgehalten und von ihnen die Beförde rung nach Washington verlangt hat. In Washington ist die Polizei augenblicklich damit beschäftigt, die Persona lien einiger Kriegsteilnehmer festzustellen, da man be fürchtet, daß der größte Teil der unterwegs befindlichen Kriegsteilnehmer Kommunisten sind. Marsch der amerikanischen Veteranen aus Washington. Aus allen Bundesstaaten strömen die Veteranen zum Kapitol in Washington, um durch eine nie da gewesene Massenkundgebung ihre Forderungen — so fortige Auszahlung der Staatspension — zu erzwingen. Obgleich man weiß, daß die sofortige Auszahlung der ge forderten zehn Milliarden Mark Amerika in eine Ver schärfung der Krise treiben mutz, sieht es doch so aus, als werde man den Forderungen der Veteranen nachkommen. Unser Bild, das bereits vor mehreren Wochen aus genommen worden ist, zeigt die Veteranen während ihrer Protestkundgebung vor dem Kapitol. Während es damals nur einige Hunderte waren, die das Kapitol belagerten, sind es heute schon viele Tausende, da täglich neue Züge in der Bundeshauptstadt eintressen. Attentat auf Mussolini geplant. Der Täter gesteht. Ein 25jähriger Italiener, der geständig sein soll, einen Anschlag aus Mussolini geplant zu haben, wurde auf der Piazza Vinezia verhaftet. Er war im Besitz von Bomben und einem Revolver. Bei der Untersuchung wurde bei ihm ein Schweizer Paß auf den Namen Angelin Galvini gefunden, jedoch soll festgestellt worden sein, daß sein richtiger Name Sbarbelotto ist. Bei der Untersuchung der Bomben wurde festgestellt, daß sie eine gefährliche Wirkung gehabt hätten. Es heißt, daß es sich um einen italienischen Emigranten handelt, der 1925 aus Italien in die Schweiz übergesiedelt war. Klein« NachkUvten Geheimnisvoller Fund. — Liegt ein Verbrechen vor? Frankfurt (Mai). Im Stadtwald fanden zwei Radfahrer in einer Zigarettenschachtel Auswcispapiere auf den Ramen eines Ferdinand Werhahn, geb. 28. 5. 1912 zu Linden bei Hannover. Neben der Zigarettenschachtel lagen, vollkommen mit Blut durchtränkt, ein Brotbeutel, eine Mütze und ein Stück Regenmantel. Die Radfahrer ließen die Gegenstände liegen und fuhren mit den gefundenen Papieren zur Polizei. Als diese am Fundorte erschien, waren sämtliche Sachen ver schwunden. Bisher konnte nicht sestgestellt werden, ob ein Ver brechen begangen worden ist. Schweres Explosionsnnglück in Neapel. Rom. In Neapel wurden infolge der Explosion eines Mu nitionslagers fünf Soldaten getötet und sechs schwer verletzt. Ein weiterer Soldat hat durch den ansgestandenen Schrecken die Sprache verloren. Das Unglück soll durch ein Salut- schietzen verursacht worden sein. Sechs Tote bei einer Lokomotivkesselexplvsion. Kairo. Durch die Explosion eines Lokomotivkessels wurden auf der Eisenbahn in der Nähe von Kairo sechs Personen getötet und elf schwer verletzt. Der Kessel explodierte, als der Zug gerade aus einer kleinen Station Halt machte. Schnellzug der Ostchinabahn überfallen. Charbiu. Auf der Ostchinabahn, etwa 80 Kilometer von Charbin entfernt, wurde ein Schnellzug von 200 Banditen über fallen und vollkommen ausgeraubt. Den Fahrgästen wurde alles abgenommen, was sie überhaupt besaßen. 60 chinesische Männer, Frauen und Kinder wurden in die Wälder entführt, wo man jede Spur von ihnen verloren hat. Deutscher Faltbootsahrer aus dem Meer treibend tot auf- gefundcn. London. Wie aus Las Palmas gemeldet wird, wurde nahe der Küste von Arrecise die Leiche des Deutschösterreichers Theodor Helm in seinem Gummifaltboot, mit dem er den Ozean überqueren wollte, aus dem Meer treibend aufgefunden. Das Boot war bis zum Rande mit Wasser an- gesüllt, und das Segel war vollkommen zerrissen. Schwere Zusammenstöße in Indien. — Zwei Tote, 30 Verwundete. Bombay, über die Stadt Alwar in Ost-Radschputana ist infolge erbitterter Zusammenstöße zwischen Hindus und Mohammedanern der Belagerungszustand verhängt worden. Die Unruhen brachen aus, als zwei religiöse Prozessionen, eine mohammedanische und eine Hinduprozession, zusammen stießen und die Teilnehmer sich gegenseitig angriffen. Eng lische Truppen wurden alarmiert und mutzten das Feuer aus die Menqe eröffnen, wobei zwei Inder getötet und SO ver wundet wurden. Flieger läßt aus Versehen eine Bombe fallen. — 22 Tote, 41 Verletzte. Tokio. Ein chinesischer Flieger, der von einem Flug gegen kommunistische Banditen in den Provinzen Kwangtung und Honan zurückkehrte, ließ aus Ver sehen über der Stadt Pengpu eine 35 Pfund schwere Bombe fallen, wodurch 22 Personen getötet und 41 Personen verletzt wurden. Die erbitterte Menge überfiel daraus das Haupt quartier der Flugstreitkräfte, deren Kommandant gelyncht sein soll. Schwierigkeiten bei der rumänischen Regierungsbildung. Bukarest. Nachdem Tiiulcscus Versuche zur Bildung einet Regierung gescheitert sind, empfing der König nochmals alle Parteiführer, darunter auch Iorga, der dem Monarchen riet, möglichst schnell eine tragsähige Regierung zu bilden. Die Besprechungen mit den Parteiführern Verliesen jedoch ohne Ergebnis, so daß die Dinge weiterhin in der Schwebe bleiben. Ii» SIMM M MW k?omsn von 6ont Hoikdsi'g Oop^right dz? ölartm lloucbtwsaqsr, Halls (8aslo) f14 Die Glocken läuteten in feierlichem Dreiklang. Die kleine Dorfkirche von Dors Mahlow war von Neugierigen überfüllt. Alle wollten sie doch noch einmal das Fräulein sehen. Und den Bräutigam mußte man auch kennenlernen. Aber man war hochbesriedigt. „Ein schönes Paar'-, stellte Frau Lina Fromholz fest. Und was die sagte, stimmte immer. Horst Mahlow halte nun auch ain Ehrentage seiner Schwester gefehlt. „Der ist vor die Hunde-, meinte der Dorfschulze zu seinen Freunden. Die nickten. Natürlich war er vor die Hunde, denn sonst wäre er wenigstens am Hochzeitstage hier gewesen. „So ein hübscher, rassiger Kerl. Na, er tut mir leid!" Bauer Friedel sagte das ein bißchen wehmütig. „Leid hat der schöne Kerl uns allen getan. Aber schließ lich hätte er nicht so leichtsinnig sein sollen", meinte der Mühlenbesitzer Schönlein. Das tiefsinnige Gespräch ging in derselben Tonart weiter. * * Inzwischen saß man in Mahlow im schönen, alten Speisezimmer. In allerengstem Familienkreise wurde die kleine, schöne Feier abgehalien. In der Nacht reisten die Neuvermählten dann ab. Es gab Tränen, viele gute Wünsche und herzliche Um armungen. Blaß und schön stand Edelgard vor ihrer Mutter. „Weine cwch nicht, Mütterchen, ich reise ja ins Glück!" sagte sie schlicht. Da küßte die Mutter ihr schönes Kind. Dorette flüsterte: „Grüße Horst recht herzlich und sage ihm, daß ich mich auf seine Heimkehr freue!" „Ich will es ihm ausrichten, Kleine." Und nun waren sie fort. Im Gutshause verlöschte ein Licht nach dem anderen. Dorette lehnte am Fenster in ihrem Zimmer und sah in die Nacht hinaus. „Horst, lieber Horst!" sagte sie leise vor sich hin. * * * Herr Mahlow fühlte sich jung und rüstig wie noch nie. Das frohe Bewußtsein, wieder in guten Verhältnissen leben zu können, ließ ihn unermüdlich schaffen. Und seine Frau freute sich, weil er wieder froh sein konnte. Eine Woche nach der anderen verging. Von den Neuvermählten trafen Briefe ein, die jedes mal etwas mit von dem großen Glück herüberwehten, das in der jungen Ehe herrschte. Kalt strich der Wind bereits über die Stoppelfelder. Scharen von Vögeln zogen gen Süden. Manchmal waren die Tage noch sonnig; doch es wurde fühlbar Spät herbst. Dämmerstunde! Fritz kam jetzt immer erst spät heim. Er tat geheimnis voll. Am Schulhimmel schien für ihn ein guter Stern auf zusteigen. Daneben leugnete er nicht, daß er mit seiner Tanzstundendame und deren älterer Schwester zuweilen ein Kino besuchte. Schwager John Korne hatte sich zu einem fürstlichen Taschengeld verpflichtet. Nun konnte man sich ab und zu solche Extravaganzen leisten. Dorette streifte viel allein umher. Merkwürdigerweise besuchte sie jetzt sehr selten ihre vielen Freundinnen. Und diese kamen auch nicht mehr so ost wie früher nach Mah low. Frau Mahlow dachte lächelnd: Liebt Dorette auch bereits? Dieser völlig neue, fast feindliche Zustand ist doch rätselhaft? Das Kind wird doch nicht vor seinem achtzehnten Geburtstage noch irgendeine Ueberraschung liefern? Die Situation würde doch dadurch nur unnütz verwickelt, denn vor ihrem achtzehnten Ge burtstage darf sie es doch nun einmal nicht erfahren. Wie sie es nur aufnehmen wird, die kleine Dorette? Und nun war sie auch zur Dämmerstunde nicht da. Irgendwo draußen mochte sie sich amüsieren. Vielleicht War sie auch mit Erich, dem Kleinknecht, und Marie, der Magd, aufs Feld gefahren. Es wurden jetzt noch die Wasserrüben hereingeholt. Und bei solchen Arbeiten war Dorette gern dabei. Sie kutschierte dann. Möglich war es auch, daß sie in einem der weichen, weißen Kleider, die ihr Frau Ahnert zurecht zauberte, sich in die Ecke des Hellen, geblümten Sofas gekuschelt hatte und träumte. * * * Sibylle saß bei den Eltern. Sie konnten sich einander längst nicht mehr sehen. Sie sprachen miteinander von diesem und jenem. Herrn Mahlow war in den letzten Wochen das Aus sehen Sibylles auch aufgefallen. Er schob es aber ihrer Sehnsucht nach Friedrich Keller zu. Auch jetzt, während das Gespräch nach und nach ins Stocken gekommen war, dachte er daran. Und aus diesen Gedanken heraus sagte er: „Es ist eigentlich nicht recht von Friedrich Keller, daß er dir nicht einmal schreibt, Sibylle. John hätte sicher viel für ihn tun können. Ich war ja vollständig überrascht, als mir mein Schwiegersohn seine geradezu märchenhafte Ver mögenslage klarlegte. Einmal sprach ich mit ihm von deinem Verlobten, und Korne bedauerte es aufrichtig, daß er nichts für ihn tun konnte. Mädel, Mädel, du vertrauerst hier ein Jahr nach dem anderen, vertrauerst deine besten, schönsten Jugendjahre! Weshalb schreibt er dir denn nur nicht?" lFortsetzung folgt.)