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Ä für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Nr. 132 — 91. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telezi.-Adr: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 8. Juni 1932. I I Dplg., di. 4»«Ip<>I>.n- I-IIe der amtlichen Bekanntmachungen «0 Reiche S«schÄb'«n-ErichK°nl7. 'n. textlichen Teile I BMK. N°chw.ilunge«.bkh- 2V Reich-pfennige. D°» Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 SstW'WA durch Feenrul übermittelten Anzeigen übern wir deine «arantie. Jede. Aadattanlpruch erlilch^w.nn dkr'ZeWnch «läge eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. " Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauvtmannschatt Mecken des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Das „Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. srei Haus, bei Poslbestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Ap>g. Alle Poftanfialten, Post- n7m.n^ie^^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Fall« höherer Gewalt, " ' Krieg oder sonstiger Ve- triebsstörungen besteht kein Anspruch aus Lieferung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises.— Rücksendung eingeiandter Echriststiicke erfolgt nur, wenn Porto deilieg». Kupfer und Salpeter. An und für sich würde für die Welt eine RevoIu - lion in Chile etwa von demselben Interesse sein wie eine solche in Bolivien, Argentinien oder einem der sonsti gen, nicht gerade revolutions-ungewohnten Staaten Süd- bezw. Miltelamerikas. Aber wenn man den von dort her kommenden Nachrichten trauen kann, so handelt es sich drüben in diesem lang an der Westküste Südamerikas hin- gestreckten Staate doch um mehr als nur um eine der landesüblichen Revolutionen, in denen Politiker oder Generale um die Macht kämpfen. Sondern es scheint die erste gewaltsame Eruption gegendenDruckunddie zerstörende Wucht der Weltwirtschafts krise zu sein, von der Chile in einem ganz besonders starken Maße betroffen worden ist und mit der man unter dem jetzigen Weltwiktschafts„system" — wenn man heute überhaupt noch von einem System sprechen kann! - ein fach nicht fertig zu werden schien. Chile ist festgerannt in seinen ungeheuren Beständen an Salpeter und Küpser. „Chilesalpeter" — das war einst der Haupt reichtum dieses Landes, das die Ausfuhr dieses Dünge mittels durch einen kräftigen Zoll zur Grundlage der Staatsfinanzen zu machen vermochte. Und alles ging gut und schön, alle Welt kaufte — und mußte kaufen — diesen Chilesalpeter, bis die Chemie durch die Erfindung des künstlichen Stickstoffs zur schwersten Be drohung für Chile wurde. Ebenso für die amerikanisch englischen Gesellschaften, die „Cosa ch", in der die gesamte chilenische Salpeterindustrie vereinigt war. Verhandlungen mit den anderen stickstoffproduzierenden Ländern, wie be sonders Deutschland, wo die JG.-Farbenindustrie längst einen gewaltigen Erzeugungsapparai aufgebaui hatte, zerschlügen sich an den recht unbescheidenenForde- rungen der Chilenen, besser gesagt: der dort alles be herrschenden Amerikaner, und zwar mit dem Erfolg, daß sene „Coinpagnie de Salitre de Chile" völlig versagte, in die größten Zahlungsschwierigkeiten geriet und auf Salpetervorräten festsitzt, die etwa dreimal so groß sind wie der Gesamtabsatz des vergangenen Jahres, also über 600 000 Tonnen. Dabei hatte man 193t die Erzeugung schon auf die Hälfte des Vorjahres zurückgeschraubt. Der Staat Chile selbst Hai sich ja daher auch genötigt gesehen, seine Zahlungen an ausländische Gläubiger einzustellen, nachdem vor zweieinhalb Monaten schon der Gold standard für die Währung aufgegeben worden war. Beim Kupfer sieht es ebenso, vielleicht noch schlechter aus. Chile ist der zweitgrößte Kupfererzeuger der Welt und dabei spielen die Newyorker Finanzfürsten Guggenheim — die übrigens auch den Salpetertrust „Cosach" beherrschen - eine entscheidende Rolle. Nun gibt es auf der ganzen Welt ein Übermaß von Kupfervor räten, und selbst tiefsteinschneidende Einschränkungen der Produktion konnten es nicht verhindern, daß der Preis für Kupfer ins Bodenlose sank. Damit aber auch Wieder die Einnahmen Chiles aus dem Kupseraus- fuhrzoll. Das einzige, was ins Katastrophale stieg, war die Arbeitslosigkeit in Chile, — höchstens noch die durchaus berechtigte Furcht, daß sich diese Arbeitslosigkeit dann noch beträchtlich vermehren würde, wenn nun erst die „Cosach" saniert, d. h. sie zum größten Teil oder ganz die Salpeter- industrie bis auf weiteres stillegen würde. In diese Industrie ist aber erst im vergangenen Jahre bei ihrem völligen Umbau ein Kapital von 1,5 Millionen Mark hin- eingesteckt worden, und man kann sich nun vorstellen, wie es auf die Börsen und Großbanken in Newyork undLondon wirken muß, wenn tatsächlich die vagen „Sozialisierungs pläne" der — heutigen — Regierung durchgeführt werden sollten. Aber auch deutsches Vermögen in Chile ist durch die letzten und allerletzten Entwicklungen schwer betroffen, da deutsches Geld und deutsche Arbeit einen immerhin recht breiten Raum in der dortigen Salpeter- industrie einnahmen. Allerdings ist dies schon im Vor jahre durch die „Cosach" an die Wand gedrückt worden; so haben wir in Chile nicht mehr allzuviel zu verlieren. Unsere Ausfuhr nach Chile betrug 1931 etwa 65 Mil lionen. Die cbilenische Revolution ist also die unmittelbare Folge des furchtbaren Rohstoffüber- schuss es der ja wie eine Betondecke über der ganzen Welt liegt.' Durch etwaige Verstaatlichung namentlich der Salpeterindustrie wird an deren Niederbruch praktisch nichts geändert, denn heute ist die Erzeugung das Nebensächliche, während sich alles um die Absatzfrage dreht und vorläufig noch auf unabsehbare Zeit drehen wird. Das Konferenzgedränge. Abrüstung — Tribute — Weltkrise. Mit den drei großen internationalen Konferenzen, derAbrüstungskonferenzin Genf, derTribut - konferenz in Lausanne und der Weltkrisen konferenz in London, die in der nächsten Zeit statt finden sollen, kommt man jetzt ins Gedränge. Ihre Auf gaben berühren und überschneiden sich teilweise so innig, daß es schwerfällt, sie nebeneinander und ineinander zu schachteln Entscheidende Belvreckunaen über die Weiter- preuhen unck ckas Keich. Vorzeitige Einberufung des preußischen Landtags. Ein Schreiben von Papens an den LandtagSprSsidcMen. Im Vordergrund der Innenpolitik Deutschlands steht gegenwärtig die Frage: Preußen und das Reich. Der Reichsregierung von Papen ist daran ge legen, daß möglichst schnell eine verfassungsmäßig sanktionierte verhandlungsfähige Regierung in Preußen am Ruder ist, damit wichtige schwebende Fragen, für deren Erledigung die Mitarbeit Preußens notwendig ist, sobald wie möglich geregelt werden können. Reichskanzler von Papen hat daher an den Präsi denten des Preußischen Landtages, Kcrrl, ein Schreiben gerichtet, in dem der Kanzler den Präsidenten bittet, sich dafü einzufetzen, daß der P r e u ß i s ch e Land 1 ag, der nach den bisherigen Vereinbarungen erst am 22. Juni wieder zusammentretcn sollte, früher ei «berufen werde. Der Reichskanzler begründete diese Bitte da mit, daß zwischen dem Reich und Preußen gegenwärtig verschiedene wichtige Angelegenheiten, besonders Finanz fragen. zu verhandeln feien und daß er cs für besser halte, wenn diese Verhandlungen auf preußischer Seite nicht von einem gcschäftsführcnden, sondern von einem nach ver fassungsrechtlichen Grundsätzen gebildeten ordentlichen Kabinett geführt werden können. Präsident Kcrrl hat sofort den Ältestenrat des Preußischen Landtages auf Freitag, den 10. Juni,einberufen. In dieser Sitzung des Ältestenrates soll die Entscheidung über eine frühere Einberufung des Preußischen Landtages getroffen werden. Vefprechungen über die Regierungsbildung Darüber hinaus hatte Präsident Kcrrl Besprechungen mit den Vertretern der Deutschnationalen und des Zen trums Über die Lage, wie sie sich nach dem Schreiben des Reichskanzlers von Papen an den Landtagspräsidenten gegenwärtig in Preußen ergibt. Es ist anzunehmen, daß bei der Erörterung der Regierungsbildung in Preußen besonders die Frage besprochen werde, wer für den Posten des preußischen Ministerpräsiden ten in Aussicht genommen werden könnte. Es hat den Anschein, als ob auf diesem Wege tatsächlich eine Lösung der Negierungsfrage in Preußen möglich ist. Das Zen trum scheint unter Umständen bereit zu sein, sich auf solche Verhandlungen einzulassen. Von den Nationalsozialisten ist zwar eine Stellung nahme noch nicht bekannt geworden, doch hält man es in parlamentarischen Kreisen für möglich, daß auch diese mit diesem Verhandlungsweg sich einverstanden erklären werden. Bis zu der am Freitagnachmittag anberaumten Ältestenratssitzung, in der nach Möglichkeit der Termin für die Wahl des Ministerpräsidenten festgesetzt werden soll, werden die meisten Parteien Gelegenheit haben, eine Klärung der preußischen Regierungsfrage herbeizuführen. Über die Person de/ in Aussicht genommenen Kandidaten wird strengstes Stillschweigen bewahrt. In gut unterrich teten Kreisen verlautet, daß der Vorsitzende der deutsch nationalen Landtagsfraktion Preußens, Dr. Winter fe l d t, die meisten Aussichten hat, auf diesen Posten be rufen zu werden. Sollte übrigens keine Einigung der preußischen Land tagsfraktionen Uber die Wahl des preußischen Minister präsidenten Zustandekommen, so wird nach wie vor davon gesprochen, daß die Reichsregierung dann einen Reichs- kommissar für Preußen einsetzcn würde, der die Vollmachten haben soll, wie sie dem preußischen Minister präsidenten verfassungsmäßig zur Verfügung stehen. Es ist möglich, daß ein Mitglied der Reichsregierung diese Aufgabe >bernehmen wird. Streit um 400 Millionen. Zwischen Vertretern der Reichsregierung und Ver tretern der geschäftsführenden preußischen Staatsregie rung fanden wichtige Besprechungen statt, die dazu dienen sollten, den 100-Millionen-Fehlbetrag im preußischen Haushalt auszugleichen. Die Reichs regierung war vertreten durch Reichskanzler von Papen und Neichsfinanzminister Graf v. Schwerin-Krosigk; die preußische Staatsrcgierung durch den Wohlfahrtsminister Hirtsiefer, der an Stelle des Ministerpräsidenten Braun, der einen mehrwöchigen Urlaub angetreten hat, die Leitung der Staatsgeschäfte in Preußen übernommen hat, sowie den Finanzminister Klepper. Die Vertreter Preußens stehen auf dem Standpunkt, daß die Neichs- regierung Brüning sich seinerzeit verpflichtet hatte, der preußischen Regierung gegen Abtretung der preußischen Anteile an der Siedlungsbank die Mittel zur Deckung des Fehlbetrages zur Verfügung zu stellen. Von zuständiger Netchsstelle wird hierzu betont, daß die Negierung Brüning bei den damaligen Verhandlun gen durch den Heutigen Finanzminister Graf v. Schwerin- Krosigk, der auch im letzten Reichsfinanzministerium eine leitende Stellung innehatte, keine bindenden Zusiche rungen gab. Es habe sich vielmehr lediglich um eine be dingte Zusage gehandelt, da noch gewisse Bürgschaften durch Preußen geleistet werden mußten. Die Verhand lungen seien infolgedessen nie endgültig abgeschlossen worden. Am den posten des preußischen Ministerpräsidenten. Die NSDAP, fordert das Amt für sich Der preußische Pressedienst der NSDAP, wendet sich gegen den deutschnationalen Abgeordneten v. Winter feld als Kandidaten für das Amt des preußischen Ministerpräsidenten. Es heißt in der Mitteilung: Ohne zu der Person des Herrn v. Winterfeld Stellung zu nehm n, erklären wir Nationalsozialisten, daß wir für keinen deutschnationalen Ministerpräsidenten stimmen würden. Für die Nationalsozialisten komme nur die Kandidatur eines Nationalsozialisten zum Ministerpräsi denten in Frage. Die Nationalsozialisten lehnen es a b, ihre Stimme für irgendeinen anderen Kandidaten ab zugeben. fuhrüng der Abrüstungskonferenz werden Ende dieser oder Anfang nächster Woche erwartet. Die Arbeiten der technischen Ausschüsse, die ausschließlich den Auftrag hatten, die A n g r i f f s w a f f e n zu bestimmen, die nach dem Beschluß der Konferenz entweder verboten oder internationalisiert werden sollten, werden im Laufe dieser Woche abgeschlossen. Das Ergebnis ist völlig negativ, da die Ausschüsse zu einer eindeutigen Be stimmung der Angriffswaffen nicht gelangt sind. Die Konferenz wird daher jetzt zu entscheiden haben, ob nicht die gesamten Arbeiten auf eine neue Grundlage gestellt werden müssen. Völlig ungeklärt ist die Frage, ob jetzt im Hinblick auf die Lausanner Konferenz eine Unterbrechung der Arbeiten stattfindet oder ob die Arbeiten bis zur Sommerpause im Juli weitergeführt werden sollen, um die bisher noch nicht behandelte deutsche Forderung auf Anerkennung der Gleichberechtigung und die fran zösische Forderung aus Internationalisierung in An griff zu nehmen. Die Abrüstungskonferenz gelangt jetzt an einen entscheidenden Wendepunkt, da sowohl über die rein formale Weiterführung der Arbeiten als auch über die gesamten materiellen Grundlagen entschieden und ein Ausweg aus der vr^ig festgefahrenen Lage ge funden werden muß. In internationalen Kreisen nimmt man an, daß die Lausanner Konferenz nur von kurzer Dauer sein und das Schwergewicht der ursprünglich in Lausanne zur Verhandlung vorgesehenen großen Wirtschafts- und handelspolitischen Fragen auf die kommende Lon doner Weltkrisenkonferenz verlegt werden wird. Die Lausanner Konferenz wird allgemein nur als die erste vorbereitende Etappe für die kommende Welt krisenkonferenz angesehen. Deutschlands Vertreter in Lausanne. Der Reichskanzler und drei Minister. Deutschland wird auf der am 16. Juni beginnenden Lausanner Konferenz durch den Reichskanzler von Papen, den Reichsaußenminister Freiherr von Neurath, den Retchssinanzminister Gras von Schwerin-Krosigk und den Neichswirtschafts- minister Warmbold vertreten sein. Außer den genannten Persönlichkeiten werden vor aussichtlich Staatssekretär von Bülow und Staats sekretär Trendelenburg nach Lausanne reisen. In politischen Kreisen verlautet im Zusammenhang hier mit, daß der Reichsbankpräsident Dr. Luther gebeten werden wird, sich als Sachverständiger in Lausanne zur Verfügung zu stellen. * Vormittags in Genf — nachmittags in Lausanne. Gleichzeitige ReparationS- und Abrüstungsverhandlungen? Der Präsiden! der Abrüstungskonferenz, Henderson, will das Präsidium der Konferenz zum 13. oder 14 Juni somit unmittelbar vor der Lausanner Repa- r a tto n's k o n s e r e n z, einberufen. Ferner besteht die Absicht gleichzeitig mit der Lausanner Konferenz im Nahmen der Abrüstungskonferenz im Hauptausschuß die groben Abrüstungsfragen in Angriff zu nehmen. Unter diesen Umständen soll vormittags in Gens und nachmittags in Lausanne verhandelt werden. Äuf diese Weise würde praktisch eine gleichzeitige Behand lung der Abrüstungs- und Reparationsfragen stattfinden.