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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das .Wilsdruffer Tageblatt' erscheint an allen Werktagen nachnittags S Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— BW. Mi Haus, bei Poftdestellung 1,80 BW. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Bpsg. Alle Postanstalten, Post- xLn^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Falle höherer «ewal», — Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Ampruch auf Lieferung der Leitung oder Kürzung des Bezugsprcifes. — Rücksendung eingefandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8ge1pa!1eve Naumzeile 20 Npfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs Pfennige, die 3gespaltene Neklamezeile im textlichen Teile 1 NMK. NachweifungsgebLhr 20 Reichspfenuige. Vor- ÄAn^US Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 anuahme bis norm.1VUHr. » '" Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Radattanipruü erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 28. Mai 1932 Wie RMW die MM retten M. An Stelle der Tribute „Kompensationen"! Paris, -lm „Paris Midi" gibt heute Pamlevs Erklärun gen über hie Vorschläge ab, die er als Mitglied der künftigen Negierung zu unterbreiten gedenkt. Er geht aus von dem Ge danken, den er bereits 1922 entwickelt hat, nämlich alle Kriegs schulden mit dem normalen Spiel der wirtschaftlichen Kräfte zu verschmelzen. Er bleibe selbstverständlich ein Verteidiger der geheiligten Rechte Frankreichs, aber er sei überzeugt, daß man von diesen Rechten nichts aufgebe, wenn man sie zur Grundlage eines großzügigen europäischen Liqmdaticmspianes mache, des sen Entwurf und heften Durchführung das Verdienst Frank reichs sein müsse. Painlevö schlägt vor, eine internationale Kompensativns- und Amortisationskafte für den Frieden zu gründen. Sämtliche europäischen Staaten sollen aufgefordert werden, freiwillig ohne Zwang und ohrve Tribut ihren Beitrag Mr die Liquida tion zu leisten. Die französischen Rechtstitel würden so im Rahmen einer Ge samtregelung wirtschaftlicher Natur als Ausgleich für die Kon- ten dienen, die gegenwärtig nicht abgedeckt werden können. Der Begriff „Tribute" würde durch den Begriff „Kompensation" ersetzt werden. Selbstverständlich müsse den Zahlungsmöglichkeiten Deutsch lands Rechnung tragen werden und man wisse, daß ein Land wie Deutschland sie in hohem Maße besitzt. Das Wirtschafts leben der Welt würde aus diesem Plane neue Kräfte und neues Gleichgewicht schöpfen und das Vertrauen wiedergeboren werden. Sobald der Plan der Kompensations- und Amortisa tionskasse von den europäischen Mächten unterzeichnet sei, wer de man ihn Amerika zur Gegenzeichnung vorlegen und die Amerikaner vor die Wahl stellen, entweder mit Nutzen an der europäischen Regelung teilzunehmen oder die Verantwortung zu tragen, alles zu zerstören. Mratonum-verlängerung für Deutschland untragbar. Gegen Vertagung der EndlSsung in Lausanne. Kn der französischen Presse wird neuerdings sehr stark für eine Vertagung der Endlösung in Lau« sänne Propaganda gemacht. Da man offenbar in Frankreich den Standpunkt vertritt, daß eine Lösung der Reparationsfrage erst nach einer Klärung der Schulden frage erfolgen könne und daß dies wieder erst möglich sei, nachdem die amerikanische Präsidentenwahl stattgefunden hätte, glaubt man, die Entscheidung bis zum Dez e m- ber vertagen zu müssen. Die Schwierigkeiten, die dadurch entstehen, daß die Bestimmungen des Hoover-Morato riums am 1. Juli d. I. ablaufen, glaubt man in Frank reich dadurch umgehen zu können, daß man dann bis zum Dezember einfach eine Verlängerung der Bestimmungen dcS> Hoover. Moratoriums nm ein halbes Jahr vor- schlägt. Da diese Ansicht auch außerhalb Frankreichs ge äußert worden ist, muß deutscherseits festgestellt werden, daß alle derartigen Pläne der tatsächlichen Lage Deutsch lands nicht gerecht werden. Die Bestimmungen des Hoover-Moratoriums gs- währen Deutschland tatsächlich nur einen sehr kurzfristigen Zahlungsaufschub und befreien Deutschland nur zum Teil von den Lasten des Young-Planes. Insbesondere wird das Hoover-Moratorium auch der Tatsache nicht gerecht, daß Deutschland nicht zahlen kann. Es kann daher ÄS sicher gelten, daß die deutsche Regierung jedem Vorschlag auf Verlängerung der Bestimmungen des Hoover-Mora toriums für Deutschland um ein halbes Jahr ablehnend gegenübersteht. Es wäre daher wünschenswert, wenn das Ausland sich klar darüber wird, daß die Lage Deutschlands sich fett dem 1. Juli 1931 so weitgehend geändert hat, daß es nicht angängig ist, die damals eingesetzten Mittel zur Abwen dung einer Verschärfung der Krise noch einmal einzusetzemi Nr. 123 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Gein oder Nichtsein..." Die Frage an Lausanne — Die Frage an die Welt — Nichtsein oder Dasein. - Es ist keine Flucht hinein ins Literarische, hinein in die Kunst, wenn man heute Hamlets, des Prinzen von Dänemark, pessimistisch-ahnungsvolle Feststellung wieder holt: „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage." Denn diese „Hamlet-Frage" mit ihrem Sein oder Nichtsein ist ja etwas, was bewußt oder unbewußt jeden Menschen durchwühlt. Oder doch zum mindesten durchwühlen sollte! „Die Völker werden nicht mehr länger warten, weil sie nicht mehr länger warten können und nicht mehr länger warten wollen!" halte unlängst der Kanzler des Deutschen Reiches im Namen 65 Millionen Deutscher gesagt. So politisch zerspalten das deutsche Volk sein mag — hinter jenem Satz Dr. Brünings stehen alle deutschen Parteien. Erfreulicherweise Hal man auch schon in Frankreich er kannt, daß man einmal die Trikolore an der Ruhr auf pflanzen konnte, daß es sich aber weder wirtschaftlich noch politisch lohnte. Und daß es sich heute noch viel weniger lohnen würde, zum zweitenmal Poincarö-Politik zu treiben. Sein Adjutant aus den Tagen des Versailler Diktats, Herr Tardieu, hat die Leitung der französischen Politik in die Hände Herriots abgeben müssen. Im Beginn des Wahlkampfes hat sich Tardieu ganz besonders dessen gerühmt, daß er zu den wenigen aktiv tätigen Staats männern gehöre, die einst den Frieden von Versailles Unterschrieben hätten. „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage", die die L a u s a n n e r K o n f e r e n z beantworten soll. Wir erwarten es als Deutsche schon gar nicht mehr, daß 'Herriot den Young-Plan oder gar den Versailler Frieden In das offene Grab hineinschmeißt, wie dies Hamlet mit dem hohlen Schädel Yoricks tut, der einst der geistvolle Spaßmacher am Hose des dänischen Königs gewesen War. „Armer Yortck", „Armer Young-Plan", — England, Amerika, andere Staaten wollen den hohlen Schädel deutscher Tributvcrpflichtungen hinein in die Grube werfen, in Frankreich selbst wagen sich die Stimmen immer lauter hervor, die unter dem Druck auch dort wachsender AOeUslosigkeit und Wirtschaftsnot die Toten würmer in unserem Wirtschaftssystem herumkriechen sehen, — sollen m Lausanne die Männer, in deren Herzen und Hände das Schicksal der Welt gelegt ist, zögern und zaudern vor der „Tat" wie Hamlet? Schmetternd klingt in die Weltgeschichte hinaus der Ruf: „Sein oder Nichtsein, Las ist hier die Frage!" * > Leider weiß man ja als Mensch der Nachkriegszeit, paß die Antwort aus diesen Trompetenruf des Schicksals bisher immer ein seniles Stammeln gewesen ist. Wenn man von T a r d i e u spricht, so denkt man daran, daß er es war, der für die Beratung der „großen Vier" in Ver sailles 1919 em Bittgesuch schuf, auf das Wallensteins Ausruf: „Kann rch Armeen aus der Erde stampfen, wächst mir ein Kornfeld auf der flachen Hand?" insofern ausge zeichnet paßte, als den Unterzeichnern jener Bittschrift, die Len Anschluß des Saargebiets an Frankreich Forderte, von ihrem Verlangen ebensowenig etwas bekannt war wie von dem Mißbrauch ihrer Namen. Daran zu er innern ist heute notwendiger denn je, da alle Welt von Ler Notwendigkeit spricht, daß für die Lausanner Kon iferen; und vor ihr eine deutsch-französische Verständigung geschaffen werden müßte. Von ihr kann ja nur die Rede sein, wenn von dem tatsächlichen Beherrscher der Welt, also Frankreich, endlich einmal die Frage des „Seins oder Nichtseins" Deutschlands in bejahendem Sinne be antwortet wird. Uns Deutschen ist, weiß Gott, nicht nach 'Jubiläumsfeiern zumute, aber — gerade vor einem Jahr rüstete sich Dr. Brüning zu der ersten Fahrt, die ein deutscher Reichskanzler ins Ausland gemacht hat, nach Chequers. Wir wissen heute einigermaßen damals wußten wir es nicht —, daß es sich bei dieser .Reise Dr. Brünings wirklich um das „Sein oder ^Nichtsein" Deutschlands handelte, daß da mals der Reichskanzler dem englischen Ministerpräsidenten diese Frage vorlegte, ob der Young-Plan Deutschland ab- würgen sollte oder das bloße Dasein eines 65-Millionen- Volkes die Welt auf den Kopf zu stellen bestimmt sein Könnte. Durch Macdonald hat damals der Präsident Hoover die Frage mit einem bedingten Ja beantwortet, aber dieses Ja kann doch nun nicht von einer einzigen Macht in das Nein, in ein „Nichtsein" umgewandelt wer den; Frankreich kann gegenüber dem, was sich seit drei Jahren in der Welt vollzog, nicht mehr nur das eine hart näckige Shhlockwort kennen: „Nein, ich steh- hier auf meinem Schein!" Wesen Wechsel zu honorieren hat sich Deutschland Pie erdenklichste Muhe gegeben. Als vor Jahresfrist Dr. Brüning nach England fuhr, hinterließ er eine steuer- sordernde Notverordnung, die ausdrücklich betonte, daß der deutsche Steuerzahler am Rande des Trag baren angelangt sei oder diese Grenze schon überschritten habe. In den vergangenen zwölf Monaten sind wir noch weiter hineingewandert in das Gebiet des Untragbaren, und auf diesem Wege liegt niedergebrochen ein großer Teil der deutsche» Wirtschaft. Über 12 Millionen, allo Hal Mning das Vertrauen Hindenburgs? Dor der Fertigstellung der Notverordnung. Das Reichskabinett nahm seine Beratungen zur Fertigstellung der neuen Notverordnung wieder aus. In den Beratungen wurden die Wünsche des Reichspräsidenten hinsichtlich der Kriegsrenten und der Siedlung zweifellos berücksichtigt. Nach der Fertigstellung der Notverordnung wird dann der vorgesehene Vortrag des Reichskanzlers beim Reichspräsiden ten am Sonntag vormittag stattfinden. Wie verlautet, beabsichtigt der Kanzler, den Reichs präsidenten vor die Frage zu stellen, ob er noch das volle Vertrauen des Reichspräsidenten genieße, weil es sonst für ihn keinen Sinn habe, die Notverordnung, die auf lange Sicht berechnet sei, gegenzuzeichnen und durchzu- sühren. Welche Antwort der Reichspräsident erteilen wird, steht noch dahin, PP Man darf annehmen, daß der Kanzler in der Unter redung auch auf die große Bedeutung der bevorstehenden Lausanner Konferenz und aus die von ihm dafür geleistete Vorarbeit Hinweisen wird. Die in der Presse stark erörterte Frage einer Um bildung des Kabinetts wird erst nach Klärung dieser Vorfrage entschieden werden. Alle Berichte über die Absicht des Kanzlers, sein Kabinett durch bestimmte Persönlichkeiten zu ergänzen — z. B. für das Reichswehr- mimsterium General Hasse, für das Reichswirtschafts ministerium Go erd el er, für das Reichsinnenministe rium Geßler usw. — find daher verfrüht. ungefähr einFünftelder deutschen Bevölke rung, werden durch Unterstützung der öffent lich e n H a n d hingeschleppt durch ein kümmerliches Sein, das nur allzu oft in ein Nicht-mehr-sein-wollen um schlägt. Seit mehr als zwei Jahren wird von denen, die noch nicht von der tödlichen Hippe der Arbeitslosigkeit niedergemäht find, ein immer größerer Teil des Arbeits einkommens abverlangt, um den Arbeitslosen zu helfen. Jetzt soll sich diese Forderung noch weiter steigern. In gleichem Maße sinkt das allgemeine Lebensniveau, die Lebenshaltung des deutschen Volkes. Und so rückt, auch politisch, der Augenblick immer näher, da es nicht mehr an der Zeit ist, Hamletfragen über das „Sein oder Nicht sein" zu stellen, da nicht dieser Ausspruch Shake speares, sondern eines andern Engländers bekanntes Wort zur Wirklichkeit wird, nämlich Darwins „Kamps um das Dasein". Dr. Vr. Andere Verteilung -er Arbeit. Stegerwald über Wirtschaftskrise und Sozialpolitik. Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald sprach in dar Deutschen Weltwirtschaftlichen Gesellschaft über Wirt schaftskrise und «Sozialpolitik. Er führte u. a. aus: I« weiten Arbeitgeberkreisen glaube man gegenwärtig, be sonders die Lohn- und Sozialpolitik losgelöst von der übrigen Politik behandeln zu können. Die Frage ist, ob wir endlich ein Volk werden wollen, oder ob wir wieder zurück in den Kasten- und Klassenstaat und erneut zur Ent fremdung der Arbeitermassen gegenüber dem Staat kom men wollen. Der Glaube, wir müssen uns amerikani sieren, ist uns nicht gut bekommen. Man mag zur privat kapitalistischen Ordnung stehen wie man will: die Zeit des Niederbruches ist jedenfalls denkbar ungeeignet für Sozialisierung. Die Kostenaufbringung für die Sozialversicherung spitzt sich immer mehr auf die Frage zu: Was können die in Arbeit Stehenden abgeben an jene, die dauernd oder vorübergehend aus dem Wird- schaftsprozeß ausgeschieden sind? Vor dem Kriege betrug der Beitrag zur Sozialversicherung 7,9 Prozent des Lohnes, heute an 20 Prozent (Arbeitgeber- und Arbeit nehmeranteil). Für die Arbeitnehmer ergibt sich hieran- zweierlei: je höher die Beiträge, desto geringer der noch verbleibende Lohn, und je höher in einem kapitalarme» Lande die Sozialabgaben, desto geringer der Kreis de* Beschäftigten. In diesen Tagen steht die Frage zur Ent scheidung, ob die Beiträge zur Arbeitslosenhilfe ernerrl erhöht werden sollen, um die Arbeitslosen über den künf tigen Winter zu bringen. Dabei muß man sich klar fein, daß heute jede Nen- belastung der Produktion so und soviel Arbeitslose mehr bedeutet. Bis jetzt ist sozialpolitisch nichts zerschlagen; es ist lediglich ein Abbau der Leistungen erfolgt, nicht ein Ab bau der Einrichtungen. Auf weitere Sicht nennt Stegerwald drei Möglich keiten: zurück zum Individualismus, zum Sozialismus, und als dritte: weitgehende wirtschaftliche Selbstverwal tung der Beteiligten. Wir müssen wieder zurück vom Tarifvertrag zur Tarifgcmeinschast. Die Tarifverträge müssen z» Gewerüe- gesetzen ausgestaltet werden. Unmittelbar bevorstehende Auf gaben sind: Die Schaffung einer einfachen, klaren und billigen Staatsorganisation. Erst bei der Neuordnung des Gesamtsteuerwesens wird sich allenthalben klar zeigen, was die öffentliche Verwaltung künftig noch leisten und