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MsdmUTageblali Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts- gertchts und des (Ltadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Naumzeile 20 Npfg., die 4gespaltene Zeile der amtlicken Bekanntmachungen 40 Reichs* Pfennige, die 3gespaltene Neklamezeile im textlichen Teile 1 NMK. Nachweisungsgebuhr 20 Reichspfenniye. Vor» geschriebeneErscheinungs- tage und Blotzvörichriften werden nach Möglichkeit A LkN fpkL6 k' ÄMl 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10Uhr. ' ' -- - , Fi^r die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine (Garantie. Jeder Nadattanipruü erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Wochenblatt für Wilsdruff u, Umaeaend trirdsstSrungen dcstchl »ein de> ,elNmn oder Kürzung des Bezugspreises?- Rück'-ndung erngeianorer vqrisistücke erfolgt nur, wenn Porlo beiliegl. Nr. 112 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: Wir harren des Geistes. Die ^rom^n des Mittelalters erzählen es und in Goethes „Reineke Fuchs" wird es im Gewände der Tier- fabel geschildert, wie einst die deutschen Kaiser zu Pfingsten die Scharen ihrer Getreuen um sich sahen zu fröhlichen Feiern. Denn dieser Tag ist das erdgebundcnste, das erd verbundenste Fest des Deutschen, wenn die Natur erwacht und ihr Wachsen und Sprießen in dem, der ihr verwandt ist, neues Hoffen und Wünschen aufkeimen laßt. Auch der Großstädter Hal die Verbindung mit ihr noch nicht ganz Verloren, doch — erzählen wir eine kleine Geschichte, die uns in den Erinnerungen eines Adjutanten des alten Kaisers Wilhelm überliefert ist. Am Morgen des ersten Pfingsttages trat der Adjutant in das Zimmer des damals noch preußischen Königs und traf diesen am Fenster stehend an, mit Tränen in den Augen auf den draußen herabrieselnden Regen schauend: „Meine Berliner 'tun mir ja so leid, sie hoffen und freuen sich doch immer aus ein sonniges Pfingsten und brauchen es ja auch so sehr." „Ja wirklich, — wir brauchen es so sehr! Aber kür brauchen mehr als nur das „liebliche Fest", zu dem grünend und blühend die Natur sich rüstete. Wir brauchen, was das Tönen der Pfingstglocken heischt und fordert, — einen neuen Geist. Wir schreien nach ihm mit einer Stimme, die schon fast erstickt ist von Not und Sorge. Für viele, viele Millionen Deutscher, für weit mehr, als nur die nackte Ziffer der Arbeitslosen es angibt, ist Pfingsten nicht jenes „liebliche Fest", wie es in Goethes Tier-Epos heißt. Zwischen den grünenden und blühenden Zweigen der Natur draußen grinst uns das flenchlose Gesicht der Sorge entgegen und reißt uns den Becher vom Munde. Und blitzartig huscht der Gedanke, das Gedenken zurück zum Pfingsten 'des vergangenen Jahres, — was alles liegt zwischen damals und heute! Sollen wir auch, sollen wir noch immer daraus harren, nur harren, daß endlich ein neuer Geist über die Welt kommt? In Genf sind ja viele Lenke beisammen, die es genügend brauchen könnten, daß dieser neue Geist wie auf die Apostel am Psingstfcst mit feurigen Zunaen und unter einem a?- gcwaltigen Brausen Herniedersahre, damit alle alle Völker, die auf sie Horen, endlich die Heilsbotschaft vernehmen, in wieviel Sprachen sic auch verkündet werden möge. Aber in Genf — ist man aus Pfingsturlaub gegangen. „Wir können nicht m«Hr warten, weil die Völker nicht mehr warten wollen und nicht mehr warten werden. Was uns noltut, ist nicht eine Multiplikation der Konferenzen, sondern die beschleunigte, die ganze Tat", — nämlich eine Tat, die, um jenes Wort des deutschen Reichskanzlers zu vervollständigen, aus einem neuen Geiste geboren sein muß. Rein, die Völker wollen nicht mehr nur harren aus den neuen Geist, der alles hinausjagt und hinaustreibt, was die Füße aus dem Sumpf des Gestern und Vorgestern nicht herans ziehen kann. Ist denn die Gegenwart für unzählige Millionen des Menschengeschlechts rund um den Erdball nicht derart, daß man es nur als Irrsinn bezeichnen mutz, wenn allzuviele immer nur auf das Ehegestern zurück stieren und nicht den Blick auf den Pfingst m o r g e n hinwenden, der auf leuchtender Sonnenbahn einen neuen Geist heranführen soll! In seinem Grünen und Blühen sprießt mit drängender Kraft der Wille der Menschen und der Völker empor, leben, nur leben zu wollen. Wir wollen nicht bloß mehr harren auf das Kommen jenes neuen Geistes, sonst wird der Schrei der Verzweiflung bei den Völkern, „die nicht mehr warten wollen und nicht mehr warten werden", auch das vom Himmel kommende Brausen übertönen, wenn und weil dieses zu spät an hebt. Man darf nicht mehr in Urlaub gehen und sich „für alle Fälle" verlassen auf — Bombengeschwader und Kampfgase! Dieses „Zu spät" steht in der Geschichte oft über dem Vergehen von Völkern und Epochen. In einer Zeit, da täglich neue Triumphe der Technik verkündet werden, da die „Wirtschaft" das Dasein der Menschheit kommandieren will, drängt sich immer stärker nach vorn — der Mensch. Und sein Wollen stößt durch die Betondecken hindurch, die sich als Eigenwerte auf ihn zu legen versuchen. Für ihn ist die Erde da und nicht für jenes andere, das ihm nur dienen sollte, das ihn aber zu beherrschen versucht. Anders als die Gedanken jenes Mannes, der vom „Untergang des Abendlandes" sprach, es uns vorgezeichnet haben, öffnen sich die Wege einer Entwicklung, die den Menschen wieder in seine naturgeborenen Rechte einsetzen wird. Viel leicht war es notwendig, auch durch die Dunkelheit der vergangenen Jahre zu gehen. Vielleicht ist auch dieser Weg noch nicht zu Ende. Aber wir werden uns durch kämpfen zu einem P f i n g st m o r g e n, an dem wir nicht mehr harren aus den neuen Geist, sondern an dem er auf uns unter Himmelsbrausen herniederfährt. Dr. Pr. Krisenpfingsten. politische Lähmungen in Frankreich — Hilfe für den Mittelstand — Kümmerliche Pfingstserien. über dem Leichnam des 13. französischen Staatspräsi denten hat sich die Gruft geschlossen und unmittelbar, nach dem der Donner des Trauersaluts verhallt war, traten an „Amtsblatt" Wilsdrusf-Dresden Postscheck: Dresden 2610 Sonnabend, den 14. Mai 1932 Versailles hat WiistW »erspralhe« Große Abrüstungsaussprache im englischen Unterhaus. Im englischen Unterhaus entwickelte sich eine große Aussprache über die Abrüstungsfrage. Außenminister Simon wies zunächst darauf hin, daß die Einberufung einer Abrüstungskonferenz schon in den Schriftstücken ge fordert worden sei, die bei der Unterzeichnung des Ver sailler Vertrages ausgetauscht wurden. Der Versailler Vertrag sehe ganz klar eine allgemeine Rüstungsbegrenzung auch für die alliierten und assoziierten Mächte vor, nachdem die unterlegenen Mächte diese an genommen hätten. Der Minister verwies weiter auf das Völkerbundsstatut, den Clemenceau-Brief und die beson ders wichtigen entsprechenden Sätze des Locarno- Abkommens. Gegen den französischen Plan einer internationalen Armee wandte Simon ein, daß man dafür einen inter nationalen Oberbefehlshaber, einer internationalen Ge neralstab und ein internationales Kabinett haben müßte. Churchill überraschte seine Zuhörer mit der Be merkung, daß er es außerordentlich bedauern würde, wenn eine Annäherung zwischen der militärischen Stärke Frank reichs und Deutschlands stattfinden würde. Er fragte diejenigen, die derartige Erwägungen an- stelften, ob sie etwa den Krieg wünschten. Er wolle hiermit nicht etwa sagen, das; er keine Bewunderung für die großen Eigenschaften des deutschen Volkes habe und sie nicht berücksichtige. Die Theorie jedoch, daß das deutsche Voll in militärischer Hinsicht aus die gleiche Stufe wie Frank reich gestellt werden solle, würde, in die Wirklichkeit um- gesetzh die Gesahr eines unermeßlichen Unglücks näher bringen. seinen Nachfolger die Forderungen des politischen Lebens heran. Und das geschah in recht eigenartiger Form, die saft wie eine — Intrige aussah: Selbstverständlich gab der im Wahlkamps schwer geschlagene französische Minister präsident Tardieu beim neuen Staatspräsidenten seine und seines Kabinetts Demission. Nun hätte es bis herigem parlamentarischem Gebrauch in Frankreich ent sprochen, wenn dieser bei einem Präsidentenwechsel rein formell erfolgenden Demission eine sofortige Neubeauf tragung und Neuübernahme der Ministerpräsidentschaft gesolgt wäre; aber Tardieu hielt seine Amts niederlegung aufrecht und will nur die lau fenden Geschäfte weitersühren, bis ein neues Kabinett an seine Stelle tritt. Das alles, ohne formell von der Deputiertenkammer als Ministerpräsident ge stürzt zu sein! In einer Zeit wie der jetzigen aber, da eine unabsehbare Masse drängendster politischer und wirt schaftlicher Probleme aller Art einen wilden Hexenianz vor den bangen und angsterfüllten Augen der Völker auf führen, ist es doch platterdings eine Unmöglichkeit, daß die hierfür wichtigste Macht, Frankreich, eine Regierung besitzt, die den gepackten Koffer in Vorzimmer zu stehen Hai und bis zum 4. Juni, dem Tage des Zusammentritts der Deputiertenkammer, politisch nur so tut, als ob sie was tut. Wenig wahrscheinlich ist es z. B., daß Tardieu nach Genf geht, um dort sich an der Abrüstungskonferenz zu beteiligen. Daß auch die Verhandlungen über die am 16. Juni beginnende Lausanner Konferenz inzwischen aus einem toten Gleis stehen, ist selbstverständlich. Darüber,, daß hier also eine wochenlang andauernde „Lähmung" in der französischen Außenpolitik eingetrcten ist, nun etwa deutscherseits mit tauten Worten zu schelten, ist natürlich vollkommen zwecklos, so wenig notwendig selbst vorn Standpunkt der französischen Innenpolitik aus jene Lähmung ist. Eines aber hat Tardieu erreicht: er hat Herriot in die Zwangslage versetzt, sich bald nach links oder nach rechts entscheiden zu müssen, also ob er sich mit den Sozialisten oder mit der Mitte koalieren will. Herriol wird mithin das Pfingstfest kaum als Feiertage ausnutzen und sich in diesen Tagen auf den Lorbeeren seines Wahlsieges ausruhen können. -i- Der DeutscheReichskanzler dürste trotz seines Sieges im Reichstag und über den Reichstag ja auch nür recht kümmerliche Pfingstferien haben. In seiner „P fl n g st r e d e" hat er ja förmlich an den Fingern her gezählt, wieviel Problem-Hexen uns zähnefletschend um tanzen. Zu dieser Zählung brauchte er aber mehr als alle Finger seiner beiden Hände, — und dabei hatte er nur die wichtigsten genannt! Und sie sind alle so grauenhaft lebenswichtig sür uns Deutsche in allerpersön- lichsier, alltäglichster Form. Sie stehen im Vorder grund vor den großen Problemen der Weltwirtschafts krise, der Tributfrage, des internationalen Warenaus tausches usw., — aber es sind alles, alles. „Sofort- Probleme", an die heranzugehen eine bittere und durch kein Pfingstfest zu verzögernde Notwendigkeit ist. Wieder, wie schon vor einem halben Jahr in seiner Regierungs- EmLadung nach Lausanne. Fürden16. Juni. Die britische Regierung hat in ihrem eigenen Namen sowie im Namen Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Japans und Belgiens den Regierungen der Tschecho slowakei, Rumäniens, Südslawiens, Polens, Griechen lands, Portugals, der Britischen Dominions und In diens die Einladung zur Lausanner Konferenz für den 16. Juni übermittelt. Die Regierung der Vereinigte nStaaten hat bisher noch nicht den Wunsch ausgedrückt, auf der Lau sanner Konferenz vertreten zu sein, worauf es auch zu rückzuführen ist, daß sie keine Einladung erhalten habe. Die Frage, ob ein amerikanifcherBe ob achter teilnehmen wird oder nicht, werde, so wird erklärt, so lange unbeantwortet bleiben, bis die Mächte sich endgültig dar über enischieden hätten, welche Angelegenheiten sie in das Programm der Konferenz einbeziehen wollten. Die Ierakmgen des AcichskabmettS. Vor einer kurzen Pfingstpause. Das Neichskabinett setzte seine durch die parlamen tarischen Ereignisse der letzten Tage unterbrochenen Beratungen über die A r b e i t s b e s ch a f s n n g, den Arbeitsdienst nnd die anderen in der letzten Zeit von ihm behandelten Fragen fort. Die Beratungen des Kabinetts werden nach einer ganz kurz bemessenen Pfingst- pause etwa Mitte nächster Woche weitergeführt werden. erklärung vom Oktober 1931, hat auch jetzt in seiner „Pfingstrede" der Kanzler auf die immer wichtiger werdende Rolle hingewiesen, die „der Mittelstand", und zwar nicht bloß der kaufmännische und ge- werbliche, sondern auch die kleine nnd mittlere Industrie im Wirtschaftsleben spielt. Der Kanzler will das heute vielfach gehörte Wort von einer „Konzern dämmerung" nicht als unbedingt richtig anerkennen, be tont auch, ein massenhaftes, schlagartiges, und völliges Zu sammenbrechen von Großkonzernen für Deutschland geradezu als katastrophal halten zu müssen, — aber er. verweist doch wieder darauf, daß unter dieser schon stark rissigen Konzerndecke „beim Mittelstand a?/f verschiedenen Gebieten bereits eine erfolgreiche Konkurrenz des kleinen Unternehmers gegenüber dem größeren und größten ein gesetzt hat". Und wie damals im Oktober stellt Dr. Brüning fest, daß es sich dabei nicht bloß in Deutschland, sondern überall in der Welt um eine „strukturelle Krise" in der Weltwirtschaft handele, daß man daher „der Energie, Opferfreudigkeit und Entschlußkraft der kleineren selbständigen Existenzen möglichst die Bahn frei machen müsse", weil sic diejenigen seien, deren Dauerhaftigkeit und Stärke zur Überwindung der Krise ausreiche. Quali tät, nicht mehr allein Quantität, nicht Massenwaren und Warenmassen, sondern „Spitzenleistungen"! Wie im Oktober verlangte Dr. Brüning „eine Berück sichti- gungderkleinerenundmittlerenBetriebe bei der Kreditgewährung". Eine Einsicht in eine Notwendigkeit, damals uni jetzt wieder, — aber über diese Einsicht ist man noch nicht weit hinausge kommen zu Taten, die jenen aufstrebenden Lebenskräften des Mittelstandes eine festere Grundlage zum Handeln geben können, als er bisher hat. Leider bedeuten auf dem Wege zu solchen Taten — anch bei den anderen Problemen, die der Kanzler streifte oder behandelte — die innenpolitischen Vor gänge und Entwicklungen zweifellos Hemmun gen schwerer und immer noch steigender Art, woran auch die Ablehnung des Mißtrauensantrages gegen das Ka binett im Reichstag praktisch wenig ändern Denn Brü ning hat — aus sachlichen Gründen— den Wirtschafts- und den Neichswehrminister verloren, und das bedeutet keineswegs eine Konzentrierung seiner Kräfte, sondern eine Schwächung. Daß er außerdem im Reichstag über eine Mehrheit verfügt, die formell zwar ausreicht, inner lich aber von Sprüngen und Rissen durchzogen ist und sich jeden Tag als brüchig erweisen kann, hat auch die letzte Viertagesitzung trotz des starken Eindrucks er wiesen, den der Kanzler mit seinen außenpolitischen Aus führungen und Zielsetzungen Hervorrufen konnte. Die Stärke dieses Eindrucks und die außenpolitisch zielsichere Linie ist unverkennbar und wurde auch allseits anerkannt, — aber auch das ist für Dr. Brüning, sein Kabinett und seine immer noch zahlreichen Anhänger im Lande ein nicht allzu starker Trost sür das deutsche Pfingsten 1932.