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MdmfferTageblaii für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gehaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- psennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachmeisungsgebühr 20 Reichspsennige. Dor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 ann-»m«bisvorm.loUh-. — Mr die Richriedei, der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir deine Garantie. Jeder Robatianiprnü erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggebe Konkurs gerat. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. frei Haus, bei Postbestellung 1.80 ^M. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten, Post- 2 ^enblatt für Wilsdruff ».Umgegend Falle höherer »ewatt, — ' — Krieg oder ionsliger Be« « triebsstörungen besteht kein A ch aus ^ieseruNi der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung e- Lndter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 103 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruss-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 3. Mai 1932 WlW MstreWölle ms IWg. Haushaltssorgen. Auch nach der Schlußrede des amerikanischen Staats sekretärs Stimson in Gens ist die Welt gerade so klug wie zuvor: Die große Öffentlichkeit weiß weder, wie die weitere Entwicklung der Weltabrüstungsfrage vor sich zehen soll, noch ob man sich in Genf hinsichtlich des Welt problems der deutschen Tribute bzw. der „interalliierten Kriegsschulden" irgendwie nähergekommen ist. „Zeit und Geduld" verlangte Stimson schon für die Lösung der Abrüstungsfrage, — Zeit und Geduld fordert noch weit mehr die Behandlung der Tributfrage. Alles befindet sich in der Schwebe. In rin paar Tagen erledigt jetzt die Reichsregierung einen haushalt, der eigentlich — keiner ist! Denn man weiß «licht, welche Posten man auf der Einnahmenseite einsetzen soll. Zweimal ist im Laufe des vergangenen Jahres der — übrigens im März 1931 vom Reichstag genehmigte — haushalt des Reiches abgeändert, aus der Ausgabenseite stark zusammengcstrichen worden, als es sich nämlich herausstellte, daß die Neichseinnahmen sehr viel geringer waren, als man es bei der Aufstellung des Haushalts entwurfs berechnet hatte. Die Ereignisse, die Entwick- lungen während des Haushaltsjahres, also zwischen dem 1. April 1931 und dem 31. März 1932, zerschlugen alle Berechnungen. Es war daher nur zu ver stehen, daß angesichts der absoluten Ungeklärtheit der finanziellen Lage — der Reichsverpflichtungen ebenso gegenüber dem Ausland wie gegenüber dem Inland — das Haushaltsjahr 1932 zunächst um drei Monate ver längert wurde mit der Maßgabe, daß die sachlichen Aus gaben um ein weiteres Fünftel zusammengestrichen wurden. Heute läßt sich noch nicht sagen, ob diese Ver kürzung der Ausgaben dafür genügt, um mit den Ein- nahmen zu einem Ausgleich zu kommen. Den» die Reichsregierung kann bei ihren jetzt statt- findenden Beratungen und Beschlüssen über den Reichs haushalt nicht einmal mehr auf den finanziellen Ergeb nissen des vergangenen Haushaltsjahres fußen. Sie rechnet anscheinend auch nicht damit, daß die Wirtschafts, krise, die ihr die Einnahmen dezimiert, schon in den nächsten Monaten durch eine Verbesserung der Konjunktur abgelöst wird. Daß im Reichshaushalt aus der Ausgaben seite irgendwelche Summen für T r i b u t z a h l u'n g e n nicht erscheinen werden, entspricht nur der oft unter strichenen, auch in Genf wiederholten Feststellung des Reichskanzlers, daß Deutschland nicht in der Lage sei, Tribute zu bezahlen. Bekanntlich hat auch der englische Schatzkanzler die deutschen Zahlungsverpflichtungen des Doungplans bezw. die englische Schuldentilgung gegen über Amerika nicht in den Staatshaushalt Englands ein gesetzt, während Tardieu im französischen Haushalt diese Einnahmen aus den deutschen Tributen ausführen ließ. In Wirklichkeit liegen die Dinge eben so, daß nicht einmal die fällig werdenden kurzfristigen Anleihen privater Art, die von Deutschland im Ausland ausgenommen sind, aus Mangel an Devisen voll zurückgezahlt werden können und daß ein gleichfalls fällig gewordener mittelfristiger Reichs kredit im Betrage von 500 Millionen Mark durch das Newyorker Bankhaus Lee, Higginson u. Co. um ein Jahr verlängert werden mußte, einfach, weil wir nicht in der Lage waren, diese Schulden zu bezahlen oder gar sie in Devisen zu transferieren. Allein für den Zins-, Amorti- sations- und Rückzahlungsdienst der lang- und mittel fristigen deutschen Anleihen im Ausland mußten im Jahre 1932 verpflichtungsgemätz über 1600 Millionen Mark in Devisen aufgebracht und transferiert werden — also un gefähr so viel, als der Aoungplan uns an Verpflichtungen für das Haushaltsjahr 1932/33 auferlegt. Auch die Ver längerung fällig gewordener oder noch werdender Kredite bewilligt das Ausland natürlich in der Erkenntnis, daß Deutschland nicht in der Lage ist, seinen Zahlungsver pflichtungen nachzukommen. Demgegenüber türmen sich zu ungeheuer licher Größe die Aufgaben und die — Ausgabenotwendigkeiten des Reichshaushalts auf. Finanziell ist unsere ganze Sozialversicherung in ein bedrohliches Schwanken gekommen, und es bedeutet nur eine Verschiebung der Kostenaufbringung, wenn z. B. die Lasten der Arbeitslosensürsorge zum größten Teil jetzt den Gemeinden aufgebürdet sind. Die bisherige Ent wicklung hat leider gezeigt, daß eine wesentliche Ent lastung des Arbeitsmarktes offenbar nicht eintritt, da von einer wirklichen Besserung der Wirtschaftskonjunktur vor läufig nicht die Rede ist. Infolgedessen muß die Reichs- regierung bei ihrer Behandlung des Reichshaushaltes auch damit rechnen, daß bei ihr einzelne Länder und sicherlich überaus zahlreiche Gemeinden finanziell not leidend als Bittsteller erscheinen werden. In welchem Umfange dies geschehen wird, läßt sich noch gar nicht ab sehen. Hinzu treten noch die nach Verwirklichung geradezu sch reiendenProjektederArb ei ts- oeschaffung, der möglichsten Erweiterung des frei willigen Arbeitsdienstes, der Ostsiedlung und noch andere Pläne zur Intensivierung unseres Wirtschaftslebens, Man braucht nicht erst noch auszuführen, von welch furcht barer Notwendigkeit dies alles ist. Ebenso notwendig kreilick ist es, den Reichshaushalt auf der Ausgavenseite Was gedenkt die Reichsregierung zu tun In sensationeller Aufmachung veröffentlichten eng lische Zeitungen Berichte aus Danzig, in denen es u. a. heißt, Polen habe sckne Pläne für die Besitzergreifung des Freistaates Danzig sertiggestcllt. Nur ein in letzter Stunde erfolgter Schritt Frankreichs habe verhindert, daß die polnische Flagge am 1. Mai über Danzig wehte. Der Korrespondent sagt: Die maßgebendste Persönlich keit an Ort und Stelle — kein Pole oder Danziger — habe ihm erklärt: „Die Polen haben ihren Kops verloren." Die Behörden hätten befürchtet, daß die polnische Flotte in den Danziger Hafen einsahren und, wie im Falle der Wegnahme von Wilna, die Welt vor eine vollendete Tatsache stellen würde. Der Oberkommissar Gras Gra - vina habe sich dringend mit dem Generalsekretär des Völkerbundes in Verbindung gesetzt und ihm warnend von dieser Gefährdung des europäischen Friedens Mitteilung gemacht. Diese Meldungen haben in Berliner politischen Kreisen beträchtliches Aufsehen erregt. Wie an zuständi ger Stelle verlautet, scheinen amtliche Warschauer Kreise nicht hinter dem Unternehmen gestanden zu haben oder zu stehen. Vielmehr handelt es sich nach Berliner Auffassung, falls sich die Meldung als richtig Herausstellen sollte, um ch a u v i n i st i s ch e Kreise oder um sonstige auf abenteuerliche Pläne eingestellte Leute. Es braucht wohl kaum betont zu werden, daß die deutsche Regierung mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln vorgehen würde, falls polnischerseits versucht werden sollte, gegen Danzig in der beschriebenen Weise vorzugehen. Die Vorgänge werden in Berlin mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. In diesem Zusammenhang ist es von Interesse, daß die Danzig-polnischen Abmachungen über das Anlege recht polnischer Kriegsschiffe im Danziger Hafen abgelausen sind. In Zukunft gelten für die polni schen Kriegsschiffe , die den Danziger Hafen anlaufen wollen, die internationalen Bestimmungen für das An laufen fremder Häfen. Bisher konnten nämlich polnische Kriegsschiffe ohne vorherige Anmeldung im Danziger Hafen vor Anker gehen. Das Abkommen über dieses polnische Sonderrecht war bereits im vorigen Jahr ab gelaufen und ist seinerzeit bis zum 1. Mai d. I. verlängert worden. Die Annahme der Reichsregierung, daß es sich bei diesem geplanten Anschlag nicht um amtliche polnische Kreise handelt, sondern um chauvinistische Heißsporne, kann den Ernst der Lage nicht übertünchen. Bei der völlig zerrütteten innenpolitischen und wirtschaftlichen Lage Polens haben leider die „nichtamtlichen" chauvinistischen Abenteurer bedeutend an Oberwasser ge wonnen. Noch ist ''s dem alten Marschall Pilsudski unter Graf Gravina, der Völkerbundkommissar in Danzig. dem anzupaffen, worauf das Reich bei einiger Voraussicht an Einnahmen rechnen kann. Aus einer Steuererhöhung irgendwelcher Art läßt sich heute doch keine Steigerung der Einkünfte des Reiches herausholen. DieSchraube '-st längst überdreht! Und daher wird die Aus gabenseite im Reichshaushalt nur unter dem Diktat der möglichen und voraussichtlichen Einnahmen stehen müssen. Sich nach dieser recht kurz gewordenen Decke zu strecken, ist ebenso gebieterisch wie bittere Notwendigkeit, großer Mühe gelungen, seine abenteuerlichen Militärs von Gewaltstreichen gegen deutsches Gebiet fernzuhalten. Wenn er aber einmal vom Schauplatz abtritt, was bei seinem geschwächten Gesundheitszustand schon sehr bald erfolgen kann, dann besteht die dringende Gefahr, daß um seine Nachfolge unter den Generalen seiner Um gebung ein heftiger Wettkampf einsetzen wird. Da aus innenpolitischem Gebiet in Polen keine Lorbeeren mehr zu ernten sind, werden die Kandidaten solche auf außenpolitischem Gebiete suchen, und das wehr und waffenlose deutsche Grenzgebiet würde die beste Gelegenheit bieten, sich bei dem polnischen Volk mit billigen „militärischen" Erfolgen beliebt zu machen. An dieser Tatsache ändert auch ein „amtliches" polnisches Dementi nichts. Die Pläne gegen Danzig sind diesmal noch nicht zur Ausführung gekommen. Daß sie bestehen, ist sicher. Die Reichsregierung ist gewarnt. Möge sie nichts Unterlasten, um einem neuen Überrumpelungsversuch rechtzeitig vorzubeugcn und ihn von vornherein unmöglich zu machen. Vollendete Tatsachen sind schwer oder nie wiedergutzumachen, auch nicht durch „Schritte" des Völkerbundes. * Ein Dementi des Grafen Gravina Der Danziger Völkerbundkommissar, Graf Gra vina, hat dem Generalsekretär des Völkerbundes tele graphisch ein Dementi zu den Meldungen über eine be vorstehende militärische Besetzung Danzigs übermittelt nach denen der Danziger Völkerbundkommifsar sich wegen einer bevorstehenden militärischen Bedrohung Danzigs durch Polen bereits an den Generalsekretär des Völker bundes gewandt habe. Von amtlicher Danziger Seite wird mitgeteilt: Die englischen Pressemeldungen sind sichtlich die Folge des Verhaltens der polnischen amtlichen Stellen gegenüber der Danziger Wirtschaft, die in ihrer Konsequenz zum völligen Erliegen der Danziger Wirtschaft führen müsse and die wiederholt zu Anträgen auf Entscheidung beim Hohen Kommissar des Völkerbundes geführt haben. * Moskau über die Bedrohung Danzigs erregt Die Nachrichten über eine beabsichtigte Besetzung Dan zigs durch die Polen hat in Moskau größtes Aufsehen er regt. In politischen Kreisen wird erklärt, die polnische Regierung würde, wenn sie einen solchen Schritt unter nähme, die Lage in Osteuropa erheblich verschärfen. Die russische Außenpolitik lege Wert auf das Wciter- bestehen Danzigs als Freistaat. Das Danziger Problem sei völlig anders als die Wilnafrage. Ein polnischer Streich gegen Danzig könne in Osteuropa unabsehbare Folgen Hervorrufen. Das Außenkommissariat verfolgt die Entwicklung in Danzig mit größtem Interesse. England wartet die weitere EmiMng in Danzig ab London, 2. Mai. Die Meldungen der Londoner Zei tungen über die Vorgänge in Danzig kamen der Oesfentl'ch- keit in England sehr überraschend, da bisher die englische Presse die Vorgänge im Korridor so gut wie gar nicht berühr ten. In den zuständigen englischen Stellen wird angegeben, daß bisher noch keine Mitteilungen über die Ereignisse in Danzig vorliegen. Es besteht jedoch ein ausgesprochenes Bestreben, die Wichtigkeit der Vorgänge herabzumindern, obwohl die eng lische Regierung sowohl auf.dem Wege über Berlin wie über Genf auf den Ernst der Lage mehrfach aufmerksam gemacht worden ist. London vertritt den Standpunkt, daß noch keine englischen Schritte notwendig seien, solange sich die Lage nicht weiter zuspitze. * Mischer Protest im MMn Ssfiee Berlin, 3. Mai. Der polnische Botschafter hat nach Meldung Berliner Blätter aus London am Montag im Foreign Office dagegen protestiert, daß „gewisse Blätter Depeschen ver öffentlicht haben, in denen von polnischen Vorbereitungen zur Besetzung der Stadt Danzig die Rede ist." Der Botschafter hat erklärt, daß diese Informationen jeder Grundlage ent behrten.