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Wilsdruffer Tageblatt : 30.04.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193204304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19320430
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19320430
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-04
- Tag 1932-04-30
-
Monat
1932-04
-
Jahr
1932
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 30.04.1932
- Autor
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ner Bezugnahme auf den häuslichen Frieben die Forderung erhebt: Geh mit deiner Frau aus! Wenn du deine Frau lieb hast, so lasse sie nicht daheim, sondern gehe mit ihr aus. Und es klingt beinahe wie eine Einmischung in private Angelegen heiten, wenn es dann weiter heißt: Du glaubst garnicht, wie das hilft, manche „unreine Atmosphäre" zu bereinigen, „dicke Luft" zu verdrängen. Zweifellos liegt in diesen Worten eine ge wisse Wahrheit verborgen, wenn auch niemand zugeben wird, daß es bei ihm zuhause nötig sei, „dicke Luft" zu verdrängen. Wer dergestalt also für seine Frau etwas tun will, soll auch feine Kinder nicht vergessen. Für sie ist frische Lust im wirklichen sowohl als auch im vorgedachten Nebensinne eben falls oft recht dienlich. Da hat nun der Dresdner Zoo sich et was ganz besonderes ausgedacht. Vermutlich angeregt durch die in Berlin aufgebaute Liliputanerstadt hat die Direktion des Dresdner Tiergartens — unbekümmert um den wüsten Kampf, der zu gleicher Zeit unter den Herren Aktionären des Zoo aus gebrochen ist, — eine Kinderstadt in Vorbereitung, die Mitte Mai eröffnet werden soll. Man beabsichtigt damit, die Kinder gewissermaßen spielend mit den Dingen des praktischen Lebens bekannt zu machen. Was die heutige Großstadt für die Ewach- fenen bietet und von den Erwachsenen fordert, soll in verklei nertem Maßstabe auch den Kindern beigebracht werden. Da wird es ein Postamt geben, Eisenbahn und Feuerwehr sind vor handen, der Milchwagen raffelt durch die Straßen und selbst das Gebiet der Straßenreinigung ist nicht vergessen, obwohl dasselbe in Dresden jetzt nicht mehr in dem Maße beachtet wird, wie es in der Stadt des Hygienemuseums eigentlich zu käme. Es wird leider eben auch hier gespart. Sparen — das große, leider überall viel zu spät ausge rufene Leitwort ist eben auch in Dresden das Motiv für alle Handlungen. Hoffen wir nur, daß einer, der sich bisher nur leider recht viel Zeit genommen hat, mit seinen Gaben nicht allzu sparsam ist: der Frühling. Die warmen Gewitterregen haben das Grün herausgelockt. Aber noch fehlen die Blüten. Erft ihr Anblick vermag wieder den rechten Frühlingsglauben zu fchaffen. Jenen Frühlingsglauben, der uns so bitter Not tut. 150 Mre „Kxm, lieber Mai.. Von Erich B i e h a h n - Frankfurt a. d. Oder. „Komm, lieber Mai, und mache Die Bäume wieder grün! Und laß mir an dem Bache Die kleinen Veilchen blüh'n!" Wer hätte nicht aus Kindertagen diese Strophe und die zärtlich jubelnde Melodie im Ohr, womit wir einst den lieben Mai zu begrüßen pflegten, genau so, wie es unsere Kinder heute noch tun! Es liegt etwas liebenswürdig Altväterliches darin; man fühlt deutlich, daß diese Worte und diese Musik einer Zeit angehören die mehr Heiterkeit und unbefangene Lebenslust besaß als die Gegenwart. In der Tat, es ist das älteste heute noch lebendige Kinderlieb, das uns die Kunst dichtung geschenkt hat (wenn wir von einem ausgesprochenen Weihnachtsliede wie „Vom Himmel hoch" absehen, das Martin Luther für sein „Hänsichen" dichtete,) und es sind anderthalb Jahrhunderte vergangen, seitdem es zum ersten Male gedruckt wurde. Grund genug, sich einmal des be scheidenen Dichters zu erinnern, der es geschaffen hat. „Fritzchens Lieder von Adolf Christian Overbeck", so steht «s auf dem Titelblatt eines schmalen Bändchens, das 1782 in Hamburg herauskam. Darin findet sich auch unser Lied chen, überschrieben „An den Mai". In der Vorrede sagt der Verfasser: „In diesen Liedern hab' ich versuchen wollen, wie Weit ich's etwa im Kinderton treffen könnte" und „Hier spricht, wenn ich's gut gemacht habe, wirklich ein Kind". Obgleich aus solchen Sätzen ersichtlich wird, daß Overbeck seinen harmlosen Berschen eine gewisse Bedeutung beimaß, so sollte man doch nicht über vermeintliche Autoreneitelkeit lächeln. Es War in der Tat etwas Besonderes, was er bot, denn die Gattung der Jugendliteratur befand sich eben erst M Entstehen. Die Zeit, in der die Rute als Wahrzeichen fronst, v.I.sc^^kivkk-^oekrsil.- äurotr Verlas Oskar Kleister, V^sräan 8a. (3. Fortsetzung.) „Muß man hier nicht gesund werden, Alter?" Günther neigte sich über den Liegenden und suchte in dessen Blick. Dieser war fiebrig und voll quälender Unrast. Die schmalen Hände hoben sich von der goldgefaserten Gobelin- oecke, die fransenbeschwert über den Liegestuhl herabhing. ' „Gibt es hier so etwas wie einen Arzt, lieber Günther?" „Natürlich, mein Alter! Soll ich nach einem schicken?" „Es wäre sehr lieb von dir. Würdest du mir auch sonst noch einen Gefallen erweisen?" „Jeden, das weiht du doch." „Sind die Aerzte hier — ich meine — gibt es auch deutsche Mediziner in Dardschiling?" ,„Ich glaube, obwohl die Sanatorien hier mehrteils Eng länder in ihre Dienste gestellt haben. Du brauchst natürlich nur den Wunsch betreffs der Nationalität zu äußern." „Dann laß mir einen Engländer rufen, bitte." Günther staunte. Im Hinausgehen wandte er noch einmal das Gesicht nach dem Kranken zurück: „Also einen Engländer, Hans Peter?" „Ja! — Die Deutschen sind mir zu gewissenhaft." Der Baron verhielt den Schritt und kam wieder ein Sttick ins Zimmer herein. „Darf ich fragen, wie das gemeint war?" „Wie ich es gesagt habe! — Sie sind zu gewissenhaft. Das ist zuweilen sehr beruhigend — zuweilen kann es aber auch sehr lästig sein. Ich bitte also um einen Engländer." Günther nickte und verließ die Veranda, um nach Akab zu rufen, der gleich darauf die Straße hinaufschritt, welche nach einem Sanatorium führte. Würz stand in der Küche und unterwies den Parias in den Geheimnissen der Kochkunst. Als Günther über den matten belegten Fliesenboden kam, reichte ihm Stefan einen kleinen Zettel entgegen. „Speisekarte" las der Baron und hatte das sonst so streng, gezeichnete Gesicht zu einem Lächeln erhellt: „Pfannenkuchen, suppe mit Bratwürsten — Mensch, woher nimmst du Brat- Würste?" Stefan hielt die Handflächen gegen den Mund und drückte einen saugenden Kuß darauf: „Da ist da oben um die Ecke ein Landsmann, „Ochsenschweif" heißt er, das ist doch ein gut österreichischer Name, Herr Baron, nicht wahr? — Der hat imo JnstrvmeM einer gottgefälligen Kindererziehung galt, lag noch gar nicht weit zurück. Daß man auch mit Güte erziehen, auf die Vorstellungswelt des Kindes freundlich ein gehen könne, diese Erkenntnis war Errungenschaft der eben vergangenen Jahrzehnte, in denen unter dem Einfluß des neuen Humanitätsideales und der Aufklärung die letzten mittelalterlichen Schatten zu Weichen begannen. Die geistige Nahrung der Kinder hatte bisher nur aus Bibelsprüchen und Kirchengesängen bestanden, und alles dem jugendlichen Sinn wirklich Entsprechende, wie Märchen und Lieder, erhielt sich lediglich in der mündlichen Ueberlieferung der Ammen und Mütter. Jetzt, im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, be gannen einsichtige Männer Erzählungen, Verse, ja sogar dramatische Szenen zu schreiben, die eigens für die Jugend bestimmt waren. Weiße vornehmlich ist hier zu nennen mit seiner Wochenschrift „Der Kinderfreund". Unter den neu artigen Bemühungen dieser Art haben nun auch „Fritzchens Lieder" ihren Platz. Overbecks Meinung allerdings, daß aus diesen Gedichten wirklich ein Kind spräche, werden wir kaum zu teilen vermögen. Wir haben inzwischen doch ganz andere Vorstellungen vom Wesen des Kinderliebes gewonnen. In der Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts liegt etwas Ge künsteltes, Magisterliches, das sie uns fremd, ja in vielen Stücken ungenießbar macht. So ist es denn auch bezeichnend, daß von den sechs Versen unseres Liedes eigentlich immer nur ein einziger gesungen wird. In der Tat könnte Wohl heute kein Kind mehr Geschmack finden an einem Text wie dieser (Strophe 5): Am meisten aber dauert Mich Lottchens Herzeleid; Das arme Mädchen lauert Recht auf die Bmmenzeit. Umsonst hol' ich ihr Spielchen Zum Zeitvertreib herbei. Sie sitzr auf ihrem Stühlchen Wies Kükechen auf dem Ei. Aber Overbeck hat mit diesem Lied das fabelhafte Glück gehabt, daß es von einem Mozart vertont wurde. 1791 schrieb der Meister die unvergängliche Melodie zu „Komm, lieber Mai..." Als der Dichter 1793 eine Auswahl seiner Dichtungen herausgab, fragte er sich in der Vorrede, ob er recht daran tue, seine „vielleicht schon halb vergessenen Lieder wieder zu Wecken". Er ahnte nicht, daß eins davon schon zur Unsterblichkeit bestimmt war. Overbecks nicht eben reiches dichterisches Schaffen be schränkte sich ans das Gebiet der Lyrik. So wenig bedeutsam und originell, sie uns heute erscheint, den Zeitgenossen muß sie sehr gefallen haben. Jedenfalls geschah es, daß seine in Almanachen verstreuten Gedichte eines Tages zu des Dichters eigener Ueberraschung von einem Unbekannten in der Schweiz in Buchform gesammelt herausgegeben wurden. Ver schiedenes wurde vertont, und aus diesen sangbaren Versen wurde manche Wendung zum geflügelten Wort, z. B. „Warum sind der Tränen uuterm Mond soviel?" Overbecks äußerer Lebensweg war reich an bürgerlichen Ehren. Nachdem er verschiedene höhere Aemter in seiner Vaterstadt Lübeck bekleidet und man ihn zum Senator ge macht hatte, wählte man ihn 1814 zum Bürgermeister. Er starb 1821 im 67. Lebensjahre. Sein jüngste» Mohn Friedrich war der asketisch fromme Begründer der Macerbrnderschaft der Nazarener, die in der deutschen romantischen Kunst Richtung gebende Bedeutung gewann. BMMW Mö MWK Von vr. D. Konrad. Der Rundfunk ist oft als ein mechanisches Hilfsmittel der Volksbildung bezeichnet worden. Eine solche an der Ober fläche haftende Auffassung wird seiner Bedeutung tatsächlich nicht gerecht. Viel eher könnte man ihn als stärksten Be weis dafür nehmen, daß wir uns in einem neuen Zeitalter irrationalistischen Weltgefühls befinden. Der Rundfunk ist der Exponent einer neuen magischen Kultur. Seine bedeutendste Aufgabe als volksbildungsfördernden Mittels ist die Verbreitung der von Denkern der Gegenwart gewonnenen Einsichten: Einsichten, die dazu angetan sind, alles, wie es auch zu Hause die Metzger nicht anders haben können: Blut- und Leberwürste, Zunge, gebeizt und geräuchert! Brat- und Wienerwürste. Herrgott, Mensch, hast du denn keine Augen!" Er stieß den Parias zur Seite und riß den Deckel des Topfes herunter, der die kostbarste Fleischbrühe barg, die Baron Günther je geschlürft hatte. „Das beste läuft über, hat meine Mutter immer gesagt! Und die Dummen fressen das Magere. Lesen der Herr Varon weiter, bitte." Während Stefan den Kochlöffel in seinen Mehlteig schwang, überflog Günther die nachfolgenden Speisen. „Es ist gut, Stefan! — Nein, es ist vorzüglich. Und zum Wein etwas Syphon. Baron Hans Peter kann ihn sonst nicht vertragen." Würz sah ihm nach, wie er aus der Küche schritt und den Körper etwas nach vorne geneigt hielt. Gott ja. Man trug eine gemeinsame Not und jeder ging um dieselbe herum, wie um einen großen Holzstoß, der eine auf der, der andere auf der gegenüberliegenden Seite. Wenn man sich sah, machte man schleunigst Kehrt. „Verdirb dir den Magen nicht," warnte er den Parias, als dieser ein Stück rohen Fleisches verschlang, das Würz weg geworfen hatte, weil es ihm nicht mehr einwandfrei genug erschien. Draußen hörte er jetzt die ruhige, gleichmäßige Stimme des Hindu. Da der Baron mit ihm in seiner Muttersprache unterhandelte, konnte er nichts verstehen. Nur der Schwarze horchte auf und hielt für eine Sekunde im Kauen inne: „Hast du den Sahib hier eingeschlossen?" Er zeigte auf das Herz und verdrehte die Augen etwas. Stefan nickte zustimmend. Der Parias streckte sich etwas, als wollte er die Größe des Gefühls, mit welchem Würz an dem Gebieter hing, an gedeutet wissen. Stefan nickte und klopfte dabei Eier in die Teigmenge, daß es ein ganz safrangelbes Gebräu wurde. Der Schwarze seufzte. Dann kaute er weiter und begann nicht ohne eine gewisse Geschicklichkeit Gemüse einzuputzen. Baron Günther fand den Kranken, als er wieder ins Zimmer trat, nicht mehr auf dem Stuhle liegen, sondern in sitzender Stellung in einem der Korbsessel, welche unter der Verandatüre standen. „Du fühlst dich wohler?" Erfreut legte er ihm die Speise karte in den Schoß. „Stefan ist ein Genie! — Akab ist zurückgekommen und hat bestellt, daß Dr. Edward Alsworth in einer Viertelstunde kommen wird, nach dir zu sehen. Wimschest du, daß ich zugegen bin?" Günther horchte auf: „Ich dachte nur! — Du wärst dann die verworrene geistige Lage zu klären, Ordnung In die Ge hirne zu bringen. Es sollen Richtmarken für unser sittliches Wollen ausgestellt werden, um einem neuen Weltgefühl zum Durchbruch zu verhelfen. Die geistige Oberschicht der Nation, die Schicht der Volksbildner, ist wirtschaftlich in so trostloser Lage, daß es ihr gar nicht mehr möglich ist, sich durch die Anschaffung wissenschaftlicher Werke oder durch das nutz bringende Verfolgen führender^ Fachzeitschriften auf dem laufenden zu halten. Hier hat oe^ Rundfunk mit aller Ver antwortung als schöpferischer Mittler einzusetzen. Er hat im besten Sinne des Wortes eine univermtas iitteraruin zu sein, die alle Gebiete des Geisteslebens betreut. So versuchen die deutschen Sendegesellschaften, und beispielsweise auch die Deutsche Welle in ihrem Hochschul - funk den Wünschen und Forderungen der Geistig-Anspruchs vollen unter den Rundfunkhörern zu entsprechen. Wie imnrer wendet sich der Rundfunk auch mit diesen Darbietungen im Rahmen der Gesamtprogramme an jeden Hörer, doch er denkt dabei besonders und in erster Linie an diejenigen, die sich berufen fühlen, Bildungsarbeit am Volke zu leisten. Ihnen will er Rüstzeug geben; sie will er fördern und stützen für die schwere Aufgabe, die sie sich erwählt haben. Es dauert mit unter lange, bis sich grundlegende Erkenntnisse im Volke durchsetzen, die ein Geist (oftmals abseits der Heerstraße des Zünftigen!) gewonnen hat. Handelt es sich um Erkenntnisse, die für die Gestaltung des Weltbildes, für die geistige Haltung, für unser religiöses Fühlen und sittliches Handeln von ent scheidender Bedeutung sind, so ist das unbekannte Hin- Wummern ein Verlust für das Volksga:;e. Da der Rund funk schon häusig wertvolle Ideen dieser Art förderte, sie in Millionen Haushaltungen hineinwarf, sie Millionen auf- nahmebereiten Ohren und geistwilligen Köpfen anbot, leistete er auf diese Weise eine wertvolle Volksbildungsarbeit, die nicht unterschätzt werden kann. Er wirkt unmittelbar auf alle, die seine Stimme hören wollen und mittelbar — etwa durch die Gastvorträge von Gelehrten und Hochschullehrern aller Fakul täten — auf alle dke Geistigen, deren führender Einfluß in der Volksbildungsarbeit für die Entwicklung der kulturellen Be lange von weitestgehender Bedeutung ist. Der Rundfunk weiß, daß Bildung alle sozialen Schichten des Volkes treffen muß, um von ihnen getragen zu werden. Er ist darum auch nicht als rein mechanisch-wirksames Hilfs mittel im Dienste der Volksbildungsarbeit anzusprechen; denn er ist viel mehr — ein überempfindsames Instrument in der Hand der Verantwortlichen! — ein Seismograph unseres Lebens, der die geistigen Erschütterungen unserer Zeit bis ins kleinste genau verfolgt und aufzeichnet. Fröhliche Geographie Von Karl Lütge. Die „Erdbeschreibung" verstand man uns in der Schule leicht zum Greuel zu machen. Als wir die Geographie später bei Reisen erlebten, da wurde sie uns lebendig. Reisen ist glückseliger Zustand; Erlebnisdrang wird hier befriedigt. Auch Vas Durchblättern des Kursbuches, ein Durchstreifen liebens werter Gegenden aus der Landkarte und das Blättern m Reiseführern ist fröhliches Tun: erlebte Geographie. Auf allerlei geographische Schnurrigkeiten stößt, wer empfindsam Reiseführer, Prospekte, Berkehrsstatistiken, Land karten zu lesen Weiß. Aus trockener Wissenschaft wird fröh liche, lebendige Forschung. Im Hui springt uns diese oder jene bemerkliche, oft heitere geographische Seltsamkeit an. Der Freistaat Sachsen ist 14 986 Quadratkilometer groß und zählt mehr als fünf Millionen Einwohner; aber ein 1304 Einwohner zählendes Dörfchen bei Weinheim an der Berg straße nennt sich Großsachsen. (Das Stationsschild kann jeder auf der Fahrt von Frankfurt nach Heidelberg oder Mannheim erblicken!) Der höchste Schwarzwaldberg ist bekanntlich der nahezu 1500 Meter hohe Feldberg; der 880 Meter übers Meer ragende höchste Berg des Taunus heißt — „Großer Feld» berg". Ueber diese zwei Beispiele hinaus mag bemerkt sein, daß es in Deutschland rund 1100 Orte und Gutsbezirke gibt, die mit einem „Groß" ihre erhöhte Bedeutung betonen, da-j Desterreicherl (Fortsetzung folgt.). nicht gezwungen gewesen, auf alles Rede und Antwort zu stehen, das Sprechen ermüdet dich ohne Zweifel wieder " Hans Pc«^r sah geradeaus, wo eben ein Riesenschatten über die Schneefelder lief, der den Bergen ein trotzig finsteres Aussehen gab. „Dieser Alsworth ist demnach ein Engländer." „Ja, doch! — Ich habe wenigstens um einen englischen Arzt ersuchen lassen," erwiderte Günther, ein neues Staunen im Blick. „Mir wäre ein Deutscher sympathischer gewesen." Hans Peter sah nicht nach ihm hin. Unverwandt ver folgte er den Schatten, der jetzt die kantigen Hänge hinauf kletterte und wie ein Totenkopf über der Spitze hing. „Wenn die Koffer schon ausgepackt sind, würde ich dich bitten, das kleine Bündel Briefe und mein Tagebuch herauszusuchen und es auf dein Zimmer zu legen." „Auf mein Zimmer, Hans Peter?" „Ja!" Der Kranke spielte mit dem breiten Goldreif, der den Ringfinger der linken Hand umschloß. „Uebrigens wäre es mir lieb —" Im selben Augenblicke drehte sich die Gartentüre in den Angeln und auf dem mit rotem Sand bestreuten Wege, der nach dem Hause lief, kam ein Herr in Hellem Sommeranzug, das weiße Seidenhemd über der Brust etwas blusig gehalten« und von einer diskret farbigen Kravatte überschattet. Baron Güniher kam ihm einige Schritte entgegen. „An- ftetten." Er neigte sich leicht gegen den Arzt und horchte auf dessen tadelloses Englisch, das die Worte der Vorstellung begleitete. An seiner Linken ging er den Weg zurück, die fünf Stufen zur Veranda hinauf und machte ihn mit Hans Peter bekannt. „Ich lasse dich jetzt mit Mister Alsworth allein, mein Lieber," sagte er gütig. „Sollte dir meine Gegenwart erwünscht sein, so drücke auf die Klingel hier. Akab bleibt in der Nähe und wird es mir melden, falls ich es überhören sollte! — Auf Wiedersehen!" Er legte Peter die Hand leicht auf die Schulter und zwang dessen Vlick für eine Sekunde in den seinen. Sich nach Als worth verneigend, ging er die Verandastufen hinab und ver schwand zwischen dem Rhododendrongebüsch, welches sich an der Umfriedung des Besitzes hinzog. Der Arzt hatte sich den Stuhl, auf welchen Baron Peter gedeutet hatte, herbeigezogen und stellte einige gleichgültige Fragen. Er mochte anfang der Fünfziger sein und machte mit seinem offenen Gesicht und den klugen grauen Augen, die das Gemisch von Energie und Sehnsucht erkennen ließen, einen überaus sympathischen Eindruck. „Sie sind Deutscher, Herr Baron?"
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