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Wilsdruffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das .Mlsdrufjrr Tageblatt* allen Werktagen nachmittags b Uhr. Bezugspreis monatlich 2,- AM. ttl, gaus, bei Ponbestellung IM-UM. ,u,ü,l>ch BesteUgelb. Einzelnummern Iv Rpig. Alle Postanstallen, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ^olle höherer Gewalt, p . Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht Kem Rnfprucy auf Lieferung de: Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung e.ngeiandler Schrrftstüche ersolg, nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzelle 20 Rpfg., die ^gespaltene Zeile der amtlicken Vekanntnlachunxrn 40 Aerchs« Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im tertlichen Teile 1 RMb Rackweisungsgebühr 20 Reichspsennice. Vor- Lr'n'n-ch^uch^ Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 annahmebisoorm.IOUHr. — Für die Rirbt'.gkeit der durch Fernruj übermittelten Anzeigen übern, wir deine Earantte. Jede, Aabaltanipruct e,tischt, wenn der Betrag durch Klage eingczogen werden must oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts unddesStadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 107 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Montag, den 9. Mai 1932 Ein Opfer -es Irrsinns. . d"' französischen Staatspräsidenten w wen' L Irrsinnigen ansgeführt ttls ein politisches Attentat sein sollte eine Porüm^,,^ war, dann richtete es sich gegen nö itischen ^eid/> .vr? N'tzt anch ünßertich jenseits aller auch ch^ stand. Daß dieses bei ihm w a V ft , i? senatspräsident der Fall fteit dereiner der Hauptgründe für die Mehr- ' ''N, "nalversammlung gewesen, ihn und nicht den Z ""s '.problematischen" Briand zmu Staats- mÄl Wahlen. Ihn hat jetzt, zwei Monate nach F? m! . ^ad, die Kugel des Attentäters dem Gegner des 13. Mai 1931 nachgesandt. Aach dem Weltkrieg sind Attentate auf Staatsober- bauptcn sehr selten geworden. Ter Anarchismus unselig- mörderischen Angedenkens war tot. Und wenn trotzdem dr«: dOtcntatswelle seither stieg, so waren jetzt die An griffsziele nur Staatsmänner, die als besonders hervor- raaende Vorkämpfer politischer Programme oder als aarw, Politisch wirklich einflußreiche Persönlichkeiten . "der gelten. Aber Toumer war jetzt für die Offent- , u nur der Repräsentant des mächtigsten Reiches und ^ones der Welt, Ivar eine neutrale Persönlichkeit von uvußi ausgleichendem politischem Verhalten. irrsinnig wie die Tat und der Täter selbst ist der Ueupunkt, an dem sie erfolgte: Z w i s ch e n d c n b e i d e n Mahlgängen Mr Französischen Deputiertenkammer. -UM muß schleunigst die Nationalversammlung zusammen- treten, um den neuen Präsidenten zu wählen, während sich Pas Grab über den Leichnam des Gemordeten schließen wird. Und diese Neuwahl wird ohue die politische Er regung vor sich gehen, die etwa in Deutschland die Prä sidentenwahl zu einem heftigen Kampf geführt hat. An- aesichts der soliden parlamentarischen Verhältnisse in Frankreich — der Präsident wird dort von den zur Nationalversammlung vereinigten beiden Kammern ge wählt — und des verhältnismäßigen Reichtums an Männern, die an Doumers Stelle treten können, dürfte diese nur irrsinnige, ganz unpolitische Gewalttat eines einzelnen den Ablauf des staatlichen Lebens in Frankreich höchstens für ein paar Augenblicke verwirren. Bis zur Neuwahl nimmt das Kabinett die Rechte nnd Pflichten des Staatspräsidenten wahr; denn einen Vizepräsidenten kennt auch die französische Verfassung nicht, so wenig wie die deutsche, während z. B. an die Stelle des erschossenen amerikanischen Präsidenten Mac Kinley ohne weiteres der Vizepräsident Roosevelt getreten ist. Daß die beiden Kammern zur Neuwahl des Präsi denten der Französischen Republik schon sofort zusammen- berufen werden, die bisherige Deputicrtenkammer also »och einmal in Funktion treten muß, entspricht nur dem bisherigen Gebrauch seit Schaffung der Republik. Nur nach der Ermordung Carnots blieb der Stuhl des fran zösischen Staatspräsidenten vier Tage hindurch unbesetzt, und auch jetzt wählt mau erst am vierten Tage nach dein Hinscheiden Doumers den Nachfolger. Wenn aber, was mehrfach geschah, ein französischer Staatspräsident demissionierte, dann zog immer schon zwei Tage später der Neugewählte in das Palais d'Elysöe ein. So bleibt eigentlich nur das ganz Unpolitische, das allgemein menschliche Entsetzen nnd Bedauern darüber, oaß die Tat sich einen Mann zum Opfer wählte, dem gegenüber eben nur der Irrsinn mörderisch vorgehen konnte. Vier seiner Söhne hat Doumer im Weltkrieg ver loren, nnd das hat ihn vor zehn Jahren als Finanz- mittister auch hart gegen Deutschland gemacht; aber mit seinen nnsinuig großen Tributforderuugen entsprach er auch nur wieder dem, was alle Franzosen von Deutsch land verlangten, über all dem ging die Entwicklung hinweg. Und so wird weniger das politische Handeln und Unterlassen dieses Maunes in der Geschichte fortlebeu als der furchtbare Abschluß seines Lebens. ^cnatsprasidcnt Lebrun der die meisten Aussichten^ Präsident der Französischen werden. MßkWlitWM der Reichskanzlers Deutschland will Gleichheit. Reichskanzler Dr. Brüning über Abrüstung und Reparationen. Ter Berliner Verband der auswärtigen Presse veranstaltete im Schöneberger Rathaus eine politische Matinee. Erschienen waren Reichskanzler Brüning, Reichsminister Schiele, die preußischen Minister Severing, Steiger, Schmidt, Grimme und Klepper, die Staatssekretäre von Bülow, Pünder, Trendelenburg, Abegg, vom Diplomatischen Korps Nuntius Orsenigo, die Botschafter Englands, Italiens, Japans, der Türkei und Spaniens, die Gesandten Österreichs und Süd- slawiens, ferner Neichstagspräsident Löbe, sowie Mitglieder des Reichsrats, zahlreiche Vertreter der Ministerien und der Presseabteilung der Reichsregierung wie auch der übrigen Presseabteilungen, Vertreter der Stadt, der Auslandspresse und anderer reichsdeutscher Presseorganisationen, nicht zu ver gessen natürlich die Mitglieder der einladenden Organisation, die Verleger und Chefredakteure der Reichshauptstadt und aus dem Reich selbst. Nach einem Haydn-Quartett und dem Deutschlandlied, zu dem sich die Anwesenden erhoben, begrüßte der Vorsitzende des Berliner Verbandes der auswärtigen Presse, Dr. Thum, die Erschienenen. Reichskanzler Dr. Brüning dankte zunächst für die Worte des Vorsitzenden. Er wandle sich dann den Rückwirkungen der Wiederwahl Hinden burgs zu: Die Wiederwahl unseres jetzigen Reichsprä sidenten hat auch eine Epoche von Konflikten nnd inneren Zwistigkeiten beendet. Jetzt heißt es, sich einhellig um seine verehrungswürdige Person zu scharen, uni der internationalen Autorität seiner Persönlichkeit bei den kommenden außenpolitischen Aktionen diejenige mora lische Stoßkraft hinzuzufügen, die der einige Wille eines großen Volkes zu sichern vermag. Der Reichskanzler kam in seiner Ansprache, die, wie ein Rechenschaftsbericht über seine Arbeit in Gens anmutet, auf das Unglück des Versailler Vertrages ;u sprechen. Es hat sich schon vieles uns gegenüber zvm Bes seren gewendet, die Atmosphäre des Hasses ist vielfach ge wichen, aber in vielem besteht diese Ungerechtigkeit fort, und gerade in einem der wichtigsten Punkte, nämlich in ver Verteidigungsmöglichkeit dessen, was jedem Menschen das Teuerste und Heiligste sein muß. Darin besonders sind wir in einem Zustand minderen Rechts geblieben. Hiergegen bäumt sich ganz Deutschland mit Recht auf. Hierin sind sich alle einig, und hierin liegt die Bedeutung oer Abrüstung, die seit Februar in Genf einer Lösung ent- zegengeführt werden soll. Deutschland will keine Sonder- iechte, keine Privilegien. Es will nichts als die Gleich heit, uls die Beseitigung des Zustandes, der es in die Kategorie des Staates minderen Rechts und auf den Stand der Wehrlosigkeit in einer Umgebung bis aus die Zähne bewaffneter Staaten herabdrückt. VUr haben vor wenigen Tagen das Gerücht von einer bevorstehenden Be setzung Danzigs vernommen. Das Gerücht war nube- zründet. Aber wie hätte es so tiefe Beunruhigung in zauz Deutschland herbeiführen können, wenn eben nicht diese Ungerechtigkeit bestünde, wenn sich eben nicht mit rllen Mitteln moderner Kriegführung ausgerüstete Staaten rn der Seite eines wehrlosen Deutschland befänden. Die Reparationszahlungen. Längst ist in allen denkenden Köpfen die Überzeugung Ge meingut geworden, daß Deutschland die ihm auferlegten ungeheuren Zahlungen nicht leisten kann, ja, mehr als vas, daß diese Zahlungen entscheidend dazu beigetragen wbeu, den wirtschaftlichen Wirrwarr in der Welt herbei- Mführen, ihn bis ins Unerträgliche zu vergrößern und — dei ihrer Fortdauer — jede Möglichkeit der Besserung rusznschaften. Deutschland hat für den von ihm verlorenen Krieg wie wohl kaum ein Volk in der neueren Geschichte gelitten und Opfer bringen müssen. Einmal aber müssen diese Opfer ihr Ende haben! Einmal muß auch diese Rechnung ils beglichen anerkannt werden, wenn wirklich der Krieg als beendet erklärt werden soll! (Stürmischer Beifall.) Von der Lausanner Konferenz wird es äb- hängen, welchem Geschick nicht nur Deutschland, sondern sie ganze Welt entgegengehen wird, oder, ob sie weiter hin in Elend und Sorge versinken oder endlich aber den festen Grund finden werden, auf dem allein ein Wieder aufbau, eine Epoche fortschreitender Entwicklung mög lich ist! Wir können nicht mehr warten, weil die Völker nicht mehr warten wollen und nicht mehr warten werden! Was uns nottut, ist nicht eine Multiplikation der Konferenzen, sondern die beschleunigte, die ganze Tat! (Lebhafter Beifall.) Jni Zeichen dieses Tatwillens muß Lausanne stehen, sonst wird es nicht zum Meilenzeichen des Lebens, sondern zum Wegweiser des Zusammenbruchs. In dem Glauben an die unabhängige Zukunft unseres Volkes und Reichs bin ich Optimist. Das deutsche Volk hat in seiner Ge schichte alles Gute schwer erringen und erkämpfen müssen. So wird es aller Voraussicht nach auch in Zukunft bleiben. Tas fordert von uns allen Einsetzung der ganzen Kraft. Von einem einmütigen Willen beseelt wird Dentschland auch in schwerster Zeit ungebrochen und ungebeugt der besseren Zukunft entgegengchen, die wir erhoffen und für die wir alle unsere ganze Kraft einsetzen wollen! (Lang anhaltender Beifall.) Die Schlußansprache hielt Generalkonsul Maus, Ver leger der Kölnischen Volkszeitung. Er dankte dem Kanzler für seine Worte und verwies auf das Verständnis der Presse für die schweren Aufgaben, vor denen der Reichskanzler jetzt stehe. Die Trauer um Doumer. Lebrun nimmt die Präsidcutschaftslandidatur an. Die Leiche des ermordeten Präsidenten Doumer ist einbalsamiert und im Elysöe anfgebahrt worden, wohin von Montag bis zum Donnerstag die gesamte französische Öffentlichkeit zugelassen wird. Senatspräsident Lebrun hat die Kandidatur zum Staatspräsidenten angenommen und wird aller Voraus sicht nach am Dienstag mit erdrückender Mehrheit gewählt werden, obgleich man beabsichtigt, Painlevöals Kandi daten des Linksblock, aufzustellen. Painlevö hat sich seinen Entschluß uoch Vorbehalten. Beisetzung im pantheen. Die Beisetzung des ermordeten Präsidenten wird nach einem Beschluß des französische» Ministerrats am 12. Mai vom Elysöe aus stattfinden. Die sterblichen Ueberreste werden im Pantheon beigesetzt. Die Nationalversamm lung, die sich aus dem Senat und der jetzt scheidenden Kammer zusammensetzt, wird bereits am 10. Mai in Ver sailles zusammentreten, um an diesem Tage bereits den neuen Präsidenten zu wählen, denn die fran zösische Verfassung schreibt vor, daß beim Ableben des Staatsoberhauptes der neue Präsident sofort gewählt werden muß. Zahlreiche Beiieidskundgebungen. Bei der französischen Negierung und im Trauerhause siud zahlreiche Trauerkundgebuugeu eingetrofsen. Reichs- präsideut von Hindenburg hat an die Witwe Doumers ein in herzlichen Worten gehaltenes Beileidstelegramm ge richtet. Ferner hat, Staatssekretär Meißner im Auftrage des Reichspräsidenten dem französischen Botschafter in Berlin einen Beileidsbesuch abgestattet; für die Reichs- regierung sprach Reichskanzler Dr. Brüning in Begleitung des Chefs vom Protokoll, Graf Tattenbach, in der franzö sischen Botschaft vor. Wer der Nachfolger Doumers im Elysse werden wird, steht noch nicht genau fest. Blau rech net allgemein damit, daß der jetzige Präsident des Senates. Lebrun, zum Präsidenten der Republik gewählt werden wird. Die Vernehmung des Mörders. Die französischen Polizeibehörden haben inzwischen die Vernehmung des Mörders fortgesetzt. Es scheint sich zn bestätigen, daß es sich bei Dr. Gorgulofs um einen Wahnsinnigen handelt. Aus den Erklärungen Gorguloffs, die wirr durcheinanderlaufen, geht hervor, daß er anti bolschewistisch eingestellt war und Rußland vor dem Bolschewismus retten wollte. Dnrch das Attentat wollte er Frankreich einen Denkzettel dafür geben, daß es Rußland Geld geliehen habe. Gorgulofs behauptete auch, Der Mörder wird verhört. Auf der Polizeistatiou erfolgte sofort nach der Verhaftung des Mörders Gorgulofs das Verhör.