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SAHA «»-«47s 1^»AP I^s-L A45 i I Nr. 100 — 91. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Freitag, den 29. April 1932 Telegr.-Adr.: „Amtsblatt' Postscheck: Dresden 2640 Ltreisziige durch die 3MWMK Arbeitsbeschaffungspläne. Im Reichsarbeitsministerium fand eine Konferenz der Vertreter der Reichsininistcrien und der zuständigen Ministerien der Länder statt, in der die verschiedenen Pläne des Reichsarbeitsministers zur Arbeitsbeschaffung und zur Entlastung des Arbeitsmarltes besprochen wur den. An erster Stelle steht der Plan, die40>Stunden> Woche cinzuführcn. Neben den Besprechungen der Be- hördenvertrctcr laufen auch Besprechungen zwischen den Vertretern der Arbeitgeber- »nd der Arbeitnehmervrgani- sationen. Die Hoffnung auf eine wesentliche Verminderung des Arbeitslosenheeres durch Belebung des .Frühjahrs geschäftes hat sich leider nicht erfüllt. Die Voraussagen aller Wirtschaftspropheten haben sich als falsch erwiesen. Geblieben ist nur die eine Tatsache, daß wir immer noch ein riesiges Heer von Arbeitslosen haben, und daß endlich wirksame Maßnahmen ergriffen werden müssen, um wenigstens einem Teil der Arbeitslosen wieder Beschäfti gung zu geben. Von all den verschiedenen Plänen hat sich in letzter Zeit der Plan derArbeitszeitver- ! ürzung sehr stark in den Vordergrund gedrängt. Auch in Amerika hat der Präsident Hoover erklärt, er sehe die einzige Möglichkeit, die Arbeitslosenkrise zu mildern, in der Einführung der Fünftagearbeitswoche. Bekanntlich hat die Reichsregierung schon lange durch eine Not verordnung die Ermächtigung erhalten, Maßnahmen in dieser Richtung zu unternehmen, aber sie hat von diesem Recht noch keinen Gebrauch gemacht, weil sich überall Schwierigkeiten aus Schwierigkeiten türmten. Zu nächst einmal zeigte es sich, daß ein sehr großer Teil der Betriebe für eine Arbeitszeitverkürzung gar nicht in Frage kommt, weil schon lange in diesen Betrieben Kurz arbeit geleistet wird. Dann tauchte die schwierige Frage aus, wie die Zeitkürzung erfolgen soll, durch Änderung der täglichen Arbeitszeit oder durch Ein führung der Fünftagewoche. Aber die schwierigste aller Fragen ist die Frage des Lohnausfalls in folge der verkürzten Arbeitszeit. Eine Einigung über all diese Fragen ist bis heute in den beteiligten Kreisen nicht zustande gekommen. Von Unternehmerseite wird ferner darauf hingewiesen, daß durch die Arbeitszeitverkürzung unter Umständen auch die Gestehungskosten be rührt werden könnten. In Verbindung mit der Arbeitszeitverkürzung spricht man auch von der Einführung des sogenannten Krüm- per-Shstems. Der Gedanke dabei ist der: Die Be- ergav, eingehende Unterhaltungen mit Macdonald und Stimson zu führen. Viel Beachtung fand in Genf die Nachricht, daß der deutsche Botschafter in Paris, von Hoesch, nach Gens ge reist ist, wo er mit Reichskanzler Brüning eine Aussprache haben wird. Obgleich hier über die mit der Reise verbun denen Absichten amtlich nichts bekannt ist, dürfte die Be gegnung doch dazu dienen, den Reichskanzler über die hiesige Stimmung nach den Preußenwahlen zu unter- . richten. Am Sonnabend soll Dr. Brüning nach Berlin zurückkehren. schwer enttäuscht, und es liegt klar zutage, daß die Ab rüstungskonferenz durch Tardieus Verhalten vollkommen festgesahren ist, und daß alle für diese Tage getroffenen Dispositionen ins Wasser gefallen sind. Ein Blick in die Pariser Presse lehrt, daß der französischen Diplomatie die Erkrankung Tardieus, falls sie überhaupt wirklich ernst lich besteht, sehr zurecht gekommen lst, da, wie das „Echo de Paris" hervorhcbt, Frankreich kein Interesse daran habe, sich in eine Fünferkonferenz einzulassen, aus der es von vornherein eine isolierte Stellung eingenom men hätte. Damit gibt das Blatt also zu, daß Frank reichs Stellung in Genf sehr schwierig geworden ist, aus der es keinen anderen Ausweg gewußt zu haben schien als zu — kneifen. Selbst in englischen und amerikanischen Kreisen wird die starke Mißstimmung über das Fernbleiben Tardieus jetzt nicht mehr zurückgehalten. Die Absage Tardieus, an den weiteren Genfer Besprechungen teilzunehmen, hat für Macdonald und Stimson eineäußer st peinliche Lage geschaffen. Durch das Fernbleiben Tardieus ist nicht nur auf dem Gebiet der Reparationsverhandlungen, sondern auch auf der Abrüstungskonferenz selbst eine neue schwierige Lage entstanden. Die Ausschußverhandlungen der Abrüstungskonferenz gehen gegenwärtig nur äußerst langsam vorwärts. Es besteht der Eindruck, daß die Präsidenten die Anweisung erhalten haben, die Arbeiten ohne jede Beschleunigung fortzuführen. Die Ausschüsse tagen nur einmal täglich. Der Ausschuß für die mora lische Abrüstung hat sich aus zehn Tage vertagt mit der Begründung, daß der Berichterstatter Zaleski nach Warschau gereist ist. Die Abrüstungskonferenz tritt aus der Stelle. Immerhin versuchen die noch in Genf weilenden führenden Staatsmänner gute Miene zum bösen Spiel zu machen und die noch zur Verfügung stehende Zeit zu persönlichen Besprechungen zu benutzen. So empfing Macdonald den Reichskanzler Brüning, Stimson und Paul-Boncour zu einer längeren Unterredung. Mac donald gab ein großes Frühstück, an dem der Reichs kanzler und Stimson teilnahmen. Der amerikanische Staatssekretär veranstaltete ein Diner für den Reichs kanzler und Macdonald, so daß sich im Laufe des gestrigen Tages wiederholt für den Reichskanzler die Gelegenheit setzung der Arbeitsstellen jeweils nach einer bestimmten Zeit nach ein oder zwei Monaten zu wechseln und die Arbeitenden durch Arbeitslose abzulösen. In einigen Bergbaugegenden soll man mit diesem System günstige Erfahrungen gemacht haben. Neben diesen Plänen laufen noch die alten Arbeitsbeschaffungspläne durch öffent liche Aufträge, wodurch man etwa 400 000 Arbeits losen Beschäftigung geben will. Die Mittel dazu will man durch eine öffentliche Anleihe aufbringen. In unterrichteten Kreisen hofft man, daß auf diesem Wege rund 250 Millionen Mark eingehen werden. Auch das Siedlungs program m spielt in diese Arbeits beschaffungspläne hinein, ebenso die Gedanken über die Einführung der A r b e i t s d i e n st p f l i ch 1. Das alles sind Dinge, die so bald als möglich in irgendeiner Form verwirklicht werden müssen. Wichtige sozialpolitische Maßnahmen. Wie von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, ist zur Zeit ein Gesetzentwurf zur Änderung der Invaliden versicherung in Vorbereitung. Die Änderung soll nicht durch eine Notverordnung, sondern durch den Reichstag erfolgen. Der Invalidenversicherung fehlen rund 300 Millionen Mark zur Erfüllung ihrer laufenden Verpflichtung. Schon lange besteht der Plan, durch eine allgemeine Sozialreform die Kosten zu mindern, vor allem die Verwaltungskosten herabzusetzen. Aber die Pläne sind aus politischen Gründen nicht weitergediehen. Dix Neichsregierung versucht nun auf einem anderen Wege die fehlenden 300 Millionen Mark zu beschaffen. Wie sie das machen will, ist bis jetzt nicht bekannt. Gleich zeitig braucht auch die Arbeitslosenversiche rung neue Mittel. Es fehlen ihr 600 Millionen Mark zur Deckung der laufenden Ausgaben. Hier besteht an geblich der Plan, die Unterstützungssätze bis zu einem gewissen Grade den Sätzen der Wohlfahrt anzu pass e n, d. h. durch Kürzung der Unterstützungssätze die fehlenden Mittel zu gewinnen. Zu diesen Sorgen kommen noch andere. Auch die Städte schreien unaufhörlich nach Hilfe von der Reichs kasfe. Sie haben jetzt eine dringende Forderung von 600 Millionen Mark angemeldet, und weisen von neuem darauf hin, daß ohne Übernahme der Krisenfürsorge auf das,, Reich eine Besserung in den Finanzen der Städte nicht möglich sein werde. Aber die Neichsregierung zeigt bis jetzt sehr wenig Neigung, die Lastenverteilung zu ändern und die Städte zu entlasten. Woher sie aber diese 600 Millionen Mark nehmen will, um den Städten zu helfen, ist noch völlig unklar. Angriff erfolgen würde. Macdonald und Stimson, Grandi und Dr. Brüning waren wieder darauf zurückgekommen, und namentlich der an schwerem Augenleiden krankende englische Ministerpräsident — der gegen den Rat der Arzte nach Genf gefahren war — wollte wenigstens in der Frage der Seeabrüstung zu einer Verständigung mit Frankreich in der Art gelangen, daß dieses Land dem Londoner Marineabkommen Amerikas, Englands und Japans beitrat, und damit auch gleichzeitig den Anschluß Italiens an das Abkommen herbeiführte. Auch der amerikanische Staatssekretär Stimson scheint ziemlich heftig „gedrängelt" zu haben — und der Ärger darüber hat eben zu einer Verstimmung des minister- Präsidentschaftlichen Kehlkopfes geführt. Herr Pertinax, dessen Politik im „Echo de Paris" ein Echo der An- und Absichten des französischen Auswärtigen Amtes zu sein pflegt, preist die Kehlkopf-Verstimmung mit unge wohnt frommem Augenaufschlag als ein Geschenk des Himmels, der verhindert habe, daß die Genfer Konferenz der leitenden Staatsmänner zustandekam. Außerdem wäre die Konferenz doch sicherlich zerplatzt, und so hätte denn die Kehlkopfentzündung Tardieus wenigstens das Gute, die dann sicherlich eingetretene schwere Verstimmung zwi schen den Staatsmännern verhindert zu haben. Und wenn Tardieu plattdeutsch sprechen könnte, dann würde er vielleicht mit Fritz Reuters ollem Jochen Nüßler feigen: ,,'t is all so, as dal Ledder is; wat fall einer darbi dauhn!" Gegen einen in Genf verstimmten Kehlkopf ist eben nichts zsi machen, höchstens daß man, wie Stimson es bei seiner ähnlichen — soll man boshafterweise jetzt sagen: „wirklichen"? — Erkrankung es tat, in der Genfer Luft die schnelle Genesung abwartet. Offenbar aber ist Herrn Tardieu die reparationspolitischeLuft in Genf so kurz vor den französischen Wahlen etwas zu rauh geworden. Da ihm außerdem die Frage der An griffswaffen in der Kehle steckt, wird der Termin seiner Heilung vermutlich erst aus die Zeit nach den Wahlen in Frankreich fallen. Obwohl dieser Tardieu-Krankheit jegliche Gefahr der Ansteckung fehlt, hat sie die Wirkung gehabt, die in Genf versammelten Staatsmänner von der beabsichtigten Vor bereitung der Lausanner Konferenz abzubringeu und sie zur Abreise in ihre Heimat zu veranlassen. »Wat fall einer darbi dauhn!" Frankreichs Angst vor „Invasionen". Dentslh-franzöfischer Zusammenstoß im Genfer Flottcn- ausschuß. Im F l o t t e n a u s s ch u tz der Abrüstungskonferenz kam es am Donnerstag zu einer Auseinandersetzung zwischen den Vertretern Deutschlands und Frankreichs. Der frühere französische Marineminister Dumont er wähnte, daß Frankreich sich in einer befonderen Lage be finde und seine Sicherheitsforderung besonders berücksichtigt werden müsse. Hierbei kam er auf die vier „Invasionen", die Frankreich während eines Jahrhunderts habe erdulden müsfen, zu sprechen und erwähnte ferner die Beschießung ungeschützter französischer Städte in Algier sowie englischer Städte durch die deutschen Kreuzer „Go eben" und „Breslau". Der deutsche Vertreter, Freiherr von Rheinba ben, trat den französischen Behauptungen sofort mit großem Nachdruck entgegen. Zur Beschießung ungeschützter Städte im Weltkriege stellte Freiherr von Rheinbaben fest, daß die von den deutschen Militärbefehlshabern zweifellos in der Annahme vorgenommen wurden, daß es sich um Plätze von militärischer Bedeutung gehandelt habe oder um solche, die Stützpunkte für militärische Unternehmungen waren. Unabhängig hiervon aber gäbe es eine so lauge Liste von Beschießungen offener und friedlicher Städte auf deutschem Vooen durch französische Luftangriffe, Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gelpaltene Raumzeile 20 Dpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Vor- geschriebeneErscheinungs- 4 « tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit AbVNfPVbHeV. AMI ÄOUHoVUfs "tV. v berücksichtigt. Anzeigen annahme bisvorm.10Uhr. — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattantpruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Nach der plötzlichen und unerwarteten Absage des französischen Ministerpräsidenten Tardieu an seine in Gens weilende» Kollegen herrscht in der Konfcrcnzstadt eine gewisse Katrenjammerstimmung. überall ist man Frankreich kneift. Besprechungen Brüning — Macdonald — Oer verstimmte Kehlkopf. Der französische Ministerpräsident ist in dem Augen blick erkrankt, als die Genfer Abrüstungskonferenz, — oder vielmehr: als die Konferenz der dort maßgebenden Staats männer auf einem Höhepunkt angelangl war, von dem aus sich ein für Frankreich nicht gerade angenehmer Weg in die Zukunft zeigte. Da ist denn Tardieu noch „recht zeitig" erkrankt. An und für sich ist eine Kehlkopf-Ent zündung, deren Vorhandensein der Leibarzt Tardieus be scheinigt, eino bei übermäßiger Nedebetätigung nicht un gewöhnliches Leiden, das der gewöhnliche Sterbliche je nach persönlichem Geschmack entweder mit Salmiak- Pastillen oder mit Eierkognak zu kurieren pflegt. Tardieu ist zwar auch sterblich, aber ein ungewöhnlicher Sterblicher, und daher mühen sich die Ärzte ab, diesen kostbaren Kehlkopf möglichst schnell wieder in Ordnung zu bringen. Den in Genf erwartungsvoll Versammelten — es sollte von dem englischen und dem amerikanischen Staatssekretär des Äußern so etwas wie eine deutsch französische Einigung über die Abrüstungssrage und zwar auf dem Boden der grundsätzlichen Gleichberechtigung zu sammengeredet werden — hätte es sicher eine gewisse Be ruhigung eingeflößt und die Enttäuschung über Tardieus Fehlen tragbarer gemacht, wenn dieser das ärztliche Attest als so eine Art Entschuldigungszettel eingesandt hätte. Vielleicht können sich Tardieus Leibärzte noch entschließen, ihn zwecks Kehlkopfs-Wiederherstellung an die milden, wundervollen Frühlingsgestade des Genfer Sees zu schicken. Die weiche Luft tut dort gerade den Kehlköpfen außerordentlich gut! Und das würde auch dem nun über all auftauchenden böswilligen Gerede ein Ende machen, Tardieu sei sozusagen — schulkrank geworden. Wer unter uns hat denn als Schuljunge nie mit heißer Inbrunst eine leichte Krankheit herbeigesehnt, wenn die unmittelbar bevorstehenden Aussichten in der Schule nicht übermäßig erfreulich waren! Schülerwitz machte aus der harmlosen Influenza eine „Jnfaulentia", und der französische Mini sterpräsident wird möglicherweise in die Geschichte ein gehen als erster Träger der „Tardieu-Krank heit". Er hatte den großen englisch-italienisch-amerikanisch- deutschen Angriff auf die Angrisfswaffen mittels seines Kehlkopfes doch nicht derart zerredet, daß nun nach dem lahmen Kompromiß doch noch von dieser Seite her ein Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. frei Haus, bei Postbestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. Alle Postarstalten, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. 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