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Wilsdruffer Tageblatt : 20.04.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193204200
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19320420
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19320420
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-04
- Tag 1932-04-20
-
Monat
1932-04
-
Jahr
1932
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 20.04.1932
- Autor
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trinken laßt keine Spur?" Tom fluchte... und er schwamm I «ns Ufer. ' Nach drei Tagen kam das neue Wachboot. Der Pirat mußte das Stehlen aufgeben. Tom hatte ein kleines Well- blcchhaus für das neue Boot gebaut, zog cs am Morgen aus Schienen in Sicherheit. Am vierten Tag kam Ray. Ob er Tom unter vier Augen sprechen könne. Er schien gebrochen. Habe sich's überlegt. Wolle doch lieber die Räuberei auf- ! Geben. Wieviel Lohn ihm Tom zahlen wolle. Sie der- s handelten. „Noch ein solches Boot verloren und die Spesen wären höher als die ganze Ernte einbringt", gestand Tom. „Hab' ich mir auch gedacht", sagte Ray, hob die Hand.. und da glitt ein schwerer Schraubenschlüssel aus dem Äermel. Der Pirat ließ ihn auf den Bootsboden niedersausen, mit so plötzlicher, so fürchterlicher Gewalt, daß die dünnen Bretter splitterten — auch das zweite Wachtboot war leck. Mit einem Sprung war Ray im Freien. Er lachte. Er hatte wieder gesiegt. Kein Zeuge war dabei... Wieder drei Nächte, in denen Ray Austern scheffelte. Machtlose Wut Toms. Als am vierten Tag Ray sein Boot klarmachte, um zu den fremden Bänken zu fahren, sprang ein Schatten hinter dem Bootshaus vor, da landete eine harte Faust im Gesicht des Piraten. Wild schlug Tom aus den Riesen ein. Diesmal war er nicht müde vom Schwim men, geblendet von plötzlicher Helligkeit. Diesmal saßen die Schläge. Katzengleich sprang Tom den schweren Ray an, stumm kämpfte er, bis er ihn zu Boden schlug. Ein paar Se kunden nur war Ray betäubt. In diesen Augenblicken aber hatte Tom ihm die Hände gebunden, die Beine gefesselt. Schon sang der Motor von Rays Rennboot sein dröhnendes Lied. Tom steuerte es mitten auf die fremden Gründe. Als sie auf Harlans Gründen waren, stellte Tom die Maschine ab, warf er die Leinen ab, fischte ein paar Austern auf und warf sie auf die Planken. Jetzt war dem Gesetz Genüge getan Man brauchte nur auf das langsame Bow Hellers zu warten, des Sheriffs, der Wohl auf die Lichtsignali hin kommen mußte. Der gefesselte Ray fluchte. Dann lachte er. „Jetzt be komme ich mein Jahr, zwei vielleicht... Und dann? Viel Reicht ist's doch besser, wir geben die alte Räuberei auf. Dies mal geb' ich mein Wort." Ray gab selten sein Wort, dann aber hielt er es. Alt, Ehrlichkeit der Seeräuber. Jetzt ist Ray Martin einer der besten Wächter de: Austernbäuke, die längs der Küsten Neu-Englands Wachen Ser letzte Anzilg. Erzählung von H e r b e r l" S'ch e f f l e r. „Ditte, bügeln Sie meinen Anzug sorgfältig auf, ich Hab morgen vormittag einen wichtigen Gang zu machen", sagt- Gotthold Neisenström zu seiner Wirtin, die ihm die obliga torische Tasse Tee auf den Tisch schob. Dann knöpfte er, aut irgendeinem Distanzgefühl, die Hausjoppe zu, zog die Tasß zu sich herüber, schaute in die goldgeloe Flüssigkeit und be obachtete interessiert, wie zwei Teeblätter im Kreise hinter einander Herzogen, ohne sich je zu erreichen, „Ja, ja. Mach' ich schon", sagte die Wirtin, nachlässic und in einer merkwürdig mottigen Tonart. „Wollen Sie — damit riß der Satz ab, ihr Gesicht verzog sich, als ob jemant sie mit Stecknadeln gepickt hätte, und sie schlurfte stöhnen! zur Tür zurück. Gotthold Neisenström kannte und haßte das. Zehnma am Tage erlebte er solche lächerlich unvollendeten Sätze, solch, rheumatisch angefressenen Gedanken. Die Frau hat Schmelzer — traurig, sehr traurig, tut mir aufrichtig leid, wünsche best, Besserung. Aber diese Art, seine Schmerzen an den Manr zu bringen, den anderen so einfach an einem halben Satz, zappeln zu lassen — zum Kotzen. Und dann: Wenn jede: — na, ich danke. Ich sage doch auch nicht: Bitte, bügelr Sie meinen, leider Gottes, allerletzten Anzug sorgfältig auf denn ich sitze so in der Tinte, daß ich mir morgen eine Stellung als Radiergummireisender oder Zeitungsverkäufer suchen muß! Ich werde Fahrstuhlboy, nur damit ich Ihnen Ihr, Miete bezahlen kann! Bitte doch um etwas mehr Haltung mehr Selbstgefühl und ein klein wenig Rücksichtnahme. Allein schon das Pantoffelschlurfen ist eine Zumutung... „Aber, bitte, nicht wieder zwei Kniffe in die Hose ein- Plätten, wie das letzte Mal, Frau Meier." Frau Meier dreht sich an der Tür um und zeigt Neisen ström ihre dicke Nase, die von jeder Erregung rot anzulaufen Pflegt. Auch ihr Kinn wackelt ein wenig, klappt auf und nieder wie bei einer Marionette, die große Oper parodiert. „Wollen Sie, bitte —" Aber der Satz bleibt wieder wie stets in der Luft hangen, ihr Gesicht wird schief vor Schmerz, sie schlurfl ab und wirft die Tür hinter sich zu. Neisenström guckt wieder in die Tasse, wo die beiden Teeblätter langsamer zwar, aber immer noch gleich hoffnungs los ihre Bahn ziehen. Ob es ursprünglich noch mehr Blätter waren, die sich zur Herstellung dieses Tees zusammengefunden haben? Jedenfalls — Er steht auf, nimmt die Tasse und gießt ihren Inhal! auf die Zimmerlinde. Soll die das gefärbte Wasser trinken! „Gut aussehende Herren, redegewandt, werden von bestens einaeführter Firma zur Vertreibung eines neuartigen ! Massenartikels (D. R. P.) gesucht. Große Verdienstmöglichkeit, gewinnbringender Nebenberuf. Nur seriöse, bessere Herren wollen sich melden Dienstagvormittag, Hotel Metropol, Zimmer 16." Halt! denkt Neisenström, es gilt, den Leuten zu impo nieren. Wenn sie auch wahrscheinlich nur in Strumpfhaltern oder Patentknöpfen machen. Oder vielmehr gerade darum. Es gilt eine Inszenierung. Das Kostüm ist da, sitzt tadellos, kleidet glänzend, nichts daran auszusetzen, fehlt nur gewisser maßen das Ambiente... Wenn ich jetzt bis zur Dorotheenstraße per pecies gehe, kostet ein Auto von dort bis zum Metropol höchstens... na, sagen wir, eine Mark. Ich lasse das Auto warten — wieder eine Mark. Fahre zurück bis Kaiserplatz — kaum eine Mark. Gesamtbestand (er zieht das Portemonnaie, stellt sich vor ein Schaufenster und zählt) vier Mark und fünfundsünfzig... Ich inszeniere also durchaus nicht über meine Verhältnisse, Soll und Haben balancieren, soweit dieser Moment und dieses Portemonnaie in Frage stehen, vorschriftsmäßig. Möglicher weise verschafft Mir die Wirkung des wartenden Autos nicht nur eine Generalvertretung für die Patentbauchbinden, sondern sogar einen Vorschuß. Nicht zu rechnen den tadellosen An zug mit der geradezu hemmungslosen Bügelfalte, das weiß- seidene, zartlugende Taschentuch in der Brusttasche, die Finger, von denen die kleine süße Marja immer sagte, sie seien ge fährlich aristokratisch. Ja, ja, meine liebe kleine, sehr ver ehrte Marja, wenn diese gefährlich aristokratischen Finger erst Hand legen an die patentierten Manschettenkuöpfe mit Stoßdämpfer, dann werden wir, verehrtes kleines Geschöpf, vielleicht ernsthafter miteinander reden können, wer weiß.. f Die Kunst, siehst du, ist ein aussichtsloser Hungerstreik gegen die Technik, wer aber kapituliert, kann soviel Flöte blasen, wie er nur immer will. „Bitte, ein Morgenblatt", sagt Neisenström und zahlt der Verkäuferin, Kollegin schon beinahe, leichter Hand zehn Pfennig aus. „Eine Zeitung in der Hand macht den Mann erst weltgewandt", dudelt er vor sich hin, tritt dann gemächlich an eine Autodroschke und klappt salopp-herrisch mit dem Fuf auf, als der Führer nicht gleich zur Stelle ist. „Hotel Metropol." „Sofort." Na also, denkt Neisenström, ich wirke. Ich wirke wii zehntausend Pfund Sterling, vom Dollar ganz zu schweigen Ich fühle mich bewundernswert ein in die Rolle eines Bauch bindenfabrikbesitzers. Wenn ich mir noch einen ungarische, Akzent anschaffe, liegt das Hotelpersonal zu meinen Füßen Aber vorerst werde ich die Zeitung entfalten, damit mich dal Halten gewissermaßen überrascht. Leider hält der Wagen schon, bevor noch Neisenströn die Zeitung standesgemäß entfaltet hat. Der Führer lang mit dem rechten Arm aus seiner Box und öffnet den Schlag „Bitte, hier zu warten", sagt Neisenström und springt die Arme lässig schlenkernd, ab. Dabei dringt ihm ein kleine! sausender Laut ins Ohr, so, als ob aus einem Ventil Gal entweiche, nur vielleicht etwas schärfer. Er wendet sich um schaut nach, ob er auf irgend etwas getreten ist. Ein früh zeitig totes Blatt hat er mit seinem Stiefel zerbröckelt, sonf nichts. Er guckt den Chauffeur an — vielleicht ist das Auti kaputt? Unsinn, der Mann schaltet eben den Motor aus die Maschinerie funktioniert tadellos. Neisenström hebt er ledigend die Hand und streicht mit dem Zeigefinger die Nasi entlang, wie das so seine Gewohnheit ist — da sieht er etwa! hangen. Er guckt genau: der rechte Aermel seines Anzugel ist beinahe vom Ellbogen an bis zum Raud hinunter auf- aerissen, das Tuch schlappt fransig auf beiden Setter herunter... Neisenström steht und glotzt. Er fühlt deutlich, daß ei ein sehr blödes Gesicht macht. Man denke — Generalvertretei mit aufgeschlitztem Aermel. Die Leute müßten ja wahn sinnig sein. Ich kann doch aber nicht den viersprachiger Portier vom Hotel Metropol bitten, mir Nadel und Fader zu leihen! Und noch weniger die bestens eingeführte Firma die jetzt Zimmer 16 im Klubsessel ruht, den Verdienerbauck sanft gestreckt, eine Importe im linken Mundwinkel, währen! die rechte Hand mit einem Kopierstift oder Zahnstocher ge stikuliert... Nein, unmöglich. Gotthold Neisenström attestierter Musikstudent, du bist unmöglich. Du bist ein ver fahrener Kaufmann. Du bist eine an der Außenhaut voll ständig saure Gurke. Wenn jemand schmeckt, hat er kein« Lust mehr, tiefer zu schmecken. Ja, ja. Neisenström geht ruhig an das Auto zurück Schimpft nicht, erwähnt auch mit keinem Wort seinen Schaden Was kann der Mann dafür, wenn er einen Unglückswurw befördert! „Eine Mark zwanzig, bitte." Neisenström bezahlt eine Mark dreißig (Bedanken könnt! sich der Schubbejack aber trotzdem! fährt es ihm durch der Kopf) und trottet ab. Seine Haltung ist jämmerlich, arme- leutehaft. Er weiß es, aber wozu noch markieren? Mil einem anständigen Anzug, und sei es auch der letzte, kann mar- noch vor jemanden hintreten, hat man noch Würde und Ge wicht, genauen Schwerpunkt und sichere Distanz. Aber Würd< mit zerschlissenem Aermel? Schwerpunkt mit geflicktem An zug? Quatsch, Blödsinn, aufgelegte Komik. Ein einzige! Flicken verschiebt den gewichtigsten Schwerpunkt. Nicht Nackt heit hebt die Distanz auf, aber ein Loch in der Hose. Oh, die Mütter haben schon eine verdammte Lcbenskenntnis, wenn sie ihrem abziehenden Sohn mit auf den Weg geben: „Hal! Dich nur immer propper!" Ach was, jetzt geh' ich in ein Cafö und trinke einer Whisky-Soda. Nehmen wir an, ich hätte mir den Aermel nicht aufgeschlitzt, hätte trotzdem den Strumpfbandvertriek nicht bekommen, wäre also genau so wütend wie jetzt, würde also ebenfalls einen Whisky-Soda trinken. Bitte. Mit genau so viel oder so wenig Berechtigung. Man muß das Schicksal lächerlich machen, ganz einfach. „Einen Whisky mit Soda, eine gute Zigarre, ein Streich holz und was sonst noch dazu gehört!" Der Ober flitzt. Aha, denkt Neisenström, des Kaisers Kleider sozusagen. Ich sehe nicht, daß bei mir ein Aerme! geplatzt ist, also sieht der Herr Ober auch nicht, daß bei mn ein Aermel geplatzt ist. Wenn das so weitergeht, betrete ich binnen einer Stunde doch noch das Hotel Metropol. Er trinkt, raucht, räuspert, blinzelt angenehm schläfrig in den verrückt gewordenen Straßenverkehr, lächelt mildg liest dann ein wenig Politik, nippt vom Feuilleton, läßt der Wetterbericht an sich vorbeispazieren, durchfliegt das Lokale. Als er die Zeitung eben wieder umlegen will, entdeckt ei plötzlich seinen Namen. Ich, in der Zeitung? Wiest kommt...? Er buchstabiert: „Gotthold — stimmt — Neisen ström — stimmt auch, beides gesperrt gedruckt. Also lies doch, Mensch, irgend etwas wird schon mit Dir los sein!" „Der hiesige Musikstudent Gotthold Neisenström ist füi sein Trio in Q-Dur opus 13 mit dem diesjährigen Kammer musikpreis der Philharmonischen Gesellschaft ausgezeichne! Worden." Ganz still ist Neisenström einen Augenblick. Dann will er schreien, brüllen, wiehern, juchzen, auf den Tisch ballern, den Ober umarmen oder morden, ganz egal, nur etwas Starkes tun, ventilieren lassen. Aber er guckt nur abermals in di< Zeitung, wirft die Zigarre in den Aschenbecher und trommel! auf den Marmortisch. Schweinerei, jawohl, eine richtig, Schweinerei. Lassen mich die Leute erst zappeln, bis ich Weger Kleidunqsmangels das Bett hüten muß. Bis ich nahezu iv Stiefelbandern reise. Wundert mich, daß sie den Preis nicht zur Verdickung ihrer Dividenden zurückgehalten haben. Als et sich fo ausgeschimpft hat, ist gleichzeitig die erst, rettungslose Freude so weit überwunden, daß er einigermaßer gestrafft, wenn auch mit etwas kippender Stimme, ein Aut, anrufen kann. „Wohin?" „Rund um die Stadt!" Er wirft sich in eine Ecke, zieht die Gardinen vor, uni jetzt endlich, während er ungesehen durch das Lärmpotpouv der Straßen saust, jetzt endlich darf er es zulasten, daß sein, Augen schwer und sonderbar heiß werden, daß sich unendlich, Ströme dunklen Lebens aus ihrer Enge befreien und ihr, Bitterkeit abgeben an die unveränderlich sprachlose Erde. Mams Geschenk. Skizze von Bernhard Schroeder-Wiborg. Wolken wallen über verschwommene Täler, stützen sich ai Steilhängen, werden von bläulichem Wind weiter getrieben wogen, Finsternis unter sich breitend, über armselige Bauern Höfe dahin, über Lichter, die unten aufflammen, als ob db Menschen die Nacht am Tage fürchten. Und die Düsteren lilageschwängert letzt, da es noch mehr bergauf geht, kriechet weiter, die wetteraezahnte Herenklivve binan. sinken in di. Einsamkeit des urigen Hochwaldes, decken die Wacholde dahinter und ein winziges Haus in der toten Heide ein uw — bleiben. Der Wind steht. Gleich einem gewachsenen Felsen ragt das Häuschen au! Stein. Drinnen im verlassenen Dunkel spenstern Licht strahlen: Der Ofen brennt. Draußen Pfeift scharfer Atem Ein Mann nähert sich. Krachend fällt ein schweres Holz bündel von seiner Schulter. Ins Haus gehend, hebt er eir vom Briefträger durch das Katzenloch geschobenes Paket auf tritt in das einzige Zimmer, entzündet eine Petroleum lampe, entziffert den Absender auf dem Paket und sagt lang sam: „Manna!" Eine säuselnde Melodie wie von kochenden Wasser füllt jetzt die Stube, sie kommt von des Mannet Lippen. Er sinnt — verliert sich. Paletten leuchten Hinte: ihm in bunter Wildnis. Mäntel, verblichene Decken Wühler sich in einem Winkel durcheinander: das Lager. Fabelweser glotzen von einer Wand, die nur der Traum gebracht Haber kann. Daneben flimmert eine Tropenlandschaft: rote Flam- mingos und weiße Edelreiher, vor silbrigen Bergen dahir ziehend, über grünlichem Wald und farbengebärendem Wasser Immer noch säuselt der Mann vor dem Paket wie eir Teekessel. Sanfter Lampenschimmer gilbt auf seinen großer Holzschuhen, in denen er in verwaschenen Wadenstrümpfen steht. Der warme Ockerton seiner nackten Knie singt von tieferlebter, südlicher Sonne. Zwanglos geht der mausgraue Schein seiner kurzen Manchesterhose in die altfarbig sich auf lösende Jacke über. Sein schmales, gelbes Gesicht unter großer, gewölbter Bauernstirn ist klein, aber scharfzügig, als er soeben wieder ein Wort sagt: „Manna!" Erinnerungswehen tragen ihn in ein fernes, heißes Land. Er sieht einen Burschen, der in Südamerika unweit Bahia ein scheckiges Mädchen kennen lernt. Mit dunkler Haut, in der unregelmäßig, klar abgezeichnet, große, Helle Flecke auf- tretcn, die kalt und wie blutlos erscheinen. Manna wird von- den Männern ihrer Gegend, Mestizen, Mulatten und Negern, als eine vom Satan Gezeichnete gemieden, und da hängt sich nun die mannbare mit wildester Triebhaftigkeit an den jungen, eingängerischen Fremdling, der sich an der Küste niederläßt und die Fischer malt, wenn sie auf das Meer fahren. Dann, nach Jahren graut der Tag, an dem das Mädchen sich wieder allein findet. Die Heimat hat den Burschen zurückgelockt. Zuweilen schickt er Manna einen Brief, und da sie nicht schreiben kann, läßt sie ihm immer dasselbe ant worten: „Komme zurück, ich will Dir dienen wie kein anderes- Weib!" Aber der Bursche kam nicht, kommt nicht. Nun hat sie ihm ein Paket geschickt, vor dem er immer noch säuselnd mit mißtrauischem Instinkt steht. Endlich er greift er ein Werkzeug, öffnet den gut verschlossenen Deckel der Sendung und — strahlt. Prächtige, präparierte Kolibris leuchten ihn an. Die Farbensymphonie getrockneter, seltener Blumen tönt berauschend in seine Empfänglichkeit. Da ist ein beschriebener Zettel: „Sieh, alle Farben meines schönen Landes rufen Dich zurück!" Er überrascht sich im Lachen, was lange nicht mehr geschah. Freude. Seine unklare Furcht ist verflogen, als er tiefer in den Kasten greift. Eine schillernde Muschel kommt zum Vorschein, dann bunte Schmetterlinge, darunter hauchfeines Mirolayamoos... Plötzlich ein teuflisches Geräusch. Der Kasten, der Tisch kippt unter des Mannes elektrisiertem Stoß. Fauchend stampft er auf dem Fußboden, auf einer Klapperschlange herum, springt dann zum Ofen, bohrt sich glühendes Holz in den ge bissenen rechten Arm, greift zur Schnapsflasche, trinkt, trinkt. Er kennt die schnelle Wirkung des tödlichen Klapperschlangen giftes, Weiß, daß er nicht mehr zum stundenweit entfernten Arzt rennen kann. Und wieder zischt der rechte Arm unter neuer Holzglut. Seine Zähne knirschen. Wieder gluckst die Schnapsflasche. Er dampft. Der Arm schwillt mehr und mehr. Da knallt die leere Flasche gegen die Wand. Ein Ruck. Ein Stöhnen. Mit einem klaffenden Schnitt am Arm wälzt er sich in seinem vergifteten Blute. Als letztes brauchte er das Messer. Jetzt brüllt er schon in Fieberklammern der Umnachtung. Bunte Kinder Mannas mit grünen Augen, langen Schwänzen und furchtbarem Gebiß springen ihd hungergepeitscht an, reißen ihm Fleischstücke heraus und ver schlucken sie roh. Er flieht auf einem Floß ins Meer. Dir Kinder folgen, holen ihn ein, grinsen über seinen lahmen Arm und — reißen ihn auf dem Wasser auseinander. Der nächste Tag ist wolkenlos, still und feierlich. Sonnen strahlen golden durch die kleinen Fenster der weltverlorenen Hütte hinter der Hcxenklippe, heitern drinnen am Boden über ein bleiches Lächeln, über eine grauweiße und eine rote Hand die sich in wiedererwachendem Rhythmus suchen und mühsam falten. Der Einsiedler lebt! Ein erfreuliches Gerichtsurteil. In Leicester stand vor kurzem ein Schuhmacher vor Gericht, der einen Selbstmordversuch begangen hatte. Ein« solche Tat ist in England bekanntlich strafbar. Aber der An geklagte konnte darauf Hinweisen, daß er jahrelang von vier Uhr morgens bis acht Uhr abends gearbeitet habe und sein« Nerven infolgedessen zusammengebrochen seien. Das Gerich verurteilte ihn daraufhin zu vierzehn Tagen — Ferien, derer Kesten die Armenkaste bestreiten muß. Heimat. Du kannst sie tausendmal verlasten Und kehrst doch immer ihr zurück. Sie ist mit Türmen, Kirchen, Gasten Dein unverlierbar-letztes Wück. Sie -birgt der Jugend reinste Träume, Sie schließt dich ein wie Mutterschoß, Sie dehnt sich über alle Räume. Und nimmer kommst du von ihr los. So weit kannst du ja gar nicht gehen, Daß du sie einmal ganz vergißt. Ihr Bild wird dir vor Augen stehen, Wo du auch immer weilst und bist. So sehr kannst -du ihr nicht entgleiten, Daß dieses letzte Band zerreißt. Weil, wo auch immer du magst schreiten, Ein Pfeil steht, der — zur Heimat weist. Wolfgang Federan. MlÜM A li! «M IM Hai »as Dket Hall! ^oten ui Mehmen z Kalle h ^iedrstöi Das Serie! Nr. 9 «WS A wirlscl Tribun in imi sind ai und Z diesem Staats jener sauen nicht n daß ai eiuand die dei vor d das Bi „old n sieht cs hander jung mehr a gering bringe! D. auch n andere Chaml sowohl Wurfs scheu auch ni der Hr Posten Aoung soviel c Zu entr Di nächst < fatz zi dieu hl drücklic nähmet Anteil also ab cntsprä llnwah sich zu entgegc ebenso der L r ganz« frage nicht n Provisc dom en auch bc der nah das an Beschlu auch, v Deutsch! --rcchtlic siir die heute di Nurd in ein poli Deutsch! Niu. W- ia imnii daß die die Verc Vertrag »icl Do hört — houng-' dnd gle ^ich nid Nat -Wwrika >Nmal si °>sng ii -Bentt d Pirecht chigenoi dhcndcr hon poli !hgen w '(gen Sc dicht en! 'd Unkei Kabinett fmmen ora u °sr deu «iklats. > darü!
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