Volltext Seite (XML)
Wilsdruffer Tageblatt I 2. Blatt. Nr 58 — Mittwoch, 9. März 1982 Tagesspruch. Beglückt, wer in der Weir So seine Rolle spielet. Daß, wenn der Vorhang fällt, Er keine Reue fühlet. Rem Wber FMn-MlMkt. Starkes Lärmen und Treiben. — Lebende Hummer als Ohrringe. — Die Kneipe im Walfischbauch. Von vr. Heinrich Buba-New Jork. Der Hintergrund: Wolkenkratzer, die Steinberge uw Wall Street und den Broadway herum. Diese klotzigen Hochhäuser atmen Zweckbesessenheit, die sich manchmal hysterisch zur Raumneurose steigert. Im Westen winkt die Freiheits- statue und verspricht mit segnender Hand mehr, als sie wahr scheinlich zu halten vermag. Alles in allem eine großartige Kulisse für den Fulton-Fischmarkt, der klein, schmutzig unL unscheinbar an der Südspitze der Halbinsel Manhattan untei der immer noch elegant beschwingten Brooklyn-Brücke auf gebaut ist. Um ihn herum stehen Lager- und Industrie- Häuser, Kleinhäuser mit drei bis zehn Stockwerken und jener abenteuerlichen New Iorker Feuertreppen, die an der Straßen front vom Giebel bis zum Gehsteig bizarr herunter zickzacken. Außerdem sieht man Kneipen, in denen es bestimmt konzen trierten Alkohol und bisweilen Totschlag gibt. Die Lader für Seeleute sind vollgepfropft mit Südwestern, ausgestopfte» Krokodilen und hellgelben Schuhen (welche die Matrosen zu ihren blauen Anzügen tragen, wenn sie landfein sind). Kaffee- und Sandwich-Schenken warten auf Kunden. Reklamebildei in englischer, spanischer, jüdischer und italienischer Sprach« behaupten, daß irgendein Artikel der beste oder daß Fisch essen gesund sei. Neger ziehen als Schuhputzer oder Träger von Straße zu Straße. Man malt sich die amerikanischen Handels- und Industrie anlagen vorurteilend zehn- oder hundertmal größer als di? europäischen. Beim Fulton-Fischmarkt wird man beträchtlich enttäuscht. Man gewahrt drei Markthallen, von denen jedi etwa so groß wie die Reitervereinshalle in Ovelgönne issi man sieht den Fischereihafen, der an Kleinensiel, Emden oder Lüneburg erinnert. Außerdem liegen da ein paar Motor kutter, „Klothilde", „Angora" usw. mit Namen, — ein einziger Fischdampfer, der wie S. S. von Berenberg-Goßler, Luxhaven 1904, aussieht. Man kommt zu dem vorläufigen Schluß, daß dieser Fulton Markt ein „damned rotten busineß" ist (später ändert sich diese Ansicht.) Die nahen Hafenslums verbessern diesen Eindruck nicht. Ein Teil der spanischen und jüdischen Proletarier hat sich hier häuslich niedergelassen. Die ganze Gegend ist einfach grau, dreckig und lärmend. Ein Paar Daten: Die Gründer Venedigs, Amsterdams, Nordenhams, Londons und Rotterdams waren Fischer. Die Gründer New Jorks waren Fischer. 1626 kaufte der Holländer Minuet die ganze Halbinsel Manhattan für 24 Dollar von den Indianern. 1675 wurde die erste Fischereigcsellschaft in New Jork gegründet. „Fünfzehn Biber oder ihr Wert in. Münze sei der Preis einer Aktie. Alle Fischereigesetze der neuen Kolonie seien von dieser Gesellschaft herausgegebeu und kon trolliert." 1730 errichtete man einige Gebäude als Verkaufs- Hallen für den freien Fischhandel am Eastriver. Im Frühling 1822 brannten diese Gebäude fröhlich wieder ab. Im März 1909 wurde eine zweite und dritte Fischhalle errichtet. Einen Pier hat man 1909 vollendet und in Betrieb genommen. 1930 wurden 68 Millionen Pfund Fische angelandet. Der Umsatz am Fulton Markt ist jährlich etwa 60 bis SO Millionen Dollar mit einem Durchschnittspreis von nahezu 36 Pfennigen. Der New Yorker verzehrt 36,78 Pfund Fisch im Jahr. Die offizielle Eröffnung dieses Marktes ist um sieben Uhr früh. Einer der Wächter läutet eine riesige Schiffsglocke. Noch liegt Manhattan im tiefsten Dunkel. Nebel und Regen verhindern weite Sicht und malen seltsame Farbenbogcn um Straßenlaternen und erleuchtete Fenster. Die Sirenen der Fährboote von Brooklyn heulen Warnung. Aus dem Dunkel heraus schieben sich Kutter, Schoner und Fischdampfer an den Pier heran. Man hört Befehle, Flüche, Helles Schiffsklingeln. Irgendein Gegenstand klatscht ins Wasser. Eine Eismüblc fängt fürchterlich an zu klappern. Eisstücke sausen wie Kohlen rasselnd in die Bunker. Eine Schifsswinde holt quietschend Leine ein. Irgendwo wirft einer mit Fischkisten und Fässern um sich. Aus einem dicken Schlauch knattert Wasser. Von fernher tönen Autohupen, Hochbahnen schießen an der Brooklyn- Brücke vorbei. Die Lampen in den Fischhallen blinzeln trüb. Man er kennt die Fischsorten, die hier aufgebahrt liegen. Die Augen eines toten Kabeljaus schauen immer noch recht lebhaft. Die Heringe liegen dumm und massenhaft in ihren Kisten. Diese Tiere werden erst als Bismarckheringe oder Bücklinge gesellschaftsfähig. Die Augen sind einfache Löcher mit etwas Schwarzem darin, überraschend ausdruckslos. Man sieht einen Hummer aus seiner Kiste entwischen und seinen Weg nach Wall Street nehmen. Man fängt ihn wieder. Auch eine grüne Riesenschiidkröte, die mit einem Dutzend Schwestern vom Stillen Ozean angereist kam, muß in ihren Käfig zurück. In den Zwischengängen türmen sich Berge von Austern, die mit Motorwagen von den Austernfarmen hierher befördert worden sind. Dienende und ausgediente Leuchtturmwärter, ältere Steuerleute und Kapitäne, Brückenwärter, Aquariums- direktoren und Biologen, kurz alle jene Typen, die beruflich auch in nüchternem Zustand durch Kiemen atmen, haben irgendwo an der Ostküste einen Austerngarten, in dem sie waten, um für Hausbedarf und Fulton-Markt zu säen und zu ernten. Allmählich füllt sich die Verkaufshalle. Man begrüßt sich mit knurrigem „Hallo", behält seine Pfeife dabei im Mund und den Hut auf dem Kops. Man kennt sich ziemlich genau und achtet die Konkurrenz. Außerdem ist man schlechter Laune. Erstens wegen des schauderhaften Wetters, das die Tagesstunde so unleidlich macht. Zweitens war der Kaffee in diesem schmutzigen Breakfast-Shop bitter und kalt. Drittens wegen der Krise und überhaupt. Der Handel beginnt ver ¬ schlafen, steigert sich, man schreit sich gewissermaßen warm. Eme hektische Schreihysteria, wild, wütend, — für den Fern stehenden eine wahre Jdiotenanstalt mit Radio, Dampfertuten, Läuten und prachtvollen Sirenen. Alles in allem ist dieser Fulton-Fischmarkt ein großartiger Platz. Biel robuste Kraft, viel Krach, ein toller Betrieb, wie es der Amerikaner liebt. Es gab und gibt Typen hier, die sich von dem farbenfrohen, lebendigen Hintergrund bizarr und närrisch abheben und in jedem Falle der Erwähnung wert sind. Da war zum Beispiel Eisberg-Tommy, den der Fischhandel nervös gemacht hatte. Er glaubte an Kaltwasser kuren und steckte täglich, winters und sommers, seine langen Beine in eiskaltes Wasser. Er saß dann am Rande eines Fischtanks mit heraufgezogenen Hosen, die Hände in den Taschen, die Beine im Eiswasser, eine Fellmütze über die Ohren gezogen, und mußte den Spott seiner Kollegen über sich ergehen lassen. Eisberg-Tommy starb im Sommer 1910 an einem Sonnenstich. Porgy-Joe hatte riesige, steis ab stehende Ohren. Er ließ Hummer oder Krebse sich darin festbeißen, trug sie wie Schmuckstücke und machte mit lautem Klingelspiel die Händler auf seinen Verkaufsstand aufmerksam. Manche Kollegen hielten ihn für total verrückt. Manche dachten, er sei „smart". — Wal-Bim fing einmal einen aus gewachsenen Wal. Er lotste ihn bis New Jork hinauf, grub mit einem Spaten einen großen Raum in den Tierleib, richtete eine Bar „Zum tapferen Jonas" darin ein, bespritzte die Wände mit Veilchenparfüm und nahm 50 Cents Eintritts geld von jedem Besucher. Zuerst war es ein glänzendes Geschäft. Später mußte er mit dem Preis heruntergehen, weil der Wal in der Sommerhitze mehr und mehr troff und stank. Außerdem schmeckte der Schnaps fürchterlich tranig. Schließlich wies ihn der Bürgermeister von New Jork aus dem Hafengebiet und verbot jede Rückkehr. Seine Frau ließ sich von ihm scheiden. Wal-Bim fuhr fröhlich nach Alaska und machte dort in Klondike die berühmte „Renntierbahn" auf. Wer M MGMnt? 4,5902 Mill. Stimmen Kommunisten Millionen Stimmberechtigten wurden Millionen Stimmen Millionen Stimmen Millionen Stimmen 14,6556 13,7516 1,9312 Htndenvurg-Parieien Nationalsozialisten 21,0672 Mill. Stimmen 6,4064 Mill. Stimmen Hindenburg Marx Thälmann Von 39,4143 Millionen Stimmberechtigten wurden 30,3518 Millionen gültige Stimmen abgegeben. Nimmt man die Ergebnisse der Neichstagswahl am 14. September 1930 und fügt die Parteien zusammen, wie sie jetzt zur Reichs präsidentenwahl aufmarschieren, so ergibt sich folgendes Bild: Es erhielten die Deutschnationale u. Landbund 2,7 Mill. Stimmen Die Wahlmöglichkeiten bei der Reichspräsidentenwahl. Vergleichszahlen von den letzten Wahlen. Den Mittelpunkt aller innenpolitischen Erörterungen bilden augenblicklich die bevorstehenden Präsidenten wahlen und besonders die Frage, wer aus dem Wahl kampf schließlich als Sieger hervorgehen wird. In diesem Zusammenhang dürfte es von Interesse sein, sich noch mals die Ergebnisse ins Gedächtnis zurückzurufen, die die erste Präsidentenwahl und die letzten Reichstagswahlen gehabt haben. Im ersten Wahlgang zur Präsidentenwahl am 29. März 1925 wurden abgegeben für Die Zahl der Wahlberechtigten betrug bei der Reichs tagswahl 1930 42,9729 Millionen, die der gültigen Stimmen 34,9567. Allerdings dürften diese Zahlen keinen genauen Anhaltspunkt für den Wahlausfall geben, da seit den letzten Reichstagswahlen starke Verschiebungen unter den P a rteikräften zu verzeichnen sind, wie dies vor allem durch die Wahlen zu den Landtagen be wiesen worden ist. Es sei hier z. B. nur an die großen Erfolge der Nationalsozialisten bei den hessischen Land- tagswahlen erinnert. Man nimmt außerdem an, daß bei der jetzigen Reichspräsidentenwahl den Parolen von Parteien und Organisationen nicht restlos von deren An hängern Folge geleistet werden wird, so daß es also außer ordentlich schwierig ist, auch nur mit annähernder Sicher heit das Ergebnis der Wahlen am 13. März vorauszu sagen, für die etwa 44 Millionen Wahlberechtigte vor handen sein dürften. Wie sind nun die Ergebnisse der Wahlen auszu werten? Für die Reichspräsidentenwahlen ist das Gesetz vom 14. März 1925 maßgebend. Dieses Gesetz bestimmt, daß imerstcn Wahlgang der Kandidat als gewählt gilt, der die Hälfte aller abgegebenen gültigen Stimmen auf sich vereint. Angenommen also, es würden 40 Millionen gültige Stimmen abgegeben, so ist der Kandidat als gewählt zu betrachten, der 20 Mil lionen Stimmen erhält. Es geht also bei diesem ersten Wahlgang nicht etwa, wie vielfach angenommen wird, nach der Zahl der Stimmberechtigten, sondern nur nach der Zahl der abgegebenen Stimmen. Ist der erste Wahl gang ergebnislos verlaufen, so findet ein zweiter Wahl gang statt, aus dem der als Sieger hervorgeht, der die meisten Stimmen aus sich vereint. Es ist dabei denkbar, daß man auch mit nur einer Stimme Mehrheit zum Präsidenten gewählt werden kann. In diesem Zusammenhang geben wir noch einmal eine kurze Charakteristik der Präsidentschaftskandidaten, und zwar in der Reihenfolge des amtlichen Wablzettels. zweite Wahlgang am 26. April 1925 hatte folgendes Ergebnis: Von 39,22261 26,8661 Millionen gültige Stimmen abgegeben. Nach den Bestimmungen des Gesetzes war ein zweiter Wahlgang notwendig. Dieser Jarres 10,4167 Millionen Stimmen Held 1,0075 Millionen Stimmen Ludendorff 0,2858 Millionen Stimmen Braun 7,8025 Millionen Stimmen Marx 3,8877 Millionen Stimmen Hellpach 1 5684 Millionen Stimmen Thälmann 1,8718 Millionen Stimmen 5^. W M »MSN Süll MIASS 80IMÜ0M Ink »Mm ^op>r>Lkl t» «larliii ^euctUweiNLer, UsUs tLurUe) IM s53 „Wenn o u hier bist?" entgegnete sie einfach mit einer zarten Scheu in ihrer Stimme. „Die armen Wolts! — Mutter war bei ihnen diese Nacht?" „Ich weiß nicht!" „So habt ihr euch noch nicht versöhnt?" „Ich war bange, deine Mutter würde mich zwingen, sibzureisen ohne dich — und" — sie stockte — „darum lief ich hierher!" „Ich habe dich immer tapfer gefunden, wenn es galt, kür andere zu kämpfen — für dich selbst scheinst du es weit weniger zu sein!" Er streichelte ihr sanft die feuchte, kalte Vorige. „Da steht Happel; er möchte uns gratulieren!" „Du hast -?" „Es braucht doch kein Geheimnis zu sein!?" Happel und Nora drückten sich die Hände. „Das freut mich, wie lange nichts!" sagte der Arbeiter. Sei» nachtbleiches Gesicht strahlte. „Sie haben ein Herz für uns!" „Ach, Happel, Tante Barbara auch; aber gebunden sind " alle. Gebunden werde auch ich sein. Das Leben wäre wir alle unserem Herzen folgen dürften, Nlchts als Munich sein!" „ BMlosophiert nur!" lachte Hell dazwischen. „Ich hole 2acke — und dann geht es heim, Nora, un weigerlich m die Federn. Du hast es bitter nötig, und mir wird es auch nichts schaden! — Nein, nein, Happel, lassen Sie nur, ich gehe selbst!" „Wäre — wäre ich nur damals statt seiner gegangen", pflegte Happel ipater, wenn sie die Vorgänge besprachen, in bitteren ^elbsivorwürfen zu Nora zu sagen, „aber in mir saß >o etwas wie ein .Hochmutsteufel'. Und ganz im stillen dachte ich: Ja, laß es ihn man selbst tun, er ist nicht müder als du. Ja. wäre — wäre ich Mensch gewesen, nur Mensch in dem Augenblick — und nicht .Klassenkämpfer'!" Uno Nora pflegte zu antworten: „Es ist alles Schicksal, Happel! Keiner kann sich Vorwürfe machen. Wer kann so etwas ahnen?" Aber in diesem Augenblick nickte sie nur freundlich zu Hell hinüber und sah ihm nicht einmal nach, als er, an den Wachen vorbei, der Gefahrzone zuschritt, innerhalb der er seine Jacke auf einen Haufen Schutt geworfen hatte. Sie schaute ihm nicht einmal nach, obwohl ihr Herz von ihm ganz erfüllt war. Irgend etwas erwiderte Happel. In dem jähen Schreck ging ihr der Sinn der Worte unter, denn schrill, qualerfüllt, bis in alle Nerven er schütternd, ourchschnitt mit einem Male ein Schrei die Stille! Ein paar der Wächter sprangen hinzu, sprangen auf die lodernde Feuersäule zu, die dort stand, wo eben noch Hell Vollwank gewesen war, rissen sie hinweg, zu Boden, warfen Mäntel über sie. „Feuer! Feuer!" schrien andere zugleich. Gase, die sich selbst entzündet hatten, Reste der Explosivstoffe — nie ließ es sich feststellen, wie es eigentlich geschehen —, loderten mit einem Male an mehreren Stellen der Unglücksstätte unter dem Schutt hervor. Sie mutzten dort wohl schon länger heimlich geschwelt haben, um dann plötzlich in Hellen Flammen hochzuschlagen. Eine dieser ausbrechenden Stichflammen hatte Hell Vollwank gepackt. Man schlug sie mit leichter Mühe tot — aber von Hell Vollwank und seinen froh entschlossenen Zu kunftsplänen war nichts übriggeblieben als ein Häuflein in zuckender Qual sich windenden Menschenelends. * , q- * Das Telegramm vom Tode ihres Bruders und von dem Unglück in der Fabrik traf Alice und ihren Gemahl in Genf. „Das bedeutet: Umkehr mit dem nächstmöglichen Zug!" sagte die junge Frau ernst, die Augen voll Tränen. „Meine armen Eltern, Franz! Bob war eine so große Hoffnung für sie!" „Ich habe Bob liebgehabt wie einen Bruder", murmelte Rehfisch. „Immer die Besten, Hoffnungsvollsten müssen sterben! Ich bin überzeug:, dieser unnütze und törichte Vollwank wird hundert Jahre alt!" In Alices feines Gesicht stieg eine dunkle Röte. „Du solltest nicht so sprechen, nachdem du sein Geigen spiel an unserem Hochzeitstage gehört hast!" „Ein Virtuos, gewiß! Aber ob er von seiner Virtuo sität verständigen Gebrauch machen wird..." Ein leises Gefühl von Eifersucht war in dem jungen Jngeneur aufgekommen, seit er die Versonnenheit bemerkt, die seine junge Frau seit jenem Spiel zeigte. An wen dachte sie, wenn sie, an ihm vorüber, in die Ferne träumte? Er wußte um ihr früheres Verhältnis zu Hell und „Alte Liebe ist wie starker Wein, sie berauscht", dachte er un ruhig. Er hätte Alice gewiß niemals geheiratet ohne die Vorteile, die die Verbindung mit ihr ihm bot. Aber er würde sie trotz dieser Vorteile nie geheiratet haben, wenn er sie nicht liebgehabt hätte. Was er aber besaß, das wollte er, wie jeder Mann, auch allein und ungeschmälert besitzen. Alice schwieg zu seinen Worten. Sie vermochte selt samerweise nicht in Gegenwart ihres Mannes ihren Emp findungen freien Lauf lassen. Erst als er einiger Neise- vorbereitungen wegen gegangen, neigte sie ihr Haupt in ihre Hände und weinte bitter und schmerzlich. Um den Bruder? Aus Mitgefühl mit den Eltern? War nicht der Hauptgrund ein unvernarbter Schmerz, dem sie bisher kaum noch gestattet, ins Bewußtsein zu treten? Sie fragte sich nicht. Nur die Erleichterung, das Glück fast der Tränen, empfand sie. „Der Mensch", sagte der Arzt des Städtischen Kranken hauses, in das man Hell sogleich geschafft hatte, zu Her mann Wolt, „das wissen Sie, atmet nicht nur durch die Lunge, auch, ja größtenteils durch die Haut. Wird ein zu großer Teil der Haut an der Atmung verhindert, so muß der Mensch ersticken." „Und bei Herrn Vollwank?" Der Arzt zuckte mit den Achseln. (Fortsetzung solgr.)