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MsdrufferTageblatt Nr. 47 — 91. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- Gerichts und des Stadtrats zu WilsdrMdes Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, TagrdlaU- -rlchrint an allen Werktagen nachmittag» k Uh», «ezugaprei» monatlich r,- NM. k-t-n b- bei Postbeftellung 1,80 NW. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Äptg. Alle Postanstalten, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ' ..höherer Gewalt, -- Krieg oder ionstiger Be- mevafiSrungen besteht kein Ansprucd auf Lieferung de, Leitung oder Kürzung de» BezugLPreite». — Rückiendun, eingejandter kchrifistüede erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Postscheck: Dresden LK40 Donnerstag, den 25. Februar 1932 für Lürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis, dir S gefpaltene Naum,eile ro Npfg-, die «gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen«0 A-ch» Pfennige, die »gespaltene Reklame,eil« im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisung»gebühr W Retchrpfenuig«. Bp» Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 «W'WS annahmebiavorm.UlUhe. . Für di« Richtigkeit durch Fernrus übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabatlanfpruch erlisch«, »nm dar Betrag Rchch Klage etugrzogen »erden muß »der der Lustraggeber in Konkur» gerat. Neue Tumulte im Reichstag Sroener verteidigt seinen Reichswehrerlaß. Stürmische Aussprachen. Demnächst werden dle Mitglieder des Ältesten aus schuss es noch um Erhöhung ihrer Diäten ersuchen wegen steigender Beanspruchung ihrer Zeil und Arbeit. Denn sie haben bereits in den zwei Retchslagssitzungen gehörig zu tun gehabt. Erst der Fall Goebbels setzt der Fall Weber, erst der Nationalsozialist, setzt der Staatsparteiler. Der zweite Tag der Reichslagsaussprache brachte das Echo aus die Rede Dr. Goebbels am Vorrage. Erst gehl gegen ihn der Reichswehrmlnister mil einer überaus scharfen Er klärung vor, was natürlich bei dem nationalsozialistischen Flügel lautesten Widerspruch sinder, dem nachher der Partei führer Frick erregten Ausdruck gibt. Dann treibr man dort gegenüber dem sozialistischen Redner, der selbstverständ lich eine ebenso lange wie in der Form zugespitzte Kampfrede gegen dre Rechtsopposition hält, ein nicht minder neckisches Spiel, der „Störung". Ab und zu grellt wieder ein Psiss durch den Saal; inan pseift schon bester und lauter als am Vorlage. Dazwischen macht man tu Volksgemurmel, nichts mittels dumpfen „Rhabarber, Rhabarber", sondern durch lautes Vorlesen von Zeitungsartikeln oder gar von Druck sachen des Reichstages — bis nach mehrmaligen Ermahnungen der Reichstagsprästdent wieder ein paar Abgeordnete deswegen aus dem Saale herausweist. Eine schärfere Geschäftsführung ist vom Präsidenten angekündigt worden und er bringt sein Versprechen auch kalt zur Ausführung. Wiederholt zieht die Rechtsopposition zum Teil »der ganz aus dem Saal heraus, sobald irgendein Redner der Milte Vie Tribüne betritt; besonders stark wird dieser Exodus in dem Augenblick, als Gras Westarp dort oben erscheint. Aber es bleiben doch noch einig? tm Saale, und als nun der Staatsparteiler Dr. Weberdie Nationalsozialisten beschuldigt, aus dem Wege des politischen Mordes vorangegangen zu sein, da füllen sich die nationalsozialistischen Reihen sehr schnell von außen her auf, sie eilen in den Saal zurück und genau dieselbe Szene wie gestern spielt sich wieder ab. Wieder stiegt die Sitzung auf und der geplagte Ältestenausschutz muß Frieden stiften, was ihm diesmal etwas bester gelingt. Aber die Stimmung tm Reichstage ist nun derart tm Sieden, daß dieser arme Ältestenausschuß sich am zweckmäßigsten in Permanenz erklären sollte. Bekam doch der Ältestenrat gleich zum drittenmal zu tun, als sich ein sehr erregtes Zwiegespräch zwischen Dr. Rosenberg und verschiedenen Sozialdemokraten entwickelte. Das endete zunächst damit, daß von dem Redner den Zwischenrufern Ohrfeigen angeboten wurden und — zum drittenmal das nun schon beinahe üblich gewordene: Lärm aus der Linken. Der Präsident entzieht dem Redner das Wort, darauf Gegenlärm auf der Rechten. Ver geblich versucht der Präsident die Ruhe wiederherzustellen, die Sitzung zerplatzt. Und wieder tritt der Ältestenrat in Funktion. Fortsetzung folgt . . . wenn nicht heute, dann ein wenig später. Dr. Pr. Sitzungsbericht. (öS. Sitzung.) EL. Berlin. 24. Februar. Zu Beginn der Sitzung des Reichstages nahm Reichs minister Groener das Wort, um aus die Zwischenfälle in der Sitzung des Vortages zurückzukommen. Dr. Goebbels, fo erklär» der Minister, ha» gesagt: „Sage, wer dich lobt, und ich sage dir, wer du bist. Hindenburg gelob» von der Partei der Deserteure..." Die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes, so erklärt der Minister weiter, wird es als eine Ungeheuerlichkeit ausfassen, wenn de» »berste Solda» des Krieges, der Sieger von Tannenberg, der Mann, der die Fahne auch dann nicht ver- Men hat, als alles zusammenbrach (Beifall in der Mitte und bei den Sozialdemokraten) in irgendeine Beziehung mit dem Worte Deserteur" gebracht wird. (Zuruf des Abg Goebbels, Nationalsozialist: „Das ist nicht geschehen, Herr Ministe r!") Diese Beleidigung, die ein Mann aus zusprechen wagt, der selbst den Krieg nur vom Hörensagen kennt. (Stürmischer Beifall links und in der Mitte.) Dies« Beleidigung kann der Größe und Bedeutung des Generalfeld- marschälls ebensowenig etwas anhaben wie der Verehrung welche das deutsche Volk ob seiner Pflichterfüllung in Krieg und Frieden erfüllt. Als Mitglied der Reichsregicrung und als Vertreter de, Wehrmacht habe ich den Auftrag, diese ungeheuerliche Auße rung des Abg. Goebbels als eine Beleidigung nicht nur deE Herrn Reichspräsidenten (Zuruf rechts: Stimmt ja gar nicht!), sondern des ganzen Volkes aus das entschiedenste zurückzu weisen. (Beifall in der Mitte, Lärm bei den Nationalsozia listen.) Der Präsident schließt die Abgeordneten Dr. Ley (Nat.- Soz.) und Kleiner (Dtn.) wegen beleidigender Zurufe vor der Sitzung aus. Abg. Dr. Frick (Nat.-Soz.) erwidert kurz, er müsse feier- lich Einspruch gegen die Erklärung des Ministers erheben Es handle sich hier um eine völlige Entstellung des wahrer Tatbestandes. (Beifall der Nationalsozialisten, Widerspruck links und in der Mitte) „.Darauf bEtt Abg. Dr. Breitschcid (Soz.) das Wort. E» stellt fest, dag dre Parlamentarier von den Nationalsozialister und ihrer Presse dauernd beschimpf» würden. Man spreche von parlamentarischen Strauchdieben uiw. (Wäbreni der Rede des Abg. Dr. Breitscheid herrscht andauernd groß, Unruhe. Präsident Löbe schließt den Abg. Vetter (Nat.-Soz.), der durch lautes Vorlesen aus den Drucksachen den Redner hab« stören wollen, von der Sitzung aus.) Nach lebhaften Zurufen von der Rechten verläßt die natio nalsozialistische Fraktion und ein Teil der Deutschnationalen uu er den Rufen: „Schiebung!" den Saal. Die Nationalsozialisten wollen auf legalem Wege an di« Macht. Aber dieses Wort von der Legalität ist selbst in ihrer Kreisen schon zum Kinderspott geworden. Wie will man di« Mehrheit, die notwendig ist, bekommen, um legal die Macht zu ergreifen? Herr Minister Groener und General Schlei- cher sind ja heute anwesend. Ehe Sie noch einmal einer Erlaß herausgeben über die Legalität von Nationalsozialisten und ihre Aufnahmefähigkeit für die Reichswehr, sehen Sie sich das Reichsgerichtsurtei! vom 23. Februar 193V an. Sie werden seststellen müssen, daß hier eine objektive Prüfung vorliegt, die aber beeinflußt ist durch Sympathie sm die Rechte. Herr Minister Groener! Das eine möchte ich Ihnen sagen: Ich bewundere die Toleranz, die Sie gegen die Nationalsozialisten haben. Wir hoffen, daß Sie diesen Erlaß und alles, was damit zu- sammenhängi, ernstlich nachprüsen. Die Legalität ist nicht nach den Worten des Führers, sondern nach den Taten der Ge- führten zu bewerten. Es gilt jetzt für uns, alle Kraft aus di« Abwendung der faschistischen Gefahr zu konzentrieren. (Auf einen Zuruf von kommunistischer Seite drängen mehrere sozial demokratische Abgeordnete, daruntere der Abg. Stampfer, zr den Bänken der Kommunisten, und es ertönt der Rus: Un- erhörter Lümmel! Durch Vermittlung anderer Ab geordneter gelingt eine Beschwichtigung.) Reichswehrmmister Groener. Eine Einzelheit des Erlasses hat Anlaß gegeben zu eine» Aussprache mit dem Buudessührer des Reichs banners. Ich stelle fest, daß Herr Höltermann in seiner darauffolgenden Reden und in einem an mich gerichteten Brief als das Ziel des Reichsbanners bezeichnet hat, dem Gerede vom Bürgerkrieg ein Ende zu machen. Wenn der neue Bundes führer des Reichsbanners diese Richtlinien in seinem Bunde durchzusetzen in der Lage ist, so wird er der öffentlichen Ruhe dienen, zu deren Aufrechterhaltung im Falle der Not allein die gesetzlichen Machtmittel des Staates genügen. Mein Stand punkt über Einstellung in die Wehrmacht ist im Grundsatz unverändert, wie ich ihn im Herbst unter dem lebhaften Beifall der Mehrheit dieses Hauses hier festgelegl habe. Die praktische Anwendung dieser Grundsätze hebietet jetzt die Einstellung in die Wehrmacht auch für A n g e h ö r i g e der Nationalsozialistischen Partei bei ein schneidenden Sicherungen. Die Wehrmacht steht über den Parteien. Vorbedingung für den Eintritt in sie ist der Verzicht auf jeg liche Zersetzungsarbeil. Die hier wiederholt abgegebenen Er klärungen des Führers der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und sein Bekenntnis zur Legalität, erstmals durch den Bruch mti dem radikalen Führer Stenn es dar getan, zeigen, daß der Führer der NSDAP, bestrebt ist. illegale Elemente aus seiner Partei auszuschlietzen. Das stellen auch die Entscheidungen des Reichsgerichts aus drücklich fest. Diese Tatsachen haben mich bestimmt, das Ehren- recht der Landesverteidigung, auch den Angehörigen de» Rcichswehrministel Groener spricht. Reichswehrministcr Groener bei der Abgabe seiner Er klärungen gegen Goebbels und seinen Ausführungen über den Neichswchrerlaß bezüglich der NSDAP MLWAP. nicht tanger vorzuentyatlen. Die Befürchtungen aus diesem Anlaß begreife ich nicht. Abg. Dr. Bolz (Ztr.) betont, daß jede Kritik ihre Grenz« dort findet, wo nationale Interessen geschädigt werden. Wir lehnen eine maßlose, negative Politik, wie sie von dei Rechten geübt worden ist, ab. Der Reichspräsident soll über- parteilich sein. Der Reichstag ist unfähig, seine Aufgaben zu erfüllen. (Zurufe rechts: Auflösen!) über die Ursachen unserer wirtschaftlichen Not zu streiten, ist nicht nötig. Eine Überein stimmung darüber wird sich im Parlament nicht erreiche» lasten. Daß die Reparationen die Hauptursache sind, bestreitet niemand. Die Regierung har bewiesen, das sie den Mut hat, einzugreisen. Das Volk verlangt aber Auf- schluß und Klarheit. Deshalb bitte ich den Kanzler, sein« Maßnahmen dem Volke so darzustellen, daß es sieht, ob ihm ein Hoffnungsstrahl winkt. Das Ziel einer gesunden Wirtschaftspolitik darf nicht sein di, möglichst rasche Steigerung des Reichtums und der Lebens haltung: mehr Wert ist die Beständigkeit und die Gleichmäßigkeit unserer Wirtschaft und die Sicherung gegen die ständig wiederkehrende Krisen gefahr. Darum darf nicht einseitig Exportwirtschast bevorzug! werden, sondern wir müssen nach Möglichkeit unserer Binnenmarkt stärken. In der Agrarpolitik müssen wi» hinsichtlich unserer Ernährung möglichst unabhängig vom Aus ande werden. Unsere zweite Ausgabe ist die Verhinderung der Proletarisierung noch weiterer Kreise und die Schaffung und die möglichste Neubildung und Erweiterung der selbständigen Kreise dcS Mittelstandes. Abg. Dr. Freiherr von Freytag-Loringhoven (Dtn.) wendet sich den außenpolitischen Fragen zu, die von dem System Brüning geradezu verhängnisvoll behandelt »vorder seien. Brüning müsse vor allem um seiner Außenpolitik »viüen bekämpft werden, da diese nur eine Kette von Mißgriffen und Niederlagen dar stelle. Dr. Brüning habe nicht versucht, im Einvernehmen mü anderen Mächten die Tribulsrage auszurollen, sondern er hat unter französischem Druck die Baseler Tribuibank an- gerufen und den uns ungünstigen Baseler Berich« an- nehmen lasten. Es kämen rätselhafte Indiskretionen vor uni! schließlich die Erklärung, daß Deutschland keine Tribute meh» zahlen könne. Dadurch erhielt Frankreich die Möglichkeit, di« Lausanner Konferenz einfach zu sabotieren. Der Redner unter zog dann weiter die einzelnen außenpolitischen Schritte der Regierung, besonders aus der Abrüstungskonferenz und gegen L i t a u en und Polen einer scharfen Kritik und schloß mit den Worten: Der Sturz dieses Systems iß das Ziel des Wahlkampfes. Es ist die tragische Schuld des Reichspräsidenten von Hindenburg, daß er dieses System gestützt hat. Abg. Dr. Bredt (Wirtschaftspartei) erklärt: Das Kabinett Brüning sei vom Reichspräsidenten berufen worden, als aus gesprochenes Rechtskabinett, und ihm hätten sich die Deutsch nationalen anschließen müssen Die Annahme, die National- sozialisten in eine Koalition einbeziehen zu können, sei ossenbar trügerisch. Die Forderungen des nationalsozialistischen Programms bedeuten die Vernichtung des kapitalistischen Systems und laufen ans die Durchführung einer sozialistischen Gesellschaftsform hinaus. Redner beschäftigt sich dann mit der Frage der Reichspräsidentcnneuwahl und mit den hierfür ausgestellten Kandidaten. Er lehnt das Auftreten des Stahlhelms gegen Hindenburg ab. Es ent- wickelt sich dann ein längeres Zwiegespräch, in dem sich Dr. Bredt sehr warm für das Kabinett Brüning eiusetzt. Er erklärt, daß seine Partei noch einmal für die Regierung stimmen werde. Abg. Graf von Westarp (Volkskons.) protestiert gegen den Ausschluß des Abg. Goebbels am Vorlage. Er sei der Ansicht, daß Dr. Goebbels den Reichspräsidenten nicht beleidigen wollte. Es sei aber ganz unpassend, die Wahl des Reichspräsidenten zum Anlaß parteipolitischer Auseinandersetzungen über das Regterungssystem zu machen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen in der Mitte.) Der Redner sprach sich im übrigen für die Kandidatur Hindenburg aus, der ja gar nicht die Möglichkeit gehabt habe, vom Reichstag be schlossene Gesetze zu verhindern. — Bei der Rede des Staats varteilers Dr. Weber kam es zur Unterbrechung der Sitzung. Dr. Weber kam aus politische Mordtaten zu sprechen und er klärte aus einen Zurus von nationalsozialistischer Seite, es sei gewiß bedauerlich, wenn auch ein 16jähriger Hitler- junge ermordet worden sei, aber ein 16jähriger Mensch ge höre nicht in den politischen Kamps. Im übrigen aber seien die Nationalsozialisten auf dem Wege der politischen Morde vorangegangen. Bei diesen Worten erhob sich auf der Rechten und insbesondere bei den Nationalsozialisten ein Sturm der Entrüstung, der minutenlang andauerte. Es kam zu ungeheuren Tumulten. Die Nationalsozialisten stürmten gegen die Rednertribüne vor, wurden aber von dem nationalsozialistischen Abgeordneten Strasser zurückgchalten. Es ertönten fortgesetzt Ruse wie: „Abtreten!", „Wir haben 240 Tote iy, politischen Kampf verlöre n!" Da es dein Vizepräsi denten Esser nicht gelang, Ruhe zu schaffen, unterbrach er die Sitzung. Nach Wiederaufnahme der Sitzung erklärte der Vizepräsi dent, er habe Dr. Weber gebeten, die Bemerkung, die zur Unterbrechung der Sitzung Veranlassung gab, zurückzu nehmen. Dr. Weber habe erwidert, er wolle seine Be merkung begründen und habe dann auf die Bitte des Vizepräsidenten für heute aus diese Begründung verzichtet. Abg. Simpscndörfer (Christlichsoz.) setzt sich energisch für die Kandidatur Hindenburg ein. Für ihn und die Pgrtei des christlichen Volkslebens sei er ein gottgeschenkter