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Wilsdruffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Dor .Wilsdruffer Tageblatt' erlchciu, an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bczug-xreis monatlich 2,- LM. Ire> Haus, bei Poh destellung 1,80-AM. ,uzügl>ch Bestellgeld, tdinzelnummirn 1v «Pig. Alle Bost anstatt.», B vst- L'en^ Woebenh'ot» für Wilsdruff u. Umaeaend tthlle höherer Eewatt, Krixg oder tonjiigei Be- InedsffSrunecu besteht kein Amprua -»>!»-,«>"»« dkl , ettung oder «urzung des Bezugsoreites. — Rüch.enduna -mgejandter Schriststuche eriolgi nur, wenn Porto bettiegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die Lgelsollene Rovnizeile 20 Rpsg., die ^gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennige, die Zgespaltene Reklamezeile im tertlichen Teile 1 RMK. NachmeisungSLebühr 20 Reichrpsrnnigr. Dor- geschriedeneilrsct einunts- c?: r«7- « tage und ^latzvorschrifien werden nach Möyüct keii s p k t!l L k* AMl iLvklHvVUrr Vik. v berüchsichtigt. Anzeigen annahme bis norm.1VUHr. » " . Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelter Anzeigen übern, wir keine v aroniie. ^edcr L-vdaiionipruct erlifü 1, wenn der Brlrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadlrals zu Wilsdruff, des Forsirentamls Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 54 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden L640 Freitag, den 4. März 1932 Der KmmWb im Arm Sstkli Die goldene Kandare. Tardicus Donaubund. In ein paar Wochen jäh« sich zum ersten Male der Tag, an dem die Welt von dem deutsch österreichischen Vorvertrag über eine zukünftige Zollunion überrascht wurde. Selbst in unserer schncllebenden Zeit, in der sich fast täglich etwas von großer Wichtigkeit und meist kaia- strophaler Art ereignete und ereignet, ist das für Öster reich und Deutschland so schmerzvolle Nachspiel jener Aktion doch noch nicht ganz vergessen Und wir werden heute daran mit besonderer Deutlichkeit durch die Verhandlungen erinnert, die zwischen der Pariser und der Prager Regierung wegen Gewährung einersranzösischenAnleiheandieTschecho- slowakei nach monatelanger Dauer zum Abschluß ge führt haben. Und wenn man Deutschland und Öster reich vor einem Jahr nicht glauben wollte, daß die Ver einbarungen zwischen Berlin und Wien nur wirtschasis- und zollpolitische Gründe und Ziele besaßen, nicht aber die politischen des Willens zum Zusammenschluß, so kann man französischer, und lschechischerseitS auch nicht ver langen, daß wir Deutschen glauben sollen, die Prager Re gierung habe diese Anleihe im Betrage von Mil Millionen Mart um der schönen Augen des Staatspräsidenten Masa- ryk willen erhalten. Es wird ja in Paris und Gens, in Prag und — Wien laut genug von diesem „Auftakt zur Schaffung einer D o n a u k o n s ö d e r a - tion" geredet und Tardieu hat zwar in Gens darüber mit den Vertretern aller in Betracht kommenden Staaten gesprochen, hat auch vor der Französischen Kammer erklärt, aus die Unterstützung Englands und Italiens „rechnen" zu können, hat auch den österreichischen und ungarischen Delegierten in Gens klar zu machen versucht, daß für diese Staaten der Abschluß eines Zollabkommens mit der Kleinen Entente aus Grund von Präserenzabmachungen überaus vorteilhaft sei —, nur eine ebenso offizielle Be- nachrichtigung der deutschen Delegation bzw. des deutschen Botschafters hat Tardieu sorgfältig ver mieden. Und das stimmt nur folgerichtig zum ganzen Ziel einer solchen Donauföderation politischer oder „nur" wirt schaftspolitischer Art: Deutschlands Ausschluß. Paris hat die Balkanstaaten zwischen Warschau, bzw. Prag und Bukarest, schon sehr f e st a n d e r g o l d e n e n Kandare, so daß diese „Pferde im Stalle Frank reichs" keinen politischen Schritt tun ohne den Willen ihres französischen Reiters. Seit Jahren sind aber auch Ungarn und namentlich Österreich der finanziellen Macht Frankreichs hörig geworden, worüber man sich zu allerletzt in Berlin noch irgendwelchen Illusionen hingab. Die vor kurzem unter geradezu grotesken Umständen erfolgte Ausbootung des „G r o ß d e u t s ch e n" öster reichischen Außenministers Dr. Schober sprach deutlich genug. Außerdem ist der Gedanke der Donäukonföderation schon seit langem ein politisches Ziel des bekannten Führers der heute in der Wiener Regierung noch allein maßgebenden Christlichsozialen Partei, Dr. Seipels. Daß Ungarn, dieser Agrarstaal im mittleren Donaubecken, mit schwersten finanziellen Nöten kämpft und daher bei Frankreich größere Kredite aufnehmen mußte, ist angesichts der geradezu katastrophalen Preisentwicklung für die Agrarprodukte im Südosten Europas auch weiter keine Überaschung gewesen. Nur wird man künftig inner halb Ungarns die dort zu einem Ipstem gemachten öffent lichen Proteste gegen die Zerstückelung dieses Landes durch die „Sieger" des Weltkrieges stark eindämmen müssen, um die anderen „Donankonsöderierten" und Nutznießer jenes Diktats nicht zu verletzen. Und da kommen wir auch schon zu dem wirt schaftspolitischen Unsinn dieses franzö sischen Planes der Donaukonsöderation. Denn abgesehen von der Tschechoslowakei sind alle diese Staaten längs der Donau Getreideüberschußländer, deren Dlassen von Agrarprodukten ihren natürlichen Abfluß Nur nach Deutschland haben; denn z. B. Frankreich denkt gar nicht daran, seine Grenzen dem, übrigens auch kost- spieligen Antransport des osteuropäischen Weizens usw. 8« öffnen. Tardieu, bisher französischer Landwirtschafts- Minister, täte das zuallerletzt. Daß man diese Staaten andererseits dem französischen Warenexport besser und Weiter öffnen will mit Hilfe der bisher gewährten Kredite und etwa noch zu gewährender Anleihen, nimmt sich nur lheoretisch „zielvoll" aus; in der Praxis aber kann jeder dieser Staaten seine Schulden nur durch Erporte von Agrarerzeugnissen bezahlen, — und Deutschland, das übrigens ein Zollabkommen auf der Grundlage von Prä- ferenzvereinbarungen bereits vor einiger Zett mit Ungarn Und mit Rumänien abgeschlossen hat, ist weder aus die Zufuhr von Agrarprodukten aus den Tonaustaaten an gewiesen noch aus das Petroleum aus Rumänien. Das alles können wir, soweit wir es benötigen, sehr viel billiger und bequemer z. B. aus Rußland beziehen. Die furchtbare Agrarnot im europäischen Südosten hat ja gerade das russische „Weizendun.ping" mit zur Ursache und sie Hai auch infolge enorm gesunkener Aufnahmefähig- keit und Kaufkraft seiner agrarischen Bevölkerung seit Jahresfrist zu einem starken Rückgang des deutschen Warenexports nach dorthin geführt/ Der Plan einer Donaukonsöderation Wirtschafts politischer Ari spukt seit zehn Jahren herum; er ist seitdem nicht vernünftiger geworden! Oer Völkerbund tagt. Schanghai und Serajewo. Die von der chinesischen Negierung auf Gruud des Artikels 15 des Pölkerbundvertragcs einberufene außer- ordentliche Vollversammlung des Völker bundes, die zweite in der Geschichte des Bundes, ist in Genf unter starker Teilnahme des Publikums in dem gleichen Saale, in dem noch vor kurzem sich die Hauptaussprachc der Abrüstungskonferenz abge spielt hat, durch den amtierenden Präsidenten des Völker bundrates, Paul Boncour, eröffnet worden. Alle 52 Mit- glicdstaatcn des Völkerbundes sind vertreten, Deutsch land durch den Gesandten von Weizsäcker. Paul-Boncour wies einleitend darauf hin, daß die erste außerordentliche Vollversammlung im Jahre 1S26 stattfand, um eine große europäische Macht, Deutschland, in den Völkerbund aufzunehmen. Seitdem habe diese Macht dem Völkerbundrat und der Völkerbundversammlung ihre wertvolle Mit arbeit gewährt aus der Grundlage der Bestimmungen des Völkerb<ndvertrages, der heute allein maßgebend sei für die Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten. Unter tragischen Umständen trete die zweite außerordentliche Vollversammlung zu sammen. Zum ersten Male habe sich der Völkerbund mit einem großen, fernliegenden und außerordentlich schwie rigen Streit zu befassen, der sich in unmittelbarer Nähe einer großen, dem Völkerbund nicht angehörenden Macht (Rußland) abspiele und nicht ohne die Mitwirkung einer anderen großen Macht, der Bereinigten Staaten, gelöst werden könne. Es sei unmöglich, heute den Ernst der Lage und die Tragik der Ereignisse mißzuvcrkennen. Der Kanonen- sch u ß im Fernen O st e n drohe den gleichen Umsturz herbeizuführen, wie der A n s ch l a g i n S e r a j e w o. Die Vollversammlung wählte mit 45 von 47 Stimmen den belgischen Außenminister .Hymans zum Präsidenten. Hymans war bereits Präsident der ersten Völkerbundversammlung im Jahre 1920. * Japan stellt die Feindseligkeiten ein. Die japanische Abordnung gab in Genf kurz vor dem Zusammentritt der außerordentlichen Vollversammlung des Völkerbundes bekannt, daß nach aus Schanghai cin- getroffencn Telegrammen das japanische Truppenkom mando die Feindseligkeiten eingestellt habe. Die japani schen Truppen würden in den eingenommenen Stellungen verbleiben, jedoch den Kampf nur daun wieder aufnchmen, wenn von chinesischer Seite ein Angriff erfolge. Auch aus Schanghai wird gemeldet, daß dort der japanische Generalkonsul mitteilt, daß das Ziel der mili tärischen Maßnahmen, die Sicherung des Lebens-und Eigentums der Japaner, erreicht sei und des halb das Vorgehen eingestellt werde. Die Japaner haben die Front Liuho (25 Kilometer nordwestlich von Wusung am Vangtse)—T azan g—N i e- zan—Tschenju (bisheriges chinesisches Hauptquartier) befestigt. * Wahrscheinlich werden der V ö l k e r b u n d und seine Freunde dieses „Nachgeben" Japans aus das Konto ihrer Bemühungen setzen. Viel wahrscheinlicher aber ist es, daß es Japan gelungen ist, deki Zusammentritt des Völkerbundes so lange hinauszuziehen, bis es in Schang hai s e st im Sattel saß. Nachdem nach dem letzten Sturmangriff die japansche Flagge über den Trümmern von Tschapei und über den Wusungjorts weht, hat es die Trümpfe in der Hand und kann sich getrost vom Schlacht feld an den grünen Tisch begeben, fest davon überzeugt, daß die Federn der Diplomaten ihm nicht das verderben können, was ihm das Schwert eingebrachl hat. China lehnt Japans Bedingungen ab. Vor Wiederausnahme der Feindselig keiten. Der chinesische Gesandte Neu machte in der Nach mittagssitzung der Vollversammlung des Völkerbundes zu Beginn seiner großen Anklagerede gegen Japan die Mitteilung, daß die Waffenstillstandsvcrhandlungen zwischen Japan and China abgebrochen seten, da die japanische Regierung Bedingungen gestellt hätte, wie sie ein Siegerstaat einem besiegten Staate auszuerlegen pflege. Diese Bedingungen seien flir China untragbar. Die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten stünde bevor. Japans Wasfenstillstandsbedingungen. Der chinesische Gesandte Nen übermittelte dem Ge neralsekretär des Völkerbundes die telegraphisch einge- trofsenen Wafsenstillstandsbedingungen Japans. Sie ent halten folgende Punkte: l. Falls die chinesische Regierung die Zurückziehung ihrer Truppen aus eine von den japanischen und chinesi schen Behörden noch festzusetzende Entfernung von Schang hai verbürgt, wird die japanische Regierung die Feind seligkeiten aus die Dauer eines durch die Behörden der beiden Regierungen noch festzusetzenden Zeitabschnittes aussetzen. 2. Während des Waffenstillstandes findet in Schang hai eine Nundtischkonserenz zwischen Japan und China statt, an der Vertreter der interessierten Großmächte teilnehmen, um zu einem Abkommen über die Methode der Zurückziehung der japanischen und chinesischen Trup pen zu gelangen. Ferner wird über Maßnahmen zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des Friedens und der Ordnung in Schanghai, im internationalen und französischen KonzessionSgebiet zu verhandeln sein. 3. Die Zurückziehung der Truppen beginn» mit der Zurückziehung der chinesischen Truppen einschließlich der Freischärler vis zu einer gewissen Entfernung. Die japa nischen Truppen werden sich dann, sobald die Zurück ziehung der chinesischen Truppen sestgelegi ist, in die Zonen von Schanghai und Wusung zurückziehen. Schwere chinesische Anklagen gegen Japan. In seiner Anklagerede richtete Gesandter Den die schwersten Vorwürfe gegen die japanische Regierung, der er die gesamte Verantwortung für die Ereignisse im Fernen Östen zuschob. Die Haltung Japans in den letzten Monaten sei eine ununterbrochene Herausforderung des Völker- bundraieS. Es besteht nicht der geringste Zweifel, daß der Völkerbnndpakt, insbesondere die in: Artikel >0 erwähnten gegenseitigen territorialen Garalttien, non Japan verletzt seien. Japan habe den Kellogg- Pakt und den N e u n m ä ch t e v e r t r a g ge brochen. In dem Augenblick, wo die Vollversamm lung des Völkerbundes Zusammentritt, sind Gebiete von der Größe Deutschlands und Frankreichs zusammen mit Waffengewalt besetzt, sind ungeschützte Städte bombar diert, sind 7NN0 Zivilpersonen den Bombenangriffen zum Opfer gefallen. Japan Hal alle Versprechungen, die es in den letzten Monaten dem Völkerbund und der ameri kanischen Regierung gemacht Hai, gebrochen. Atte Ver mittlungsvorschläge blieben erfolglos. Die außerordentliche Vollversammlung des Völker bundes beschloß, den gesamten Komplex der Streitfragen zwischen China und Japan einem neugebildeten Aus schuß zu überweisen, dem sämtliche auf der Abrüstungs konferenz vertretenen Mächte angehoren. Der Ausschuß tritt am Freitag nachmittag zu seiner ersten Beratung zusammen und stimmt in seiner Zu sammensetzung völlig mit der Vollkonferenz überein. * Japans Front gegen Rußland. Japan verhandelt mit den Weißgardisten. In C h a r b i n fanden vor dem Verwaltungsgebäude der Ostchinabahn sowjetfeindliche Kundgebungen statt. Die Teilnehmer bestanden in erster Linie aus russischen Emigranten, sogenannten Weißgardisten. Wie ver lautet, Hal das japanische Konsuln! in Charbin mil einer Abordnung der w e i ß g a r d i st i s ch e n Emigranlen Be sprechungen abgehalten. Zu Ehren der weißgardisti- schcn Offiziere wurde im japanischen Offiziersklub ein feierlicher Empfang veranstaltet. Zur Einholung einer von auswärts eingetrojfenen Weißgardistischen Gruppe wurde eine Ableitung japanischer Kavallerie entsandt. Frankreichs neues „Hinterland". Donausöderationsplan ohne Deutschland. über die Verhandlungen, die Tardieu in den letzten Tagen mit den Vertretern der Kleinen Entente, Österreich und Ungarn über eine engere wirtschaftliche Verbindung der Donaustaaten ackührt bat. wird setzt bekannt, daß be-