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wehr", nötigt mich noch zu einer besonderen Entgegnung. Sie, .Herr Minister, sind im Irrtum, wenn Sie annehmen, daß wir den Ehrgeiz gehabt haben, militärische Ehren erweisungen der Reichswehr streitig machen zu wollen. Woraus es uns ankam, war lediglich der Wunsch, unserem hohen Ehrenmitgliede das letzte Geleit in derselben Form geben zu können, in der wir vor Jahressrist in Sibyllen- ort vor ihm gestanden haben. Euer Eizellen; kann ich versichern, daß die Versagung unserer Bitte für unsere Kameraden eine neue Belastung darstellt, und daß diese Belastung gerade im Hinblick aus unsre bereitwillige Mitarbeit an der Wiederwehrhaft- machung unseres Volkes besonders bedauerlich ist." Oie Notwendigkeit einheitlicher Neichsfürsorge. Fast die Hälfte einer Siam lebt von öffentlichen Mitteln. Aus der Jahresversammlung der in der Essener städtischen Wohlfahrtspflege ehrenamtlich tätigen Pfleger teilte Beigeordneter Dr. Fischer mit. dak. alles zusammen gerechnet, rund 4ll Prozenider Essener Be wohner, das sind ungesähr 25l) WO Menschen, aus öffentlichen Mitteln ein karges Leben fristen müßten. Davon entfielen auf die staatliche und städtische Erwerbs- losensürsorge 144 755 Personen. Fischer forderte die ein heitliche Zusammenfassung der drej Unterstützungsarten (Arbeitslosen-, Krisen- und städtische Unterstützung) in eine einheitliche Reichssürsorge, die sehr bald kommen müßte, wenn die Gemeinden nicht zusammen brechen sollten. Vrbeiisdienstpflicht ist nötig. Vortrag im Volksbund für Arbeitsdienst. Unter der Leitung des Staatsministers a. D. Dr. Wilhelm und in Gegenwart zahlreicher Vertreter der städ tischen und staatlichen Behörden, der Reichswehr, Polizei, Industrie und Handel veranstaltete der Volksbund für Arbeitsdienst in Sachsen in Dresden einen Vortragsabend über den Arbeitsdienst. Generalmajor a. D. Faupel schil derte die ersten Versuche auf diesem Gebiet und die Ein richtung des freiwilligen Arbeitsdienstes in ihrer bis herigen Form. Der Vortragende wies darauf hin, daß der Arbeitslose, der dem Staat jährlich etwa 750 Mark kostet , nun doch wenigstens bei der Ausführung der „zu sätzlichen" Arbeiten irgendwelche Werte schaffe, die der Zukunft zugute kommen würden. Der Vortragende ging auf die moralische Seite des Arbeitsdienstes ein und wies aus die Zustimmung aus den Kreisen der Arbeitslosen selbst hin, die daraus erhelle, daß sich mehr Leute zur Arbeit gemeldet hätten, als untergebracht werden konnten. Oer neueste Zankapfel. . Die Mandschurei zwischen China und Japan. Die Versassung der Mandschurischen Re publik ist veröffentlicht worden. Die Verfassung sieht ein Ober- und ein Unterhaus und einen Geheimen Rat Vor. Sie hat sehr viel Ähnlichkeit mit der Verfassung des Japanischen Kaiserreichs. Der Ches der j a p a n i s ch e n'Armee in Mulden, General Honjo, erklärte, daß das japanische Oberkom mando von der Drohung der chinesischen Zentralregierung in Nanking Kenntnis erhalten habe, eine militärische Expedition gegen den neu gebildeten mandschurisch- mongolischen Staat zu entsenden. Honjo wies darauf hin, daß die chinesischen Truppen jedenfalls auf den Widerstand der Japaner stoßen würden, falls sie ihre Ab sichten ausführen sollten. Z4 Abrüstungsvorschläge. Wenn das nicht hilft! Das Präsidium der Abrüstungskonferenz hat beschlossen, einen Arbeitsplan auszuarbeiten. Die 5 4 Vorschläge der einzelnen Abordnungen werden entsprechend ihrem Inhalt den einzelnen Kapiteln des Ab- kommensentwurses angegliedert. Der französisch englische Abkommensentwurs des Völker bundes ist damit als H a u p t g r u n d l a g e der weiteren Verhandlungen festgelegt worden. An Berliner zuständiger Stelle tritt man entschieden der Auffassung entgegen, als ob die Schaffung des Poli tischen Ausschusses in Genf eine Niederlage der deutschen Regierung sei. Alle Fragen, die möglicher weise im Politischen Ausschuß erörtert würden, hätten ebenso gut im Hauptausschuß der Abrüstungskonferenz be sprochen werden können. Als völlig ausgeschlossen wird es bezeichnet, daß die Frage der für uns unbestreitbaren Gleichberechtigung Deutschlands in dem neuen Ausschuß erörtert werden könnte. Tardieu hat in Genf der französischen Presse eine Erklärung zu der Ein setzung des Politischen Ausschusses gegeben, in der er seiner besonderen Genugtuung über die Hal tung der deutschen Abordnung Ausdruck gab. Nachdrück- drücklich betonte Tardieu, daß er einen weit schärferen Widerstand des deutschen Reichsvertreters erwartet hatte, jedoch mit großer Befriedigung feststellen konnte, daß der Widerstand von deutscher Seite gegen die von Frankreich vorgeschlagene Schaffung des Politischen Aus schusses nicht aufrcchterhalten wurde. Kurze politische Nachrichten. In Lübeck ist Bernhard von .Hindenburg, der Bruder des Reichspräsidenten, im 74. Le bensjahre gestorben. Bernhard von Hindenburg war früher Offizier und widmete sich später schriftstellerischer Tätigkeit. Der Reichskanzler hat dem Reichspräsidenten zum Ableben seines Bruders in einem Telegramm seine und der Reichsregierung innigste Anteilnahme aus gedrückt. Der älteste Düppel-Kämpfer. Der älteste Teilnehmer an der Erstürmung der Düppeler Schanzen, der Moselwinzer Matthias Bernhard- Zeltingen, konnte in diesen Tagen seinen 91 Geburtstag begehen. Der Jubilar nahm an der Schlacht bei Düppel im deutsch-dänischen Kriege, an den Schlachten bet König- grätz und Hühnerwasser 1866 sowie am Feldzug gegen Frankreich 1670/71 teil. Seine Brust schmückt eine Reihe von Tapferkeitsmedaillen aus diesen Feldzügen. Der Siedlungsausschuß des Reichstags trat zu einer Sitzung zusammen, in der über die Geschäfts lage beraten wurde. Es wurde beschlossen, nach der Reichsprästdentenwahl die Aussprache über Siedlungs- und Pachtfragen fortznsetzen. Der Arbeitgeberverband Deutscher Versiche- rungsunternehmungen teilt mit: Die Tarisver- tragsparteien im Versicherungsgewerbe haben sich dahin verständigt, den Manteltarifvertrag bis zum 30. Septem ber 1932 und die geldlichen Leistungen bis zum 30. Juni 1932 zu verlängern. Damit sind die im Versicherungs gewerbe vorliegenden Streitigkeiten erledigt. Runffreilt auch das Berliner Flaschenbier. Großer Steueraussall durch den Bierstreil. Die Berliner Gastwirtsorganisationen, die den Bier streik proklamiert haben, sind in Fühlung mit dem Flaschenbier vertreibenden Einzelhandel getreten, mit dem Ergebnis, daß der Flaschenbierhandel sich jetzt gleichfalls dem Streik anschließen zu wollen scheint. Eine endgültige Stellungnahme dürfte bald erfolgen. In zwischen verlautet, daß mit „zuständigen Stellen" Ver gleichsverhandlungen zwecks rascher Beendigung des Streikes angebahnt worden seien. Andererseits erfährt man, daß der Streik auch auf Berliner Vororte übergreife. Von >6 000 Berliner Gaststätten sollen sich 14 000 im Streik befinden. Der durch den Bierstreil hcrvorgerufcne Steuerausfall beträgt im Monat rund fünf Millionen Marl, in die sich das Reich und die Stadt Berlin teilen. Die Forderung der Gastwirtsvcrbände auf Senkung der Schank verzehrsteuer bringt die Stadt Berlin in eine be drohliche Lage. Das Aufkommen der Schankverzehrsteuer beträgt im Jahre rund 9,6 Millionen Mark. Sollte die Stadt dem Verlangen der Gastwirtsvcrbände nachgeben müssen, so träte der Fall ein, daß Berlin des Reichs zuschusses in Höhe von rund40Millionen Mark für die Wohlfahrtserwerbslosen verlustig ginge, da die Notverordnung den Reichszuschuß von einer restlosen Aus nutzung aller Steuerquellen abhängig macht. Weitere Ausdehnung des Bierstrciks. Die Kieler Gastwirteinnung beschloß, am 29. Fe bruar in den Bierstreik zu treten. Auch alle an der Kieler Förde gelegenen Ortschaften sowie die Städte Bordes holm und Plön wollen sich dem Bierboykott anschließen. Der Vorstand des Schleswig-Holsteinischen Gastwiriever- eins beschloß, am 29. Februar in einen viertägigen Sympathiestreik für die Hamburger Berufsgenossen ein zutreten. Der Bierstreik in Kiel und Umgebung soll da gegen bis zur Beendigung des Hamburger und Berliner Vierstreiks durchgeführt werden. Der 20-Mlllonen-Gvl-schatz der„EgWe" Neuer Versuch zur Hebung Ves Goldes. i Die Hebung des 20-Millionen-Goldschatzes aps dem Wrack des vor zwölf Jahren gesunkenen englischen Dampfers „Egypre" soll im April dieses Fabres noch ein mal versucht werden. Eine italienische Hebegesellschaft arbeitet schon seit drei Jahren an diesem Wrack. Eine französische und eine englische Gesellschaft stellten ihre Bemühungen nach mehreren Monaten als erfolglos ein. Im vergangenen Jahre kosteten die Hebungsversuche mehrere Menschenleben, als aus dem italienischen Hebe- dampfer „Artiglio" ein Kessel in die Luft flog. Den Italienern ist es gelungen, sämtliche Decks des Dampfers „Egypte" zu sprengen und sich Eingang in die Stahl kammern zu verschaffen, wo die Goldbarren aufbewahrt sind. Die Arbeit mutzte dann jedoch unterbrochen werden. pül-svksl irr Arvker ««»«»» «nipkskl«: eckt blaue Kammgarne, blaue Deltons unci IViarenZos Mr HnrüZe lAmli 4.60, 5.70, 6.50, 7.80, 8.00, 8.50 usw. per lVleter Usnnen- W MW " TVO i VS Aber wie sie nun über Erwarten schnell sich anschickie, den stillen Naum zu verlassen, packte ihn die Furcht, eine letzte Gelegenheit zu versäumen, und ließ ihn alle Rücksicht vergessen. Sie schrie leise auf, als sie ihn so plötzlich vor sich er blickte. Sie sah im gleichen Augenblick, daß es der alte Hell war, der da vor ihr stand. Er, den sie so herzlich geliebt, an den sie verlernt hatte, zu glauben. Das waren die harten, stolzen Züge, die harten und dennoch strahlenden Augen, die unerbittliche Entschlossen heit, die ihn als Knaben schon so männlich hatte erscheinen lassen. Aber sie sah auch, vatz er ihr nicht freundlich em- gegentral, daß er Rechenschaft zu fordern gekommen war und daß sie nicht würde answeichen können. Oh, hatte sie nicht lange gezweifelt, ob es wahr sei, daß er jene bösen Worte wirklich gesprochen — trotzdem sie sie mit eigenen Ohren gehört? Hatte sie nicht gehofft, er solle sie zwingen, ihm zu sagen, was sie gegen ihn habe? Hätte er es nicht tun müssen, wenn er sie liebgehabt hätte? Aber waren sie nicht weiter und weiter voneinander ab geglitten: sie in Hochmut, Schroffheit, Unnahbarkeit — er in Spott, Narretei, Snobismus? Und war nicht aus der Entfremdung Haß geworden? Schlimmer: Abneigung, Widerwillen, giftendes und verachtungsvolles Mißtrauen? Das alles glitt durch ihr Bewußtsein in der Sekunde des ersten Schreckens. Nicht in Worten, gefühlsmäßig, schemenhaft, fast nur als ein tiefinneres Erzittern. So standen sie Auge in Auge. Dann fielen ihr die Wirtlichkeit und die Verpflich tungen ein, die sie ihr auferlegte. „Lassen Sie mich vorüber, Hell" sagte sie weicher und freundlicher als seit langem. Es lag etwas wie eine Er innerung an schöne vergangene Stunden, etwas wie Abschiednehmen in ihrer Stimme. Und gerade das reizte ihn zur Wut. Er packte brutal ihren Arm und schüttelte sie. „Warum?" herrschte er sie an, sein Gesicht nahe an das ihre beugend. „Warum? Warum?" Sie warf den Kops zurück. Vor seiner Rauheit er wachte ihr Trotz von neuem. „Man tut ja vieles für die Fabrik", sagte sie hohnvoü. ES waren die Worte, die er vor Jahren gesprochen, als man ihn gefragt: Und Sie wollen wirklich schon heiraten, bei Ihrer Jugend? Und dazu die Braut Ihres gefallenen Bruders? Es waren fremde, gleichgültige Leute gewesen. Und Hell hatte nicht geahnt, daß sie in dem Cafe hinter der Wand gesessen, vor der er mit den entfernten Bekannten Platz genommen? Mußte er diese Worte nicht wiedererkcnuen? Aber er sah sie verständnislos an. „Quatsch!" sagte er dann verächtlich und stieß sie von sich. Er trat zurück. „Verzeihen Sie die Belästigung, Gnädigste. Es war tatsächlich nicht der Mühe wert." „Hell", wollte sie aufschreien. Aber aus der Bibliothek klangen heitere Stimmen. „Wo steckt sie nur?" Schnell verließ sie ihr Versteck. Hätte man sie mit Hell, der als ihr früherer Verlobter galt, jetzt zusammen ge sehen — welch endloses Geklatsch hätte sich daraus ergeben! Alice war an diesem Abend etwas still gewesen, bis jetzt wenigstens. „Ich habe mich einen Augenblick ausgeruht, ich war so müde", sagte sie zu den Bekannten. „Nun bin ich ganz frisch." Sie war es, die den Vorschlag machte: Laßt uns tanzen! Es war Zwar nicht ganz stilvoll und paßte nicht in den Rahmen des vornehmen Wuppertaler Fabrikantenhauses. Aber wer war denn heutzutage noch so? Das junge Volk jubelte. Alice und ihr Verlobter eröffneten den improvi sierten Ball. Es wurde ein glänzender Abend. Nora suchte Hell. Sie entdeckte ihn im gotischen Zimmer, wie er in einem der Sessel saß — einsam, ernst, versonnen, mit einem kalten, strengen Gesichtsausdruck, der ihn nichtsdestoweniger gut kleidete. Sie huschte zu ihm hin und hockte sich an seiner Seite nieder. „Hell?" „Nora?" fragte er verwundert. Er hatte die kleine Kusine gern. Es verletzte ihn nicht, daß sie ihn hier fand. „Hell", sagte Nora und legte ihre weiche Wange a» seine Linke, „ich bin gewiß schrecklich dumm, aber du tust mir leid. Ich will mich nie mehr über dich ärgern, wen« du so albern bist. Ich glaube an dich, ich will dir eine Schwester sein." Hell sah in ihre flammenden, ehrlichen Augen. Dann nahm er ihren Kopf zwischen seine Hände, sehr zart, sehr behutsam, und küßte sie aus die Stirn — und hob das schmale Köpfchen mit eigenwilligem Griff höher und suchte und fand ihre jungen, scheuen Lippen. Sie glühte rot auf, hielt aber tapfer still. Es war ja ein brüderlicher Kuß, den nicht zu dulden sehr töricht gewesen wäre. „Kleine Schwester", sagte er etwas zerstreut und strich über ihr Haar. „Wie hübsch du heute abend bist! Aber nun verrate mich nicht. Ich empfehle mich auf Französisch. Sag es Mutter nachher und entschuldige mich bei den Wolts. Ich habe geradezu abscheuliche Kopfschmerzen. Ich gehe auf Schusters Rappen nach Hause..." * * Hell machte es Nora nicht ganz leicht, das An-ihn- glauben. Sie hatte gehofft, ihr generöses Angebot würde ihn ein bißchen von seiner Narrheit heilen. Aber gleich am anderen Morgen erschien er wieder in einem unsinnig dandyhaften Kostüm und schlenderte mit Prinz am Hals band durch die Fabrik, gefolgt von den spöttischen und herausfordernden Blicken der Arbeiter. Es flogen auch zuweilen hohnvolle Bemerkungen hinter ihm her. Hell hatte eine Art, sie zu überhören, die glauben ließ, er sei tatsächlich etwas taub. (Fortsetzung folgt.)