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Sonntags-Settage Nr. 8 LMsaruNer Tageblatt 27- 2. !YS2 Sorldes Liebrsleben Von G. Zieschang. Wir leben im Goethejahr. Am 22. März 1862 jchloß einer der größten Geister Deutschlands für immer Vie Augen und zwar in der Mittagsstunde, zu welcher Zeit er auch am 28. August 1749 in Frankfurt am Main das Licht der Welt erblickt hatte. Auch wir können Goethe nachrufen, was er zu Schillers Totenfeier sagte: „Denn er war unser! Mag das stolze Wort den lauten Schmerz gewaltig übertönen! Und hinter ihm in wesenlosen Scheine lag, was uns alle bändigt, das Ge meine." Bei den meisten literarischen Großen waren die Frauen die Triebfeder zu ihrem geistigen Schaffen. Es seien nur genannt Schiller und Charlotte von Kalb, Richard Wag ner und Mathilde Wesendonk, Heine und Rahel von Varn Hagen, vcn welcher das schöne Wort stammt: „Die Seele ist eine geborene Christin", Kleist und Henriette Vogel, welches Verhältnis ein so surchtdares Ende nahm. Von den neueren Dichtern sei Löns und die Swantje genannt, wodurch der be rühmte Roman „Das zweite Gesicht" entstanden ist. Ueber allen in dieser Beziehung steht Goethe. Er war ein Frauen loddichter ersten Ranges. Unvergängliches besitzt die Nachwelt durch diese Verehrung. Als reichem Sohn Frankfurts waren ihm schon in der Jugend alle Türen geöffnet. Später am Hofs ron Weimar sowie bei seinem Aufenthalt in Rom wurde er von schönen und geistreichen Frauen umschwärmt. „Alles um Liebe" hatte er in das Petschaft der Frau v. Stein gravieren lasten. Sein größtes Werk „Faust" schließt mit den Worten: „Das ewig Weibliche zieht uns hinan". Der zweiundvierzigjährige Goethe, nach einer Kreidezeichnung von Johann Heinrich Lips. Als junger Mann lernte Goethe durch seine Schwester Cor nelia einen ganzen Flor schöner Mädchen kennen. Mancher mag er auch tiefer in die Augen geblickt haben; schrieb er doch später von Leipzig an seine Schwester: „Gib der kleinen Schmiedel einen Kuß in meinem Namen". Die Wormser Kaufmannsroch- 1er Charitas Meixner, welche zur Ausbildung nach Frankfurt gekommen war, verkehrte ebenfalls im Goethchchen Hause. Zu dieser faßte der junge Goethe eine besondere Zuneigung. Spä ter besuchte er sie auch in Worms. Im Frankfurter Gasthaus „Zum Puppenschänkelchen" war eine Wirtstochter aus Offen bach als Bedienung. Zu dieser faßte Goethe eine tiefere Ju gendliebe. Sie mag wohl vielleicht später als Vorbild zum Faustgretchen gedient Haden. Schreibt er Loch einmal: „Die Gestalt dieses Mädchens verfolgte mich von dem Augenblick an auf allen Wegen und Stegen! Es war der erste bleibende Ein druck, den ein weibliches Wesen auf mich gemacht hatte; und ha ich einen Vorwand, sie im Hause zu sehen, weder finden konn te noch suchen mochte, ging ich ihr zuliebe in die Kirche und hat te bald ausgespürt, wo sie saß; und so konnte ich während des langen protestantischen Gottesdienstes mich wohl satt an ihr sehen." Mit 16 Jahren ging Wolfgang Goethe, der Mutter ihr Hätschelhanns, wie es hieß, zum Studium der Rechte auf dre: Jahre nach Leipzig. Hier hatte er seinen Mittagstisch heim Gastwirt Schönkopf mit noch anderen Studenten. Die hübsche Wirtstochter, das flinke Kätchen, wurde bald das Ziel seiner Liebe. Sie gab sonst nicht viel auf Studentenliebe. Hier bei dem neuen Gaste hatte ihr Herz anders gesprochen. Da sie aber zu allen Gästen freundlich sein muhte und oft angeschwärmt wur de, ward Goethe stark von Eifersucht geplagt. Manches Gedicht entstand aus dieser Liebe wie -nachstehendes: „Und kraftlos sank ihr Haupt zurücke, Es irrten unbestimmte Bücke Umher und fielen dann auf mich — Und eilten weg und kamen wieder, Sie lächelte und schlug die Augen nieder, Ihr fühlbar Herz empörte sich Und schickte brennendes Verlangen In ihren Busen, auf die Wangen, Die Wangen glühten und der Busen stieg, Da rief ich: Sieg! Sieg! Amor Sieg!" Daß es eine sittliche Liebe war, sagt uns ein Gedicht von Kät chen nach einem mit Goethe allein verlebten Abend: „Dank es dem harten Streite, Daß du zur Sonne unschuldig blickst, Beim Anblick jener Heiligen nicht erschrickst, Mich nicht verachtend von dir schickst, Freund dieses ist der Tugend Lohn! O wärst du gestern nicht entflohn, Du sähst mich heute — Und ewig nicht mit Freude. Da Goethe in Leipzig erkrankte, er hatte Blutsturz gehabt, reiste er nach Hause. Dadurch nahm die Liebe zu Kätchen ihr Ende. Sie heiratete dann Doktor Kanne, Goethe hat sie später einmal besucht Es war eben auch nur eine Studentenliebe gewesen. Das Iura-Studium mag wohl nicht besonders von ihm ge fördert worden sein, es regte sich immer mehr und mehr die Dichterseele in ihm. Er hatte eben mit den Liebeleien viel Zeit verschwendet. Verkehrte auch viel bei Professor Oeser, wo er Mal- und Zeichenstunde nahm. Die mit Goethe im gleichen Alter stehende Tochter Oesers, Friedericke, wurde ebenfalls in Leipzig sein Liebesideal. Manches Gedichtchen schickte er von Frankfurt an sie. Wenn Friedericke auch keine besondere Schön heit gewesen sein soll, so war sie doch durch Len Umgang mit Künstlern und Gelehrten, welche im Hache verkehrten, feinge- bildet und mit gutem Charakter ausgestattet, was einen Geist wie Goethe anzog. Die Briefe von seinem Riekchen sind uns nicht erhalten geblieben. Lin Gedicht an sie „Liebe und Tugend" überschrieben mag hier folgen: „Wenn einem Mädchen, das uns liebt. Die Mutter strenge Lehren gibt Von Tugend. Keuschheit und von Pflicht And unser Mädchen folgt ihr nicht Und fliegt mit neu verstärktem Triebe Zu unsern heißen Küssen hin; So hat daran der Eigensinn So vielen Anteil als die Liebe.