Suche löschen...
Wilsdruffer Tageblatt : 23.02.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193202234
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19320223
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19320223
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-02
- Tag 1932-02-23
-
Monat
1932-02
-
Jahr
1932
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 23.02.1932
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Iauchenauerin. Von F. Schröng Hamer-Heim dal. Wie ein Pfeil, vom Bogen geschnellt, ward ich in die Welt geschleudert an meiner Jugend- und Schicksalswende. Willenlos, unwissend der künftigen Dinge, sand ich mich in der Großstadt, die mir so fremd und kalt erschien wie das Leben selbst, in das ich mich hinausgestoßen sah nach einem Gesetz, dessen Sinn mir damals noch nicht deutlich war. Mit ein paar Märklein in der Tasche und einem zer rissenen Herzen in der Brust sah ich mich ganz allein auf mich selbst gestellt. Von der Heimat erhoffte ich nichts. Ich wollte niemand zur Last fallen, jetzt nicht und später nicht. Ich hatte dort Wunde Herzen zurückgelassen, da ich einen mir vor bestimmten Lebensberuf nicht erfüllen konnte, und dieses Wissen um fremdes Weh erfüllte mein Herz noch mehr. Wie ein Schlafwandler ging ich an diesem ersten Wendetag durch die schier endlose Stadt weit hinaus aufs flache Land. An eine herbstkahle Linde gelehnt überdachte ich mein Schick sal, erwog ich die Zukunft, erwartete ich das neue Leben mit seinen furchtbaren Bedrängnissen: Wie sollte ich mit ein paar Märklein nur die kommenden Jahre an der Hochschule meistern, die mir den künftigen Brotbernf vermitteln sollten? Eine graue Dunstwolke lagerte wie ein unheimliches Ver hängnis über der verdämmernden Stadt wie über der eigenen Herznot, und es war, als riefen Stimmen daraus in die schauernde Nebelstille: Laß alle Hoffnung fahren! Wie ein verlorener Sohn wanderte ich durch die schweigen den Nebelschwaden zurück in die fremde, kalte Großstadt, um mir für die erste Nacht eine ebenso fremde, kalte Herberge zu suchen. Als ich die Stadt erreichte, blühten die Gassen und Plätze bereits im Licht der Glühbirnen wie ein verzauberter Harten, und ein Gewoge von lachenden, lustigen Menschen schob sich an mir vorbei wie ein Mummenschanz, meiner Herz not höhnend. Es war schon Mitternacht vorbei, als ich aus einem Gast raum Töne, Lieder und Laute vernahm, die mein zerrissenes Herz mit Zaubermacht anzogen. Mit überströmendem Glücks gefühl lauschte ich hingerissen. Was da sang und klang, liebte und lebte, jubelte und jauchzte, war mir Heimat und Himmel zugleich, die das Tiefste und Beste des eigenen Herzens auf rührte, daß die verzweifelnden Notstimmen darin auf einmal verstummten. Hingegossen wie bei einem Gottesdienste ergab ich mich dann in dem überfüllten Gastraum der werbenden Macht der alten Heimatlieder, der Jodler und Tänze, die ein „Bua" und ein „Dirndl" den staunenden Großstädtern vorführten. Mir aber war das mehr als Unterhaltung, mir war es Voll erlebnis und Offenbarung des Tiefsten und Besten, was die Natur, was Gott ins Herz gelegt, des reinen, jubelnden Menschentums, des urvererbten, unverfälschten Volkstums. Für mich war das kein Spiel, sondern Leben, urwüchsiges naturhaftes Aufgehen in den reinen Reigen der Volksseele n der ich mein eigenes Wesen als urverwandt und ewig mit >erschwistert wieder gefunden hatte. Ich konnte einfach nicht gehen wie die andern Gäste, ick nutzte beim „Buam" und beim „Dirndl" bleiben wie bei mrch Schicksal und Seele verbundenen Geschwistern. So saßet vir denn selbdritt allein in dem weiten Gastraum und er zählten uns die eigenen Schicksale, die uns in diese fremde kalte Großstadt geführt hatten. Da erfuhr ich dann, daß auck äe beide heute das erstemal hierher gekommen waren, um sich wn der Heimat verstoßen, mit ihrem Herzblut ein neues Leben zu verdienen. Das „Dirndl", eine reiche Bauerntochter aus der Tölzei Negend, aus der grünen Jachenau hinten, der „Bua", eir Holzknecht aus der gleichen Heimat, hatten sich so zusammen- zesungen, daß die Herzen nicht mehr auseinander konnten Das „Dirndl" wurde aus dem Baterhause verstoßen, weil es Seu „Buam" nicht aufgeben konnte, und so gab es eine arme heimliche Heirat und einen herzhaften, baumfesten Entschluß sich in der Großstadt soviel Geld zu ersingen, daß man in dei alten Heimat ein „Sacherl" kaufen könnte. Und wenn es sowei: wäre, meinte das Dirndl zuversichtlich, würde auch der ge strenge Herr Vater seinen bauernstolzen Dickschädel absetzer und seinen Segen geben. „Wir mcistern's schon, Marei", sprach der „Bua", „wär, zum Lachen. Da schau her, am ersten Abend haben wir schor' dreiundachtzig Markl eingenommen. Wenn das so weiter geht — und 'warum soll's nicht gehen —, haben wir in einem Jährlein ein Sacherl in der Heimat. Und nit einmal das schlechteste. Nachher werd' ich den Herrn Vater fragen, ob ihm mein ersungenes Heiratsgut langt." Wahrhaft adelige Gestalten, aus bestem Bayernstamm, waren sie beide, der Bua und das Dirndl. Und wahrhaft adelig Sinn und Seele. Denn kaum hatte ich mein eigenes, trauriges, schier hoffnungsloses Geschick erzählt, da sagte der Bua: „Ja, und das Allertraurigste ist, daß Du noch keinen Schatz hast. O Bua, das ist das Allerärmste. So, Marei, jetzt gibst ihm ein Bußl!" Und wahrhaftig, Marei erhob sich, legte mir mitfühlend die runden, gesunden, blutwarmen Bauernarnic auf meine Schulter und berührte mir Mund und Stirne mit Küssen, die alle Herznot verzehren sollten. „So", sagte der Bua, „jetzt wirst Dich auch durchschlagen durch das lausige Leben. Da gibt's keinen Zweifel nit. Schau, und das da teilen wir schön brüderlich — es langt für den Anfang, für Dich und für uns." Trotz allen Widerstrebens mußte ich die Hälfte der Tages einnahme annehmen. Als wir im Morgengrauen auseinander gingen, wußte ich mich geweiht und gefeit durch den ersten, urmütterlichen Kuß des Ewig-weiblichen, des höchsten Weib adels, der mir in der unvergeßlichen Jachenauerin lebendig War, ist und bleibt. Solch ein Erlebnis vergißt man nicht, und wenn die Welt in Trümmer geht. Mein zerrissenes Herz war heil geworden im ewig Heimat lichen des Buams und des Dirndls, in der Größe ihres Menschentums. Nun wurde mir auch der Sinn des Gesetzes deutlich, das mich wie einen vom Bogen geschnellten Pfeil, mit todwundem Herzen, ein paar Märklein und einem Reife zeugnis in die kalte, fremde Großstadt geschleudert hatte. Das Gesetz, das mir der Bua und das Dirndl vorlebten, sich selbst, seinem Herzen und Gott getreu sein Schicksal nicht erwarten, sondern meistern. Hilf dir selbst, so hilft dir Gott! Dann muß es gelingen. Das Bild seiner Frau Skizze von Otto Schumann. Mit sichtlicher Zurückhaltung empfing Betriebsleiter Volk mann den Besucher, den das Mädchen soeben zu ihm rns Arbeitszimmer geführt hatte. „Was führt Sie zu mir, Rayski?" erkundigte er sich, nachdem der andere auf seinen Wink ihm gegenüber Platz genommen. „Wir haben uns lang« nicht gesehen." Der Fremde nickte: ..Gana reckt. Fünf Fabre nnd's nun ,Aha, jetzt der! leute abend ein Bekannter einen k« Drei Leben im Kohlenkeller Sour Sonn« 1786 das Vergnügen I!, „Wo denken Sie hin; ich werde doch einen alten Be kannten nicht angeben — wenigstens nicht, wenn Sie Ver einem Vorwand hier heraus zu bestellen. Er wird Wohl bald da sein. Und außerdem schickt h Brief an die Staatsanwaltschaft, mit allen nötigen Angaben, für den Fall, daß ich in drei Stunden nicht wieder zu Hause bin. Sie sehen: Sie müssen früher aufstehen, wenn Sie mir beikommen wollen." Volkmann legte die Waffe zurück. Er war blaß geworden. Jacob fand langsam den Herrn, er krabbelte wiegen» auf dem Körper umher, schlug mit den Flügeln, zupfte ihr am Ohr, strich mit zärtlicher Bewegung den Schnabel über die Haut des Gesichts und als es ihm gar zu bunt wurde biß er ins Ohrläppchen — vergebens. Erst Frederik mußt« im Morgendämmer kommen, um beide auf den Straßensteine« zu finden. Seine Augen wurden klar, er rannte mit große« Schnelle zum Schuppen, die Karre zu holen, und kam schor zehn Minuten später im Krankenhaus an. „Nein, Mann — das ist ja wild. Den habt Ihr sicher selbst aus dem Fenster geschmissen. Und was soll der Bogel?" Bevor der Kohlen Händler verhaftet wurde, konnte er nur noch soviel erklären daß mail Jacob neben dem Bett des Gestürzten aufstellte ' da andere Kranke einverstanden waren. Die Kopfwunde mußte vernäht, ;edes der Beine ge-, schient werden. Charly erwachte nach dreizehn bewußtloser, Tagen. „Eins — zwei — drei, Hurra — Charly!" schick > Jacob im Augenblick: der Kleine lächelte und schlief nun drück' Stunden bis in klare Wachheit. H Das absonderliche Leben des Kobolds Charly Pompern war gerettet. Frederik durfte nach der Protokollierung Unglücks zn ihm kommen und holte ihn nach einem Viertel jahr gleich in einem Wägelchen mit Gummirädern ab. M Fußknöchel konnten den Körper nicht mehr tragen. Das is der Mann, -der auf unseren Straßen umherfährt und untc> dessen Decke der Kopf des Kakadus herauslugt, und manches mal schreit der Vogel: „Eins — zwei — drei, Hurra: Charly!" . das hört man auch, wenn der Wagen mit dem Bewegung^ losen in Frederiks Keller steht. Der blickt zu seinem Schütz Ung: „Sag mal, Charly — darf ich mir eben ein Glas Bä'' rüberholen? Dauert nur fünf Minuten!" Frederik spuckt auf der Straße aus. „Und der ganz« Mist, weil ich nicht mit mir zufrieden war", brummt er uw läuft sehr schnell über die Straße zur Kneipe. An der offenes Tür ruft er hinein, was er haben will. Man bringt ihm das Glas, und bis er es hat, läßt er den Kellereingang nicht ans den Augen, in der gräßlichen Furcht, es könne den Zweien dort schon wieder etwas zustoßen. nunft annehmen." " „Vernunft annehmen? Was verstehen Sie darunter?" „Nun, sehen Sie mal. Sie sind jetzt Leiter dieses großen Sägewerks. Sie könnten mir leicht einen Posten in Ihrem Betrieb verschaffen. Und wenn wir es geschickt an fangen, lassen sich leicht ein paar hundert Kubikmeter jährlich beiseite schaffen, und wir verdienten ein nettes Sümmchen für uns, ohne daß ein Hahn danach kräht. Sie sind doch jetzt ein angesehener Mann und wären der Letzte, auf den man Ver dacht hätte." Volkmann hatte bei den letzten Sätzen in die Schreibtisch lade gegriffen und einen Revolver herausgeholt. „Noch ein solches Wort, und es knallt, Rayski, Sie verlassen sofort das Haus!" „Stecken Sie Ihre Donnerbüchse nur ruhig wieder fort! Sie werden schon nicht schießen. Ich bin nämlich so vor sichtig gewesen, den Frankensteiner Landjäger unter Der richt des ssuchen i Bezirk ke Win i hatte es Leute mii dafür üb über den mäßige ! dam slin und Sch: Nachdem material adenb V einberufc ien an b MtzungÄ uis von des Schl der läng licher A der nach Ei genen Ä eine W und eir Zleischm haben d brückt u in Frag annchml nehmun< Wilsdrr Km den 19: schick! orbeitsb Ze Mitunter vvm B' verwcnt der irr schädigt Ansicht den für gen ist Weise sorgen, verwest störung schäbig! MN der oernich scheu < genen gen; S starke die W fähige! 1914 , benber Die Z 11,6 g ien, rv stiegen den E betrug wenig-, st der 2 Fest r Jubel; fügen Schul- Uhr i gültig, «ähru Kimme 5. M t abend ab. l grüßt, Kühn miede webet migt. Stift' einig« Stift, sprech versa! Mr f Komi wird Her Kön:^ Maria 2 König -lst glücke Pi Schwäger lebenden Friedrichs Kurfürst t rich Augu -des Sckrl Ins-g tallsärge, schmückt. öffnet, er hatte Platz in der ganzen Küche und sprang mt ein Paar ungeschickten Flügeischlägen auf des Kobolds Schul ter. Der sprach bei allen Verrichtungen mit dem Vogel, lehrst ihn zählen, flötete ihm Lieder vor, die etwas verzerrt aus; dem Papageienschnabel zurückklangen, und gab ihm zuo Knabbern weiches Gebäck. Dieser Kakadu muß es gewesen sein, der Charly veran laßte, die Wohnung und den Flaschcnhandel zu verlassen Frederik wurde zuweilen von Ausbrüchen seines Kummeri! über das Leben im Keller gepackt. Dann rannte er in ein, Kneipe, schlug sich mit Alkohol voll, schleppte sich durch di« - Straßen, bis er wieder nüchtern genug war, um die nächst« - Bierstube zu entdecken. Charly betrat traurig die Küche, da, - Fenster stand offen, und sogleich sah er, daß Jacob dorthinaul seinen Weg genommen hatte, die Käfigtür war zurück geschoben. Charly schleppte einen Stuhl aus Fenster, sticj - hinauf, aber es war schon so dunkel geworden, daß er der nächsten und übernächsten Baum nur überblicken konnte uni er auch noch auf die Fensterbank kletterte. Er rief, flötete Er erhielt Antwort: „Eins — zwei — drei, Hurra!" Uick „Eins — zwei — drei, Hurra!" schrie Charly. Tränen käme« in seine Augen, wieder pfiff er, nun flatterte das Weiße Etwa! tu den Baum vor seinen Augen. Der Vogel kam aus eine« Mauernische. Die Straße lag einsam unten, ein Schacht fist einen so kleinen Kerl. Der Vogel flatterte Ast um Ast höher bald nahm er einen großen Schwung und — streifte die aus gestreckte Hand des Kleinen. Der wollte den unsicher Flie genden packen, beugte sich noch weiter vor, beim nächste» Schwung des Kakadus faßte er unterm Flügelschlag schon d» hornige Kralle — und stürzte abwärts in einen kreisende«! Tunnel. Auf flatterte der Freund Jacob: „Eins — zwei — drei, Hurra". Der große Schlag hatte alles Bewußtsein del Kobolds ausgelöscht. Er lag vor dem Hause noch kleiner als man ihn kannte. seit Sie damals aus Schlesien Plötzlich ver;cywanven; tur; nachdem der Zienitzer Förster ermordet wurde. Haben's in zwischen ja ganz schön weit gebracht." Volkmann überhörte die letzte Bemerkung. „Sie glauben^ daß ich Köhler erschossen habe? Sie irren, Rayski, ich bin es nicht gewesen." „Nicht?" Der Pole sah ihn zweifelnd an. „Man hat Sn aber bald nach der Tat aus dem Hause kommen sehen." „Stimmt. Ich suchte ihn auf, weil ich eine private Sach« mit ihm zu regeln hatte. Vielleicht hätte ich ihn auch getötet. Aber jemand kam mir zuvor. Ich fand Köhler tot am Bode» liegen. Der Schreibtisch war erbrochen — natürlich leer." „Klingt ganz schön", meinte der andere, und ein häß liches Grinsen lief über seine verschlagenen Züge. „Nur — di« Geschworenen werden es Ihnen nicht glauben." „Ich Weitz, datz ich beim Verlassen des einsam gelegener Forsthauses beobachtet war, und ich hatte auch geäußert, das ich mit Köhler ein Hühnchen zu rupfen hätte. Der Verdachi ruhte auf mir, und darum bin ich damals fortgegangen/' „Ich hätte nicht gedacht, daß Sie so viel zugeben würden. Immerhin, wenn der Staatsanwalt erfährt, wer Betriebs leiter Volkmann in Wirklichkeit ist, steht die Sache faul für Sie. Sie wissen, es sind 3000 Mark Belohnung für die Er Ein Händler, ein Kobold und ein gelbweitzer Kakadu. Skizze von Walter A. Persich. Charly Pamperin war ganz ordentlich zur Welt ge kommen. Das Kind nahm ständig, ja erschreckend zu, es be gann mit sieben Monaten zu laufen und ließ sich weder durch die Tatsache stören, daß die Beine sogleich eine erhebliche Krüm mung annahmen, noch dadurch, daß es dauernd auf seine niedliche, gestupste Nase plumpste. Weniger schnell ging sein geistiges Wachstum vor sich. Die Verwandtschaft gewöhnte sich daran, in Abwesenheit der Mutter vom „blöden Riesen" zu sprechen. Doch was hals dieser freundliche Witz, als Charly Pamperin durchaus kein Riese wurde? Mit sieben Jahren hatte er die Größe eines dreijährigen Kindes und wurde ob seiner Seltsamkeit gewaltig gehänselt. „Der Kobold!" schrien die Mädchen, und die Jungen nannten ihn grob und ge mütlich „Charly Dickwurst". Die gütige Vorsehung hatte dem dicken Kobold immerhin eine Waffe gegen diese Angriffe gegeben, die schwerfällige Gleichgültigkeit. Er blieb in einer steten Verdrossenheit er selbst, und zuweilen konnten ihn Anfälle einer ganz tollen Laune packen, wenn die anderen es mit Hänseleien so weit getrieben hatten, daß sie selbst einen Zornesausbruch fürchten mußten — in diesem Augenblick begann er nicht zu Poltern, nicht zu schlagen, sondern er lachte. Lachte, bis sich sein Ge sicht in eine runde, alte Fratze verzog, stellte seinen dicken Kopf auf die Erde und schoß Kobolz, sodann tanzte er los, sang mit einer erschreckens eintönigen Stimme dazu einen frechen Schlager und sammelte in kurzer Zeit um sich und die erschreckten Kinder eine Gruppe Fußgänger. Doch ehe man sich dessen versah, war er zwischen den Leuten hindurchgeschlüpft, die sich noch über den seltsamen Burschen unterhielten, und kugelte auf seinen klumpigen Beinen um die nächste Straßenecke, nicht ohne vorher eine erschreckliche Fratze, erfüllt von aller Bosheit der Kreatur, sehen zu lassen. Welchen Beruf sollte der junge Mann ergreifen, der noch immer nicht größer war als ein achtjähriges Kind, dessen Kugelkops auf einem Kugelleib saß, der wieder aus Kugelbeinen ruhte? Kaum begannen die Eltern Pläne zu schmieden, als sie auf einer Ausflugsfahrt mit einem Autobus tödlich verunglückten. Charly saß in der Wohnung, in die der Sommerabend drang. Müde wurde er, untröstlich im Allein sein. Er begann, zum ersten Male in seinem Leben, zu weinen, und dabei schlief er auf fernem Kinderstuhl ein. Charly besaß einen Freund. Der Kohlenkellermhabei Frederik fing ihn am nächsten Morgen auf, als der Bursch« die sonnbeschicnenen, von blitzenden Splittern verzauberter Stufen herunterpurzelte, bis an den Rand des Schädels er füllt noch vom unverständigen Schicksal. „Charly", sagte der Mann, nachdem er die Unglücksgeschichte angehört hatte, „Du hast mir oft Dein Herz ausgeschüttet. Charly, Du weißt, ick habe nichts vom Leben, wenn Du willst, ziehe ich mit ir Deine Wohnung, so schön habe ich's seit zehn Jahren nichl gehabt, und was der Keller bringt, davon können wir leben wenn wir im Sommer mit Flaschen handeln. Und Jacob rs auch einverstanden!" Jacob — seltsamer Gegensatz eines schneeweißen, an der Schläfen gelblichen Kakadus in dieser Umgebung aus Bri ketts, Nußkohle, Koks, den öligen Flächen der Steinkohlen — Jacob schrie schon lange aus seinem rostigen Käfig: „Eins — zwei —drei —Hurra! Charliiiii!" Der Bogel hakte erreg die Tür auf und krabbelte eilig auf die Schulter des Kleinen die Flügel zärtlich hebend. So lebten die beiden Leute, dei Kohlenonkel, der Kobold. Ter Kleine hütete die Wohnung, ar der er putzte, und der Große das Geschäft, und beim Flaschen handel, auf den sie mit einem kleinen Karren gingen, könnt- Charly heftig mitmachen. Er hockte auf dem Gefährt, schri- mit seiner gebrochenen Stimme zu den Fenstern hinauf uni war dabei die Reklamefigur des Unternehmens. Leider konnt- Jacob nicht mitfahren. Er saß schreiend und ungeduldig au seiner Stange, wenn Charly von den Stadtfahrten hennkehrte um das Esten zu bereiten, dann aber wurde ihm die Tür ge greifung des Mörders ausgesetzt." cstehe ich. Dieser Tatsache verdanke ich Wohl ihres Besuches, Rayski?" zwei tiefe Linien gruben sich nm seine Mundwinkel. Tel» andere, in seinen Stuhl zurückgelehnt, beobachtete ihn wie die l Katze die Maus. „Nun, wofür entscheiden Sie sich?" Der in die Enge Getriebene antwortete nicht. Rayski s stand auf und trat ans Fenster. „Ich glaube, da kommt schon« der Landjäger." In der Tat hörte man auf der Landstraße - den Hufschlag eines Pferdes. „Schnett, entschließen Sie sichst Wir arbeiten zusammen oder — für Sie das Zuchthaus, wenn' nicht das Schafott." „Dazu bedürfte es Wohl stärkerer Beweise, als sie gegen; mich vorliegen", murmelte Volkmann, mehr zu sich als zu dein! anderen sprechend. » „Stärkerer Beweise? Der Staatsanwalt hat Beweise i? Menge, ganz abgesehen von dem Bild Ihrer Frau, das ü; Köhlers Tasche gefunden wurde." Volkmanns zusammengesunkene Gestalt richtete sich bst! diesen Worten auf. Ein eigentümliches Leuchten trat in sein«. Augen, das sein Gegner aber nicht beachtete, denn seine Aus-' merksamkeit galt dem Landjäger, der gerade Vorm Hanse vonst Pferde stieg. „Noch mal, entschließen Sie sich! Wenn der dort" — el wies aus dem Fenster — „erst mal hier drinnen ist,, sind Sie erledigt. Noch weitere Beweise! Die ganze Gegend wußte doch! von den Beziehungen zwischen Köhler und Ihrer Fran..." Volkmann antwortete nicht. Auf dem Flur draußen' wurden die Schritte des Landjägers hörbar. Jeden Augen-i blick mußte er ins Zimmer treten. lieber des Polen abstoßendes Gesicht lief ein böses Lächeln. „Gut, wenn Sie es nicht anders wollen... So bekomme ich wenigstens die ausgesetzte Belohnung." Volkmann blieb noch immer stumm. Die Tür öffnete sich, der Landjäger trat ein. Ehe er noch ein Wort hatte sagen können, stürzte Rayski auf ihn zu und wies auf den Betriebs leiter: „Er heißt gar nicht Volkmann, es ist Karl Wiebrecht, der vor fünf Jahren in Schlesien den Förster Köhler erschossen hat. 3000 stehen auf seinen Kopf!" Aufs höchste überrascht starrte der Beamte den AiM schuldigten an. „Nur noch einen Augenblick", bat dieser nw, seltsamem Lächeln. „Rayski, Sie sagten eben, daß in Köhlers; Tasche ein Bild meiner Frau gefunden wurde?" Der andere nickte. „Nun, Landjäger, als man die Leiche des Försters fand befand sich kein Bild in seiner Tasche. Ich hatte es vorher schor an mich genommen. Sie, Rayski, können von dem Bild nichts gewußt haben, wenn nicht — Sie selbst Köhler erschösse» haben." Mit einem Fluch sprang der so unerwartet Ueberführts auf. Er wollte durch das Fenster das Freie gewinnen, aber ehe er zum Sprung ansetzen konnte, klirrten die Handfesseln des Landjägers um seine Handgelenke.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)