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Wilsdruffer Tageblatt I 2 Blatt. Nr. 29 — DouaerStag, den 4 Februar 1982 I llm Hindenburgs Wiederwahl. Die Einzeichnungen für die Neuwahl Hindenburgs, A denen der Sahm-Ausschuß aufgefordert hat, haben am Mtwoch begonnen und werden bis zum 6. Februar dauern. Nach Mitteilung des Hindenburg-Ausschusses sind etwa 130 deutschen Zeitungen die Eintragungslistcn du den Wahlvorschlag des Reichspräsidenten von Hinden- Mg ausgelegi worden. Der Aufruf des Sahm-Ausschusses wird auch vom bayerischen Ausschuß für die Wiederwahl Hindenburgs, der schon vor einigen Tagen gebildet worden ist, begrüßt. ->e Rcichslcitung des Christlichsozialen Volksdienstes hat an den Reichspräsidenten ein Telegramm gerichtet, „sich dem Ruf des deutschen Polkes nicht zu versagen". Für Dachsen hat der Dresdener Oberbürgermeister Dr. Külz einen Aufrus zur Wiederwahl Hindenburgs erlassen. Die Haltung der NSDAP. Die Nationalsozialistische Korrespondenz schreibt unter der Überschrift „Verlorenes Spiel", daß unter den Unter zeichnern des Sahm-Aufrufes nicht ein Name fei, der eine Gefolgschaft mobil zu machen vermöchte. Es fehlten die tzuhrer des Wirtschafts- und Geisteslebens, der beruss- Nndischen Organisationen, der Frontsoldatenverbände und vor allem die Träger der deutschen Freiheitsbewe gung. Das erwachte Deutschland solge der Parole Hitlers in der Hoffnung, daß Generalfeldmarschall von Hinden burg bis dahin dem Spiel mit seinem Namen durch seine unmißverständliche Willenskundgebung an den Sahm- Äusschuß ebenso entschieden ein Ende mache, wie er den Brüning-Plan einer parlamentarischen Lösung der Reichs- »räsidentenfrage abgetan habe. Ein Dementi des Staatssekretärs Meißner. Der Staatssekretär beim Reichspräsidenten, Dr. Meitzner, läßt erklären, daß die Meldung der Münchener Neuesten Nachrichten über angeblich von ihm betriebene Vorarbeiten für eine Umbildung der Neichsregierung jeder Grundlage entbehre. Er habe insbesondere keinerlei Ver handlungen mit oppositionellen Politikern hierüber ge- !ührt. Die Münchener Neuesten Nachrichten hatten unter der Überschrift „Quertreibereien" geschrieben, es müsse einmal mit aller Offenheit ausgesprochen werden, daß der Staats sekretär des Reichspräsidenten ohne dessen Wissen sowohl wie ohne Wissen des Reichskanzlers die Umbildung des Reichskabinetts auf eigene Faust stimmungsmäßig vorzu bereiten und in Verhandlungen mit oppositionellen Poli tikern unter Nennung von noch nicht einmal befragten Reichskanzlerkandidaten zu betreiben suche. Es bedürfe Wohl keiner vielen Worte, um diesen Handel zu kenn zeichnen. Es könne dem Reichspräsidenten weder als Berson noch in seinem Ami, das ihn über die Parteien und die wechselnden Mehrheiten stelle, zugemutet werden, seine Wiederwahl an die Befragung irgendeiner politischen Partei oder Richtung zu binden. Der Neichsinnenminister an die Landes regierungen. Der Reichsminister des Innern hat sich telegraphisch an die Landesregierungen gewandt und diesen mitgcteilt, daß mit der Ausschreibung der Ne ! chspräsi - dentenwahl in nächster Zeit bestimmt zu rechnen sei. Wahlvorschläge bedürfen der Bescheinigung der Ge meindebehörde, daß die Unterzeichner stimmberechtigt sind. Diese Bescheinigungen auf den Unterschriftslisten können schon jetzt ausgestellt werden. Der Neichsinnenminister dal die Landesregierungen gebeten, die Gemeinden anzu- weisen, Ersuchen um Ausstellung derartiger Bescheinigun gen mit tunlichster Beschleunigung zu entsprechen. -i- Der Hindenburg-Ausschuß teilt mit: Die formell er- sorderliche Zahl von 20 000 Einzeichnungen ist bereits am ersten Tage überschritten worden. Die Listen werden noch etwa zehn Tage ausliegen. Nie Einzeichnungen ür die Hin-enburg-Volkswahl. Das erste Teilergebnis. Abends lagen 105 300 Einzeichnungen vor, davon in Berlin 28400. Auch in Dresden war der Andrang an den Einzeichnungsstellen groß; nach privaten Zählun gen sollen etwa 3500 Stimmen abgegeben worden sein. Sesährdete„Selbstversorgllng"mitZleiW (Bericht der Vichzentrale, G. m. b. H., Berlin-Friedrichsfelde.) Die Tendenz des Vieh- und Fleischmarktes pflegt auch in normalen Zeiten im Monat Januar nach unten ge richtet zu sein. Bekanntlich hat die Landwirtschaft in dieser Zeit Zahlungsverpflichtungen in größerem Um fange zu erfüllen. Der Verbraucher schränkt seinen Bedarf ein, so daß die an und für sich geschwächte Kaufkraft eine weitere Verminderung erfährt. Auf der anderen Seite drängt marktreifes Schlachtvieh zum Verkauf. Befonders unangenehm fühlbar machte sich daher diesmal der Absatz zu sehr niedrigen Preisen. In den letzten Jahren hatten wir infolge einer künstlichen und ungesunden Hochkonjunktur auch den Fleischverbrauch über mäßig gesteigert. Infolgedessen drängle alles nach einer Steigerung der Produktion. Heute entscheidet in der Preis politik für jedes Produkt, das von der Masse gebraucht wird, die Kaufkraft. Diese ist aber infolge der stetig steigenden Arbeitslosenzisser um 25 Prozent und mehr gesunken. Dementsprechend erscheint eine Senkung der Preise in diesem Ausmaß als erklärlich, wenn gleichzeitig auch aus anderen Gebieten di< gleiche Senkung der Kosten eingetreten wäre. Vergleicht mau dagegen die Entwicklung der Preise anderer Produkte in den letzten vier Fahren und berücksichtigt, daß die Preise für Viehprodukte seit mehr als zwei Jahren fortgesetzt weiter zurückgingen, so muß diese Erscheinung doch bedenklich stimmen! über die tatsächlichen Verkäufe der Landwirtschaft an Viehprodukten innerhalb eines Jahres gibt es keine zuverlässigen Unterlagen. Man wird sich daher an den Gesamtschlachtviehauftrieb, wie er für neununddreißig der bedeutendsten Schlachtviehmärkte im Jahre 1931 veröffent licht wird, halten müßen, um diese schätzungsweise festzustellen. Unter Zugrundelegung eines Durchschnittsschlachtgewichtes von 250 Kilogramm je Rind, 30 Kilogramm je Kalb, 20 Kilogramm je Schaf und 80 Kilogramm je Schwein ergibt sich ein jährliches Fleischqnanlum von rund 82 Millionen Zentnern. Eine höhere Bewertung von nur 10 Mark je Zentner würde einen Mehrerlös hierauf in Höhe von 820 Mil lionen Mark in einem Jahre ergeben. Alle Hilfsaktionen, Zinsverbilligungen, Zollerhöhungen einschließlich Markt stützungsaktionen zusammen, ergeben nur einen geringen Prozentsatz dieser Summe, die auf vtehwirtschaftlichem Gebiet allein schon eine bessere Rentabilität der Landwirtschaft herbei- sühren könnte. Daß Deutschland seinen Bedarf an Fleischprodukten voll und ganz aus dem Jnlande zu decken vermag, wird jetzt von niemandem mehr bestritten. Der katastrophale Preisrückgang auf diesem Gebiete beweist dies zur Genüge. Trotzdem wird man sich keinen Illusionen darüber hingeben dürfen, daß diese „Selbstversorgung" ihre Grenzen finden mutz in dem Moment, wo die Produktion sich nicht mehr lohnt. Es wäre verhängnisvoll, wenn die gegenwärtig niedrigen Preise tatsächlich zu einer Verringerung der Produktion führten. Die Produktion an Vieh läßt sich nun einmal nicht von heute zu morgen ändern Jede Einschränkung hätte nur unan genehme Folgen für Deutschland, das einfach nicht in der Lage ist, die notwendigsten in Deutschland erzeugungsfähigen Lebensmittel vom Auslande zu beziehen. Was für Schlachtvieh gilt, bezieht sich auch aus die Preis gestaltung für Zucht- und Nutzvieh. Auch hierin liegt das Geschäft vollständig darnieder. Der Butter- und Fettmarkl mit seiner ebenfalls katastrophalen Preisentwicklung beeinflußt vie Preise für M i l ch und damit auch für Zuchtvieh, das jetzt fast nirgends lohnenden Absatz mehr findet, so daß Kaus und Austausch von Milchvieh vollständig stockt. In manchen Gegen den lohnt es sich kaum, die Milch nach der Stadt zu fahren. Die Lage aus dem Ferkelmarkl hat sich etwas gebessert. Läuserschwetne sind dagegen infolge der schlechten Preise für Schlachtschweine sehr gedrückt, da sich bei den heutigen Preisen das Futter nicht mehr bezahlt macht. Auch die Kartosselfütterung ist heute nicht mehr lohnend, so lange der Schlachtvichpreis für Schweine und Rinder sich um 30 Mark je Zentner herum bewegt. Soll daher die Produktion erhalten bleiben, so muß hier Wandel geschaffen werden. uno zwar mcyi nur im ^zmereße der Landwirtschaft allein. Unsere Wirtschaft wird erst wieder gesunden, wenn dieses Mißverhältnis in den Preisen aller Produkte beseitigt sein wird, wird. Schweres Erdbeben ans der „perle der Aniillen". Zahlreiche Todesopfer. Santiago de Kuba, die frühere Hauptstadt der west indischen Insel Kuba, der „Perle der Antillen", ist wieder einmal von einem schweren Erdbeben heimgcsucht worden. Man sagt mit Recht „wieder einmal", da Santiago, das auch kurzweg bloß „Kuba" genannt wird, von jeher die Stätte starker Erderschütterungen war. Die meisten Häuser der Stadt, die nach den neuesten Zählungen mehr als 140 000 Einwohner haben soll, weisen denn auch der vielen Erdbeben wegen nur ein Stockwerk auf. Nach den ersten Schreckensmeldungen sollten bei dem jetzigen Erdbeben fast 2000 Menschen den Tod gesunden haben. Spätere Nachrichten lassen die Zahl der Todes opfer geringer erscheinen, doch dürften immerhin in Santiago und in den mitbetroffenen Nachbarorten mehrere hundert Personen ums Leben gekommen sein. Das nächt liche Erdbeben dauerte dreißig Sekunden. In Santiago wurde ein großer Teil der Häuser zerstört, die übrigen wurden schwer beschädigt. An verschiedenen Stellen brachen gleich nach dem Erdbeben Brände aus, die die allgemeine Verwirrung noch vergrößerten. Nach ergänzenden Meldungen sind außer mehreren Kirchen, Regierungsgebäuden und dem Elektrizitätswerk auch ein Krankenhaus und ein großes Hotel zerstört wor den. Erheblich gelitten hat der Libertadpark (Freiheits park). Da fast alle Telegraphen- und Telephonverbindun gen des südlichen Teiles der Insel Kuba zerstört sind, waren bisher nähere Nachrichten Uber den Umsang der Katastrophe nur schwer zu erlangen. Santiago de Kuba. Die Stadt Santiago liegt an einer prächtigen, von den bewaldeten Höhen der Sierra Maestra und von reichen Fluchttälern umschlossenen Bai, die einen großen Hafen bildet. Diese Bai hat einmal in der Politik eine große, für die Spanier, die damaligen Herren der Insel Kuba, verhängnisvolle Rolle gespielt: hier wurden nämlich im Sommer 1898 kurz nach Ausbruch des spanisch-ameri kanischen Krieges die spanischen Kriegsschiffe, als sie ver suchten, die amerikanische Blockadelinie zu durchbrechen, vollständig Vernichter. Wenige Tage später fiel die Stadt Slraßenbild von Snnlingo de Kuba. Ik.UMüMMMk k?omsn von ßsisnliss Lonnsbonn LopyriAkt dx Llsrtin keucktvvanxer, UsIIe (Saale) s40 Sie suchte nach Momenten. Wenn was zwischen ihm and der Aerztin war — einmal mußten sie sich doch ver raten. Die beiden sind gerissen, wie alte Schwerverbrecher — oder unschuldig wie Neugeborene, dachte sie ärgerlich. Adelgunde trat eben aus dem Halbdunkel der schmalen Gebüschwege. „Haben Sie Doktor Degeener nicht gesehen, verehrtes Fräulein?" rief Doktor van Delden hinüber. „Man sucht den Chefarzt des Kinderhauses." „Gesehen? Nein!" kam es schläfrig zurück. Es fiel keinem auf, daß das kräftige Mädchen verstört und verlegen aussah. „Wo haben Sie denn Gisela gelassen? Ging die nicht mit Ihnen?" fragte Doktor van Delden beunruhigt. „Allerdings ging sic mit mir, aber sie ist mir davon- gelaufen!" Kein Wunder, dachte van Delden. Dasselbe, was ich tun würde, wenn ich mit der allein sein müßte. „Guten Abend!" sagte Adelgunde Knacke, und ließ die anderen stehen. „Na, erlaube mal! Ich warte hier aus dich, will dich ins Hotel bringen!" warf Doktor Alander leicht empört hin. Was fiel dem Mädchen ein? Ihn da so einfach stehen- zulassen... „Ach — ich kann ganz gut allein gehen. Die paar hun dert Meter .. Mir tut keiner etwas." „Egal! Es ist einfach meine Pflicht!" schulmeisterte Doktor Alander. ^So? Na!, denn man zu!" H-Eb stch Mantel und Hut und verneigte sich vor "nwny Lasar, ohne die allergeringste Grazie. „Bis morgen, liebste Adelgunde!" drückte Antony Lasar ihr die Hand. „Ja!" Schweigend gingen die Verlobten nebeneinander her. Vor dem Hotel fragte Doktor Alander seine Braut brüsk: „Wie lange willst du denn noch hierbleiben?" „Wieso?" „Ja, ich finde... Fühlst du nicht... Zu Hause, da ist es etwas anderes. Hier... Du paßt nicht so recht in das Milieu!" „Was ist das — Milieu?" „Ich meine, du patzt nicht so in die ganzen Verhältnisse hier." „Nee! In diese Verhältnisse passe ich allerdings nicht." Doktor Alander hatte kein Ohr für den leisen Unter ton, der die derb klingenden Worte färbte. „Na also — wenn du das einsiehst!" „Morgen abend werde ich wissen, wann ich vielleicht reise. Gute Nacht!" Sie ließ ihn einfach stehen und ging die erleuchteten Stufen zum Hotel hinauf. Doktor Alander sah seiner Braut nach, sah mit kritischen Augen ihre sesten, plumpen Bewegungen und lächelte ver ächtlich bitter. An die bin ich nun gebunden, dachte er bei sich. Und wieder fragte er sich: War er gebunden? Wegen den paar tausend Mark. Wenn jemand ihm die liehe? Vielleicht die Lasar selbst? Reich genug war sie. Adelgunde — oben in ihrem Zimmer angelangt — blieb mitten in dem großen Raum stehen. In diesem Augenblick sah sie weder dumm noch an gesäuert aus. Ein großes, stilles Staunen lag über ihrem groben Gesicht und machte es sympathisch und belebt. Nicht einmal mit einem Gedanken daran rühren — schon das Darandenken wäre schlecht, ging es ihr durch den Sinn. Dann schritt sie zu ihrem Kleiderschrank, nahm ein Schwesternkleid heraus und strich mit liebevollen Fingern daran entlang. „Morgen!", sagte sie leise und feierlich vor sich hin. Und plötzlich — mit mehr Temperament, als irgend einer dem verschlossenen Mädchen zugetraut, ritz sie die seidenen Lappen vom Leibe, knüllte sie zusammen und warf dieselben in eine Ecke. Die haben ihre Schuldigkeit getan, dachte sie erleichtert. Oh, so dumm war Adelgunde Knacke denn doch nicht. Das Zimmermädchen kann sich morgen früh darüber freuen. Ich ziehe die bunten Lappen nicht mehr auf meinen Leib — das ist gewiß! * * * Elisabeth Degeener bemühte sich zu eben dieser Stunde mit der Oberschwester um das elende Würmchen, Vas man — um der Wissenschaft willen — zu retten, gesund zu machen sich bestrebte, soweit es für den zermarterten Körper noch ein „gesund" gab. War es nicht doch schon zu spät? Konnte es möglich sein, daß man genug gesunde und reinigende Säfte in diesem elenden, infizierten Leib er weckte, daß sie der herrschenden Gifte Herr wurden? Die Kleine fieberte. Der Herzschlag war unruhig. Armes Kind!, dachte Elisabeth Degeener; man sollte dich ruhig sterben lassen. Wieviel leichter ist doch manchmal der Tod als das Leben, das Nichtsein als das Sein. Es war schon gegen Morgen, als sie endlich zu der Schwester sagte: „Ich lege mich für ein paar Stunden hin. Wecken Sie mich, sobald es irgend nötig erscheint. Schwester Suleika hat meinem Manne telephoniert?" „Exzellenz Degeener war nicht selbst am Telephon. Er sei noch nicht zurückgekommen, sagte man. Er würde aber unverzüglich benachrichtigt werden." „Gut! Und Jie. Schwester? Halten Sie den Dienst noch aus? Sie werden morgen am Tage tüchtig aus schlafen. Aber — einer von uns beiden muß schon bei der Kleinen bleiben. Und ich — kann nicht mehr." „Wie bleich Sie auch sind, Frau Doktor." (Forts, folgt.)