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Wilsdruffer Tageblatt : 30.01.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193201305
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19320130
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19320130
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-01
- Tag 1932-01-30
-
Monat
1932-01
-
Jahr
1932
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 30.01.1932
- Autor
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Die Woche war vergangen, Sie Gälte des Herrn Rai befand sich wieder rin Normalzustand, aber Schwester Agathe mußte immer noch täglich von neun bis fünf Uhr zu ihm tommen. „Ich habe ein ernstes Wort mit Dir zu reden, lieber Neffe", begann er eines Abends, hüstelte, fuhr sich durch seinen grauen Haarschopf und hüstelte wieder. „Ich möchte — das heißt, es ist meine Absicht, vielmehr, ich bin zu dem wohlüber legten Entschluß gekommen.. „Den Engel von Schwester Agathe zu heiraten", fiel Fritz ein, „rch habe das schon längst kommen sehen." Rat Emmerich hüstelte, fuhr sich wieder durch den Haar schopf: „Fabelhafte Auffassungsgabe, echt juristisches Kom- dinationstalent... Ja, die Schwester Agathe soll geheiratet werden, aber — von Dir, lieber Neffe." Fritz sprang auf: „Onkel, Du weißt ganz genau, Magdo Lenzner..." „Papperlapapp, laß mich mit dem Lenznerpack zufrieden, Du heiratest die Agathe, sonst ist's aus mit der Onkelschaft. Hier hast Du's schriftlich. Alleinerbe, wenn Du den Engel nimmst. Sie hat bereits zugestimmt." Fritz hörte nicht mehr, was der Onkel noch alles von den Vorzügen der Schwester hinzufügte, er raste die Treppe hinunter und schloß sich in fein Zimmer ein. Der Onkel mußte verrückt geworden sein, aber er, Fritz, würde schon seinen „fabelhaften Juristenkopf" anstrengen um ihn von diesem wahnsinnigen Heiratsplan zu heilen. Am nächsten Mittag kam er unerwartet und von keinem gesehen nach Haufe, schlich die Treppe hinauf zu dem Schlaf zimmer des Onkels und legte die Hand auf die Klinke. Dieser Schwester, die es natürlich nur auf den Reichtum des Onkels abgesehen hatte, würde er die falsche Engelsmaske schon vom Gesicht reißen. Er öffnete leise die Tür und blieb auf der Schwelle stehen „Magda, Du ..." „Fritz, Du ..." Rat Emmerich brauchte eine ganze Weile, bis es ihm klar wurde, daß die von der guten alten Luise eingeschmuggelte Schwester Agathe niemand anders war als Magda Lenzner. Da machte er gute Miene zum bösen Spiel, denn der bittere Trank des „Engels" hatte ihn wirklich geheilt. Tiger-Charlie Skizze von Frank Stoldt. Die „Brigitte Horn" verließ Marseille mit der Bestim mung nach Ostasien. Der Erste Offizier, Hans Volkers, kam auf die Brücke und meldete Kapitän Richards, das Schiff sei seeklar. Der „Alte", eine kurze, untersetzte Gestalt, brummte eine Bestätigung und sagte dann: „Uebrigens ist mir das Schiff lange nicht sauber genug, Herr Volkers! Als ich gestern abend an Bord kam, Hoche ich mir die Hände am Fallreep schmutzig gemacht. Das Messing, hier auf der Brücke, ist nicht genug geputzt, und vor allen Dingen, den Hund — ich weiß nicht, wem er gehört, — möchte ich nicht frei herum laufen haben!" Hans Volkers antwortete ruhig: „Gewiß, Herr Kapitän!" Dabei warf er von der Seite einen Blick auf die Wallfahrts kirche, die sich auf schroffen Felsen an der Hafeneinfahrt er hob, und dachte halblaut in seinen Mantelkragen hinein: „Bewahr uns der Himmel vor Wetter und Wind — und vor Seeleuten, die was geworden sind!" „Sagten Sie etwas?" fragte Kapitän Richards. „Ach nein", erwiderte der Erste Offizier, „ich dachte nur..." „Das Denken überlassen Sie nur dem Kapitän! Wenn alles befolgt wird, was ich anordne, so genügt mir das voll kommen." Der Dampfer hatte seinen vorigen Kapitän wegen Plötz licher Erkrankung in Marseille zurückgelasscn und die Reederei seinen Nachfolger mit der Eisenbahn dem Schiff nachgesandt. Das Verhältnis zwischen Schisfsleitung und Besatzung spitzte sich während der Reise mehr und mehr zu. Die Mannschaft bildete eine geschlossene Front gegen den „Reinlichkeitsfimmel" ihres Alten. Sie bedauerte das Vonbordgehen seines Vor gängers und hatte den Beinamen Richards, „Tiger-Charlie", den er sich wegen übertriebener Strenge auf Ostasienfahrten zugczogen hatte, wieder aufgegriffen. Aber ungestört verfolgte das Schiff seinen Weg nach Osten, durch Wind und Wetter, durch Stillen und Stürme. Einige Wochen später lag man im Vorhafen von Colombo vor Anker. Die Winden rasselten langsamer und schwiegen. Es war Mittagspause. Auf dem Vordeck hatten sich einige indische Händler mit ihren einheimischen Erzeugnissen und Kuriositäten niedergelassen, die sie an die Mannschaft ver handeln wollten. Am Rande der offenen Ladelrcke führte der Kapitän mit dem Ersten Offizier ein Gespräch: „Also, was ich sagen wollte", knurrte er und wies auf einige Heizer und Stoker, die in lebhaftem Feilschen mit den Händlern begriffen waren, „wenn die Leute an Deck kommen, verlange ich, daß sie sauber ge waschen sind und ihre schmierigen Holzpantoffeln im Heiz raum lassen. Und dann... Zum Donnerwetter noch ein mal! — da läuft der Hund schon wieder an Deck herum, den Sie doch an die Kette sollten!" „Ja", erwiderte Volkers, „der muß von irgend jemand losgebundeu worden sein. Heute morgen lag er noch vor Ser Hütte." „Tas interessiert mich nicht. Ich wünsche, daß meine Anordnungen befolgt werden." Murrend ging der Alte die Treppen zum Hauptdcck hin auf und sah mit gerunzelten Brauen aus das lebhafte Treiben unter sich. Die Eingeborenen saßen mit unterschlagenen Beinen betelkauend von ihren ausgebreiteten Waren. Die Heizer stritten sich fachmännisch um Ebenholzelefantcn, Elfen beinschnitzereien, seidene Tücher und Bronzebuddhas. Der Schiffshund, der so sehr den Unwillen des Kapitäns erregt hatte, schnupperte mißmutig an den Waren herum. Um die Mundwinkel Richards zuckte es leicht. Das Tier zeigte Neigung, seiner Verachtung alles Irdischen Ausdruck zu geben. Ein Inder hob den sandalenbewehrten Fuß und stieß zu. Auf der Stirn des Kapitäns lief eine kleine Ader jäh hoch auf. Das Tier schnappte nach dem Angreifer. Der Eingeborene erwischte es, und mit einem Geheul voll Schmerz und Wut flog der Hund über die Reling. Die Mannschaft stand noch unschlüssig, als der Alte mit drei Sprüngen auf dem Vordeck dein Inder gegenüber landete, ihn am Kragen faßte und damit dem friedlichen Berkaufsidhll an Deck ein jähes Ende oercitete. Der hochgewachsene Eingeborene, dem der Turban herunter gefallen Ivar, hatte sich an den stämmigen Angreifer angeklammert. Ein Messer blitzte aber ehe man einen Warnungsruf ausstoßen konnte, fielen die beiden Ringenden durch eine Lücke der Reling gleichfalls ins aufschäumende Wasser des Hafens, nicht ohne daß der Inder seinem Gegner noch vorher einen Stich in den Oberarm beigebracht hatte. Einen Augenblick schwieg alles an Deck, dann durchbrachen gellende Schreie der noch an Bord befindlichen Eingeborenen die Ruhe: „Ein Hai! Ein Hai!" ...... . Von der Hafeneinfahrt her segelte die dreieckige Rucken- ilosse des Räubers der Meere auf den Knäuel im Wasser ru. lieber das Vordeck schrillte die Pfeife des Ersten Offiziers: ,Die Gig klar!" Während eilige Hände fieberhaft am Lösen and Fieren des Bootes arbeiteten, strebte unentwegt wie ein Zchicksalsbote in gerade Furche die dreieckige Flosse auf die Schwimmenden zu. Ein Einbaum schoß von der Seite heran und fischte den Inder auf. Doch bevor der Kapitän sich anklammern konnte, wandte sich das Fahrzeug mit eiligen Schlägen dem Lande zu. Die Flosse kam näher. Der Kopf des Kapitäns war schon einige Mal unter Wasser gewesen. Er schien nicht recht sehen ;u können. Ein dunkler Fleck im Meere zeigte den anhaltenden Blutverlust. Das hastig zu Wasser gelassene Boot begann den Wettlauf mit dem Tode, als sich etwas fast tragisch Lächerliches begab. Ein bellendes, aufgeregtes Etwas von rostroter Farbe schwamm davon, nicht etwa dem rettenden Boot entgegen, sondern der sich majestätisch nähernden Flosse. Dieser dunkle, bellende, jaulende und zappelnde Punkt zwang den Menschenhai, einen Umweg von einem Dutzend Metern zu machen. Das Boot erreichte den erschöpften Kapitän, der hineingezogen wurde, als sich das Ungeheuer längsseit auf Sen Rücken warf, um zuzuschnappen. In das grauenvolle Gebiß schmetterte ein Heizer ein splitterndes Ruder hinein. Mittlerweile kam der Hund noch immer bellend zurück und wurde gleichfalls an Bord genommen. Er jappte und leckte dem am Boden liegenden Kapitän das Gesicht, bevor der jäh das Bewußtsein verlor. Am Nachmittag desselben Tages sagte der Agent der Horn- Linie auf dem Fallreep zum Ersten Offizier: „Nun, beneiden kann ich Sie nicht. Dazu ist Tiger-Charlie schon zu gut im ganzen Osten bekannt." Der Angeredete schmunzelte: „Bitte, nicht so laut! Im Heizerlogis haben sie sich verschworen, wer noch einmal .Tiger-Charlie' sagen würde, dem würden sie den Schädel einschlagen." Vor seiner Kammer saß Kapitän Richards mit ver bundenem Arm. Neben ihm stand ein Napf mit Futter, aus dem der Schiffshund seine Mahlzeit verzehrte und dabei in rücksichtsloser Weise die heilige Reinlichkeit des Kapitänsdecks verletzte. Aber Tiger-Charlre kraulte ihm den Kopf und lächelte dazu. Gereimte Zeitbilder. Von Gotthilf. Von Gerichtsvollziehern gibt es, Unter uns in Deutschland hausend, Ein beliebtes und gesiebtes Korps von vielen, vielen Tausend. Nicht am Stammtisch oder Skattisch, Auch nicht in den Mußestunden, Sondern ernst und mathematisch Hat man diese Zahl gefunden. Und nun denk' ich blaß und grausend: Himmel, laß mich nicht erleben, Daß sie viele, viele tausend „Vögel" an den Schrank mir kleben! Lieber möcht' ich auf dem Brocken, Den die Heren sonst verschandeln, Mit den Professoren schmocken Und den Ziegenbock verwandeln. Nämlich welche, wo was wissen Von den sehr gelehrten Sachen, Wollen mit Geheimenissen Einen Bock zum Jüngling machen. Zu dem Zweck etn Mägdlein minnig Mondbestrahlt bet Schierke schuftet, Bis der Jüngling ruft: „Hier bin ichl* Und der Ziegenbock verduftet. Leider sind die Professoren Von dem Plane abgekommen, Und der Bock, den sie erkoren, Hat vielleicht Reißaus genommen. Wenn sie solchen Zauber böten, Weil an faulem Zauber not ist, Wär' das was für Wolfgang Goethen — Schade, daß der Mann schon tot ist! So begnüg dich, lieber Leser, Mit den andern Zauberdingen, Die der Japs und der Chineser Wegen Fasching jetzt vollbringen. Oder lies, was Exzellenzen So an Zaubersachen machen In bezug aus Konferenzen — Sie, da Wern Sie aber lachen! Schlechte Zeiten Skizze von G. Wilhelm Sandrock. Sic hatten einander in jenen Jahren kennen gelernt, da das mühelos verdiente Geld in Millionen-, Milliarden- und Billioncnscheinen zum Fenster hinausflatterte. Damals konnte Gerd Sommers unter einem halben Hundert hübscher Mädchen die Auswahl treffen. Sie war auf Inge Thake gefallen, deren sprudelnde Lebendigkeit und blonde Schönheit schon manchen anderen gefesselt hatte. Aber keiner besaß genügend Geld und war freigebig genug, um den Schlüssel zu Inge Thakes Herzen zu finden. Erst Gerd Sommers immer gefüllte Brieftasche öffnete die Lippen des jungen Mädchens, daß es wirklich fast wie ein seliges Ge ständnis klang: „Dich liebe ich, Gerd!" Er glaubte es. Warum auch nicht? Inge hatte keine Veranlassung, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Denn wenn auch der Regen der Billionenscheine bald nach der Hochzeit aufhörte, weil die an die Stelle des Papiers getretenen Silber stücke seltener waren, so ging doch Gerd Sommers' Geschäft noch gut genug, um der jungen Frau ein Leben nach ihrem Geschmack erlauben zu können. Ihr Vater war arm gewesen und führte das Wort „Sparen" stets im Munde. Deshalb haßte sie es. Immer hatte sie davon geträumt, einmal das Geld mit vollen Händen ausgeben zu können, ohne rechnen zu brauchen. Nun war der Traum Wirklichkeit geworden, und nun kostete Inge seine Freuden aus. Ihr Mann legte ihr keine Steine in den Weg. Er sah Wohl ein, daß Inges Verschwendungssucht mit seiner Lage nicht in Einklang zu bringen war, aber er besaß nicht den Mut, seiner schönen jungen Frau auch nur einen Wunsch zu versagen. Er hoffte, durch erhöhte Tätigkeit, durch schärfere Berechnung in geschäftlichen Dingen in der Lage zu sein, Inge stets die geforderten Summen zur Verfügung stellen zu können. Er war ja stolz auf seine schöne Frau, und die kind liche Freude, die ihr jede Neuanschaffung bereitete, machte ihn glücklich. Doch auch das Glück stumpft allmählich ab. Er ertappte sich eines Tages bei dem Gedanken, das es nicht nur unprak tisch sondern auch langweilig war, Inge immer wieder Geld zu unnötigen Anschaffungen zu geben. Er wollte nicht wieder auf kolcke Einfälle kommen, aber sie kehrten von selbst zurück, bohrte» in ihm: „Was braucht sie das Geld zum Fechter hinaus zu Wersen? Kann sie sich nicht ein wenig bescheiden. Braucht man die Summen vielleicht nicht für später?" Er wollte sich zu dem Entschluß aufraffen und konnte ihn doch nicht durchführen, denn die Gewohnheit war stärker als sein Mut, und er liebte den Frieden. Er wollte nicht nut Inge streiten. So ließ er alles seinen gewohnten Gang gehen und vermied feige jeden Gedanken an die Zukunft. Vielleicht hätte er anders gehandelt, würde er gewußt haben, wie es um Inge selbst stand. Was ihr anfangs, sog« Jahre lang, Freude bereitet hatte, langweilte sie allmählich Ihr fast unbewußt, kam einmal der Zeitpunkt, da ihr das Geldausgebcn keine Freude mehr bereitete. Es war immer das Gleiche und brachte keinerlei Ueberraschungen mehr. Ab« die alte Gewohnheit hatte sich in ihr derartig eingewurzeA daß sie lustlos weiter verschwendete, zum Teil auch getriev«« vom alten Haß gegen das Sparen. Inge besaß" rückt die Fähigkeit, sich selbst zu erkenn Sie sah in ihrem Leben keine äußere Veränderung und wußte deshalb nicht, warum sie seit einiger Zeit nicht mehr glücklich war, keine Befriedigung über ihr sorgloses Dasein empsaut- Es war ganz natürlich, daß Inge einen Sündenbock suchte. Sie fand ihn bald: ihren eigenen Mann. Sie konsk sich zwar nicht erklären, inwiefern Gerd die Schuld an ihrer Unzufriedenheit tragen sollte, aber sie als Frau hatte daS ßr auch gar nicht nötig. Ihr genügte die Ueberzeugung, daß Gerd in irgend einer Beziehung seine Pflichten versäumte. Sie war eben die arme unverstandene Frau. So gestaltete sich das Eheleben der beiden langsam der artig, daß Außenstehende sagten: „Es nimmt kein Ende." Eine Wendung schien eintreten zu wollen, als ein Ki«d sich einstellte. Doch Gerds Hoffnung war verfrüht, denn nach ein paar Monaten wurde Inge des Spiels mit dem klein«» Wesen überdrüssig. Es langweilte sic, weil es auch mit der Zeit etwas Altes war. Abgestumpft lebte sie in den Da hinein, fremden Leuten die Sorgen um Haushalt, Mann und Kind überlassend. Doch plötzlich kam eine Nachricht, die sie aus ihrer Er schlaffung aufrüttelte. Gerd setzte sich eines Abends zu seiner Frau und sagte mechanisch, mit klangloser Stimme: „Ich habe Dich bisher nicht mit geschäftlichen Dingen belästigen wolle«, aber jetzt läßt es sich nicht mehr umgehen. Wir müssen cmS unserem Hause hier ausziehen. Der geschäftliche Zusammen bruch, den ich seit einem halben Jahr zu vermeiden suchte, ist da. Ich besitze nichts mehr!" Es dauerte fast eine Minute, bis Inge die Tragweite der ungeheuerliche» Eröffnung begriff: „Was nun?" Gerd war ganz ruhig: „Wir müssen uns Wohl trennen. Ich kann von Dir nicht verlangen, daß Du die Not mit mir teilst. Du hast noch Deinen Schmuck, der sicher 30 000 Mark wert ist, und wirst Dich vielleicht mit den: Erlös irgendwo beteiligen können. Was ich selbst beginnen werde, ist mir noch unklar. Doch ich muß und werde für unser Kind sorgen. Es ist Dir ja doch gleichgültig, und vielleicht wird ihm die Not eine bessere Lehrmeisterin sein als Dir." Er wußte nicht, was er angesichts Inges starren Blickes noch sagen sollte, und er wollte gehen. Doch da fiel es ihn plötzlich von hinten an, wie ei» wildes Tier: „Nein, nein, Du gehst nicht! Ich will Le, Dir bleiben und bei meinem Kind!" Gerd Sommers wandte sich betroffen. Die Frau grub ihre Hände in seinen Rock, schüttelte ihn, bettelte: „Laß mich nicht allein! Nimm den Schmuck, verkauf ihn. Fang von vor» wieder an. Laß mich mit Dir ein neues Leben beginnen, das mich nicht anekelt wie das alte!" Da löste er sanft ihre Finger von seinen: Rock und legte die Arme um ihre Schultern. Er wußte, daß er erst jetzt seine Frau gewonnen hatte. Denn bisher gehörte sie nicht ihm, sondern nur seinem Geld. Die geizigen Hochzeitsgäste verdarben die Ehe. Eine traurige Geschichte war es, die da kürzlich die lietr liche Angelina Costarcllo, eine Italienerin, vor einem Zivil gericht in Milwaukee erzählte. Gerade einen Monat hatte ihre Ehe gedauert, und nun wollte sie von einem Mann geschieden werden, der ihr Mangel an Liebe vorwarf: „Er sagt, ich liebte ihn nicht, weil ich die Augen nicht schließe, wenn er mich küßt. Er ist schon ein paar Mal darüber halb verrückt ge worden. Aber ich Witt doch wissen, was er für ein Gesicht dabei macht." Wie sich im Laufe der Verhandlungen heraus stellte, war das aber nicht die eigentliche Ursache des Zer würfnisses. Schuld an der zertrümmerten Ehe trugen viel mehr die geizigen Hochzeitsgäste. Anthony Costarcllo, del wütende Gatte, erklärte die Ursache: „Hundert Mann habe ich dazu eingeladen, und jedes Gedeck hat mich, einen einfache» Arbeiter, zehn Dollar gekostet. Ich habe eine Menge städtische Beamte zu Tisch gehabt, weil tch dachte, die könnten wir irgendwie behilflich sein. Aber sie aßen sich nur satt, nick jetzt wissen sie von nichts, und geschenkt haben sie mir auch nichts. Von den übrigen Gästen erhielt ich keinen einzigen Cent, und ich habe doch gerade geheiratet und die große Hochzeit veranstaltet, weil ich hoffte, feder Gast würde mir mindestens 20 Dollar schenken. So mußte ich 1500 Dollar zusetzen, anstatt etwas zu verdienen." Zum besseren Ver ständnis erklärte der Anwalt des erbitterten Ehemannes, bei italienischen Hochzeiten sei es üblich, daß die Gäste dem Gatten Geld schenken. In Amerika schienen das die Leute nicht zu wissen. Der Richter befreite die arme neunzehnjährige ent täuschte Braut von ihrem habgierigen Gatten. Der Herr Marquis kauft Diamanten. Ein Juwelier in Monte Carlo war glücklich, als sich kürzlich ein Fremder — Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle — bei ihm einstellte und Schmuckstücke, darunter eine wundervolle Diamantenbrosche, im Gesamtwerte von 125 000 Franken kaufte. Bargeld hatte der Käufer natürlich nicht in genügender Höhe bei sich. Dafür zückte er einen Scheck: „Auf meine Bank in Biarritz." Der Juwelier bedauerte außer ordentlich, erst eine Auskunft einholen zu müssen. Der elegante Fremde lächelte: „Ich bin der Marquis von Savary, und meine Bank in Biarritz wird Ihnen sofort fernmündlich Auskunft geben. Rufen Sie nur Biarritz 223 an!" Was denn auch sofort dringend geschah. Die Bank meldete sich: „Marquis von Savary? Natürlich kennen wir ihn. Ob er gut ist? Sicher. Bis 500 000 Franken können Sie un bedenklich gehen. Einen Scheck über 125 000 Franken? Na türlich losen wir ihn ein." Eine bessere Auskunft konnte der Juwelier nicht verlangen, und Scheck und Schmucksachen wechselten die Besitzer. Leider kam der Scheck nach einigen Tage» zurück: „Aussteller hier unbekannt." Der entsetz»' Juwelier hängte sich sofort an den Fernsprecher, verlang» 223 und erfuhr, daß die betreffende Nummer seit zwei Tagci frei geworden war, weil der bisherige Inhaber, ein inzwischen über alle Berge verschwundener Fricon, die bühren nicht bezahlt habe. Die Bank besitze die Numinc 233. Der arnie Juwelier hat alle Hoffnung aufgcgeben, daß e seinen Marquis, der mit dem Komplicen in Biarritz so 1^" Hand in Hand arbeitete, jemals wieder sehen wird.
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