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Wilsdruffer Tageblatt 2 dlatt. Nr 27 — Dienstag, de« 2 Februar 1932 Kleine Wahrheiten. ist nicht die Breite des Erfolges, der einem zuteil Wendy Qualität des Publikums, an das man sich ^cm muß sich von einer Frau, dis man geliebt hat, erst " ^nt haben, um ihr Inneres klar überblicken zu können. Wenn ein Mensch schlecht ist, so ist es gleichgiltig, zu Zer Rc'!gion er gehört. Me Eisenbahner gegen eine Tributverpfändung der Reichsbahn. Ter Zentralgewerkschaftsbund Deutscher Reichsbahn- ^Wten und Anwärter hielt in Hannover seine vierte ^üreterversammlung ab. Ter Bundesbezirksvorsitzende Fahrenholz de hnte, daß auch jetzt, nachdem der reparationspolitische El>mps auf der ganzen Linie entbrannt sei, die Eisenbahner ^nau so geschlossen zum „Nein" der Regierung ständen, wie fix im Jahre der Ruhrvesetzung den Aufruf des Ministers Groener befolgt hätten. »Die Versailler Kriegsschuldthese und die Tribute" ^handelte Oberst Schwertfeger. Er gelangte zu dem Ergebnis. das ganze deutsche Volk müsse in diesen großen Lebensfragen einig sein und in vollster Geschlossenheit den Mcken der deutschen Unterhändler in Lausanne und in Gens stärken. Professor Dr.-Jng. Blum sprach sodann über .Reichsbahn und Reparationen". Bet einem Fortfall der Reparationssteuer der Reichs- b»hn könne das Tarifnivcau im Durchschnitt um 20 Prozent gesenkt werden. Als Entschließung wurde folgende Anfrage an ^ie Neichsregierung angenommen: „Der Sonderaus- Mß der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Hasel macht in seinem Gutachten die Feststellung, daß die Reichsbahn im Grunde genommen ein gesundes Unter nehmen sei. Diese Formulierung nehmen die Feindbund- wächte zum Anlaß, schon jetzt die Psandhastung der Reichsbahn zu erörtern. Die in Hannover versammelten 600 Vertreter der Reichsbahnbeamten erwarten von der Reichsregierung eine Erklärung darüber, daß eine weitere Belastung der Reichsbahn mit Tributen abgelehnt wird." Noch weiter harte Entbehrungen. Der Reichsarbeitsinlnister über das Entscheivungsjahr. Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald 8ab einen überblick über die wirtschaftlichen und politischen Züchten des Entscheidungsjahres 1932, das für alle "och harte Entbehrungen bringen werde. Die Wirtschaft habe sich in allem zu stark übernommen, und gleichzeitig sei der Staat mit so viel Ausgaben an sozialen Leistungen, Reparationen usw. belastet worden, wie feine 2l Millionen Arbeiter an Gehältern und Löhnen in Deutschland verdient haben. Kein Mensch, keine Familie Und kein Volk könne aber dauernd mehr ausgeben als Eingenommen werde. Der seit Jahren laufende Schrum- s!kungsprozetz werde 1932 noch weitergehen, da die Welt Üch noch nicht zu einem energischen Vorgehen gegen die Wirtschaftskrisis habe zusammenfinden können. Wenn die verantwortlichen Leiter der Weltpolitik nicht bald eine Grundlage des Weltvertrauens herstellten, dann werde die Talsohle der Krisis noch lange nicht erreicht sein und eine weitere allgemeine Verarmung der Welt Herbeigeführt, die dann in das Zeitalter der Tausch- lvirtschaft zurücksinken würde. Deutschland sei für diesen Entscheidungskamps vielleicht besser gerüstet als andere WKMWM kkomsn von iVisnIiso Lonnebovn ^opvrißsbt bv Martin keucklivanßei-, tZalie (8»sle) l34 „Ich meinte die Frauen", fuhr die Kleine fort. „Doktor Degeener ist so groß und stark und langsam wie ein Mann, ^nd dann auch diese Adelgunde Knacke." „Sie ist Alauders Braut! Respekt, Gisela!" Nun lachte Gisela silbern. „Du, Doktor Alander hat mich gefressen!" „Warum?" „Wohl, weil ich morgen Abend dabei sein darf." „Har man es dir wirklich gestattet, Quälgeist?" , ...Ja! Onkel Hannes! — Ich habe ihm keine Ruhe ge ilen. Er hat erst die Degeener gefragt. Na, und die hat °EUn gesagt: Man zu!'" „Und du bist ihr nicht dankbar?" „Was will sie von dir? Du, die ist bestimmt in dich verliebt!" «Gisela!" „Glaube es nur!" „Gisela! Ich sehe sie zum zweiten Nia' „Wirklich?" „Ja! Du solltest dich schämen!" „Schämen? — Ich? — Warum?" „Deine Art, von Frau Doktor Degeener jo ,:u ivrecken. »st unerhört!" " „Siehst du, nun schiltst du mich noch gar um ihret willen! Gisela brach m fassungsloses Weinen aus. Ihr zarter wurde vom Schluchzen erschüttert und bebte wie eine Birke im Sturm. Werner Ley erschrak. Kind'war^ Doktor van Delden, wie krank das schöne .S,e wird niemals ihr zwanzigstes Lebensjahr er- SrO «WbW der MUMMes. Die Schicksalsfrage für das deutsche Zoll. Stärkung des Binnenmarktes. An einer Kundgebung des Reichslandbuudes in Berlin nahmen mehrere hundert Vertreter der Land- bünde aller deutschen Länder und preußischen Provinzen teil. Nach Begrüßungsansprachen ergriff der geschäfts führende Präsident des Reichslandbundes, Gras von Kalckreuth, das Wort. Er führte u. a. aus: Der Ver lauf des Jahres 1931 hat erneut bestätigt, daß die Regie rung Brüning nicht den Willen und die Kraft hat, sich von den Anhängigkeiten und schädlichen Einflüssen frei zu machen, unter denen schon im Jahre 1930 ihre Aktivität gelitten hat. Zu großzügigen vorbeugenden Maßnahmen Hai man sich nicht entschließen können. Die Bekämpfung der Agrarnot und der Arbeitslosigkeit ist nur durch be wußte Abkehr von der bisherigen verfehlten Ausfuhrpolitik und durch ebenso bewußte Stärkung des Binnenmarktes mit allen Mitteln möglich. Die Fragestellung, die Arbeitsminister Stegerwald in den Vordergrund seiner Erwägungen stellt, die Arbeits losen über diesen Winter hinwegzubringen, ist keine Auf gabe besonderer Schwierigkeit, so lange in Deutschland ausreichend Nahrungsmittel vorhanden sind, wie es in diesem Winter noch der Fall ist. Die entscheidende Frage, die das Schicksal dem deut schen Volke heute auferlegt, ist nicht: Wie retten wir die Wesensbestandteile des demokratischen Staates?, sondern: Wie retten wir die politische Freiheit des deutschen Volkes? Wie sichern wir seinen Lebensraum? Wie schaffen wir Brot und Arbeit? Nur die deutsche Erde kann noch Brot und Arbeit dem Volke sichern. Aber die Erzeugungskrast des deutschen Ackers ist am Erliegen, wenn nicht in letzter Minute die vernichtete Rentabilität der Landwirtschaft wiederhergestellt wird. Der Erzeugungskostenersparnis von höchstens 5 Prozent durch die Notverordnung steht ein Einnahmeverlust von etwa 30 Prozent im Vergleich zum Jahre 1928/29 gegenüber. Es war der entscheidende Fehler, den Reichsernäh rungsminister Schiele gemacht hat, als er in die Regie rung Brüning eintrat, daß er glaubte, alsreinerFach- Minister, ohne entscheidende Einflußnahme aus die Gesamtpolitik der Regierung, die Lebensmöglich keiten der deutschen Landwirtschaft erkämpfen zu können. Der Landbund hat es für seine Pflicht gehalten, im Rahmen der nationalen Front seine Kampskraft ein zusetzen für die Erreichung einer Regierung, die die Länder, deren Schwierigkeiten jedoch ebenso zu einer all gemeinen Lösung drängten. Ausgehend von der Notwendigkeit einer Sicherung der Währung behandelte Dr. Stegerwald weiter die Schwierigkeiten des Finanzwesens. Von neuen Gehaltskürzungen könne keine Rede sein. Auch an dem Gerücht von einer Entwertung der Reichsmark auf 80 Pfennig sei kein wahres Wort, da die Regierung dem Volk eine zweite In flation nicht zumuren werde. Der Minister wandle sich sehr scharf gegen die Ver fehlungen der letzten Zeit in der Privatwirtschaft (Favag, Nordwolle, Schultheitz-Patzenhofer usw.), bekannte sich aber durchaus zu dem Gedanken der Privatwirtschaft, die allerdings auch allein das Risiko ihrer Erzeugungskosten tragen Und sich von ungesetzlichen Preisbindungen befreien müsse. Hierbei sollten die mittleren selbständigen Betriebe gefördert werden, und nicht allein Groß- oder Mammut betriebe. Es werde auch an Stelle des Großbankenfilial- systems der mittlere Bankier treten müssen, der die Kreditgewährung viel leichter und verantwortungs bewußter übersehen könne. Gleichzeitig werde auch ein stärkerer Ausgleich zwischen Stadt und Land und eine baldige Verwaltungsreform angestrebt werden müssen. Ein großzügiges Arbeitsbeschaffungsprogramm scheitere vorläufig noch an mehreren Gründen, die in dem deutschen Kraftquellen klar erkennt und den Willen besitzt, sie in schwerster Schicksalsstunde auszuschöpfen und die letzten Reserven einzusetzen im Kampf für Freiheit und Leben des deutschen Volkes. Gegen die Agrarpolitik der Reichsregierung. Erne Entschließung des Bundesvorstandes des Reichslandbundcs. Der Bundesvorstand des ReichslanobundeS faßte eine Entschließung, in der u. a. darauf hingewiese» wird, daß sich die Landwirtschaftsrichtzahl von 110,0 im März 1930 auf 91,8 am 27. Januar 1932 gesenkt habe. Im Jahre 1931 zeige eine Gegenüberstellung der landwirtschaftlichen Richtzahi und der Richtzahl für industrielle Fertigwaren eine Preisspanne von 35,9 Prozent. Diese Feststellungen bewiesen, daß die Neichsregierung den Auftrag des Reichspräsidenten in seiner Botschaft vom 18. März 1930 bezüglich der beschleunigten Wieder herstellung der dauerhaften Lebensfähigkeit der deutschen Landwirtschaft nicht ausgeführi habe. Auch die jüngsten Vorgänge auf dem engeren agrarpolitischen Gebiet ließen erkennen, daß die Reichsregierung nach wie vor dieLand - und Forstwirtschaft und die ihr verwandten Be triebsarten opfere. Das kürzlich zugunsten gewisser Aus fuhrindustrien abgeschlossene N u s s e n g e s ch ä f 1 hatte die heimischen Agrarpreise unter der durch die deutschen Erzeugungskosten bedingten Höhe. Die Reichsregierung trage die volle Verantwortung für den Zusammenbruch der deutschen bäuerlichen Veredelungswirtschaft. Die Vorschriften über die Sicherung des Bezuges von Kunstdünger zur Frühjahrsbestellung bürdeten das ganze Risiko der Volksernährung dem Landvolk auf. Der durch den weiteren Zusammenbruch der Agrarpreise her vorgerufene gegenwärtige Stand der Düngemittelversor gung lasse im kommenden Herbst einen Ertragsausfall zwischen 2,5 und 5 Millionen Tonnen Getreidcwert befürchten. Das gesamte Wirtschafts- und Volksleben Deutschlands könne nur aus der Grundlage einer erfolg reichen deutschen Agrarpolitik wieder ausgebaut werden. Der Reichspräsident wird am Schluß der Entschlie ßung gefragt, ob er weiterhin dulden wolle, daß sein Auf trag von der derzeitigen Reichsregierung in so offen kundiger Weise mißachtet werde. Fehlen von Steuerquellen, der Unmöglichkeit weiterer Auslandskredite und einer inneren Anleihe begründet seien. Was die Reform der Sozialversicherung dringt. Leistungs- und Verwaltungsabbau? Die Grundzüge des Gesetzentwurfes für die Re form der Sozialversicherung sind fertiggestellt worden und werden von Minister Stegerwald unter zeichnet werden. Sie gehen dann an alle beteiligten Stellen, wie Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Kassen, Reichs und Länderbehörden sowie Parteien hinaus und werden im Laufe dieser und auch noch im Laufe der nächsten Woche Gegenstand eingehender gemeinsamer Beratun gen sein. Die drei wichtigsten aufgeworfenen Fragen sind: Müssen nicht angesichts der allgemeinen Senkung der Preise und Löhne auch die Leistungen der Versiche rungen herabgesetzt werden? Kann man sich noch einen so großen Apparat für die V e r w a l t u n g der ver schiedenen Versicherungszweige leisten, wie er in einer glücklicheren Zeit ausgebaut worden ist? Muß man nicht die Stellen, die in erster Linie die Lasten der Versicherung tragen, mehr als bisher an den Verwaltungsausgaben be teiligen? reichen!" hatte ihm van Delden in einer mutlosen Stunde einmal gesagt. „Die Infektion ist zu früh erfolgt. Gewiß, ich hoffe von meiner neuen Methode..., aber ich glaube es nicht." Werner Ley hatte ja auch so etwas wie ein böses Ge wissen. So ganz unwahr war es nicht, was Gisela arg wöhnte. Freilich — was ging es sie an? Ueber das, was da zwischen ihm und einer schönen, stolzen Frau zu wachsen schien, mutzte ewig der Schleier des Unausgesprochenen bleiben. So nahm er das schlanke Kind väterlich in den Arm, neckte sie mit ihrer Eifersucht und tröstete sie mit lustigem Zureden. „Sieh, Gisela, wenn du nicht so jung wärest, müßte ich fürchten, d u Närrchen hättest dich in mich verliebt — ach, und wie leid tätest du mir da. Ich könnte keine Frau ernähren. Du müßtest für mich waschen, kochen, bügeln und flicken, und wir könnten noch von Glück sagen, wenn wir was für uns zu waschen, kochen, bügeln und flicken hätten." Unter Tränen lächelte das Kind. „Wenn ich groß bin — und ich b i n bald groß —, für dich machte ich das gern. Meine Mutter hat für meinen Vater das alles auch getan. Ich weiß es noch ziemlich gut. Und er war ein großer, häßlicher Mann. Immer betrunken. Und er schlug die Mutter und sie weinte, und tat doch, was er wollte, denn sie hatte ihn lieb. Sie hat sogar — das habe ich noch niemand gesagt als dir, nicht mal Onkel Hannes —, sie Hai sogar für ihn gebettelt und gestohlen. Nun wirst du mich wohl verachten?" Sie sah ihn mit ihren großen, schnell wieder klar ge wordenen Augen stolz und herausfordernd an. „Sie war in Not!" sagte Ley einfach. Gisela nickte. „Oh, wie haben wir gehungert bisweilen. Und immer schalt Vater und schlug sie. Alles ertrug Mutter für ihn. Du aber würdest mich nicht schlagen und schelten. Du würdest gui zu mir sein. Und wenn es uns zu kalt wäre, würden wir uns eng aneinander schmiegen — so!" Das Kino drängte ihr schmächtiges Körperchen mit Heiber Leidenschaft an den jungen Mann. „D u — du bist s o schön und s o gut!" flüsterte sie, mit flammenden Augen zu ihm ausschauend. Zum ersten Male stutzte Ley. Er hatte in der zwölfjährigen Gisela eben die Zwölf jährige gesehen und empfunden, ihre Eifersucht und An betung als die eines kleinen Mädchens bewertet. Jetzt lag in ihrer Ari etwas, das alles andere als kindlich war. Unwillkürlich schob er sie ein wenig von sich. „Gisela", mahnte er nicht ohne Strenge, „benimm dich ein bißchen vernünftiger. Ich bin kein Halbgott und kein Gegenstand zum Anschwärmen!" Er verstummte plötzlich. Ein wenig war er ja gerade das gewesen in der jüngst verflossenen Zeit. Fast schämte er sich in der Er innerung all der Liebesbriefe und mehr oder minder deutlichen Werbungen, die ihm überall — am meisten in Amerika — von Frauen aller Art zugegangen waren. Er war kein Tugendspiegel und hatte sich die reizendsten, zumeist sehr kurzen Flirts nicht entgehen lassen. Sein Herz war, wohl infolge des Ueberangebots, völlig un berührt geblieben. „Geb nun, Kind", wehrte er sehr zurückhaltend die Kleine ab, „du weißt, ich habe dich lieb, wie man gute Kinder lieb har — aber vergiß nicht, daß du eben ein Kind bist!" „Wie sollte ich das vergessen?" schmollte Gisela, nicht ohne bewußte Schelmerei — sie merkte, daß sie zu weit gegangen war, und sie war schon Weib genug, um zu wissen, was Männer versöhnt. „Ihr alle, und d u be sonders, ihr erzählt mir ja diese Neuigkeit bei jeder Gelegenheit!" Und Ley war viel zu sehr Mann, um die kindliche Pose des frühreifen Mädchens nicht für bare Münze zu nehmen. (Fortsetzung solzt.)