Suche löschen...
Wilsdruffer Tageblatt : 26.01.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-01-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193201268
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19320126
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19320126
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-01
- Tag 1932-01-26
-
Monat
1932-01
-
Jahr
1932
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 26.01.1932
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Der Ritt auf dem Flußpferd Jagdskizze von Rudolf de Haas. Gegen Abend kam der Jäger in die Nähe einiger La gunen und beschloß, hier trotz der Moskitoplage zu über nachten, weil er einen Hippopotamus in der Nähe brüllen hörte. Schildpatt, sein treuer Hund, lagerte an seiner Seite. Am anderen Morgen stieß er auf die Fährten zweier Flußpferde. Er nahm die Verfolgung sofort auf. Gegen zwei Uhr nachmittags kam er an eine schmale Lagune, die nicht einmal hundert Meter lang war. Er ging um das Wasser herum und stellte fest, daß die Fährte nur hinein, aber nicht wieder heraus führte; die Flußpferde hatten das Revier also noch nicht verlassen. Hart am Ufer stand ein Baum, deßen Zweige weit über den Spiegel der Lagune hinausragten. In ihrem Schatten streckten die Wasserriesen vermutlich den Windfang heraus, da sie sich sonst nirgend bemerkbar machten. Vorsichtig pirschte sich der Jäger bis auf vierzig Meter an den Baum heran, immer unter dem Winde, und wartete, ob die Fluß pferde nicht endlich die Köpfe Herausstrecken würden. Doch nichts rührte sich. Sie sind sicher schon einmal beschossen worden, sonst wären sie weniger vorsichtig, dachte der Jäger. Das beste ist, ich gehe ganz nahe heran und ziele auf den Windfang; den müssen sie an die Luft bringen, wenn sie schon die Köpfe nicht zeigen wollen. Er ging unter dem Winde bis auf sechs Meter heran und lugte scharf aus. Die Flußpferde waren nun schon über fünfzehn Minuten unter Wasser, ohne Luft geholt zu haben. Wenn sie keinen Argwohn hegen, hleiben sie nur zwei oder drei Minuten unter der Oberfläche und schöpfen dann wieder Atem. Erst jetzt merkte der Jäger, wie fürchterlich die Hitze ihm zufetzte. Vor seinen Augen flimmerte und zitterte die Glut. Das Wasser, auf das er starrte, hatte einen feindlich metallischen Schein, einen kalt grausamen, stählernen Glanz. Endlich hob eins der Flußpferde die Nase eine Sekunde über den Wasserspiegel, um Atem zu schöpfen. So unmerklich der Vorgang an sich war, der Jäger nützte ihn. Ein Schuß zerriß den Frieden der Steppe. Mitten in den Windfang des Flußpferdes fuhr die tödliche Kugel hinein. Der Hund sprang in das Wasser. Lange hatte er bereits die Flußpferde gewittert, sich aber gehorsam Verhalten; jetzt hatte er Freiheit, wie er genau wußte. Es war ein nicht ganz dreiviertel Meter großer schwarzer Rüde von etwa drei Jahren. In der Lagune entstand an der Stelle, wo die Kugel eingeschlagen hatte, ein wilder Lärm. Ein Flußpferd streckte den Kopf aus dem Wasser heraus. Gleich darauf versank es wieder. „Na, den Burschen hätten wir", frohlockte der Jäger, „es soll mich bloß wundern, wie lange er unter Wasser bleibt." Las zweite Flußpferd wandte sich indessen nach den entgegengesetzten Ende der Lagune, wo das Wasser flache: war. An den quirlenden Blasen im Wasser merkte man ga^ deutlich, wohin das Tier schwamm. Schildpatt, der Hund war ihm auf den Fersen. Mitten in den Blasen schwamn er und hielt über Master genau dte Richtung inne, die da- Flußpferd unter der Oberfläche verfolgte. Wenn der Hippa Potamus an das Ende kam, wo es ganz flach wurde, dreht, er sich um und wandte sich wieder nach den tieferen Stellen Sobald er wieder den Windfang aus dem Wasser hob, fchof der Jäger, um ihm möglichst keine Zeit zum Atemholen zu lassen. Schildpatt ermüdete nicht, immer folgte er den auf- steigende: Blasen. Tas Flußpferd begann allmählich sichtlich zu ermüden, als es bei sedem Versuch, sich zu erholen, Feuer bekam. Je tchlapper es wurde, um so mehr näherte es sich bei seinen Wanderungen der flachen Stelle. Offenbar erwog es, ob es nicht doch die Flucht aus der Lagune in den Busch hinein wagen sollte. Als es nach einer seiner Rundreisen wieder an das seichte Ende gekommen war, lachte der Jäger laut auf. Der Hund, der die ganze Zeit auf den Wasserblasen geschwommen war, stand mit einem Male oben auf dem Rücken des Flußpferdes, sodaß man durch seine Läufe Hindurchblicken konnte, ohne daß indessen der Rücken des Reittieres schon zu sehen war. Schildpatt selbst schaute zuerst verwundert drein, als er plötzlich dahinritt. Aber er hatte in seinem kurzen Hunde leben bereits viel seltsame Dinge erlebt. Er schien es plötzlich als etwas ganz Selbstverständliches zu empfinden, daß er nicht mehr zu paddeln brauchte, vielmehr auf dem Wasser spiegel dahinfuhr. Mit der Miene eines Triumphators stand er oben, und es fehlte bloß noch, daß er vor Freuden ge kläfft hätte. Wenn er gedacht hatte, er sei auf einem Schiff, so wurde er bald aufgeklärt. Als er so nach rechts schaute und dann wieder nach links, um zu untersuchen, wie er eigentlich vor wärts bewegt wurde, ereignete sich etwas ganz und gar Un erwartetes. Vorher schon hatte der Hund eine große Kaltblütigkeit an den Tag gelegt, als die Kugeln um ihn herumknallten. Natürlich wußte er, daß sie nicht ihm galten. Für den Jäger war es nicht einfach gewesen, um den Reiter herum auf das Reittier zu schießen. Die Achtung, die der Herr vor seinem Hunde hatte, wuchs ms Ungemessene, als er ihn plötzlich in seiner ganzen Reiter herrlichkeit bewundern durfte. Mit einem Male kam nämlich Ser ganze Kopf des Flußpferdes aus dem Wasser heraus, während Schildpatt noch m unnachahmlicher Vornehmheit auf seinem Rücken thronte. Der Hund ließ sich auch nicht einen Augenblick ver blüffen. Er war sich jetzt darüber klar, daß er das Reiten gelernt hatte, und wollte nun auch zeigen, daß er sein Reit tier völlig in der Gewalt hatte. Behende schoß er nach vorn, biß es in den Kopf, unmittelbar hinter dem Nacken, und trieb es so zu schnellerem Lauf an. Das wurde dem Flußpferd denn doch zu viel. Es hatte bis zur Stunde vielleicht noch nie gewußt, was in seinem Kopfe vorging, und sich wenig Sorgen darum gemacht; aber letzt erkannte es, daß auch auf seinem Kopse nicht alles geheuer war. Von dem Geschlecht der Hunde wußte es be stimmt nichts und hätte in feiner schlichten Dickhäutereinfalt sicher auch nie begriffen, wie sich die Hundeseele dem Men schen in Treue zueignen konnte. Von dem Menschen aber wußte es etwas und von dem Feuerodem, mit dem er aus einem langen Rohr ins Wasser blies und kaltmachtc, was dieser berührte. , Mit einem plötzlichen Ruck machte das Flußpferd kehrt und sauste wieder in das tiefere Wasser zurück, entschlossen, lieber in der Lagune zu sterben, als unter dem unheimlichen Reiter aus dem Wasser zu steigen und sich in der Steppe zu Tode ängstigen zu lassen. Bei der unerwarteten Wendung flog Schildpatt von seinem Thron herunter. Gerade wollte er wütend losklaffen, als eine klatschende Brühe ihm in den Rachen stürzte. Er verschwand unter der Oberfläche. Als er niesend nach oben kam, merkte er, daß er fein Reittier verloren hatte und wieder wie jeder gewöhnliche Hund Paddeln mußte. Der stolze Traum, daß er in Zukunft vielleicht immer durch das Leben reiten könne, war aus- geträumt. Aber das Hundegeschlecht hatte durch ihn seine Verherrlichung erlebt, nie mehr würde ein Geschöpf aus Schildpatts Sippe im Feuer auf dem Rücken eines Hippo potamus durch die afrikanischen Lagunen reiten Plötzlich streckte das Flußpferd müde den Kopf heraus. Es mochte denken, ein Ende mit Schrecken sei vielleicht besser als ein Schrecken ohne Ende. Der Jäger sah es und hatte Mitleid mit ihm. Diesen Wunsch wollte er gern erfüllen, dann kam das Flußpferd zu seinem Frieden und er selbst zu besten Fett. Zwischen Gehör und Auge hielt er und schoß es tot. Gerade in dem Augenblick kam auch das zuerst erlegte Flußpferd hoch, genau nach vier Stunden, wie es die aufgetriebenen Körper in der Regel tun. Hunderte von Schwarzen hatten sich eingefunden. Die Jagd auf die Flußpferde endete mit einer Feier, die für sie das Paradies auf Erden bedeutete. Während der dumme Weiße sich mit dem bißchen Fett begnügte und noch dazu in unergründlicher Torheit die inhaltsleere Haut der beiden „Kiboko" ächzend davonschleppte, fraßen die Neger die beiden Flußpferde auf. Es waren doch seltsame Kerle, diese über das Meer gekommenen Weißen, wer konnte sie verstehen! Der Schrei. Bisher unveröffentlichtes Gedicht in Prosa von Iwan Turgenjeff. (Berecht. Uebertragung von S. B o r i sso f f-Wien.) Ich lebte damals in der Schweiz; ich war sehr jung, sehr selbstgefällig und sehr einsam. Meine Tage zogen schwer und jreudlos vorüber. Noch wußte ich vom Leben nichts, aber schon war ich der Langweile, dem Trübsinn und Aerger verfallen. Mes auf Erden erschien mit nichtig und trivial, — und, wie sies mit überaus jungen Menschen oft der Fall zu sein Pflegt, mit geheimer Schadenfreude hegte ich den Gedanken an — Selbstmord. „Man Wird schon sehen. Ich werde mich rächen ..." ging es mir durch den Kopf. Doch was sollte man sehen? Wofür wollte ich mich rächen? Das wußte ich selbst nicht. Das Blut gärte in mir wie Wein in einem luftdicht verschlossenen Gefäß, nichts weiter... mich aber dünkte es, als müsse ich dem Wein einen Ausweg verschaffen, als wäre es an der Zeit, das beengende Gefäß zu vernichten. Byron war nie ein Held. Eines Abends beschloß ich, gleich Manfred die Menschen zu verlassen und dorthin, in die weite Ferne der Berggipfel, hoch über die Gletscher zu ziehen; dorthin, wo es kein Pflanzen- leben mehr gibt, wo kahle Felsen sich türmen, wo jeder Laut erstarrt und wo man nicht einmal das Brausen der Wasser fälle hört. Ich weiß nicht, was ich dort zu tun beabsichtigte. Vielleicht war Selbstmord mein -kiel. Fort war ick ... Ich ging lange, zuerst einen Feldweg, dann schmale Pfade, immer höher.und höher. Die letzten Häuschen, die letzten Bäume lagen hinter mir. Steine, lauter Steine umher.... Und schon verspürte man den eisigen Atem des unsichtbaren, doch bereits nahen Schnees, schon rückten allseits gleich schwarzen Wolken die nächtlichen Schatten heran. Ich hielt inne, endlich. Welch seltsame Stille in diesem Reich des Todes! Und ich stand allein da, ein lebender Mensch, allein mit all meinem anmaßenden Kummer, mit meiner Verzweiflung und Verachtung. Ein lebender Mensch, der vom Leben floh, der des Lebens satt war. Ein heimliches Entsetzen ergriff mich, aber ich wähnte sehr groß zu sein!... Kurz und gut — ein Manfred! Allein! Ich bin allein! wiederholte ich. Allein dem Ant litze des Todes gegenüber. Ist es jetzt nicht an der Zeit? Ja, es ist Zeit. Leb' Wohl, du nichtiges Weltall! Ich stoße dich mit dem Fuße weg. Und plötzlich, just in demselben Augenblicke, erreichte ein seltsamer, von mir nicht gleich erfaßter, aber ein Laut des Lebens, ein Menschenlaut mein Ohr. Ja, das war der Schrei eines Kindes, eines Säuglings! In dieser öden, wilden Höhe, wo jedes Sein schon längst, für immerdar erstarrte, der Schrei eines Kindes! Mein Erstaunen machte Plötzlich einem anderen Gefühle Platz, dem Gefühl einer überquellenden Freude. Und ich lief Hals über Kopf dein Schrei nach, diesem leisen, kläglichen, rettenden Schrei. Bald flimmerte ein zitterndes Flämmchen vor mir auf. Ich lief immer schneller, und nach einigen Augenblicken stand ich vor einer niedrigen Schutzhütte. Aus Steinen zusammen gefügt, mit gedrückten, flachen Dächern, dienen sie wochenlang den Bewohnern der Alpen als Zufluchtsort. Ich stieß die halboffene Tür auf und drang mit solcher Hast in die Hütte ein, als ob der Todesengel mir auf den Fersen wäre. Auf der Bank gab eine junge Frau ihrem Kinde die Brust. Der Hirt, wahrscheinlich ihr Mann, saß neben ihr. Die beiden starrten mich an. Allein ich brachte keinen Laut hervor. Ich lächelte nur und nickte mit dem Kopf... Byron, Manfred, die Träume vom Selbstmord, mein Hochmut und mein Größenwahn — wo waren sie alle hin? .... Der Säugling Hub wieder zu schreien an. Ich segnete das Kind und die Mutter und den Vater. O, inbrünstiger Menschenschrei eines eben geborenen Lebens, du brachtest mir Rettung, du brachtest mir Heil. Heitere Umschau. Die Geburtstagsüberraschung. „Aber, Fritz, du bist seit einigen Tagen so ungezogen, daß es kaum mehr mit dir aus zuhalten ist!" — „Ja, weißt du, Papa, ich will die Mama zu ihrem Geburtstag damit überraschen, daß ich recht brav bin!" — „Aber warum bist du denn jetzt so ungezogen?" — „Damit sie's nicht vorher merkt!" Eine Unverschämtheit. „Denken Sie sich, der Mayer hat mich gestern auf offener Straße einen alten Schafskops ge nannt!" — „Ah! Das ist doch unverschämt, wie kann er Sie denn einen alten Schafskops nennen. Sie sind ja in den besten Jahren!" Meldung Kolb! Skizze von Gerhard v. Gottberg. Von Mozambique war er gekommen, der große, schlanke Mann mit den düsteren Augen. Vor Monden, als die draht losen Stationen und Antennen über den Erdball zuckend und sprühend den Krieg schrien, als in Europa der Millionenschrit! wehrhafter Männer sich zusammenballte und die Welt vor Blut, Schrecken und Not erzitterte. Eines Tages war der Fremde in Deutsch-Ostafrika ange kommen, hatte sich zum Diensteintritt gemeldet. Als er vor dem Führer der zweiten Europäerkompanie stand und dieser nach seinen Papieren fragte, gab er nur kurze Antwort: „Mußte alles verbrennen, konnte bei meinem Durchschleichen durch die feindlichen Sperren nicht Militärpaß oder deutsche Ausweise mit mir führen. Ich habe gedient..." „Sie heißen Kolb ... woher gebürtig?" „Aus Holstein, Herr Hauptmann." „Gul, treten Sie ein." Und dann war der Buschkrieg gekommen, in den Sisal- nnd Kokospflanzungen bei Tanga hatte man die erste Schlacht erlebt, das siegreiche Durstgefecht bei Jassini mitgefochten. Doch unter den Kameraden, den einstigen Farmern und Pflanzern, war der Freiwillige Kolb nicht warm geworden. Immer saß er düster und abseits von allen, wortkarg, fast unwirsch be gegnete er jedem humorvollen Zuruf. Man ließ ihn in Ruhe; es gab ja viele hier draußen, die etwas mit sich herumtrugen, über irgend etwas nicht fortkamen, was zwischen ihnen und der fernen deutschen Heimat lag. Aber dann kam ein Gerücht auf, von dem keiner wußte, woher es gekommen war und wer es mit Kolb in Beziehung gebracht hatte. Patrouillen und Melder stellten fest, daß der Feind über Vorgänge am Sitz des Kommandos in Neumoschi in einer Weise unterrichtet war, daß man auf Spionage rechnen mußte. Die Papiere eines gefallenen englischen Offiziers halten sogar genau die Nachricht über eine Besichtigungsfahrt Lettow- Vorbecks zu den einzelnen deutschen Kompagnien berichtet. Am Lagerfeuer im Busch hatten die braungebrannten Reiter der Kompanie davon gesprochen, Vermutungen, Ge rüchte... finsteres Schweigen, wenn Kolb dazukam. Keiner wußte warum, ein Anlaß war nicht gegeben. Doch das Miß trauen schwieg nimmer, das ballte sich und wuchs, vergiftete und spann Schatten. Im Kreise der Offiziere fiel hin und wieder ein Verdachtswort. Seltsam, daß der Freiwillige Kolb keinen Umgang mit Kameraden hielt, seltsam, was er immer in sein schwarzes, fast ängstlich gehütetes Leinenbuch schrieb! Einmal war der Oberleutnant Kern aus dem Süden ge kommen, hatte im Kreise der Führer kurze Rast gehalten. Kolb kam, erstattete seinem Hauptmann eine Meldung. Da war Kern aufgesprungen: „Wolfshorst! Woher kommen Sie?" Doch der Freiwillige hatte nicht mit der Wimper gezuckt, in strammer Haltung war er zurückgetreten: „Herr Oberleutnant irren sich wohl. Ich heiße Kolb!" Kern war irre geworden. Als Kolb gegangen, sprach er es aus: „Ich muß mich täuschen. Freilich, so finster sah der schlanke Wolfshorst nicht aus. Und wie sollte er hierher kommen, der Feigling!" Die anderen Herren wollten Näheres wissen, doch Kern lehnte kurz ab: „Nichts... nur eine trübe Erinnerung an mein altes Regiment; man spricht nicht gern von ehrlos Gewordenen." Und das Mißtrauen stieg auch jetzt weiter. Irgend ein Geheimnis stand zwischen dem Freiwilligen Kolb und seinen Angaben. Nur Beweise fehlten, und der alte, grauhaarige Hauptmann wies die Frager kurz ab: „Ich werde ohne Be weise niemandem mein Vertrauen entziehen." Trotzdem war man vorsichtig. Lagerdienst und nur Ritte in größerer Gemeinschaft wurden Kolb anvertraut. Einmal aber konnte man es doch nicht umgehen, dem Gemiedenen eine Sonderausgabe zu stellen. Die Kompanie war zu einem Unter nehmen ausgerückt, als von Neumoschi der Befehl kam, sofort eine Patrouille zur Bahnsprengung abzusenden, möglichst einen Weißen mit einigen schwarzen Äskaris. Es war niemand anders verwendungsfähig — als Kolb. Furchtbares forderte solch Bahnsprengungsbefehl. Einen vieltägigen Ritt durch Wüste und Steppe. Hunger und Durst, Raubwild, Verrat Eingeborener und England drohten. Wer dort schwerwun-d geschossen wurde, war unausbleiblich ver loren. Che Kolb abritt, trat er zu dem alten, fast sechzig jährigen Wachtmeister der Kompanie, gab ihm ein Päckchen und bat, es nur im Falle seines Todes zu öffnen und dann dem Vater zu senden. — Es wurden furchtbare Wochen. Bis zum Wahnwitz hatte der Durst gepeinigt, und eines Abends, als der Wachtposten, von der Anstrengung erschlafft, eingeschlafen war, hatte der Löwe zwei Pferde geschlagen. Zwei nur blieben übrig. Jetzt aber war man durch. Im dichten Dornbusch dehnte sich das Versteck, kaum eine Meile ab gleißten die Schienen der Bahn. Zwei Mann nahm Kolb mit, umschlich das Lager der englische indischen Reiter. Der Telephonapparat wurde eingeschaltet. Endlos dauerte das Warten, dann endlich: Sektion 78 meldete das Abrollen der indischen Ablösung in Stärke von drei Kompanien. Kolb kroch an die Geleise, grub auf dem Bauch liegend die Zündkapseln ein, schlug den Draht durch den Schotter.. - und wieder ins Dickicht. Durch die Stille tönte vom englischen Lager der Klang von Dudelsackmelodien, dann ein Rollen. - - der Zug kam! Im Kreischen und Plättern, im Krachen zer splitternder Wagen und dem Aufwirbcln des Dampfes aus geborstenem Kessel das gellende Signal der im Lager auf springenden Engländer. Kolb rannte mit langen Sätzen über den zweihundert Meter freigeschlagenen Bahnstreifen, Schüsse knallten. Kolb taumelte, erreichte den Busch. Das Blut lief ihm von der Stirn, quoll ihm aus de» Hüfte. Düster umstanden ihn die Askaris. Und dann sein kurzer Befehl: „Nehmt mein Gewehr mit und die Patronen. Reite! zurück, meldet: Befehl ausgeführt!" Die Askaris wollten ihr« mitschleppen, doch dem harten Befehl wagten sie nicht zu trotzen Als die Askaris abgeritten waren, kroch Kolb tiefer ins Gebüsch, seine Hände zuckten: „Löwenfraß, das ist mein Ende, doch mein Leben habe ich gesühnt." Wochen sind vergangen. Man hat Kolbs Meldung er halten. Stumm treten die Kameraden zur Seite, haben die Tropenhüte abgenommen, eine stumme Abbitte ist in eineiU jeden. Einer, ein Alter unter ihnen, sagt ernst: „Herr, vergib, wir wissen nicht, was wir tun!" Und abends am Feuer, während nachts die Hyäne»' jammern und kreischen, liest der Hauptmann das Buch aus Wachstuch. Es enthält des Leutnants Wolfshorst Anklage un° Lebensweg. Wegen Schlappheit vor der Front in FriedenszeU aus der Armee entfernt... Herumlungerer, Schiffsladest Farmknecht. Und dann ein neues Leben als Freiwilliger Kow Auf der letzten beschriebenen Seite steht in zitternden Buv staben: „Vergebt mir, Eltern! Wenn ich fallen sollte, daN durfte ich sühnen und habe meine Ehre wieder." - § Fünf Jahre später erst erhalten die Seinen das Buch..D" Kommando der Schutztruppe hat das Eiserne Kreuz gefügt und der Hauptmann eingetragen: „Inhaber dieses p als Held!"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Nächste Seite
10 Seiten weiter
Letzte Seite