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Wilsdruffer Tageblatt : 11.02.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193202112
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19320211
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19320211
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-02
- Tag 1932-02-11
-
Monat
1932-02
-
Jahr
1932
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 11.02.1932
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e Melodien Werk- neuen gefunden. würde. „Der Mutter Augen"... die große Opc'- die den tiefen Schmerz um die Heimgegangene in ihre" lOT.i und Akkorden trug. s Brackett. spendet haben, ob der Durchgangshandel in diesem Jahr wieder so stark sein wird wie im vorigen. Wenn auch die Königin nie in ihrem Leben aus Lada! herausgekommen ist, so weiß sie doch, was sie ihren euro päischen Gästen schuldet, nämlich eine Tasse Tee. Der ist freilich nicht nach jedermanns Geschmack, da eine Suppe aus Teeabsud, Salz uud Butter — ranzige wird bevorzugt — dem westlichen Gaumen etwas ungewohnt erscheinen dürfte. Aber der Takt verlangt es, daß der Gast dieses Gebräu mit allen Anzeichen größten Behagens schluckt. Dann wird geröstetes Gerstenmehl gereicht, das mit den Fingern in der Teeschale mit dem Rest des Getränkes zu einem Teig zu vermengen ist. Diese Prozedur gelingt wohl auf den ersten Anhieb hin den wenigsten Gästen. Dann setzt aber sicher die Königin ihrer Liebenswürdigkeit die Krone auf, langt mit ihren eigenen Fingern in die Schale des Fremden und bereitet ihm einen Kloß, der ihrer Ansicht nach herrlich schmecken muß. Gerüchtweise verlautet, die hohe Dame habe es sich in letzter Zeit angewöhnt, sich sogar vor dieser Handlung die Finger zu waschen. Mehr Höflichkeit und Rücksicht auf einen Gast kann man nicht erwarten. Gerstenbrot, hartgekochte Eier und getrocknetes Hammel fleisch sind die nächsten Gänge eines solchen königlichen Mahles. Zum Schluß wird die Teeschale mit den darin zurück gebliebenen Resten des Gerstenmehlkloßes durch einen Schluck einer seifig aussehenden Flüssigkeit ausgespült. Der König spricht sicher während des ganzen Mahles nur ein paar Worte. Dafür ist Ihre Majestät um so unter haltender. Vielleicht läßt sie ihre Tochter, die sich in ihrer Knabenkleidung recht Wohl fühlt, die Hausjuwelen von Ladak zeigen. Die bestehen zum größten Teil aus billigen Korallen schnüren, aus Türkisketten, silbernen und goldenen Amuletten und Rosenkränzen. Des Königs butterbeschmierte Haar strähnen — die Frisur wird nur alle Vierteljahre erneuert — geraten nur dann in Bewegung, wenn der Fremde eine Ka mera hat und sie nun zückt. Seine Majestät läßt sich zwar grundsätzlich nicht knipsen — wahrscheinlich, weil er sich selbst nicht für eine Schönheit hält —, doch es macht ihm geradezu kindlichen Spaß, den „Thronfolger", bezw. Erben der 360- Nupien-Nente aufzunehmen. Die Königin stellt sich gern vor das Objektiv, da sie weiß, daß sie eine schöne Frau ist, und da ihr Kopfputz mit den wie Elefantenohren abstehenden Seiten teilen als das schönste in ganz Ladak gilt. Nach zwei Stunden vielleicht und nach einem Rundgang durch das sehr geräumige, merkwürdig saubere, doch nach euro päischen Begriffen recht mager ausgestattetc Schloß ist die Audienz beendet. Irgend eine Kleinigkeit, eine kupferne Tee schale oder ein Amulett, aus der Hand der Königin, gibt dem Fremden die Versicherung, daß er nicht allzu sehr' gegen tibeta nische Sitten verstoßen hat und das Wohlwollen der Majestät drich Sailler. verbrachten ihn der Husar und sein Tier. Er war wunschlos Kein Schlaf kam in seine Augen. Immer wieder sah er auf das friedlich grasende oder ruhende Pferd. Als es Nacht war, brach er auf. Das Reiten nach langer Entwöhnung wurde ihm schwer. Er achtete kaum darauf. Manchmal blickte er um Rich tung nach den Sternen und hielt die Zügel ostwärts. Plötzlich wurde er angerufen. Wie ein Säbelhieb durch zuckte es ihn. Er riß den Gaul herum. Schüsse krachten hinter ihm. Im Galopp sprengte er die Straße zurück. Er hörte die Hufe auf dem harten Boden klappern, und es tat ihm Weh. Verwehende Schreie gellten zu ihm herüber. Da — kurz vor ihm ein neuer Anruf. Eingekesselt. Rechts die hohe, lange Mauer eines Gutshofes, links das sumpfige Vorgelände der Somme. Also geradeaus, durch! Weit vorgelegt gab er mit heiserem Zuruf dem Gaul die Zügel frei. Ein Wagen stand quer zur Straße. Hier die Deichsel, hinüber! Wieder Schüsse. Er sah nicht rechts und nicht links. Erst als er das Dorf ein gutes Stück hinter sich hatte, bog er nach Norden aus. Drei Stunden ritt er noch, die Spuren auf steinigen Straßen ver wischend, quer über die Felder, dann verbarg er sich in einer einsamen, verfallenen Scheune. Er wagte nicht, das Pferd am Tage ins Freie zu führen, um es grasen zu lassen. Aber er kroch selber hinaus und raufte dafür mit seinen Händen Futter ab. Dies brachte er ihm, und es fraß, während er ihm un zählige Koseworte zuflüsterte. Es schien ihm nicht genug, was er dem Pferde hatte zu- tragen können. Da gab er ihm den Rest seines kärglichen Proviants, das mühsam ersparte Brot. Er selber aß nichts. Die dritte Nacht kam. Kaum, daß er ein paar Schritte geritten war, merkte er mit heißem Erschrecken, daß der Gaul lahmte. Der Husar stieg wieder ab uno untersuchte das Tier. Die Fessel des linken Hinterfußes war geschwollen. Da führte er ihn behutsam zur Scheune zurück,' riß sein Hemd vom ^°ibe, lief und kroch Stunde um Stunde zu einer nab-^ Quelle, um dem Pferde nasse Umschläge zu machen. Die ganze flacht — einen Tag — und wieder eine Nacht. Es wurde nicht besser. Zudem quälte ihn jetzt der Hunger, daß er schon sür sich selber Wurzeln ausritz und sie zerkaute. Der folgende Lag fand ihn bereits nn Fieber. Ueoelkeit und Erbrechen wehrten ihm die Aufnahme der rohen Pflanzen. Er legte sich zu seinem Tiere und schlang die Arme um seinen Hals. Seine Reden wurden wirr. Seine Mutter rief er und den Namen seiner Braut. Reiterlieüer sang er, und wilde Schreie stieß er aus, als ob er mitten in die Schlacht sprenge. Am Abend wurde das Pferd unruhig. Da kam er wieder zu sich, band es los, schlang sich die Zügel um den Arm und schritt mit ihm in die Nacht hinaus. Er taumelte, und auch das Tier kam in seiner Qual nur ruckweise vorwärts. Drei Stunden schleppten sie sich dahin. Da erreichten sie ein Dorf. Man nahm ihn fest. Er ließ es willenlos mit sich ge schehen. Man schlug auf ihn ein. Er zuckte mit keiner Wimper. Man untersuchte das Pferd und schüttelte den Kopf. Da flackerte heiße Angst in seinen Augen auf. Er riß sich los und drängte mit wütenden Stößen durch den Kreis der Menschen, die um den Gaul herumstanden. Aber ehe er noch hinkam, krachte ein Schuß. Nur einen Schrei stieß er aus, schleuderte ein paar gaffende Kerle zur Seite, entriß dem Sergeanten, der geschossen hatte, die Pistole und — ehe jemand zuspringen konnte — richtete er die Waffe gegen sich und drückte ab. Er fiel gerade über fernen vierbeinigen Kameraden, fein Arm umschlang wieder dessen Hals, er streichelte noch einmal über das seidenweiche Fell, und dann streckte sich sein Körper mit leisem Zittern. Keiner von allen, die herumstanden, be wegte sich. Sie sahen auf den toten Husaren, und wie sie in sein lächelndes, seliges Gesicht blickten, verstanden sie mit einem Male. Schon am folgenden Tage telegraphierte Bert Stolp seine Schwester in Nußdorf, daß sie mit den Kindern Beaulieu kommen solle, weil er dort den Winter zu bringen gedenke nnd sich zu neuem Schassen eine Villa mietet habe. Und so traf die kleine Schar in Begleitung der eines schönen Tages bei dem einsamen Vater ein. In eine' neuen Welt, die der kleine Franz samt den Schwesterchen zunächst gar nicht zu begreifen vermochte. In einem vev wilderten Garten, wo die Blumen mitten im Winter blühte" und wucherten, in dem das satte Grün der Dattelpalme d>> holde Täuschung eines unverwüstlichen Sommers bot. war etwas für den kleinen Burschen. Während der Vatef im Musikzimmer nach neuen Melodien rang, tummelte M der Knabe zusammen mit Ursel und Dore nach Herzens!»? in dem Paradiese, das in seiner kindlichen Phantasie nich^ anderes als einer Fee Zanbergarten war. Auch heute wieder. Fränzchen machte den Pfadfinder; nnd die Schwesterchen folgten ihm auf dem Fuße durch Palmendickicht nnd Agavengestrüpp. Auf einmal rief er „Jetzt habe ich sie gefunden!" „Aber was denn?" „Die Wohnung der Fee." Seine Hand griff nach einem eisernen Ringe, den er ruf dem moosbedeckten Grunde entdeckt hatte: „Hier ist de« Eingang." Fränzchen hob an dem Ringe. Er zog aus Leibeskräften und die Bohle gab nach. Mit Hilfe der Schwesterchen im Schweiße seines Angesichtes gelang es ihm wirklich, dK Tor zum Feenreich zu öffnen. Steinstusen führten hinab, tief in die Erde, in raben "Warze Nacht. Der kleine Held faßte allen seinen Mut zu sammen. Die Begierde, das Reich der Fee zu betreten, war gar zu groß. Der aus ihr geborene Wille überwand sogar die Angst und den Widerstand der beiden kleinen Mädchen- Ursel und Dore an der Hand stieg er hinunter, vorsichtig- Stufe um Stufe, nnd zählte dabei: „Eins, zwei, drei, vier..." Das Reich der Fee lag tief, arg tief. Gerade hatte Fränzchen die Zahl elf auf den Lippen, da rcef der Kleine: „Aber st seht doch, seht Ihr denn nicht? Mutti, Mutti! Sie streck' Heide Hände aus... seht Ihr denn nicht? Wir dürfen nich' weiter." Und nun stotterten auch die beiden kleinen Mädchen' „Mutti! Mutti!" — Bert Solp saß im Musikzimmer. Aber die Eingebung stellte sich nicht ein. Statt dessen stürmten plötzlich die Kindel herein. Außer Rand und Band: „Papa, Papa, w>r haben Mutti gesehen!" „Aber Kinder!" „Ganz gewiß!" „Wo denn das?" , „Am Eingang zum Feenreich. Wir durften nicht weiter!" Willenlos folgte Bert Stolp seiner kleinen Schar in den Garten. Nun stand er am Rande des Brunnenschachtes, von dem die Steiustufen in die Tiese führten. Sein Fränzchen an der Hand stieg er bedachtsam hinab Stuke für Stufe. . ,, Auf der zehnten Stufe angelangt schrie Fränzchen. „Ho ist es gewesen, Vater!" . „ Bert Stolp fuhr schaudernd zurück. Er hatte aus de>>- Garten einen Stein mitgenommen. Den warf er jetzt in Tiefe, und es dauerte lange, lange, bis er klatschend w- Skizze von F r i Kaum begonnen, schien der Krieg für den Husaren Wester kamp schon wieder beendet zu sein. Bereits im August 1914 wurde er, nachdem ihm die Franzosen weit hinter ihren Linien das Pferd mitten aus dem Galopp heraus erschossen hatten, gefangen genommen. Ihm selbst hat der Sturz nichts geschadet. Oder doch? Genau so viel, wie fünf Jahre Kriegsgefangenschaft nichts nutzig sind. Genau so viel, wie ein Leben, das man täglich hundertmal verflucht, wert ist, und genau so viel, wie man in fast sünfzigtausend Stunden, deren jede Minute ein neues Stückchen Verbitterung zu dem Berg der alten, aufgestauten hinzuträgt, an seiner Seele Schaden leiden kann. Als der September 1919 kam, trat der Husar zum dritten Male den Weg aller Gefangenensehnsucht vom flandrischen Wiederaufbaugebiet aus an und flüchtete. Zweimal war es ihm mißglückt, und in zweimal sechzig Tagen bei Wasser und Brot hatte er gegrübelt, warum. Endlich glaubte er es ge funden zu haben. Er war Husar. Natürlich lag es nur daran, daß er seine Fluchtversuche zu Fuß gemacht hatte. Das konnten seine Säbelbeine nicht schaffen. Ein Husar gehört aufs Pferd. Aber diesmal! Seit vierzehn Tagen graste draußen vor dem Stacheldraht das Pferd des Lagerkommandanten, eines französischen Leutnants. Ein schmalfeßliger Wallach, eine .Kriegsbeute, wie ihm ein Posten verriet. Wenn das Tier schlendernden Schrittes sein Futter suchte, da sah man noch, wie seine Sehnen spielten. „Oha", dachte der Husar, „damit ließe sich etwas anfangen, wenn ihn ein guter Reiter zwischen die Schenkel bekommt. Auf diese Sehnen ist Verlaß. Wie Stahl sind sie." Zunächst freute er sich, ohne sonst etwas zu denken, an dem Anblick des Pferdes allein. Erst allmählich kam ihm der Ge danke an die Flucht. Wie müßte das schön sein, wieder auf einem wiegenden Pferderücken zu sitzen! Keine Stunde des Tages verließ ihn dieser Gedanke mehr, nachts träumte er davon. Er wußte nun schon von dem Posten, wie das Pferd hieß. Er rief es manchmal. Er war glücklich, wenn es den klugen Kopf hob. Und einmal, als er zum Holzholen vor das Lager geschickt worden war, näherte er sich dem Tiere. Er sagte leise seinen Namen. Es würgte ihn vor Rührung in der Kehle, als es ihn zutraulich an sich heranließ, und er glaubte nie in seinem Leben beglückter gewesen zu sein als jetzt, da seine zitternde Hand dem Tier zart über die Nüstern streichen und ihm den glänzenden Hals klopfen durfte. In der Nacht darauf faßte er den Entschluß, zum dritten Male zu fliehen. Er ließ den Gedanken an die jahrelange, schwere Strafe der Zwangsarbeit, die ihm bei Mißlingen drohte, gar nicht aufkommen. Schon einen Tag später wußte er, wo der Bauer, bei dem er arbeitete, einen Sattel und die Zügel liegen hatte. Er schaffte alles in einen früheren, halb verfallenen Unterstand rm brachen Feld. Die Nacht darauf wagte er es. Er kam glücklich über den Drahtverhau, er holte Sattel und Zaumzeug und rief das Pferd. Es ließ sich willig zäumen und folgte ihm ohne Zögern, als er es durch die Nacht eine Viertelstunde weit wegführte. Er selber zitterte dabei vor Verlangen, aufzusitzen, daß ihm die Knie zu versagen drohten. Aber er beherrschte sich, um — so nahe am Lager — nicht alles aufs Spiel zu setzen. Endlich war es so weit. Er setzte den Fuß in den Bügel, zögerte im entscheidenden Augenblick nun doch wieder, als könne er an soviel Glück nicht glauben, und schwang sich end lich hinauf. Das Tier trabte von selber an. Da saß er nun. Bald ließ er sich vergessen im Takte der Hufe wiegen, bald flüsterte er liebevolle, berauschte Worte zu dem Tier, strich — jedesmal mit neuem Erschauern — über das Weiche Fell, und fast hätte er eine trotzige Reiterweise in die Nacht hinaus gesungen. Die Nacht verging, und der Tag kam. Tief in einem Walde Oer iVlutztsr Erzählung von Edmund Castelli. „Mein Auge sieht Euch, auch wenn ich nicht mehr bi» ' Das waren Frau Anitas letzte Worte. . W Wie im Wahnsinn verließ Bert Stolp das Stcrbezimm'' seiner armen Frau. Ihm folgte der Hausarzt Doktor Wolk ram, der Wohl wußte, daß in solchem Augenblicke jedes Ms i des Trostes vergeblich ist. Und nun gar bei Bert SM Dem begnadeten Künstler, dessen „Ariane" allabendlich - Hörer begeisterte. Ein Vermögen hatte ihm diese Oper eingebracht. M nicht nur das. Libretto und Musik trugen das Zeug in sw das Werk jahrelang ans den Spielplänen zu halten. Bi Stolp war ein gemachter Mann, dem von nun ab nat menschlichem Ermessen der große Erfolg jede wirtschaftlich Sorge fern hielt. Das Glück war ihm nicht in den Schok gefallen. Ein hartes Jahrzehnt, wenn nicht länger, hab' er um die Siegespalme gerungen. Und jetzt? Jetzt gehörte er zu den Unglücklichsten unter der Sonne. Frau Anitas zartes Leben hatte stets an eine« seidenen Faden gehangen. Dem Anfall, der gestern abeR eingesetzt, war das geschwächte Organ nicht mehr gewachst" gewesen. , „Ich habe gehört, was Mutti gesagt hat, Herr Doktor- Zwei blaue Kinderaugen, darin die Hellen Tränen schimmelte», richteten sich auf das bartlose Gesicht des Arztes. Der elfjährige Franz, der etwas von dem Talente seine' großen Vaters mitbekommen haben mußte, denn er meisterte seine Violine bereits wie ein Alter, hielt seine beiden Schwester chen, die sechsjährige Ursel uud die vierjährige Dore, an Haud. ' „Vergiß diese Worte nie in Deinem Leben, mein Sohn mahnte der Arzt. „Denke stets daran, daß der Mutte' Auge Dich sieht!" — Eine Woche später, nachdem man Frau Anita auf de» Zentralfriedhof gebettet hatte, verließ der berühmte Kompon^ der „Ariane" Wien. Die Kinder wurden vorläufig bei sein'' verheirateten Schwester in Nußdorf untergebracht. Er sM hoffte auf Reisen nicht vergessen, aber überwinden zu könne» Der Sommer stand auf seinem Höhepunkt. Bert Sto^ durchzog die grüne Steiermark und das weißleuchtende Til^ Unter den schwellenden Trauben des Trento sah ihn der He« über die Promenade wandeln. Die Sonne des Oktobl^ ging für ihn, der seinen Schmerz auf den Lido getragen hab' hinter den Kuppeln von Sarr Marco unter. Als der Novembe' wind der Adria auch die Unentwegtesten von der Spiagg^ Vertrieb, hüllte sich Bert Stolp fröstelnd in seinen Pelz ust fuhr an die Riviera. Er kam sich vor wie Ahasver. Ueberallhin verfolgte ihn Anitas Auge. Denn nicht Fränzchen hatte die Worte der Sterbenden verstanden. O klangen unaufhörlich, wie das Leitmotiv eines neuen Werkes in ihm nach. Da durchflog er eines Morgens während des Frühstü^ die Zeitung. Darin wurde in der Nähe Beaulieus ein altch inmitten eines großen Parkes gelegenes Schloß zum VerM oder auch zur Miete ausgeboten. Wie eine Erleuchtung durchzuckte es den Komponisten Das war der Platz, wo er sein neues Werk beginnen »»* vollenden würde. „Der Mutter Augen"... die große Ope» Exkönig unter clem Pantoffel. Ein Besuch im Lehmziegelpalast von Ley. — Buttertee und Gersten!lex. — Tie Königin vor der Aamer«. Wasser fiel. . , Noch einen Schritt... die elfte Stufe, sic war die letz" „Der Mutter Auge", stammelte er. Er wiederholte diese Worte, als er mit den wie du ein Wunder geretteten Kindern wieder dem alten SastA zuschritt. Nun hatte er das Leitmotiv seines ' Don Harr In Kaschmir, dem britisch-indischen Vasallenstaat, das den Namen für die meistens anderswo hergestellten Schals her geben muß, haben sich kürzlich wieder einmal Hindus und Mohammedaner in den Haaren gelegen. Die Lage sah eine Zeitlang recht bedenklich aus, und der Maharadscha Sir Hari Singh sah sich gezwungen, englische Hilfe zu erbitten. Diesen Besorgnis erregenden Kämpfen sah ein Teil der Untertanen Sir Hari Singhs ohne jedes Interesse zu. Das waren die Einwohner des ehemaligen Königreichs Ladak, denen es in echt buddhistischem Gleichmut einerlei ist, ob ihre Lands leute jenseits der Berge sich gegenseitig die Köpfe einschlagen oder nicht. So lange sie in Ruhe gelassen werden, kümmern sich die Ladaki nicht um das, was draußen vor sich geht. Vor neunzig Jahren wurden die guten Leute einmal aus ihrer Ruhe aufgestört. Das war, als ein Heerführer des Ma haradschas von Kaschmir den Indus heraufzog und das Land eroberte. Aber auch diese Sache ging ohne Blutvergießen vor sich, und der einzige Benachteiligte war der König von Ladak, der seines Thrones enthoben wurde. Doch fand er sich bald mit der neuen Lage ab, denn Kaschmir gestattete ihm, in seinem Lehmziegelpalast bei Leh, der Hauptstadt, weiter zu wohnen. Der Urenkel dieses Abgesetzten lebt heute zufrieden als „Exkönig" im Schloß seiner Väter, hoch über dem Jndustal. Wentge Europäer besuchen ihn dort, denn in Leh wohnen ständig nur ein paar Herrnhuter Missionare. Im Sommer halten sich einige englische Beamte dort auf, um den Durch gangshandel nach Tibet zu überwachen, der die Einwohnerzahl der Hauptstadt von 2000 reaelmäßia auf 20 000 anwacksen läßt. Vielleicht liegt aber dem „Exkönig" auch gar nichts än Besuchen, denn diese haben bisher stets den Eindruck mitge nommen, daß die gute Majestät unter dem Pantoffel steht, und das weiß sie sicher selbst. Auf jeden Fall muß der Fremde gewärtig sein, daß der Monarch sie mit offensichtlicher Gleich gültigkeit in seinem Staatsraum empfängt, der im dritten Stock des hohen Lehmziegelschlosses liegt. Eine Art Hühner leiter führt dort oben hinauf, und die Inneneinrichtung des „Prunkzimmers" ist dementsprechend einfach. Aber der König stellt keine großen Ansprüche an das Leben, was ihm übrigens bei seinen 360 Rupien jährlicher Staatsrente und den 2000 Rupien, die ihm seine Schafherden in den Tälern oberhalb Lehs einbringen, auch nichts nützen würde. Offensichtlich langweilt sich die Majestät durch das Leben hindurch. Das ist kein Wunder, denn die Königin hat die ganze „Negierung" in der Hand und sorgt auch für die Unterhaltung der seltenen Gäste. Eine mongolische Aristokratin vom blauesten Blut, weiß Ihre Majestät in ihrer tibetanischen Muttersprache angenehm von den großen Dingen zu plaudern, die sich in ihrem recht beschränkten Wirkungskreise zugetragen haben, d. ü. ob ihre Schake fleißig Lämmer geworfen und Wolle ge-
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