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I Wilsdruffer Tageblatt I 2. Blatt Nr. 261 — Montag, den 7. November 1932 Vorspruch zur 60-Iahr-Feier des M G.V. „Sängerkranz", Wilsdruff Das deutsche Ned grüßt Euch zur Jubelfeier! Es hebt vom Alltag Euer Herz empor Und trägt es in das Wunderreich der Leier, Beschwingt zur Andacht Euch im Weihechor. Das deutsche Lied weht uns aus sechzig wahren Den holden Zauber der Erinn'rung her: In Glück und Not, in Wonne und Gefahren War es uns Ansporn, Trost und Heimatwehr. Wir denken derer, die von uns gegangen, Mit wehmutvollem Herzen, feuchtem Blick; Die treue Liebe, die wir einst empfangen, Heut geben wir sie dankerfüllt zurück. Wir danken denen, die das Werk gegründet, Dem „Sängerkranze" Blatt um Blatt gereiht; Was uns mit ihnen ewig fest verbindet, Ist Sängertreue, Sängerdankbarkeit. Von Herz zu Herzen klingt es selig wider: Die Einigkeit soll unser Schaffen weihn, Im deutschen Liede sind wir alle Brüder, Ein edler Meister will uns Führer sein. Und unser Meister, ohne Falsch und Wanken, Hat bis heute geführt die kleine Schar! So laß Dich grüßen, laß Dir innig danken, Und bleib der Unsre nun und immerdar! O deutsches Lied,, seit goldnen Kindertagen Schlangst wie die Mutter du ein Liebesband, Dein Segen soll uns in die Zukunft tragen Im Dienst für Heimat, Volk und Vaterland. Trotz aller Not wir wllen schaffen, singen, Trotz aller Not soll sich der Schwur erneu'n, Der Geist des Glaubens uns fortan beschwingen! — Und dieser Geist wird unser Volk befrei'n! Erich Langer. Sachsen- Staat-sinanzen lm September. Im September betrugen nach dem jetzt vorliegenden Abschluß die Ausgaben des Freistaates Sachsen im ordent lichen Haushalt 25 440 060 Mark und die Einnahmen 20 551000 Mark. Die Mehrausgabe beträgt mithin 4 889 000 Mark. Seit Beginn des Rechnungsjahres s.ni 24 872 000 Mark mehr ausgegeben worden, als einkamen. (124 695 000 Mark Einnahme gegenüber 149 567 000 Marl Ausgabe). Im außerordentlichen Haushalt wurden irn September 223 000 Mark verausgabt. Dadurch erhöht sich die Gesamtsumme der Ausgaben des außerordentlichen Haushalts von 10 180 000 Mark von April bis einschließ lich August auf 10 403 000 Mark. Der Stand der schweben den Schulden betrug Ende August 255,766 Millionen Mk. und ging bis Ende September auf 254 497 Millionen Mark zurück. Sächsische- Handwerk , fordert weitere Reich-Zuschüsse. Stärkere Berücksichtigung Sachsens als Grenzland. Der Landesausschuß des Sächsischen Handwerks ist auf Grund der Tatsache, daß die Reichszuschüsse, die für die Teilung von Wohnungen und den Umbau gewerblichen Raumes in Wohnraum in den sächsischen Großstädten binnen kurzem voll in Anspruch genommen worden sind und hierfür noch ein erheblicher Bedarf besteht, bei den Reichsstellen und der sächsischen Staatsregierung vorstellig geworden, damit für Sachsen für derartige Bauarbeiten eine weitere Million schnellstens zur Verfügung gestellt wird. Das Reichsarbeitsministerium hatte bereits unter dem 13. Oktober dieses Jabres dem Landesausschuß auf lVSsgösIsn rwiseksn cisn rwsi unglsieksn komun von Oerl RotkberA Lop^rigskt d>k k'eucütwsnsor'» ttaHo (Zaalo) l54 „So! Und nun werden wir uns rechte Mühe geben, bald wieder gesund zu werden. Suchen Sie sich irgendeine kleine Pflicht und verbringen Sie die Tage nicht untätig! Pflegen Sie zum Beispiel hier die Blumen! Oberschwester Beate kommt immer erst am Abend dazu, ihre Lieblinge zu gießen. Tun Sie das jetzt an jedem Morgen! Und dann könnte man mal eine Handarbeit anfangen. Mein Mann hat bald Geburtstag. Machen Sie uns die Freude und kommen Sie ein paar Wochen mit nach Pommern!" „Nach Pommern? Ach nein! Dort ist es ja — gerade geschehen — das Furchtbare!" „Aber Sie sind auch daran schuldlos. Nur der Schuldige mutz sich fürchten, an dem Schauplatz seiner Untat zurück zukehren. Kommen Sie ruhig mit!" Und Magdalen war auch hier bald besiegt. So saßen die beiden Frauen oft da und stichelten emsig an feinen Handarbeiten. Und Linda Oberhoff ließ es sich nicht merken, wie bange ihr nach ihrem Manne war und welches Opfer sie durch ihr Hiersein brachte. Aber Magdalen wußte bald, wie glücklich diese Ehe sein mußte, denn Frau Oberhoff erhielt jeden Tag einen Brief und schrieb auch jeden Tag an ihren Mann. Und einmal — es war an einem regenfeuchten, kühlen Morgen —, da sah sie Linda im Gärten spazierengehen, was an diesem Tage für die Patienten verboten war. Da fragte sich Magdalen verwundert: „Was will diese junge, gesunde Frau eigentlich unter uns Kranken?" Am Nachmittag fragte sie dann Frau Linda Oberhoff selbst. Und Linda Oberhoff verkroch sich nicht hinter irgend welchen Mätzchen, sondern sie sagte mit voller Offenheit: 8ust3v-Moli-erililierungsfeirm. Das schwedische Kronprinzenpaar nimmt am Festakt im Neuen Rathaus teil. Der Rat der Stadt Leipzig veranstaltete im Neuen Rathaus aus Anlaß der 300jährigen Wiederkehr des Todestages König Gustav Adolfs von Schweden, gefallen in der Schlacht bei Lützen am 6. November 1632, eine Gedenkfeier. An der Feier nahmen außer dem schwedi schen Kronprinzenpaar u. a. Oberst von Ceder- skiöld, Kommandeur der Grenadiere des schwedischen Leib regiments, der Chef der Heeresleitung, Frhr. von Hammerstein, der schwedische Gesandte in Berlin, As Wirsen, der Gesandte Finnlands, Wuolijoki, der schwedische Bischof Stadener sowie Vertreter der schwedi schen Armee, des schwedischen Parlaments, der Hochschulen usw. teil. Aus Finnland war eine Abordnung erschienen unter Führung des Frhr n. vonMannerheim. Oberbürgermeister Dr. Goerdeler begrüßte ferner den sächsischen Landesbischof Dr. Ihmels, Vetreter der Reichsbehörden, darunter den Reichsgerichtspräsidenten Dr. Bumke und den Oberreichsanwalt Dr. Werner, weiter Vertreter des Reichsheeres und der früheren Armee, der evangelischen Kirche, des Gustav-Adolf- Vereins, der Universität Leipzig und der wirtschaftlichen und Berufsverbände. In einer Ansprache wies Dr. Goerdeler aus die starke Gemeinschaft des Blutes, die gemeinsamen Ideale und Opfer hin, die Schweden, Finnländer und Deutsche immer wieder zu wahrer Freundschaft zusammengeführt hätten. Der Redner gab dann einen geschichtlichen Überblick über Leipzigs Schicksal im Dreißigjährigen Kriege und bezeichnete Gustav Adolf als die Verkörperung der Sehn sucht germanischer Völker nach der Einheit des Geistes, des Gemütes und des praktischen Lebens. Die Gedenk feier war umrahmt von musikalischen Darbietungen des Stadt- und Gewandhausorchesters und des Thomaner chors. -r Neue Deutsche Ehrendoktoren der Llniverfität klpsala. In der Universitätsaula in Upsala (Schweden) fand in Gegenwart des Königs Gustav, der Großherzogin- witwe Hilda von Baden und der Spitzen der Behörden die feierliche Promotion von über 100 Doktoren und Ehrendoktoren statt. Aus Deutschland wurden neun weltbekannte Hochschullehrer zu Ehrendoktoren promo viert, die sich außer dem Marburger Theologieprofessor Rudolf, dem Freiburger Mediziner Aschoff und dem Lübecker Staatsarchivar Kretschmar persönlich in Upsala eingefunden hatten. Es waren dies die Theologen Ge heimrat Deißmann-Berlin, Geheimrat von Dobschütz-Halle und Professor Stange aus Göttingen; von der juristischen Fakultät der Leipziger Universität Prof. Rich. Schmidt; von der medizinischen Fakultät Geheimrat Sauerbruch und von der philosophischen Fakultät Professor Erwin Bauer vom Kaiser-Wilhelm-Jnstitut. Jedem der neuen Doktoren wurde der schwedische Doktorhut mit goldener Kokarde aufs Haupt gesetzt, wobei jedesmal im gleichen Augenblick von einer benachbarten Anhöhe ein Ka nonenschuß krachte. Außerdem erhielten die neuen Doktoren einen goldenen Doktor ring und das Diplom. Grund seiner Eingabe auf Mehrberücksichtigung des Frei staates Sachsen bei der Verteilung der Reichszuschüsse ge antwortet, daß für die Teilung von Wohnungen weitere Mittel bereitgestellt werden könnten, sofern die bereits verteilten Mittel aufgebraucht seien. Gleichzeitig hat der Landesausschuß die Forderung gestellt, aus dem für das Grenzland zur Verfügung ge stellten Fonds von 50 Millionen Mark mindestens 5 Mil lionen Mark sür Sachsen bereitzustellen, da, wie es in der Begründung der Forderung Heißt, die Not des Grenz handwerkes und der Grenzlandbevölkerung seit Jahren außerordentlich groß und Durchgreifendes für die Besse rung dieser Verhältnisse seitens des Reiches bisher nicht unternommen worden sei. Sachsen sei bei der Aktion der Reichszuschüsse gegen über anderen Ländern insofern benachteiligt worden, als Me Guftav-Adols-Feier in Lützen. Das Städtchen Lützen hatte am Sonntag Festschmuck angelegt, um den Schwedenkönig Gustav Adolf zu feiern. Trotz der Ungunst des Wetters staute sich die Menge der auswärtigen Besucher, darunter zahlreiche schwedische Schülerinnen und Schüler, schwedische Frauen in Landes trachten mit Abordnungen des Stahlhelm und der Krieger vereine aus Mitteldeutschland, dieLeipzigerBäcker- Innung mit der ihnen von Gustav Adolf geschenkten großen Fahne u. a. m. auf dem engen Marktplatz vor dem altertümlichen Rathaus, das die Farben Schwedens, Finnlands und des Deutschen Reiches gesetzt hatte. Der Vertreter derfinnischen Regierung, General Manner- Heim, war mit seinem Stab erschienen. Es folgte eine ganze Anzahl anderer namhafter Gäste, darunter hohe evangelische Geistliche aus Schweden, Finnland und aus dem Deutschen Reich, die letzteren unter Führung des Präsidenten des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes, v. Dr. Kapler, ferner Abordnungen schwedischer und finnischer Regi menter, der Chef der Heeresleitung und von der Reichs wehr General von Hammer st ein, und andere hohe Reichswehroffiziere. Auch das schwedische Kron prinzenpaar traf ein. Nach einem kurzen Beisammensein im Rathaus be gaben sich die hohen Gäste zum Gustav-Adolf- Gedenkstein, wo die Gustav-Adolf-Kapelle für einen Gedächtnisgottesdienst ausgestattet war. Vor dem Portal der Kapelle stand ein Doppelposten der Reichswehr, an der Ansatzstraße hatten die Fahnenkompagnien des Infanterieregiments 11 mit der Bataillonsmusik Auf stellung genommen. Auf dem Gustav-Adolf-Stein war eine Krone aus Tannenreis niedergelegt. An den vier Ecken des Baldachins zum Gedenkstein hatten sich Fahnen träger mit Fahnen in schwedischen und finnischen Farben aufgestellt. Bei dem Festgottesdienst hielt zunächst v. Dr. Kapler eine Ansprache, die eigentliche Predigt hielt Bischof v. Stadener aus Stockholm. Nach Beendigung des Gottesdienstes gruppierten sich hie Gäste um den Gustav- Adolf-Gedenkstein, wo als erster der Kronprinz von Schweden das Wort ergriff und zum Gedenken seines hohen Ahnen u. a. ausführter Gustav Adolf ist zweifellos eine der am reichsten aus gerüsteten Persönlichkeiten der Weltgeschichte gewesen^ Gerade auf Lützens geheiligtem Boden und in dieser Stunde des Gedenkens empfindet man klar, daß er auch weit über die Grenzen des eigenen Landes hinaus so viel zu geben gehabt hat. Was er getan hat für den Schutz der Gedanke nfreiheit, hat seine Bedeutung unver mindert erhalten, nicht nur auf rein religiösem Gebiete. Seine Gedankenfreiheit ist eine Grundvoraus setzung für die gesamte geistige und materielle Kultur unserer Zeit, eine Bedingung, ohne die unsere Kultur sich nicht hätte entwickeln können. Gustav Adolf wurde da durch zugleich ein großer Sohn und ein treuer Diener der Menschheit. Uber das Werk von Menschen kann das Urteil wechseln, aber über den reinen Willen und die reine Absicht, entsprungen aus tiefster schlichter Über zeugung, kann ein gerechtes Urteil nicht schwanken. seine seit langer Zeit bestehende überdurchschnittliche Ar beitslosigkeit und der völlige Zusammenbruch seines ge werblichen Fleißes nicht genügend Berücksichtigung trotz vieler Mahnungen der sächsischen Wirtschastsverbändc und der sächsischen Staatsrcgierung gefunden haben. Nie Verwendung der VrandenischädigungSgeider. Die Gewerbekammern fordern Handwerkcrschutz. Bekanntlich hatten sich die sächsischen Gewerbekammern zufolge mehrfacher zu ihrer Kenntnis gelangten mißbräuch lichen Verwendung von Brandentschädignngsgeldern ver anlaßt gesehen, in einer an das Wirtschaftsministerium gerichteten Eingabe gesetzliche Sicherungen der Brandent- „Jch bin überhaupt nur hierher gekommen, um Sie gesund pflegen zu helfen!" Magdalen hatte mit biassen Lippen geflüstert: „Und woher konnten Sie ein solch gütiges Interesse an meinem Schicksal haben?" „Weil Karl Joachim unser bester Freund ist, und weil ich Sie bereits liebte, ohne Sie zu kennen. Sie mußten liebenswert sein, weil Sie Karl Joachims Liebe be sitzen!" Da war Magdalen still hinausgegangen, aber sie war von diesem Tage an eine andere. Sie sträubte sich nicht, als Linda freundlich sagte: „So, Kindchen, jetzt geht es nach Oberhoff. Dort werden Sie vollends gesund. Oberhoff ist ganz dazu ge schaffen, einen Menschen wieder fröhlich zu machen." Als gäbe es überhaupt keinen Widerspruch auf der Welt, so wurden Magdalens Koffer gepackt, und an einem kühlen Morgen fuhren die beiden Damen zur Bahn station. Während der Bahnfahrt plauderte Linda Oberhoff fröhlich und schien es nicht zu bemerken, daß Magdalen sehr schweigsam und bedrückt war. In Pommern wurden sie auf der kleinen Station nach der langen Fahrt von Herrn von Oberhoff empfangen, der seine Frau mitten auf dem Bahnsteig herzlich küßte, sie immer wieder umarmte und seine Freude kaum meistern konnte. Er begrüßte Magdalen von Lindsmühlen herzlich und sagte: „Wir haben dafür gesorgt, daß es Ihnen in Oberhoff gefallen wird, gnädige Frau. Tante Susanne ist auch ein bißchen da!" „Tante Susanne? Wie kommt sie'zu Ihnen?" fragte Magdalen fassungslos. „Weil Linda mir einen Aufpasser bestellen mußte", freute er sich, „und weil Sie sich auch bei Ihrer Ankunft nicht ganz fremd fühlen sollten." Herr von Oberhoff mußte dann noch etwas fehr Wich tiges mit dem Bahnhofsvorsteher besprechen, wie er den Damen sagte. Er packte sie aber erst in den Landauer, wechselte mit seiner Frau einen Blick und ging schnell noch einmal ins Bahnhofsgebäude, um hier ein Telegramm folgenden Inhalts aufzugeben: „Herrn Rittergutsbesitzer von Lindsmühlen Schloß Lindsmühlen bei B Vie beiden damen soeben eingetroffen — alles Wohl — magdalen sehr blaß — sonst gesund — wird in ober hoff aufgepäppelt — verlaß dich drauf — aber von dir aus ruhe bis wir dich rufen — gott befohlen oberhoff * * * Und nun war Magdalen hier. Und die Sehnsucht wuchs, wuchs ins Riesengroße! Tags zuvor war Friedrich Karls Todestag gewesen. Sie hatte an den Mann gedacht, der so brutal und rauh zu ihr gewesen war. Sogar seine Zärtlichkeiten waren brutal gewesen. Aber es war kein Groll mehr in ihr, doch weinte sie auch nicht. Konnte es nicht. Es war ruhig in ihr geworden, ganz friedlich und ab geklärt. Die Vergangenheit hatte keinen Anteil mehr an ihr. Nur etwas blühte und grünte daraus hervor: Karl Joachims Liebe! Und nun wartete Magdalen! Es war keine Ungeduld in ihr. Auch dieses Warten war schön, war schon ein großes Glück. Aber man sprach nie von ihm, wenn sie dabei war. Und sie dankte das den Freunden innerlich. Ein Monat nach dem andern verging. In Oberhoff war ein kleines Mädel geboren worden. Das war nun ihre liebste Beschäftigung, sich mit dem kleinen Menschen kinde zu befassen. Sie küßte die kleinen Fingerchen, sie wurde nicht müde, die Kleine im Zimmer umherzutragen, und Linda meinte manchmal lachend: „Nun bleib aber ja für immer hier, denn jetzt ist das Ding so verwöhnt, daß wir etwas erleben können — und ich hab' doch keine Zett." (Fortsetzung folgt.)