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MOnOrÄgMM Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das .Wilsdruffer Tageblatt* erjcheim an allen Werktagen nachmittags b Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. t^ei Haus, bei Poftbestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten, Post boten und untere Aus- — träger und Geschöstsstellen nehmen zu jeder Zeit Be, fUk <I>rlHokUfs U. ftellungen entgegen. Im Falle höhere, GewaU, ' Krieg oder jonstiger Be- riebsstörungen befiehl dein Anspruch aus Liejerung de, Leitung oder Kürzung des L e-ugspreijes. — -iückjendung eingejandte, Schriststüche erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis! die 8gru °Iirnr Bovmzeil» A) Bpsg., die 4geipalien« DeNe der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reich«, psenntge, die 3 gespaltene Reklame,eile im lerilichen Teile I RMK. ---chweisungsgebühr 2» Reichspfennige Do». ^0'0°»^^' Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 anaahme bisvocm.loUhr. — Für die Richtigkeit der durch Fernruf überminellca Anzeigen übern, wir keine E-raniik. Jeder Radattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eiugczvgen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 231 — 91. Jahrgang. Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Wilsdruff-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 1. Oktober 1932 Verkrampfung. Politische Experimente — Ein schwerer Gang — Angriffssignale. Sowenig England eine Verfassung im Sinne etwa der europäischen Staaten oder gar Nordamerikas hat, ist sein politisch-parlamentarisches Leben in feste Formen und Normen etwa nach deutschen Zuständen gepreßt. Es ist eben — das Leben der Engländer selbst, und daher der Wirklichkeit ebenso angepaßt, wie die Menschen es sind. Nur wer deren Lebenssinn erkennt, vermag auch den Sinn ihres politischen Wollens und Handelns zu erfassen; und es ist ein übertrieben zugespitztes, im Wesen aber nicht ganz unrichtiges Wort, wenn ein geistvoller englischer Politiker von einem großen deutschen Staatsrechtslehrer sagte, dieser habe als einziger Ausländer das englische Verfassungsleben verstanden; allerdings habe er es falsch verstanden. Darum verstieß es auch gegen ver fassungsgeschichtliche Theorie, daß vor emem Jahre trotz eines gewaltigen konservativen Wahlsieges ein Koalitions kabinett aller drei Parteien, also der Sieger und der Be siegten, an das Staatsruder trat und als Kapitän der alte Führer der Arbeiterpartei auf der Kommandobrücke blieb. Es kam auf Partei„dogmen" ebensowenig an wie auf Partei„ziele", sondern nur darauf, mit gesamter und ge sammelter Kraft einen Ausweg aus der Währungs schwäche, dem Haushaltsdefi zit und der Wirtschaftsnot mit ihrer furcht baren Arbeitslosigkeit zu suchen und zu finden. Für alles glaubte man diesen Ausweg in einem mehr als gründ lichen Herumschwenken Englands zur Hochschutzzoll politik sehen zu können. Der Trumpf „Gedrosselte Inflation" stach aber für die Behebung der Wirtschafts- »pte und damit der Arbeitslosigkeit nicht, - obwohl die Schutzzollmaucrn immer höher wurden. Für die Liberalen im Kabinett Macdonald war dieses Experiment so lange er träglich, als cs eben Experiment blieb und nicht eine grund sätzliche, mithin endgültige Wendung vom Freihandel zurHochschutzzollpolitik bedeutete. Das aber ist auf der Konferenz von Ottawa immerhin doch soweit ge schehen, als sich das Mutterland von den Dominien ziem lich feste schutzzöllnerische Fesseln anlegen ließ, so daß es handelspolitisch nur sehr kleine Schritte tun kann. Da der Versuch der liberalen Kabinettsmitglieder, die ge setzliche „Verankerung" der Beschlüsse von Ottawa noch hinauszuschieben, gegen den Widerspruch ihrer konser vativen Kollegen nicht durchdrang, sind die radikaleren Mitglieder des liberalen Regierungsflügels zur Demission geschritten. Eine ähnliche Spaltung erfolgte übrigens auch unter den Ministern und Staatssekretären, soweit diese — früher — der Arbeiterpartei angehörten, so daß jetzt der konservative Flügel stark gewachsen ist und das Kabinett — unter Macdonald — eigentlich beherrscht. Wir Deutsche haben von dieser Entwicklung innerhalb des englischen Kabinetts schon einiges zu spüren bekom- men: die Antwortnote Englands, Hendersons, des alten Arbeiterparteilers, vergebliche Vermittlungsversuche in Genf usw. Daß der „Sommer unseres Mißvergnügens" jetzt in den Herbst der außenpolitischen Ver krampfung überging, spüren wir ebenfalls und müssen leider befürchten, daß die bereits bestehende weltwirtschaft liche Verkrampfung — und zwar nicht bloß die in Ottawa geschaffene! — eher zu- als abnimmt. Unsere Unter händler gehen einen schweren Gang, wenn sie jetzt ver suchen, bei unseren Handelsvertragspartnern Einsicht und Entgegenkommen gegenüber unseren Beschlüssen der agrarpolitischen Einfuhrkontingentie- rung herbeizuführen. Ob unsere Unterhändler Erfolg haben werden? Daß große Teile unserer Industrie und unseres Außenhandels Schweres für die Zukunft befürch ten, ist ja von ihnen gerade in der letzten Zeit oft und laut gesagt worden. Aber nicht wir Deutsche sind die Er finder dieser Methode für die Hemmung des Warenaus tausches; denn den Weg zur Kontingentierung, den auch wir jetzt gehen müssen, als allererstes Land eingeschlagen zu haben, ist ausgerechnet Frankreichs wenig erfreulicher Ruhm. Dabei hat sich die französische Negie rung nicht allzuviel um entgegenstehende handelsvertrag liche Bestimmungen gekümmert! Mit der steigenden welt handelspolitischen Verkrampfung — als Auftakt für die Weltwirtschaftskonferenz! — wird aber für uns das Problem unserer Auslandsverschuldung immer gefährlicher und folgenschwerer. Wie sollen wir diesen überhöhten Verpflichtungen nachkommen, wenn man unserer Schuldenbezahlung durch Warenexport immer noch wachsende Hindernisse in den Weg legt? Jetzt ist von neuem in Deutschland selbst eine umfangreiche Zwangs- Herabsetzung des Ztnsniveansfür lang fristige Schulden erfolgt, weil diese Verpflichtungen nicht mehr aus dem Betriebsertrag, sondern aus der Ver wögen ssub stanz gezahlt oder — nicht gezahlt werden mußten. Was hier für große Teile der deutschen Privat Wirtschaft festgestellt ist und gilt, trifft aber auch für die deutsche Volks Wirtschaft zu. „Einst wird kommen der Tag" — und vielleicht ist er durch die wachsende Ab sperrung der Welt gegen deutsche Waren nähergerückt, als man draußen ahnt —, an dem es uns nicht mehr mög- lick ist. unseren Verpflichtungen gegenüber den ausländi- Keine Aendemg Erklärungen Neuraths über Genf. Die außenpolitischen Richtlinien der Neichsregierung. Reichsaußenminister von Neurath, dessen Haltung in Genf vom Kabinett einmütig gebilligt worden ist, hat vor der Presse seine Eindrücke bei den jüngsten Verhandlungen in Genf dargelegt und dabei ein klares Bild der welt politischen Lage gegeben, wie sie sich durch die Gleich berechtigungsforderung Deutschlands in der Nüstungs- frage herausgebildet hat. Herr von Neurath wies zunächst darauf hin, daß die deutsche Delegation für die Völkerbundversammlung in Genf sich die allgemein wirtschaftlichen Fragen und die Sorgen der deutschen Min derheiten angelegen sein ließ. Die deutsche Delegation hat in Genf auch die anderen Mächte darauf hingewiesen, daß das Völkerbundsekretariat so umge bildet werden müsse, daß die Gleichberechtigung der ein zelnen Völkerbnndmitglieder besser zum Ausdruck komme und daß der ganze Apparat des Völkerbundes billiger werde. Im Mittelpunkt der Genfer Politik standen natürlich die Abrüstungsfragen. Die eigentliche Tagesord nung des Völkerbundes trat ganz in den Hintergrund. Der Neichsanßenminister legte noch einmal dar, wie es zur Auf stellung der deutschen Gleichberechtigungsfordcrung ge kommen ist. Die Notwendigkeit dazu ergab sich in dem Augenblick, wo die Abrüstungskonferenz sich mit einer Be gründung vertagte, die deutlich erwies, daß die anderen nicht auf den gleichen Rüstungsstand wie Deutschland hcr- untergehen wollten. Dadurch ergab sich für Deutschland der Awang, seine Forderungen unter Hinweis auf die Verpflichtungen des Versailler Vertrages aufzustellen und an die anderen Mächte die offene Frage zu richten, welche Folgen die Beschlüsse der Abrüstungs konferenz für Deutschland haben. Deutschland versuchte zunächst durch vertrauliche Verhand lungen mit Frankreich darauf eine Antwort zu bekommen, aber Frankreich hat die Verhandlungen abgelehnt und ist jeder klaren Antwort ausgewichen; ja es ist dazu übergegangen, Deutschland be sonders in Amerika anzuschwärzen und von deutschen Geheimrüstungen zu reden, wobei man aus Ge heimdokumente hinwies, die angeblich im Besitze von Frankreich seien. Die Pariser Regierung hat aber bis jetzt nicht gewagt, die Dokumente zu veröffentlichen. Die Gegen seite wolle damit die Welt nur darüber hinwegtäuschen, daß die Abrüstungsverhandlungen bis jetzt vergeblich waren, daß die anderen Staaten überrüstet seien, und man wolle dadurch auch die Verpflichtungen des Versailler Vertrages zur Abrüstung verschleiern. Die Haltung Deutschlands könne aber, so betonte der Neichs- außenminister, durch derartige Methoden der Gegenseite Nicht beeinflußt werden. Herr v. Neurath hatte in Genf Gelegenheit, in der Unterhaltung mit den Vertretern der maßgebenden Mächte dieAuffassungüberdiedeutscheForderung zu hören. Dem Vertreter Englands hat der Außenminister sehr klar die Meinung über die bekannte ablehnende englische Note an Deutschland dargelegt; in der Unter haltung mit dem italienischen Vertreter gewann der Außenminister den Eindruck, daß scheu Gläubigern nachzukommen. Vor allem aber ist die wachsende Verkrampfung im Welthandel das wirklich aller beste Mittel gegen den Wiederaufbau des zerstörten Weltkredits und damit der Weltwirtschaft selbst! Deren Krise kann doch nur überwunden werden, wenn man zu sammenkommt, nicht aber, wenn die gegenseitige Abkapselung wächst! * Auch in dem nur einen kleinen, aber nicht unwichtigen Teil dieser Welt ausmachenden deutschen Wirt schaftsraum ist Ziel und Methode des Wiederauf baues eingestellt auf ein Zusammenkommen und Zu sammenarbeiten. Bei uns ist aber der Kampf der Einsicht in die Wirklichkeiten und Notwendigkeiten gegen wirt schaftliche, politische und soziale Verkrampfungen und Ver kapselungen, besonders schwer gewesen und - wird durch den Wahlkampf nicht gerade erleichtert. Und doch — das wissen alle Freunde und Gegner des Papen-Pro gramms ganz genau - hängt von dessen Gelingen oder Mißglücken viel mehr ab als von all den früheren Ver suchen solcher Art, die gegenüber den Stößen der Krise in der Defensive bleiben mußten; jetzt aber will man doch zum Angriff übergehen! Dr. Pr. der AOWlitik. in Italien großes Verständnis für die deutsche Forderung besteht. Zur Unterhaltung mit Henderson, dem Prä sidenten der Abrüstungskonferenz, erklärte Herr v. Neurath, Henderson sei sichtlich bemüht, die Abrüstungskonferenz vor einem Mißerfolg zu retten, aber bis jetzt hätten seine Verständigungsbemühungen wenig Aussicht aus Erfolg. Trotzdem sei Henderson immer noch zuversichtlich. Herriots Haltung. Was Herriot angeht, so erklärte der Außen minister, bin ich einer Unterhaltung mit ihm nicht aus- gewichen. Herriot wußte, daß der deutsche Außenminister zur Verfügung stehe, die beiden Delegationen standen in Fühlung, aber Herriot hatte offenbar nichts zu sagen. Ursprünglich hatte Herriot gar nicht die Absicht, in Genf eine Rede zu halten, dann sei plötzlich, obwohl man Neu raths Rcisepläne kannte, eine Rede für Donnerstag an- gesetzt worden. Da die deutsche Delegation hörte, daß in der Rede von der Abrüstung nicht gesprochen werden sollte, habe für den Außenminister kein Grund bestanden, seine seit Tagen vorgesehene Abfahrt nach Berlin zu verschieben. So spielten sich die Dinge in Genf ab. Nun liegt es an den anderen, so betonte der Reichsaußenminister vor der Presse, Angebote zu machen. Neues haben wir nichts zu sagen. Wir verlangen im Rahmen der allgemeinen Abrüstung die gleiche Freiheit in der Wehrfrage wie die andern. Keine deutsche Regierung kann auf das Lebensrecht der Verteidigung und der Sicherheit verzichten. Wie soll es nun weitergehen? Darauf erklärte Herr von Neurath, wir werden uns an den allge meinen Verhandlungen der Abrüstungskonferenz nicht mehr beteiligen, bis Sicherheit dafür ge geben ist, daß die Berechtigung unserer Forderung aus Gleichberechtigung von keiner Seite mehr angezweifelt wird und bis Klarheit darüber besteht, daß die allgemeine Abrüstungskonvention für uns ebenso wie für die andern gilt. Wir warten ab, ob man von der andern Seite unsern Wünschen entgegenkommt, wird sind jederzeit zu Verhandlungen bereit. * Nurchüchiige pariser Manöver. Ein angeblicher Kompromißplan Hendersons in der Gleichbercchtigungsfrage. Die Pariser Presse will jetzt von einem angeblichen Kompromißplan Hendersons zur Regelung der Gleichberechtigungsfrage wissen, an dem auch der englische Außenminister Simon mitgearbeitet haben soll. Dieser Entwurf solle dazu bestimmt sein, einen „Ausweg" aus der durch das Fernbleiben Deutschlands von der Ab rüstungskonferenz geschaffenen Lage zu finden. In dieser angeblichen Erklärung Hendersons, die Deutschland die Rückkehr nach Genf ermöglichen soll, seien drei Grundsätze aufgestellt: 1. Deutschland darf nicht „aufrüsten". Der Teil Vs des Versailler Vertrages werde „in einer revidierten und umgestalteten Form in das künftige Abrüstungsabkommen ausgenommen". 2. Die stark gerüsteten Mächte schritten zu einer „verhältnismäßigen, wesentlichen Herabsetzung ihrer Rüstungen". 3. Die Aufnahme dieser beiden Grund sätze bedeute die „endgültige Regelung der Gleichberechti gungsfrage". Diese französischen Behauptungen, die offensichtlich den Eindruck erwecken sollen, als ob der Weg für die Rück kehr Deutschlands in die Abrüstungskonferenz „bereits ge ebnet" sei, entsprechen nicht den Tatsachen. Dem Reichsaußenminister sind vor seiner Abreise keine derartigen Vorschläge gemacht worden. Der an gebliche Plan Hendersons ist selbstverständlich für Deutsch land nicht annehmbar, da er unter dem Deckmantel eines Kompromisses Deutschlands Wehrohnmacht ver ewigen würde. * Scharfe deutsche Kritik an der Rnaar- oermltW der Völkerkaades. Genf, 30. September. Im vierten Ausschuß der Völker bundsversammlung für die Finanzlage des Völkerbundes und die Reorganisation des Völkerbundssekretariats übte am Frei tag der Vertreter Deutschlands. Staatssekretär z. D. v. Rhein baben, scharfe Kritik an der Finanzgebarung des Völkerbundes- Er forderte weitgehende Einschränkung des Tätigkeitsgebietes» Reorganisation des gesamten Verwaltungsapparates, Abbau überflüssiger Beamter und der Beamtengehälter. Der deutsche Vertreter wies ausdrücklich daraufhin, daß er zu der auf der Tagesordnung stehenden Frage der Neubildung der politischen Leitung des Völkerbundssekretariats in den weiteren Ausspra-