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MsdmfferAgeblatt Montag, den 18. Januar 1932 Nr. 14 — 9!. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: ^Amtsblatt" Postscheck: Dresden LS40 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, :Das »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. iirei Haus, bei Postbestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 1V Rpsg. Alle Postanstalten, Post- nehmens Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ' ^Falle höher« Gewalt, — Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Ampruli, aus üilieiung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porto bewegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. 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Und selbst der zahme Baseler Bericht hatte darauf hingewiesen, daß man die Frage der deutschen Tribute sowie der Kriegsschulden nicht mehr länger einfach weilertreiben lassen dürfe, sondern daß es allerhöchste Zeit sei, die Dinge fest und energisch anzu- packen. Jede Verzögerung bedeute ein rasches Anwachsen der Weltkrise. Es ist bitter genug, wieder einmal fest stellen zu müssen, daß im Dunstkreis der Tributfrage auch die vernünftigsten, objektivsten und dringendsten Mah nungen und Warnungen nur teilweise und sehr zögernd Gehör finden. Frankreich läßt höchstens den einen Satz des Baseler Berichts gelten, daß Deutschland für den auf schiebbaren Teil der Noung-Plan-Leistungen zahlungs unfähig sei, läßt sich höchstens noch herbei, für den nicht aufschiebbaren Teil eine Art papierner Zahlung dulden zu wollen, diese Leistungen also irgendwie zu kreditieren. Aber nach einem, etwa mehrjährigem Moratorium, das zu einer Erholung Deutschlands führen solle, habe der Noung-Plan wieder in Kraft zu treten oder er dürfe höchstens auf Grund einer Sachverständigenprüfung über Deutschlands Zahlungsfähigkeit entsprechend abgeändert werden, ohne daß dabei aber seine wesentlichen Züge beeinträchtigt würden. Juristisch-theoretisches Jnkraft- bleiben des Noung-Planes also, dazu ein längeres, vielleicht zweijähriges Gesamtmoratorium für die wirk lichen Zahlungsverpflichtungen Deutschlands, praktische Sicherung des theoretischen Fortbestandes unserer Noung- Plan-Verpflichtungen durch eine „Kommerzialisierung" ihres unbedingten Teiles, — das sind in der Hauptsache heute die französischen Absichten bei den Ver handlungen über die Reparationskonferenz, sind das Ziel für das, was man auf dieser Konferenz erreichen will. Da mit fällt natürlich fast gerade das, was Layton als Vor aussetzung dafür erklärt, daß der „Strom des Kapitals in der Welt sich wieder in Bewegung setzen läßt". Aber es ist die Verwirklichung des Versprechens, das Laval im Dezember bereits vor einer großen Versammlung und dann in der Deputiertenkammer abgegeben hat, daß näm lich an dem Noung-Plan nichts geändert werden dürfe Zurzeit bildet das ganze Reparationsproblem politisch einen derart wirren Knoten, daß hiergegen sein Vorsahr, dem Alexander mit dem Schwerte ein rasches Ende bereitet, geradezu eine leicht aufzuwickelnde An gelegenheit ist. Auch Macdonald ist kein Alexander, sondern er und sein Kabinett arbeiten ziemlich hilflos an jenem Knoten herum. Dabei will man nun unter allen Umständen die französische Mitwirkung haben. Zum drittenmal werden von London aus in Paris Verhand lungen eingeleitet. Denn bisher hat man sich — ?u großem und jetzt auch ganz öffentlich geäußertem dauern der englischen Regierung — mit den Franzosen auf eine gemeinsame Marschroute bei den kommenden Konfercnzverhandlungen nicht einigen können. Daß England die deutsche Politik, die auf eine Streichung der Reparationen und darüber hinaus auf eine Ausräumung aller Kriegsschulden gerichtet ist, weitgehend unterstützen wird, ist deswegen kaum anzunehmen, weil man in London dieses Ziel, diese Lösung der Tributfrage angesichts des französischen Widerstandes für vollkommen unerreich bar hält. Andererseits erkennt man in London ganz genau, daß den „Strom des Kapitals in der Welt wieder in Bewegung zu setzen" ein ganz vergebliches Bemühen wäre wenn die Wiederkehr der jetzigen Lage nicht aus geschlossen wird. Und man verkennt in London auch nicht, daß das bisherige Treibenlassen der Dinge zur Kata strophe, zum mindesten in Deutschland, führt. Und daher scheint man nun von London aus die Franzosen dazu ge winnen zu wollen, daß die kommende Reparationskonfe- renz zunächst einmal das Hoover-Moratorium uw ein halbes Jahr verlängern soll, — und dies, obwohl Dayton ausdrücklich gesagt hatte: „Wir können nicht zwölf Monate warten!" Und in der Zwischenzeit soll nun durch diplomatisch-interne Verhandlungen zwischen den Gläu bigerstaaten und uns eine „Endlösung" gefunden werden, die nun aber keineswegs die Streichung der Reparationen bringen würde, sondern nur eine „Revision", einen neuen „Plan" für künftige deutsche Tributzahlungen. Somit ist auch England dagegen, daß es au, der angeblich immer hoch bevorstehenden Konferenz in Lausanne nicht zu irgendwelchen „endgültigen Lösungen" kommt. Andererseits soll eine Endlösüng nicht, wie die Fran- hosen das beabsichtigen, durch Zwischenfügung eines mehr- lahrigen Moratoriums in eine entsprechend späte Zukunft wnausgeschobcn werden. Auf der Konferenz also Morato- "Unisverlängerung bis Mitte Dezember, weil dann auch M"er Umständen die interalliierten Kriegsschulden an Amerika bezahlt werden müssen, ferner eine Vereinbarung, oaß bis zu diesem Termin eine endgültige Regelung ge troffen wird —, das ist heute die englische Ansicht über das, was man in Lausanne tun und beschließen soll, aber etwas wesentlich anderes ist, als die Franzosen wollen. Dahinter steht außerdem aber noch, daß man jetzt über- n-an Aufeinandervlatzen der Meinungen i»ög- Uchst vermeiden sollte. Mussolim spricht. „Nicht nur militärische, sondern auch wirtschaftliche Abrüstung mutz kommen." In einem im „Sunday Dispatch" erscheinenden Artikel beschäftigt sich Mussolini mit der Wirtschaftskrise und den Möglichkeiten zu ihrer Behebung. Frankreich und Amerika seien im Besitz von 75 Prozent des Goldes. Wie könne man erwarten, so sagt Mussolini, daß die Staaten ihre Schulden bezahlen, wenn sie die Zahlungen nur in Gold leisten dürfen, das sie nicht besitzen. Deutschland habe bereits mehr geliehen, als es Tribute be zahlt habe. Die Gläubigerstaaten könnten nunmehr abwarten, welches Schicksal ihren Hoffnungen auf Rück zahlung zuteil werde. In Kürze werde der wirtschaft liche Kriegszustand in der ganzen Welt verbreitet sein. Daher müsse man der Forderung nach militärischer Abrüstung diejenige nach wirtschaftlicher Abrüstung in dem Sinne, daß aller Handel wieder frei über die Grenzen fließen könne, hinzufügen. Eine wirkliche Lösung der Wirtschaftskrise sei nicht möglich, solange Frankreich und Amerika das Goldmonopol hätten. Alle Zollmauern müßten heruntergesetzt werden. * Unmögliche KompromißgerSchte. In Berliner politischen Kreisen werden die sich ver stärkenden Gerüchte, daß Frankreich und England nunmehr gemeinsam ans eine Verschiebung der Lausanner Tributkonferenz hinarbeiten, um dadurch Zeit für Kompromißlösungen zu gewinnen, mit Befremden ver folgt. Der Eindruck verstärkt sich, daß trotz grundsätzlicher Anerkennung der deutschen Tributunsähigkeir auch von englischer Seite doch immer angedeutet wird, daß die Tributunsähigkeit Deutschlands lediglich ein „Aus gangspunkt" sei, wobei systematisch behauptet wird, daß nach einem gänzlichen Aufhören der Tributzahlungen Deutschland angeblich viel geringere innere Schulden haben würde als andere Länder. Die gleichen Behaup tungen werden besonders gegenüber der Deutschen Reichsbahn aufgestellt. Demgegenüber hält man hier an der sachlich be gründeten Erklärung des Reichskanzlers kurz vor Weih nachten »nd gleich nach Erscheinen des Baseler Gutachtens fest, wonach irgendwelche Kompromißlösungen der Krise weder gerecht werden noch imstande wären, die Krise zu lösen. Im einzelnen scheint man in England im Interesse eines Entgegenkommens gegenüber dem französischen Standpunkt geflissentlich zu übersehen, daß Deutschland durch eine Inflation gegangen ist und von verfüg baren größeren Vermögen im Gegensatz zu anderen Staaten nicht mehr gesprochen werden kann, daß aber auch die Reichsbahn mit ganz ungewöhnlichen Schwierig keiten zu rechnen hat, ohne daß Aussicht auf eine durch greifende Wiederbelebung der allgemeinen Wirtschafts- konjunktur bestünde. Auf Grund so klarer Tatsachen, die jedem politisch Unvoreingenommenen eigentlich klar sein müßten, kann von irgendwelchen Kompromißlösungen welcher Art auch immer, nicht mehr die Rede sein, und es wäre unver antwortlich, wollte man die Welt über das Schicksal der deutschen Tribute und der damit verbundenen allgemeinen Unsicherheit noch länger im unklaren lassen. Versagung Lm Lstzien Augenblick? Nur Vorbesprechungen in Lausanne. In den Kreisen des Finanzausschusses in Genf, dem maßgebende Persönlichkeiten der internationalen Finanz angehören, wird übereinstimmend die Auffassung ge äußert, daß eine Vertagung der Lausanner Tributkonserenz an Wahrscheinlichkeit gewonnen hat. In englischen und französischen Re gierungskreisen soll gegenwärtig die Absicht bestehen, die Tributkonferenz bis nach den französischen und preußischen Parlamentswahlen zu verschieben. Man erwartet daher, daß die englische und die fran zösische Regierung bereits in den allernächsten Tagen mit einem Vorschlag auf Verschiebung der Tributkonferenz um einige Monate hervortreten wird. Sollte die Lausanner Konferenz dennoch zu dem vorgesehenen Zeitpunkt zu sammentreten, so wird hier mit einem kurzen und rein formellen Verlaus gerechnet, ohne daß die von deutscher Seite geforderte endgültige Regelung der Tributfrage erfolge. * Verschärfung -er Gegensätze. „P a p i e r f e tz e n." Eine große Verschärfung der Gegensätze in der Tributfrage dürfte ein aufsehenerregender Artikel zur Folge haben, den der Führer der Opposition in Frankreicü. Herriot, im „Petit Parksien" und einem amerikanischen Zeitungskonzern verüffentLicht. Der Artikel trägt die Überschrift „P a p i e r f c tz e n". Herriot schreibt u. a.: Wir waren wirklich überrascht, als wir die Mitteilung erfuhren, die der Reichskanzler dem englischen Botschafter in Berlin machte, um ihm das Ende der Reparationen anzukündigen. Werden wir wieder zum alten Regime der Papierfetzen zurückkehren? Für Deutschland ist es also ein Tribut, wenn es die Folgen der Zerstörungen bezahlen soll, die es angehäuft hat, der Brandstiftungen, die es anlegte und der Leiden, die cs aufzwang. Nachdem Herriot dann aus führt, daß Deutschland nur vorübergehend nicht zahlen könne, heißt es weiter: Frankreich ist eine alte mün dige Nation, die niemals Gewalt geduldet hat, ohne da gegen zu protestieren. , c s * -'^t I > . -ü.t- - k: ' !k t i Dervon Lausanne. Deutschlands Zahlungsunfähigkeit. Die vorbereitenden diplomatischen Verhandlungen für die Lausanner Konserenz, die jetzt besonders zwischen England und Frankreich geführt werden, gehen dahin, noch vor Beginn der Zusammenkunft eine wenig stens thesenmätzige Einigung der Konferenzteilnehmer zu finden, ein bereits möglichst abgegrenztes Thema, über das man dann in Lausanne schnell zu einem Entschluß kommen kann. Vorläufig klafft allerdings noch zwischen den englischen und den französischen Anschauungen eine erhebliche Differenz. Während Frankreich anscheinend darauf bestehen will, daß für Deutschland ein neues Moratorium im Rahmen des Noung- Plan s beschlossen wird, gehl der Wunsch Englands auf ein zunächst kurzfristiges Moratorium mit der Verpflich tung, nach seinem Ablauf zu einer Endlösung der Tributsrage zu kommen. Die Meinung englischer poli tischer leitender Kreise gibt erneut eine führende Londoner Zeitung wieder, die erklärt, man könne sich kaum vor stellen, daß die verderblichen politischen Zahlungen, aus genommen in kleinem Umfange, wieder beginnen dürften, nachdem sie einmal durch die großherzige Geste Hoovers eingestellt worden seien. Es verlohne sich viel Zeit und Geduld zu verwenden, um eine Dauerlösung herbei zuführen, die von allen angenommen werden könne. Sollte sich jedoch Herausstellen, daß eine Einigung im Augenblick nicht erreicht werden kann, so werde es das beste sein, eine kurze Verlängerung des Hoover-Morato- riums herbeizuführen, die verbunden sein mutz mit dem festen Versprechen aller Beteiligten, daß sie sich im Laufe dieses Jahres erneut treffen, um eine Endlösung zu erreichen. Die unbestrittene Tatsache, daß Deutschland nach Ablauf des Hoover-Moratoriums keine Tribute zahlen könne, müsse der Ausgangspunkt der Lausanner Konferenz sein. Dies habe auch Frankreich anerkannt und man müsse hoffen, daß Frankreich es für ratsam halte, hinsichtlich der mit dem Datum des 1. Juli in Zusammenhang stehen den Fragen als auch hinsichtlich der größeren Fragen über die Wiederaufnahme der Zahlungen nach Beendigung der Krise zu einer Einigung zu kommen. England verstehe völlig die Gründe, die gegen eine Aufgabe der Rechte aus dem Noung-Plan sprechen. Es sei sich auch darüber klar, datz Deutschland im Falle einer völligen Schuldenstreichung viel geringere innere Schulden haben würde als seine industriellen Gegner. Weiter wird behauptet, es sei Tatsache, datz sich Frankreich und Deutschland schon damit abgefundcn hätten, datz auf der Lausanner Konferenz nur vorläufige Maßnahmen ge troffen werden würden. * Gü-siawLsns Gesanöier über -ie Lausanner Konferenz. In der Sonntagsnummer der Belgrader „Politika" veröffentlicht der Berliner füdflawische Gesandte Ba lu gdschitsch einen Artikel über die Tributfrage und stellt fest, daß die Mitteilungen Brünings keinen Faust schlag aus den Tisch bedeutet hätten, wie dies in einem Teil der europäischen Presse behauptet worden sei. Ferner dürfe man nicht annehmen, daß die Lausanner Konferenz zu irgendeinem greifbaren Er gebnis führen werde. Sie könne vielmehr nur der Auftakt zu neuen und langwierigen Verhandlungen fein. Aus der Konferenz werde es sich weder um den Zeit punkt für die Tributzahlungcn noch um deren Ausmaße handeln, sondern in erster Linie um den Kampf zwischen denk deutschen Grundsatz und dem Grundsatz der Gläu- bigermächtc. Die Lösung der ganzen Frage liege letzten Endes aber bei Amerika, das seine Stellungnahme in der Frage der Kriegsschulden kaum vor der Präsidentenwahl am Ende dieses Jahres überprüfen dürfte.