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AM Wege der AgrarpoM. Der Reichsernährungsmtnister an die land wirtschaftlichen Genossenschaften. Auf dem Deutschen Landwirtschaftlichen Ge- nossrnschaststag in Dresden hielt der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Freiherr von Braun, eine Rede, in der er zunächst die Bedeutung des Genossenschafts wesens unterstrich und dann u. a. ausführte: Um einen günstigen Start des neuen Erntejahres zu er möglichen, habe ich Maßnahmen getroffen, die die Verwendung von ausländischem Brotgetreide auf das geringste Maß beschränken. Von einer Verlängerung der bis zum 30. Juni lausenden zollbegünstiaten Welzen- kontingente wird abgesehen, Auch beim Roggen ist die Versorgungslage so günstig, baß aus eine weitere Einfuhr zu sätzlicher Roagenmengen verzichtet werden kann. Darüber hin aus habe ich umfassende Maßnahmen eingeleitet. Zur Ent lastung der Märkte von der Warenteile her werde ich das Austauscherportverfahren für Weizen und Roggen in den nächsten Tagen in Kraft setzen. Unerläßlich erscheint die Verhinderung der übermäßigen Futtergetreioeein- fuhr. Für Getreidemengen, die eingelagert oder ausgeführt werdew sollen, werden in großem Umfange Möglichkeiten der Bevorschussung oder der Beleihung geschaffen werden. Der Mindererlös im laufenden Wirtschafts sahr in der Veredelungswirtschaft wird gegenüber dem Vor jahr auf etwa 1,5 Milliarden Reichsmark geschätzt, was daraus zurückzuführen ist, daß wir den Preiszusammenbrüchen am Weltmarkt zu stark ausgesetzt sind. Die Vertrags zölle für Rindfleisch, die niedrigen Zölle insbesondere für Speck und Schmalz verhindern eine für die Landwirtschaft erträgliche Preisbildung. Es ist notwendig, möglichst bald zu anderen Zollsätzen zu kommen, die unS auf dem Vieh- und Fleischgebiet in ausreichendem Maße vom Weltmarkt unabhängig machen. Noch unmittel barer als beim Vieh ist der Einfluß des Weltmarktes bei der Preisgestaltung für Milch- und Molkereierzeug nisse. Trotz Neuregelung des Butterzolles sind noch immer starke Einfuhren vorhanden. Ziel muß sein, von diesen Weltmarktsverflechtungen freizukommen und durch Verbesserung von Erzeugung und Absatz den Be weis zu erbringen, daß wir uns auch aus diesem Gebiet in der Hauptsache selbst versorgen können. Ich sage hierfür die tatkräftige Unterstützung des Reiches zu. Die Verhältnisse in der übrigen Veredelungswirtschaft, insbesondere im Ge- niüse-, Obst- und Weinbau, sind ebensalls durch ihre Abhängigkeit vom Weltmarkt bedingt und geradezu nieder- drückend. Eine wirksame Hilfe kann der Veredelungswirtschaft nur dadurch werden, daß grundsätzlich andere Wege in der Wirtschaftspolitik eingeschlagcn werden. Die Rcichsregierung weiß, daß die Befriedigung des saisonmäßigen FinauzierungSbedarfs den Kassen zur Zeit besondere Sorge macht, weil das Daniedcrliegen der Landwirtschaft Teile der Außenstände zur Zeit uneinziehbar gemacht hat, von denen wiederum ein Teil auch künftig nicht wird eingezogen werden können. Die Rcichsregierung hat sich daher entschlossen, an der Gesunderhaltung und Liauiderhaltung der Genossenschaften tatkräftig mitzuwirken. Zum Schluß appellierte der Minister an den Geist, der allein aus dem heutigen Sumpf herausführen könne, den Geist, der die Interessen des einzelnen zurückstellt und zu Opfern für Überfall auf Grubenangestettie. 1608 Mark Lohngelder geraubt. In der Mittagszeit wurden zwei Angestellte der Grube Berggeist bei Brühl von zwei Männern über fallen und ihrer Aktentaschen mit 1600 Mark Lohngeldern beraubt, nachdem die Räuber einen der Angestellten durch zwei Bauchschüsse lebensgefährlich verletzt hatten. Die Täter sind dann aus Fahrrädern, die sie im Walde versteckt hatten, in Richtung Köln geflohen. Wie schasst man Arbeit? Arbeiisdebatte im Preuß. Landtag. <11. Sitzung.) tt. Berlin, 23. Juni. Der Preußische Landtag beschäftigte sich zunächst mit An trägen der Nationalsozialisten aus Aushebung der Schließung des Braunen Hauses in Köln sowie aus Abberufung des Kölner und des Kasseler Polizeipräsidenten. Die Anträge werden dem Hauptausschuß überwiesen. Ein Zentrumsantrag aus Behebung der Arbeitslosigkeit im Sauerland und ein nationalsozialistischer Antrag gegen die Stillegung der Zeche „Dicksche Heide" der Niederrhemischen Bergwerks-A.-G. gehen an den Hauchausschuß. Abg. Borck (Din.) gab namens seiner Fraktion eine Er klärung ab, in der er sich gegen die abermalige Verschiebung der Minister. Präsidentenwahl wandle. Da die Nationalsozialisten erklärt hätten, daß sie an der Wahl des Ministerpräsidenten kein Interesse hätten, so lange nicht die Geschästsordnung eine Wahlmöglichkeit wie im früheren Landtag vorsehe, ergebe sich, daß dieser Landtag einen neuen Ministerpräsidenten nicht wählen werde, da keine Aussicht bestehe, die gewünschte Geschäftsordnungsbestimmung infolge des Verhaltens der Linken und des Zentrums zu schaffen. Die deutschnationale Fraktion lege Wert darauf, oiesen eigenartigen Zustand vor aller Öffentlichkeit festzulegen, damit nicht in späterer Zett die Verantwortung für die Taten der im Amte befindlichen Regierung Braun mit allen wirt schaftlichen und politischen Folgen falschen Faktoren aus- gebürdet werde. Ein sozialdemokratische Mitzbilligungsantrag gegr.-« den Präsidenten Kerrl, der mit einem Empfang der Auslandspresse durch den Land tagspräsidemen begründet wird, wurde gegen die Antrag steller abgelehnt. In dem Antrag wird dem Präsidenten zum Vorwurf gemacht, baß er durch den Empfang, bei dem er das Schreiben an den geschäftssührenden Ministerpräsidenten Dr. Hirtstefer bekanntgab, Ausländer gewissermaßen zu Richtern im Streit zwischen Deutschen berufen habe. Abg. Dr. Freisler (Nat.-Soz.) bringt einen Antrag ein, den 23. Juni, den Tag der Annahme des Versailler Diktats, zum völkischen Trauertag zu erklären. Der sofortigen Behandlung dieses Antrages wird von den Sozialdemokraten widersprochen. Das Haus geht dann über zur Beratung von Anträgen des Hauptausschusses über Arbeitsbeschaffung und Aufhebung von UnterstützungS- lürzungen. Aba. Dr. Klein (Nat.-Soz.) fordert entschlossene Abkehr der Volkswirtschaft vom kapitalistischen Denken. Notwendig sei die Aufrichtung eines Staatsgeistcs, der im Dienst an der Nation seine höchste Würde und Pflicht sehe. Der Staat müsse aus den gierigen Klauen von Jnteressentenhaufen be freit werden. Der Aufhebnng der Kürzungen an den Unter stützungen stimmten die Nationalsozialisten zu. Abg. Frau Hanna (Soz.) sagt u. a., daß die Aussichten auf Überwindung der Arbeitslosigkeit kleiner geworden seien durch die Verdrängung der Regierung Brüning. Die Arbeits dienstpflicht werde von der SPD. abgelehnt, zumal sie nur eine Art Wehrpslicht nach nationalsozialistischen Wünschen werden solle. Nachdem auf kommunistischen Antrag mit der weiteren Beratung auch der Antrag auf Wegfieuerung aller Einkommen über 12000 Mark verbunden worden ist, führt Abg. Schwenk (Komm.) aus, daß die Erwerbslosigkeit ungeheuer gesteigert werde durch die preußische Nowerordnungspolitik. Aba. Dr. von Waldthausen (Dtn.) erklärt das Einver ständnis seiner Freunde mit der Beschaffung neuer Arbeits möglichkeiten . Erreicht werden könne das Ziel aber erst, wenn die marxistischen Einflüsse beseitigt seien. Was nottue, sei die Befreiung der deutschen Wirtschaft von allen Hemmnissen, die ihr auferlegt worden seien, damit sie wieder aufblühen könne. Die Wegsteuerung aller Einkommen über 12008 Mark lehnten die Deutschnationalen ab. Abg. Dr. Christiansen (D. Vp.) bezweifelt, daß die An träge aus Arbeitsbeschaffung praktisch wirksam sein würden. Die wesentlichste Frage sei die der Finanzierung. Dabei könne man sich durchaus an die Finanzierung durch Darlehnskassen- scheine halten, müsse allerdings jede Inflation unterbinden. Abg. Rüffer (Dtn.) steht die Ursache der Arbeitslosigkeit in der falschen Wirtschaftspolitik der letzten dreizehn Jahre. Arbeit könne man nur beschaffen durch Wiedergenesung der Wirtschaft und Schaffung der Freiheit nach außen. Abg. Frau Wachenheim (Soz.) bezeichnet den kommu nistischen Antrag aus Rückgängigmachung sämtlicher Unter- stützungskürzungen als praktisch wertlos und legt einen Ent- schließungsantrag ihrer Fraktion vor, der durchführbar sei und den Rentenempfängern tatsächliche Hilfe bringe. Die Abstimmungen wurden vertagt Es beginnt die gemeinsame Beratung zahlreicher Kultur, und Schulanträge verschiedener Fraktionen. Für die Aussprache ist die Redezeit auf zwei Stunden für jede Fraktion bemessen. Abg. Kerff (Komm.) begründet die kommunistischen An träge, in denen u. a. die Aushebung der Staatsverträge mit dem Heiligen Stuhl und den evangelischen Kirchen gefordert wird. Abg. Oelze (Dtn.) erklärt, die moderne Schulreform hab» zum Untergang der Schulbetriebe viel beigetragen. Es zeigt sich, daß die weltlichen Schulen beseitigt werden müssen. Abg. Haupt (Nat.-Soz.): Der Nationalsozialismus hab« mit liberalistischem Geiste nichts zu schaffen, deutsche Kultur politik könne nur aus völkischen Ideen heraus vom National sozialismus getrieben werden. Abg. Stendel (D. Vp.) Wendel sich gegen die Ausführungen des nationalsozialistischen Redners über Stresemann, Rathenau und Erzberger. Daraus wird die Verhandlung auf Freitag vertagt. preußischer Staatsrat gegen das Amnestiegesetz. Der Preußische Staatsrat hat .ntsprechend einem Antrag des Vcrfassungsausschusses mit 42 gegen 25 Simmen der Sozialdemokraten und Kommunisten beschlossen, gegen das vom Landtag beschlossene Amncstiegesetz für Vergehen aus wirtschaftlicher Not Einspruch einzulegen. Infolge dieses Einspruches muß jetzt der Landtag das Ge setz mit Zweidrittelmehrheit verabschieden. Da für dieses Ge setz die Zweidrittelmehrheit im Landtag vorhanden ist, wird durch den Einspruch des Staatsrats an dem Zustandekommen des Gesetzes nichts geändert. Der Einspruch gründet sich auf eine Reihe von formellen und materiellen Einwendungen des Verfassungsausschussest Baumhoff (Zenir.) im Landtagspräsidium. Er nimmt die Wahl zum zweiten Vizepräsidenten an. Im Preußischen Landtag hat der Zentrumsabgeord- nete Baumhoff, der zum zweiten Vizepräsidenten gewählt worden ist, jetzt ein Schreiben an den Landtagspräsidenten Kerrl gerichtet. Vaumhoff weist darauf hin, daß der alte parlamentarische Brauch, nach dem im Präsidium alle stärkeren Fraktionen, sofern sie daraus Wert legten, ver treten sein müßten, verlassen sei. Es sei dadurch der Eindruck hervorgerufen worden, daß es sich um die Wahl eines Kampspräsidiums gehandelt habe. Da er diesen Eindruck durch eine Weigerung nicht verstärken wolle, habe er sich entschlossen, die Wahl anzunehmen. WM» Sie dir Wilrdrssser Tsgelmi bei. Auch seine drei Fenster, die auf die Friedrichstraße binausführten, waren mit den kleinen, flackernden Lichtchen geschmückt. Und über diese seine vatriotische Herzenspflicht hinaus batte er auch noch das Fenster der Nebenstube, das auf den engen, von Seitengebäuden umrandeten Hof hinaus führte, mit einer glitzernden Lichterreihe versehen. Das batte er seiner Adelheid zuliebe getan, damit auch sie ein wenig von dem Festtage habe. Adelheid aber dachte sich nach echter Mütter Art ihr besonderes Teil dabei. Sie sah die leuchtende Pracht für ihren Jungen ausgestellt. Warum sollten nicht auch ihn Freudenfeuer empfangen! Die junge Mutter wußte ja auch nicht, daß die Wege der beiden Knaben, die beute in die Wiege gelegt worden waren, des Prinzensohnes und des Sprößlinqs des kleinen Zollbeamten, mehr als einmal gar nahe aneinander vorbei führen sollten. Und noch weniger konnte sie wissen, daß auch eine kaum unterscheidbare persönliche Ähnlichkeit später einmal die beiden zu gleicher Zeit Geborenen auszeichnen würde. Ja, daß diese Ähnlichkeit dem einen von beiden zum Schicksal werden sollte, zu einem Schicksal, das ihn oft wundersame Wege führte. Die Träume der Mutter, die nichts anderes als Zukunftsträume für ihren Jungen waren, wurden unter brochen durch Ullrichs Eintritt. Der Lichtschein der Stubenlampe fiel in das kleine Gemach und ließ die Lichtlein auf dem Fenstersims verblassen. „Mutter," sagte er zu Adelheid und wunderte sich nicht einmal darüber, wie geläufig das Wort, das er trotz der vorhandenen Tochter noch niemals angewendet hatte, von seinen Lippen kam. Sie erwachte aus leisem Schlaf. „Ja, Ullrich?" fragte sie zurück. „Mutter," sagte er noch einmal und setzte sich auf den Rand ihres Bettes, „wir haben immer gedacht, daß es wieder ein kleines Mädchen sein würde, und die wollten wir Adelheid nennen, so, wie du heißt. Und nun ist es auf einmal ein Junge . . ." Adelheid lächelte. „Bist du unzufrieden mit mir?" Er war ganz verstört ob dieser Frage. „Aber wie kannst du nur so etwas denken. Im Gegenteil, Heidi, im Gegenteil. Aber wie nennen wir ihn nun. An einen Knabennamen haben wir noch nicht gedacht." Wohl an die zwanzig Namen wurden vorgeschlagen und wieder verworfen. Keiner war ihnen gut und paffend genug für ihren Jungen. Bis Ullrich Bergmüller aufsprang, viel zu geräuschvoll für eine Krankenstube, und rief: „Ich habe es, Mutter. Weißt du, wir haben darüber überbauvt nickt ru bestimmen. Unser Junge ist in der gleichen Stunde wie der kleine Prinz zur Welt gekommen, also soll er auch den gleichen Namen tragen." Damit War sie einverstanden. Lächelnd drückten sie sich die Hand. Die schwerste Sorge, die junge Eltern haben, war ihnen abgenommen. Im Palais des Prinzen Georg war man sich über die Namen des langersehnten Stammhalters längst einig geworden. Sie lauteten Friedrich August. Und von Stund an trugen zwei, die einander ähnlich sahen, wie ein Ei dem anderen, diesen klangvollen Doppelnamen durch ihr Leben bis zu ihrem Tode. Und beide haben ihren Namen in Ehren getragen, ein jeder auf seine eigene Weise. Und beiden hatte das Schicksal ein gerüttelt Maß von Erleben schöner und trüber Art zugedacht. Darüber sollen die kommenden Seiten berichten. u. Friedrich August Bergmüller war fünf Jahre alt, als ihn sein Vater bei seinem alljährlichen Urlaubsbesuch mit hinaus nach Pillnitz zu den Großeltern nahm. Es war nicht das erste Mal, daß der Knabe in dem kleinen Dorfe, vor dem die Elbe dahinströmle, und hinter dem sich die grünen Hänge des Borsberges aufreckten, glückliche Stunden unbeschwerter Kindheit verlebte. Aber erst mit der Zeit fand er Verständnis für die Schönheit dieser Umwelt, und seine Augen lernten, sie der Enge des trübseligen Hofes auf der Friedrichstraße gegenüber zustellen. Dort rasselten die schweren Geschirre der Fuhrhalter und rumpelten die harten Räder der Omnibusse über das Pflaster, zogen die beladenen Waaen des Ostra- vorwerks vorbei, und wenn er auch mit dem Vater an Sonntagen durch die Wiesen des Geheges gehen und die Zillen auf dem Elbstrom bewundern durfte, die langsam zu Tale zogen, oder gar die aus vielen langen Hölzern zusammengebnndenen Flöße, die von Böhmen herunter kamen und so seltsame kleine Zelte auf ihren Rücken trugen, so war das doch alles nichts gegen die grüne Freiheit, die ihn hier in Pillnitz umgab. Hier durfte er spielen, wann und soviel er mochte, konnte durch den Garten tollen, in dem die bunten Blumen so schön blühten, und die Stachelbeeren und Johannisbeeren reiften, und niemand schalt, wenn er in seiner Freude und in seinem Übermut einmal gar zu laut jauchzte und schrie. Die Mutter war immer ein wenig kränklich, so lange er sich besinnen konnte, und konnte den Lärm nicht vertragen Hier aber ging sie mit dem Vater oftmals hinüber in den Friedrichsgrund, und da hatte er niemand mehr zu befürchten, dem er lästig fiel. Denn die alte Großmutter war schwerhörig, und der Großvater tollte am liebsten selbst mit durch den Garten, wenn seine Beine ihn so schnell und leichtfüßig getragen hätten. Und gar in des Großvaters Tischlerwerkstatt, wo es so seltsam nach warmem Leim und frischem Holz roch, wo die Säge kreischte und der Hobel dis lustigen Späne auf den Fußboden warf, mit denen man so herrlich spielen konnte — ließe sich ein schöneres Idyll für einen wilden, lebensfrohen Jungen denken, als dieses Heim in Pillnitz? Aber auch hier gab es Sonntage, und die waren dem kleinen Friedrich August durchaus nicht etwa die liebsten Tage. Denn da zog ihm die Mutter den guten Anzug an, und mit dem Herumtollen war es für eine Weils vorbei. Nach dem Mittagessen nahm ihn der Vater bei der Hand, und sie gingen zu dritt in den wunderbaren Park, der das seltsame Schloß, das der Knabe jedesmal wieder mit ehrfürchtigem Staunen sah, umsäumte. Leuchtenden Auges betrachtete das Kind die vielen bunten Blumen, die eigenartig verschnittenen Bäume und die hohen, dicken Stämme, die es zwar ebenso hoch und ebenso dick auch im Gehege neben der Friedrichstadt gab, die ihm aber dort bei weitem nicht so bewundernswert erschienen wie hier in Pillnitz. Nur eins war ihm leid bei all der Herrlichkeit — daß er hier nicht auf den weiten Rasenflächen herumtollen durfte, die ihn doch förmlich dazu einzuladen schienest. Aber der Vater hielt ihn fest an der Hand und ließ nicht locker, so sehr sich das kleine Kinderhändchen auch loszuwinden suchte. Und Blumen pflücken — das gah es hier gleich gar nicht. „Das darfst du hier nicht," sagte der Vater, und er erzählte dem Jungen auch, warum er es nicht durfte. Aber Friedrich August hatte einen Falter erspäht, der ihn mehr interessierte als die Worte des Vaters, und so hörte er auch die Gründe des Verbotes nicht. Und ein paar Tage später war ihm auch das Verbot selbst aus dem Sinn gekommen, nur der Wunsch, auf der weiten grünen Wiese zu spielen, war in ihm wach geblieben. 'Da schlich sich der Fünfjährige hinaus aus dem Garten. Er hörte die Großmutter in der Küche rumoren und die Säge in der Werkstatt kreischen. Die Eltern aber waren zusammen nach Rockau hinaufgegangen, wo eine Schwester des Vaters wohnte. Die Luft war also rein, und der Weg dem Kleinen von den sonntäglichen Spaziergängen her bekannt. Husch — war er drüben auf der großen Allee, die mitten iu den Park hineinführte. Und nun war er am Ziele seiner Sehnsucht. Di» Wipfel rauschten im Winde, die Blumen dufteten und lockten, und noch mehr lockte das weiche Gras, das sich weit vor ihm ausbreitete. (Fortsetzung folgt.)