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MMufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. frei Haus, bei Postbestellung 1,80 NM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. Alle Postanstalten, Post boten und unsere Aus- —— , .. ... — «« träger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit Be- fÜk U. ÜMgbgLNÄ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, —Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Anspruch auf L'cjerunx t-r: Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolg: nur, wenv Porto briltkgr. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis! die Sgezpollene Raumzeile 20 Nplg., die 4gelpal<cne Zeile der amtlichen Debanntmachungen 4V Reici-- Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im tertlichen Teile 1 RMK. NachweisnngsgebLhr 2V Rcichkpsennige. Dar' LL'n'°chS Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahmebisvorm.10Uhr. — ' — Für die Richtigkeit ter durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. JederNabattanspruck erlischt, wenn der Betrag di rch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 174 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt' Wilsdruff-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 27. Juli 1932 Der „Konsultativpakt". Soweit das deutsche Volk derzeit, im schärfsten Wahl kampf, überhaupt noch Sinn und Aufmerksamkeit für außenpolitische Vorkommnisse besitzt, wird es mit größter Fassung die Kunde hinnehmen, daß sich die Reichsregierung nach Anfragen in London und Paris „bereit erklärte, sich an einem offenen Meinungsaustausch über die in der englisch-französischen Erklärung vom 13. Juli erwähnten europäischen Fragen zu beteiligen". Jene „Erklärung" ist der „Ko n su lt ati v p akt", der zwischen Macdonald und Herriot unmittelbar nach Lau sanne vereinbart wurde und ein bißchen überraschend ans Licht der Welt gekommen ist, gleichzeitig mit dem be kannten „Gentleinen-Agreement" zwischen unseren wich tigsten vier Gläubigermächten, das ein so seltsames, aber grelles Licht auf die beabsichtigte Weiterbehandlung der Lausanner Beschlüsse geworfen hat. Im Artikel 1 des von Herriot als „neue Entente cordiale" lärmend gefeierten „Konsnltativpakts" vom 13. Juli heißt es vieldeutig, die beiderseitigen Regierungen wollten „sich gegenseitig mit völligem Freimut ihre Gedanken austauschen und sich gegenseitig unterrichten über alle ihnen zur Kenntnis kommenden Fragen, die einen ähnlichen Ursprung hätten wie die soeben in Lausanne geregelten, die auf das euro päische Regime Einfluß hätten". Nun soll ein gewöhnlicher Sterblicher es wagen, in die sogenannten Geheimnisse der diplomati schen Zunftsprache cindringen zn wollen, von der übrigens nur eine starke Überschätzung sagen konnte, sie sei „dazu da, nm die Gedanken zu verbergen"! Besagter Sterblicher zuckt hier höchstens die Achseln nnd äußert: Also ein neues „Friedens-" und „Vertrauens"-Bündnis mehr m dem von Unfrieden und Mißtrauen zerpeitschten, dafür aber mit zahlreichen derartigen Bündnissen „ge- fegneten" Europa! Und wenn man den oben zitierten Artikel des neuen Paktes aus der Diplomatensprachc in ein etwas verständlicheres Deutsch übersetzt, so würde sich ergeben: die beiden Regierungen wollen sich gegenseitig über alle politischen und wirtschaftlichen Fragen bereden und— natürlich! — auch verständigen, die direkt oder indirekt aus den — Friedensverträgen des Jahres 1919 entstanden sind oder entstehen. In rascher Folge traten Belgien und Italien diesem Pakt bei, dessen zweiter Artikel — gemeinsames Vorgehen in der Ab rüstungsfrage — aber infolge des italienischen „Aus- brechens" in Genf schon nicht mehr so ganz ausgesührt wurde. Mit dem dritten und vierten Artikel, wonach die Weltwirtschaftskonferenz vorbereitet werden soll und man sich gegenseitig Handels- und zollpolitisch nicht noch mehr schinden will, als dies bisher geschieht, könnte man deutscherseits zufrieden sein, aber . . . Man muß sich nämlich zuerst schnell noch daran er innern, daß dieser Konsultativpakt — zusammen mit dem „Gentlemen-Agreement" — in Amerika bis zum Präsi denten hinauf eine überaus scharfe Kritik fand, die vor allem das Wort von der „antiamerikanischen" Front der europäischen Staaten geradezu hinausschrie; die Schuld ner Amerikas wollten sich gegen ihren Gläubiger einigen und ihn unter Druck nehmen! Macdonald hat sofort und eifrigst zu beruhigen versucht, und aus der „diplomatisch" arg verklausulierten Erklärung der deutschen Regierung ist zu entnehmen, daß man in Berlin erst nochmals von Lon don und Paris eine ausdrückliche Dementierung dieser an geblichen „antiameri'kanischen" Frontbildung gewünscht und erhalten hat. Dieser Eindruck ist auch insofern etwas verwischt worden, als inzwischen außer Polen und Süd- slawien auch noch Ungarn dem „Konsultativpakt" bei getreten sind nnd Deutschland sich nur „bereit erklärte", sich an einem offenen Meinungsaustausch über die in dem Konsultativpakt erwähnten europäischen Fragen zu beteiligen. Damit wird nochmals unterstrichen, daß wir uns nicht in eine etwaige „Front" hineinbegeben, die eine „Aufrollung der interalliierten Schuldenfrage" beabsich tigen könnte. Das wird man Wohl auch dem Berliner amerikanischen Botschafter in möglichster Deutlichkeit aus einandersetzen. Der oben erwähnte gewöhnliche Sterbliche wird fragen, was denn eigentlich durch diesen Pakt — anders wird in Europa! Und wird des weiteren nach einem Zweck dieses diplomatisch-staatspolitischen Neugebildes Ausschau halten. In der Zeit der zwar offiziell abge schafften, trotzdem aber fröhlich weiterbestehenden Ge- hcimdiplomatie gibt es auf solche Fragen keine Antworten. Und so kann man auch nur vermuten, daß hier wieder einmal das französische Verlangen nach „Sicherheit" der Vater dieses Paktes gewesen ist, durch den irgendwie eine plötzliche und stürmische Attacke auf irgendwelche Punkte der Friedensverträge diplomatisch-politisch ver hindert werden und der eine Art Organisation gegen solche Attacken schaffen soll. Dabei riecht cs etwas nach Briands „Vereinigten Staaten Europas". Nach der „Atmosphäre des Vertrauens" und ähnlichem, was aber alles noch nicht dazu geführt hat, die politische und wirt schaftliche Veruneinigung Europas irgendwo und irgend wie zu mildern. » Fördert die Ortsprefse » MtzmMWWff We gekentert 69 Todesopfer? 40 Gerettete. Dienstag nachmittag 14 Uhr ist das Marineschul- schiff „Niobe" in einer Gewitterböe bei Fehmarn-Feuer- schiff gekentert. Die Boote des Feuerschiffes haben sich so fort an die Unfallstelle begeben. Auch der Dampfer „Therese Ruß" meldet seine Ankunft an der Unglücksstclle, er hat bereits vierzig Gerettc an Bord. Weitere Rettungs aktionen sind cingeleitet. Weiter ist ein Flieger gestartet, um die Unfallstclle abzusuchcn. Bier Boote der S.-Halb- flottille sind gleichfalls zur Unfallstelle unterwegs. Die Besatzung der „Niobe" beträgt genau 105 Köpfe, darunter 50 Kadetten. Der Kommandant ist Korvetten kapitän N u h f u s. Kreuzer „Köln" am Unfallsort. Zur Hilfeleistung für das gekenterte Segetschnlschiff „Niobe" sind die Kreuzer „Königsberg" und „Köln" sofort zur Unfallstelle entsandt worden. Auf dem Kreuzer „Königsberg" befindet sich der Inspekteur des Bildungs wesens, Konteradmiral Kolbe. Der Kreuzer „Köln" ist bereits vor der „Königsberg" am Unfallsort der „Niobe" eingetroffen. Der deutsche Dampfer „Therese Ruß" traf mit den 40 Gereiteten gegen 22 Uhr in Kiel ein. Die Unfallstelle liegt eine Seemeile östlich vom F e h m a r n - F e u e r s ch i sf. Den Hergang des Unglücks kann man sich in Marine- kreiscn kaum erklären. Es besteht nur die eine Möglich keit, daß eine plötzlich vom Lande her anrollende Gewitter bö die „Niobe" erfaßt und niedergedrückt hat, ehe es ge lungen war, die vollaufgebrachie Leinwand zu bergen. Nur so ist das Unglück des Schulschiffes denkbar. Das Schulschiff „Niobe" ist eine 650 Tonnen große dreimastige Schonerbarke mit Motor, die 1899 auf der Weserwerft in Bremen gebaut wurde und nach gründlichem Umbau in den Jahren 1922 und 1923 von der Reichsmarine als Schulschiff für See kadetten und seemännische Unteroffizierschüler in Dienst gestellt wurde. Es ist 46 Meter lang, 9,2 Meter breit und hat 4,8 Meter Tiefgang. 69 Vermißte. Die Geretteten von der „Niobe" sind von dem Dampfer Therese Rutz an den Kreuzer Köln abgegeben worden. Einige der Verunglückten befinden sich auf einem S-Boot auf der Fahrt nach Kiel. Es sind 19 Kadetten gerettet. Der Kreuzer Köln meldet 69 Vermißte. Ein schwacher Hoffnungsschimmer besteht noch in einem Ge ¬ rücht, das auf Fehmarn umläuft, wonach dänische Fischer boote einige der Verunglückten gerettet und in Nödby auf Lolland gelandet haben sollen. Da aber nur ein Fischer boot im Hafen von Rödby aufgebracht werden konnte, ist wenig Hoffnung vorhanden, daß sich das Gerücht be stätigt. Nach Fliegermeldnngen zeigt das Wrack nur einen Ölfleck. Es ragt auch kein Mast aus dem Wasser. Es mutz leider damit gerechnet werden, datz die Ver mißten größtenteils sich im Augenblick des Unglücks im Schiffsinnenraum befanden und ertrunken sind. Die Näumflottille ist inzwischen ebenfalls an der Unfall stelle einaetroffen. Unter den Geretteten befinden sich unter anderem Oberbootsmannsmaat Kühn, Obermairofen- gefreiter Gustav Jakob aus Steinach i. Th., Obermatrosen gefreiter Lorenz Twardowski aus Klein-Kottorz i. Schl., Matrosengefreiter Hermann Roß aus Duisburg, Ober heizergefreiter Simon Fischer aus Kiel-Ellerbeck. Ober gefreiter Mähler und der Matrosenoffiziersanwärter Löwenstein sind nicht an Bord gewesen, sondern liegen krank im Marinclazarctt Kiel Morgen früh werden auf einer Flaggenparade die Marincflaggen halbmast gesetzt. * Die bisher Geretteten. Unter den bisher Geretteten des Segelschulschisfs befinden sich folgende Kadetten: Mittelsten, Glümper, Lohse, Frahm, Jürs, Hoffmann, Girladone, Jürgens, von Reyher, Korth, Pfannenberg, Wietina, Rascnak, Eichel, Vogel, Matz, Steinbrück, Schrott. Unter den Geretteten befinden sich ferner 17 Mann schaften, deren Namen noch fcstgcstcllt werden. Gerettet sind auch Kapitänleutnant Ruhfus und Oberleutnant Lott. * Der Bericht der Ostseestation Körl. Kiel, 26. Jui. Die Ostseestation Kiel teilt mit: Segelschiff „Niobe" passierte um 14 Uhr am 26. Juli Fehmarn-Belt-Feuer schiff mit südöstlichem Kurs in einem Abstand von einer halben Seemeile, Windstärke 2/3. Da im Süden über Fehmarn Ge witterwolken hochzogen, ließ der Kommandant die Obersegel mit einer Wache bergen, während die andere Wache unter Deck Un terricht machte. Nach dem Bergen der Obersegel setzte plötzlich um etwa 14.25 Uhr eine an Stärke mehr und mehr zunehmende Böe ein, in der sich das Schiff hart über und in der kürzesten Zeit ganz auf die Seite legte und in wenigen Minuten sank- Bei dem plötzlich so stark überliegenden Schiffe war es für die unter Deck befindlichen Teile der Besatzung nicht mehr möglich, an Deck zu kommen. Sie müssen mit dem Schiff in die Tiefe ge gangen sein. Die Unfallstelle liegt eine Seemeile östlich vom Feuerschiff Fehmarn-Belt. Der Unfall wurde zum Glück vom Feuerschiff uüd von dem gerade passierenden deutschen Dampfer „Theresia Ruß"-Hamburg beobachtet. Von beiden Stellen wurde in vorbildlicher Weise das Rettungswerk durchgeführt. Kreuzer „Köln" und Minensuchboote bewachen und be obachten die Unsallstelle und die umliegenden Gewässer. Veileidstelearamm des Chets der Barineleituna. Der Chef der Marineleitung, Admiral Dr. h. c. Raeder, hat folgendes Telegramm an den Inspekteur des Bildungs- Wesens der Marine gerichtet: „In kameradschaftlichem Gedenken bin ich in diesen trau- riaen Stunden bei Ihnen und der braven „Niobe"-Besatzung. Ich trauere mit Ihnen und den Angehörigen der Verunglückten um die vielen jungen Kameraden, die die unerbittliche See uns entrissen hat. Ich bin aber auch gewiß, datz dieser schwere Schlag die Reichsmarine zu weiterer treuester Pflichterfüllung anspornen und uns allen erneut unser Gelöbnis ins Herz ein- mciseln wird, das da heißt: Fürs Vaterland vorwärts und aufwärts!" MtzmhMll für MsWM Sicherheit von Schleicher Wer die Reichswehr. Neichswchrminister General von Schleicher sprach zum erstenmal im Rundfunk. Es war zugleich die erste Rede, die der General seit der Übernahme des Reichs wehrministeriums an die Öffentlichkeit richtete. Er begann seine Ausführungen mit folgenden Bemerkungen, die, wie er sagte, „einem Teil der Hörer eine gewisse Enttäuschung bereiten": Ich bin kein Freund des militärischen Aus- nahmezustandes und ich bin erst recht kein Freund von Militärdiktatur, und das nicht etwa obwohl, sondern weil ich Minister kür die Wehrmacht bin. Zwei Dinge sind dem Soldaten besonders unsympathisch: als Polizist verwendet und in die Politik hincingczogen zu werden. Beides aber läßt sich beim militärischen Ausnahmezustand nicht vermeiden. Deshalb habe ich mich auch dafür eingesetzt, daß der zu einem be- stimmten Zweck über Berlin und Brandenburg verhängte Ausnahmezustand so bald als möglich wieder aufgehoben wurde. Der Minister zitierte dann seine kurze Erklärung an die Armee anläßlich seines Amtsantritts, deren Hinweis auf die Zukunft ihn von einem Teil der Linken übel genommen worden sei, da doch in den vergangenen Jahren alles geschehen sei, um das Ziel --