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Den Beschluß also, künftig nicht mehr zweimal im Jahre zusammenzutreten, sondern sich mit einer ein maligen Jahrestagung zu begnügen. Zwar entging da durch einmal im Jahr den zahlreichen „Volksvertretern", die allerdings hier ausschließlich von ihren Negierungen delegiert werden, die Gelegenheit zu einer ebenso schönen wie kostenlosen Frühlingsreise nach den Gestaden des Genfer Sees, aber die von den Völkern zu tragenden Kosten entsprachen doch gar zu wenig der dort geleisteten Arbeit, die im wesentlichen eine solche der Sprech muskulatur war. Und „Den Göttern ein Verdruß, Den Menschen kein Genuß, Ist solch' ein uferlos ergoss'ner Wörterfluß", heißt's schon in der Brahmanen-Weisheit Rückerts, der allerdings von modernen Konferenzen noch keine Ahnung hat besitzen können. Der oben erwähnte Beschluß des Völkerbundes hätte sich, ohne den Menschen viel Verdruß zu bereiten, noch dahin ausweiten lassen, diesmal ruhig auch die üblich gebliebene Herbsttagung abzusagen. Plätscherte doch in den Verhandlungen der diesjährigen Tagung der Wörter fluß in völliger Bedeutungslosigkeit da hin. Alle Dinge von solcher Bedeutung wie z. B. der chinesisch-japanische Mandschureikonflikt wurden ihm sorg fältig ferngehalten, und von der Eröffnungsrede des dies maligen Präsidenten De Valera bis zu den Ausführungen Herriots unterhielt man sich darüber, ob man nun wirklich bedeutungslos sei oder nicht. De Valera bejahte das mit der ganz undiplomatischen Offenherzigkeit eines kampf gewohnten Jrenführers, während Herriot natürlich dieses in Versailles geborene Kindlein gar nicht genug loben und empfehlen konnte. Schließlich lobt und empfiehlt ja jeder Krämer seine Ware! Aber diesmal hat man es in Genf nicht einmal dazu gebracht, daß die „hohe Versammlung" des Völkerbundes ihre Hauptaufgabe erfüllt, nämlich in „Gelegenheit" zu machen, die Kulissen abzugeben, hinter denen sich die mehr oder weniger zwanglosen Verhandlungen der Staats männer einiger europäischer Großmächte abspielen. Eine Gelegenheit also, der Tagung vorhergehende allzu grelle Disharmonien zwischen den Regierungen in sanftere Flötentöne umstimmen zn lassen, einen gereizten Noten oder Redewechsel in eine direkte Aussprache der Beteiligten überzuleiten. Veranlassung dazu lag diesmal besonders reichlich vor und man hatte auch wirklich die Erwartung ausgesprochen, es würde in Genf die unerhört scharfe Zuspitzung vor allem der deutsch-französischen „Be ziehungen" irgendwie durch eine persönliche Annäherung zwischen dem deutschen Außenminister und Herriot ein wenig gemildert werden können. Henderson, der arme Präsident der Abrüstungskonferenz, fogar Englands Außenminister Sir Simon versuchten auch einiges nach jener Richtung hin, aber die mitten in diese Besprechungen hineinplatzende Sonntags - Nachmittags - Rede Herriots machte praktisch alles überflüssig und besonders eine per sönliche Aussprache zwischen dem deutschen und dem fran zösischen Außenminister, also Herriot. Man hat sich viel mehr gegenseitig „geschnitten", der Reichs kanzler selbst antwortete von Berlin aus auf die Rede Herriots, und Herr von Neurach ist auS Genf zurück gereist, ehe der französische Ministerpräsident dort, wie vorher angekündigt, das Rednerpult besMg. Es bleibt also nunmehr allein der Intelligenz der Diplomaten überlasten, jenes „ehe" in ein „obwohl" oder in ein „gerade weil" umzudeuten; denn für Diplomaten ist bekanntlich schon jedes Mienenspiel „bedeutungsvoll", — wie viel mehr also ein Wort oder gar eine Tat! Aus manchen Sätzen der Rede Herriots mag man auch heraus lesen, daß der nach Berlin abgereiste Außenminister so zusagen wie Banquos Geist im Genfer Verhandlungssaal saß, ohne allerdings Macbeth-Herriot in Aufregung zu bringen. Denn der hatte die Gewißheit, daß „grundsätzlich" auch England und Italien — außer Amerika — den deutschen Versuch mißbilligt hatten, in der Abrüstungs- «nd Gleichberechtigungsfrage zu Sonderverhandlungen mit Frankreich zu kommen. Und schließlich wußte Herriot auch, daß er den worteplätschernden Delegierten einen ihn nichts kostenden Gefallen tat, wenn er ihre „Bedeutung" mit überzeugtem Brustton pries. Wie sagt doch schon im „Faust" Mephistopheles: „An Worte läßt sich trefflich glauben." Neurath berichtet über Genf. Das Reichskabinett nahm einen Bericht des Reichsaußenministers von Neurath über die Genfer Tagung entgegen und billigte einstimmig die Haltung des deutschen Delegationsführers. Sodann beriet das Reichs- kabinett eine Reihe von Wirtschaft^ und Aerwaltungs- jragen. veutichlanck unck Frankreich Große Aussprache in Gens. Die deutsch-französischen Beziehungen vor dem Völkerbund. Nach der allgemeinen Interesselosigkeit der letzten Tage zeigte der Sitzungssaal des Völkerbundes am Donnerstag wieder das Bild früherer großer Tage. Die Bänke der Abgeordneten waren völlig besetzt. Diplo maten-, Publikums- und Pressetribünen waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Präsident Politis gab gleich zu Beginn der Sitzung Herriot das Wort, der u. a. ausführte: Frankreich wünsche in der Hauptaussprache von neuem seine Treue zum Völkerbund zu bekunden, um so mehr, als in diesem Jahr vom Genfer See ein eisiger Wind des Pessimismus ausgehe. Frankreich wolle die Aufmerksamkeit der öffent lichen Meinung auf alles das lenken, was der Völkerbund bisher geleistet habe. Der Völkerbund habe die Ab rüstungskonferenz geschaffen; er habe die Lausanner Konferenz ermöglicht, er habe ferner die Locarnokonferenz angeregt, die internationale Schiedsgerichtsbarkeit ge schaffen und schließlich das System des allgemeinen Schiedsgerichtswesens ausgebaut. Der brennende Punkt des öffentlichen Lebens sei gegenwärtig die Abrüfiungsfrage. Er halte eS nicht für zweckmäßig, sämtliche Schwierig keiten der Abrüstungskonferenz aufzuzählen, um die Gegensätze nicht noch zn verschärfen. Die großen Schwierigkeiten in der Abrüstungsfrage müßten mit Vor sicht behandelt werden, weil das Schicksal des Völker bundes aus dem Spiele stehe. Frankreich habe aber den Mut, alle diese Fragen zu lösen. Der Erfolg der Ab rüstungskonferenz werde entscheidend für die allgemeine Ruhe sein. Es handelt sich um die Frage der Entwurze lung des tausendjährigen Übels des Krieges. Für diese Frage müsse jetzt eine universelle Lösung gefunden werden, auf die Frankreich seit jeher entscheidenden Wert lege. Trotz aller Kritik und andersartiger Auffassungen seien die Arbeiten der Abrüstungskonferenz zweifellos nicht ohne Erfolg geblieben. Eine neue Ordnung müsse geschaffen werden. Mit erhobener Stimme rief Herriot: „Frankreich will den Völkerbundpakt, nichts als den Völker- bundpakt, den vollen Völkerbundpakt. Frankreich fordert diesen Pakt und fordert das Recht!" Der Redner wies dann rückschauend auf die Bedeu tung des Hoover-Planes hin, lobte dis Initiative der amerikanischen Regierung, auf deren Erfolg er vertraue, und ging schließlich auf wirtschaftliche Fragen ein. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen stellte Herriot fest, daß der Völkerbund zwei entscheidende Ergebnisse erzielt habe: die Unterdrückung der Geheimdiplomatie und das Ende der großen Allianzen der Vorkriegszeit. Herriot schloß, alle Nationen seien im Völkerbund auf dem gleichen Fuße zu behandeln. Der Völkerbund habe zwar bisher die Macht noch nicht völlig ausgeschaltet, müsse aber jetzt ein Nechtssystem schaffen, damit an Stelle der Macht das Recht trete. Politisch wichtigere Ausführungen als Herriot machte der Vertreter Englands, Lord Cecsl, der sehr offen über die Beziehungen Deutschlands und Frankreichs sprach. Auch Cecil verteidigte zunächst den Völkerbund gegen alle Angriffe und bekannte sich als uneingeschränkter Anhänger des Bundes. Der Völkerbund habe entschei dende Verdienste nm den Weltfrieden; seine Erfolge auf allen Gebieten seien außerordentlich groß. Vorwürfe müßten nicht gegen den Völkerbund, sondern gegen seine Mitglieder gerichtet werden. Cecil bezeichnete die Lau sanner Konferenz als den ersten Schritt für den Wieder aufbau der Welt, begrüßte die Eröffnungsrede de Valeras und ging nach einer flüchtigen Behandlung des Streit falles zwischen Bolivien und Paraguay unmittelbar auf die deutsch-französischen Beziehungen über. Die gespannten Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich seien ernster als ave anderen Streitfälle. Eine Einigung zwischen diesen beiden großen Mächten würde die heutige Unruhe und Sorge zu einem entschei denden Teil beseitigen. Er habe nicht die Absicht, an einer der beiden Mächte Kritik zu üben. Niemand bezweifle jedoch, daß, wenn die Politik dieser beiden Mächte in voller Übereinstimmung mit den von ihnen angenommenen Grundsätzen des Völkerbundes geführt würde, automatisch alle Schwierigkeiten und Gegensätze aufhüren würden. Alle Mächte müßten heute fordern, daß diese beiden Staaten sich auf den Boden deS Völkcrbundvertrages stellen. Der Frieden könne nicht gesichert werden ohne den entscheidenden Willen zum Frieden. Lord Cecil forderte die beiden Regierungen auf, in Zukunft ihre Politik mit dem Böllerbundvertrag in Einklang zu bringen. Er ging sodann znr Abrüstungssrage über. Die Negierungen ständen heute vor der Entscheidung, ob sie Krieg oder Frieden wollten. In der ganzen Welt werde heute die Frage erwogen, ob die Regierungen tat sächlich die Abrüstung wollten. Gerade die Mächte mit großen See- und Landrüstungen müßten sich zu einer ehr lichen Abrüstung bekennen. Wenn die Abrüstungskonfe- renz zu einem Mißerfolg führen sollte, dann würde die Well unweigerlich nicht nur zu den Zuständen der Vor kriegszeit zurückkehren, sondern es würde eine weit schlimmere und gefährlichere Lage Platz greifen. Die Regierungen würden damit offen zugeben, daß sie nicht den Frieden, sondern den Krieg wollen. Der italienische Delegierte Baron Aloisi sprach Wer Abrüstung und Wirtschaftskrise, die zwei Themen, über die Italiens Außenpolitik ganz präzise und klare Gedanken verfolgt. Italien sei fest ent schlossen, zum Ziele der Abrüstung zu gelangen. In der Wirtschaftskrise müsse endlich begriffen werden, daß das Leben der Völker sich heute in viel breiterem Rahmen ab wickle, und daß die Regierungen dieser Tatsache einfach Rechnung zu tragen haben. Es könne nicht so bleiben, daß jeder Staat sich bemühe, die Folgen der Wirtschaftskrisen möglichst von sich abzuwcndcn und auf andere fällen zu lassen, denn damit verschärft jeder die Krise nur, und das ist eine Schraube ohne Ende, unter der alle leiden. Reichstagsdurchsuchung versaffungs- Vidrtz? Die Feststellungen des Polizeiuntersuchungsausschusses. Der Polizeiuntersuchungsausschutz des Preußischen Landtags nahm nach Beendigung der Aussprache über den Schlußbericht des Berichterstatters Möller-Halle (Soz.) in Sachen der R e i ch s t a g s d u r ch s u ch un g mit allen übrigen gegen die Stimmen der Deutschnationalen eine Reihe von Fest stellungen an. U. a. wird betont, die Durchsuchung des Reichstagsgebäudes stelle einen Ver stoß gegen Artikel 38 der Reichsverfassung dar, für den die kommissarische Staatsregierung die volle Verantwortung trage. Dann wurde noch ein Antrag der nationalsozialisti schen Mitglieder des Ausschusses mit allen übrigen gegen die Stimmen der Deutschnationalen und Kommunisten an genommen, der fordert, daß die Schlußfeststellung des Ausschusses dem Landtagspräsidcnten mit der ausdrück lichen Bitte um Übermittlung an den Reichspräsi denten zugeleitet werden soll. polnisch-französische Ltnverschämiheii. In seiner Propaganda für die Wiederwahl Polens in den Völkerbundsrat geht das von französisch-polnischer Seite finanzierte „Journal de Nations" so weit, den ständigen Sitz Deutschlands im Völkerbundsrat als einen Skandal zu bezeichnen. Das Blatt verlangt als Gegen gewicht die Wahl Polens in den Rat, obwohl das inter nationale Ansehen Polens seit den unglaublichen Vor gängen in der Ukraine und Oberschlesien zweifellos stark gelitten hat. Sie VerMW« des ReichMMmr Berlin, 30. September. Das Kabinett hat sich nach dem Schluß der außenpolitischen Beratungen noch mit Wirtschafts- und Verwaltungsfragen befaßt. Es wurde, wie der „Lokal anzeiger" erfährt, kurz über das seit Jahren schwebende Problem neuer Richtlinien für die mittlere Beamtenlaufbahn gesprochen weiter über die vom Reichskanzler in seiner letzten Rundfunk- rede wegen Ersparnismaßnahmen gemachten Vorschläge, die das Kabinett durchführen wird. Außerdem sind die von Dr. Gerecke gemachten Vorschläge erörtert worden, bei denen es sich um Pläne zur Kreditbeschaffung und Arbeitsbeschaffung handell, die die steuerliche Kraft der kleinen Gemeinden heranziehen wollen. Mit dem Gerecke-Plan soll die Möglichkeit geschaffen werden, daß die Wohlfahrtserwerbslosen von den Gemeinden Beschäftigung erhalten. Die Beratungen über diese Pläne sind noch nicht abgeschlossen. Herriot vermLiiett zwischen Rußland und Rumänien. Ministerpräsident Herriot empfing nacheinander die Außenminister der Türkei und Südslawiens, ferner der» Vertreter Rumäniens und den sowjetrussischen Außen kommissar Litwinow. Die Unterredung Herriots mit Lit winow dauerte über eine Stunde. Herriot erklärte nach den Unterredungen, daß er in den Besprechungen mit den Vertretern Rußlands unh Rumäniens in der Frage des Nichtangrifssvertrages, zwischen diesen beiden Ländern versucht Habe, eine An gleichung herbeizuführen.